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Nicht da nicht dort


Epilog

Ich dichte, ohne zu trachten.
Der zarte Traum
Ist hartes Brot.
Was ich seit dreißig Jahren
In Versen sang,
Flüsterte
Und immer wieder formend sprach,
Ist den Menschen unbekannter Klang – wie
Ehe ich begann.
Die Auster leidet Perlen.
Geburt ist Untergang.
Meine Jugend war zu bitter.
Als Kind bat ich den Märchengott
Um anderes Dasein.
Als Knabe bittend ich beschwor
Phoibos Apollon.
Der Judenchristen Abgott,
Der unbekannten Seins und Namens
Sich weltfern gut verbirgt
Vor der Gerechtigkeit,
Das angebetete Geschöpf
Entschwand mir spät,
Als ich im Unglücksmenschen seinen Schöpfer
Klar erkannt.
Die Völker, denen ich entwuchs:
Die Deutschen, Juden Österreichs
Hab ich jung geliebt,
Im Kriege mich entwöhnt.
Mein Wort hat keinen Preis gekrönt.

 

Ans Ende der Welt

Ich möchte letzten Abschied nehmen von Wien,
Dem Grab meiner Jugend.
Ich träume mich in die Länder der Wolken,
Ich möchte landen in der äußersten Bucht,
Einsam ruhn am bachstillen Gestade
Von der innern Dämons-Rede,
Die kein Affe branden hörte.
Daß ich euch so lange schwieg,
An meinem, euerm Kummer saugend –
Ich mag nicht diese scharfe Welt besingen!
Ich will lieber auf Nimmerwiedersehn verlassen
Die malarischen Stadtinseln Europas,
Die Straßen des Übelgeruchs,
In denen immer tierisch die Bürger
Feiern den hundertsten Krepiertag
Eines verhungerten Traumbruders,
Den ihre würdigen Großväter-Ochsen
Zertrampelten zu Brei.
Ich stecke die Nase in den Klassikersarg:
Schon wütet Verwesung
Im Karfunkelsalat
Halbverschimmelter Gedichtkonserven.
Keiner kann mit seinem Schrei
Das Schlaf-All wecken.
Beifall noch den Russen-Riesen,
Denen endlich
Die Kirchentempel niederpurzeln.

 

Ahasver

Ich Gefangener im Raum,
Der ich bald im Tod
Und vorher schon im Schlaf verwese,
Traf im Traum
Den ewigen Juden Ahasver,
Der immer noch wandert
Über das dunkle Meer.

Er war ein wahrwissender Schuster
Und er kannte
Die wandernden Füße der Menschen.
Er war ein Weiser und erkannte
Die Flickschuster unter den Königen,
Die Dürre der Wüste
Im süßwilden Prophetengekrächz.

Kam aus dem Tempel
Zu ihm in schuhwimmelnden Raum
Der junge Traumzimmermann Jeschu,
Ein Talmudschüler,
Eben Bar Mizwah geworden,
Mit drehlockigen Ecken
Des Feldes, Gesichtsfelds,
Wollte neue Jontef-Sandalen
Zum Havelock aus Kamelhaar.
Müder und frischer Nomade
Besangen die welthistorische War
Aramäisch.

Die schlaflosen Augen des Jungen
Schossen verworrenes Licht.
Er wußte nur die Dörfer, Seen und Hügel,
Die biblischen Schwefelquellen
Ihm heiligen Landes,
Die Meere und Reiche der Römer nicht.
Zion war ihm die Stadt,
Kanaan – Welt,
Jehova der Gott: »Wahrlich,
Ich sag euch allerlei Liebes im Zorn.«

Hinter dem dornigen Burschen vom Land
Standen dem Schuster
Die Gräber gereiht
In Ewigkeit.
Kirchhöfe der Leichen
Mit unersättlichen Kreuzen,
Aufgerichtet der Eine, das Eine –
Ihm zu Ehren fielen die blutgetauften Ähren
Der vielen gemordeten Andern.

Ahasver wollte nicht
Die ritualmordende Ahle begreifen,
Er schenkte dem Bauernjungen Sandale:
Neue Sandale – zu wandern!
Der Pechschuster tötete nicht
Das verworren glühende Licht.
Und als an Jeschu, dem irrenden Mann,
Sich vollstreckte der Plan
Der Erlöserei,
Mit dem wahnsinnigen Kreuz,
Mit den Balken weltschwer
An der Schusterei vorbei –
Ahasver
Ließ den wirren Kreuzwanderer ruhn,
Gab ihm zu trinken,
Trug ihm das Holz.
Aber das hintergesichtige Schicksal:
Ein gesetztreuer Dämon der Rache
Schlug mit unendender Strafe des Alterns
Den armseligen Ahasver.
Die Füße in unverwüstlichen Stiefeln des Leids
Seine leibledergewordene Seele
Muß laufen Jahrtausende durch.

Er schwamm
Durch sich noch immer gewissenhaft spaltende
Meere,
Tauchte in Schlünde, pflegte die Heere
Der kranken Fische
Mit eiszitternder Hand.
Sein Asbestleib überstand
Den Sturz in rauchende Berge,
Völkervulkane,
Die Feuerstöße Madrids,
Die Pogrome Polens.
Hatte der zeitlose Greis
Aussterbehungrig irgendwo glücklich
Dank diesen hehren
Lichtreklamen des Kreuzes
Ein zähes Leben verloren –
Rastlos ward er wiedergeboren.

Wenn mit dem schneeweißen Gram
Das Fest der Händler und der Liebe kam:
Zur Weihnacht hing er sich auf.
Die Sanitätssoldaten der Erde
Schnitten ihn unerbittlich ab.
Hallelujah!

In Rom
Befuhr ihn der Fahrstuhl Petri:
Das unbefleckt jungfräuliche Auto
des faschistischen Papstes
Bei der ersten Gala-Ausfahrt.
Ahasver stöhnte keuchend ihm nach:
»Alles Gute zu Fronleichnam!
Herr Papst, ich kannte weiland Ihren Heiland,
Einen schönen Gruß von Jesus Christus.«

In Mekka –
Allah ist groß!
Spuckte ihn ein Beduinenbub an,
Ahnend: Der war einst, als er jung war
Und die Gefahr erkannte,
Kein Mann!

In Jeruscholajim,
Kaddisch zu sagen zur Jahrzeit
An der Klagemauer des Volkes,
Sprach der alte Hausierer aramäisch,
Verstand, ratlos im Geschrei wallfahrender Esel,
Das vornehme, neue Zionistenhebräisch nicht –
Dem letzten Patriarchen
Krachte verachtendes Lachen
Ins eisbärtige Gesicht
Ein Nazionist,
Ein Gemeiner von der ahasverischen
Heimwehr: ein anglo-jüdischer Polizist.
Schalom!

Du-sollst-nicht-töten-Ahasver
Ließ einst leben und sterben
Den allzu Lebendigen.
Der füllte den ewig leeren
Fata Morgana-Himmel
Mit Glockengebimmel,
Weihrauch von paradiesischen
Seligkeitsmeeren.
Seine Stiefpfaffen ehren scheinbar den toten:
Nichtseienden Gott der verworrenen Liebe,
Verheeren die lebenden Söhne der Menschen.
Solang der Eigennutz sich Mosis: des Sohnes,
Und noch eines Sohnes bedient,
Geldsaugen auf Erden
Christpriester und Cohn –
Die Menschlichkeit zerrinnt.

Die Wanderfüße halten nicht ein.
Mich Gefangenen im Raum,
Der ich bald im Tod
Und vorher schon im Schlaf verwese,
Streifte im Traum,
Mit Siebenmeilenstiefeln des Leids
Unterwegs zwischen Zeit und Ewigkeit,
Der Planet Ahasver,
Der immer noch pilgert
Über das dunkle Meer.

 

Tiberias

Für Oskar Kokoschka

Tief blühen wüste, blau erglühte
Blumen und sterben faulend in der Blüte.
Um schwarze Häuser hängt
Der Sonne Siedeluft.
Untergang felsenrot.
Zwielicht.
Im Schutt verdächtigt geile Seide nackte
Weiber. Ob sie ein neues Leben packte?
In die Mimosenkluft
Drängt sich der Tod
Mit Moder-Zimmt und nimmt:
Das Kind ergreist im Schoße da!
Der See ist heiß, die Hölle nah.
Der Tag ist Schweiß, die Nacht zu warm,
Kein Mensch – der Dunst nur fängt sich Schlaf.
Wer geht, der steht.
Wer arbeitet, ist arm.
Araberfettsteißschaf,
Kamel und Esel, Jud und Christ –
Hier stinkt die Seligkeit nach müdem Mist,
Weil dies der Garten des Verwesens ist.

 

Matrosenlied

Für Madeleine B.

Was sollen uns Küsten
Und Schnee auf den Bergen,
Wasserfall und Zackenblitz?
Wir sehen den Berg und ersteigen ihn nie,
Die Häfen sind seicht,
Wir liegen im Meer, im blauesten Meer
Und man läßt uns niemals an Land
Zu den Frauen.
Am Sonntag dürfen wir baden.
Die Woche müssen wir laden
Tabak und Wein.
Zu rauchen haben wir nichts.
Zu trinken haben wir nichts.
Der Kran nur, der Kran nur
Nimmt immer was ein:
Baumwolle und zappelnde Hammel.
Die Küsten bescheren uns Kisten.
Wir rackern. Es schnattert der Kran
Von fetten Efendigeschäften.
Wir fahren den Kahn.
Wir tragen die Last,
Wir leiden die Fracht,
Wir heben die Fässer und Kisten.
Zerschmettert uns nicht der heutige Tag,
Zerschmettert uns die morgige Nacht.
Die Sonne geht auf
Und die Sonne geht unter.
Dazwischen dürfen wir schwitzen.
Neues zu sehen ist schwer.
Land und Meer
Treibt sich stets in derselben Gegend umher.
Drei neugefangene Vögel
Fahren mit uns,
Sie picken und hacken das Gitter.
Sie wollen hinaus. In den Wald.
Aber sie sollen uns singen!
Das Schiff muß Zucker, Fett, Soda
In jedes Fiebernest bringen.
Und gegen das ewige, eherne
Knattern und Rattern des Krans
Wünscht sich ein gefangner Matrose
Vogelgesang.

 

Piratenlied

Für Ernst Rowohlt

Schiffsjunge fällt vom Mast ins Wasser.
Das hält die Fahrt nicht auf.
Kapitän – der alte Seehund schiffet
Erbarmungslos ins Meer.

Groß ist unser Ruhm auf den Dreiteufelsmeeren,
Aber wir lieben heißer und mehr als den leeren Ruf
Rum.
Wir leben in Brandung und Branntwein.
Und wer ihn nicht halten kann,
Kotzet ins Speigatt oder ins Meer.

Hat der Feind mal mehr Kanonen,
Gibt es heute blaue Bohnen,
Morgen wirft uns die Welle
Von Bord in Bordelle,
Wir segeln im Nebel
In die Tabakwolken der Kneipen.
Wenn unser Messer entern will,
Wird mancher Mann still wie das Meer.

Unser Blut juckt uns an allen Hurenküsten,
Doch unsre Schätze schlafen brav vergraben,
Weil wir zu viel
Filzläuse und Schlafschätze haben
In jedem mordswüsten Eiergroghafen am Meer.

Was sollen uns Gold,
Weiberperlen und Diamanten?
Wir trinken Wein,
Gebrannten und ungebrannten,
Wir spielen, stinken, trinken und versinken,
Wir rauchen, raufen, saufen und versaufen
Eines versoffenen Abends im silbernen Meer.

Will uns dann der Tang-Teufel kielholen
Bei der Nacht im schlaflosen Meer,
Wird seine herzliebste Großmutter
Geteert und gefedert
In seinem verdammt feinen Arschhimmel von Höllensalon.
Wir werden kein Strandratzengrab haben!
Uns näht man im Sturm auf der Stelle in Segel
Und schmeißt uns ins heilige Meer.
Und wenn uns dabei kein verhungerter Hai frißt,
Dann leben wir tot noch im ewigen Meer.

 

Ursprung

Die dicke Sonne: die blöde Null
Hat unser Leben verschuldet.
Fern ihr roter Donner,
Der Feuerblumen Glitzerwellen,
Die blitzenden Schwingen,
Die tödlichen Klingen des Lichts
Zeugten das Unheil.
Nun überrunden uns die Stunden,
Seit einem blinden Sternhüter
Die Fäulnis »Leben« entrann,
Seit irgend ein Geldhüter
Die Hexe Arbeit ersann.

 

Der Baumwollkurs

Ist aufs günstigste beeinflußt.
Die schönsten Frauen sonnen sich
Im Glanz der goldenen Glatzen.
Kein millionen-alter Gashahn
Sehnt sich vergebens
Nach einer jungen Gashenne.
Er erwirbt die Paradies-Auslagen der Mädchen
Mit einem das Land der Verheißung
Spendenden Lächeln
Für seinen privaten Entkleidungstrust,
Verwandelt die haltbarsten Jungfrauen
In seinem Zeitlupanar
In talentlose Huren.
Das ist liegend und so kühl, wie es ist,
Aufzubewahren.
Der Ehegatte pachtet das Gelände:
Ein kalter Hintern
Ist ein allbeliebter
Wallfahrtsort im Sommer.
Die deutsche Kuhgans wiederkäut dabei
Geschnatter.
Die Menschen entleeren sich gern ineinander.

 

Zwieblauch

Irgendwann war angeblich Revolution.
Na, wenn schon!
Vielleicht auch gab es im treuen
Deutschland, dies zu bereuen,
Inflation?

Hört! Hört: infolge solcher Konfusion –
Mit einem Schreberstaubgarten
Der schäbigsten Laubenkolonie
Betrogen um fünf Erdteile der außerhalb
Fabriken für Auto- und Scheckbuchbesitzer
Herrlichen Geldwelt –
Unbefreit dämmert der Prolet
Wilhelm Zwieblauch
Sein muffiges Leben in Hilferdingsda eben dahin.
Bis früh alternd, siech, arbeitslos,
Am ersten Mai
Groß ausübend das allgemeine Wahlrecht,
Der Wilhelm Zwieblauch
Vor Hunger sich frei
Zu saugen beginnt an dem Gasschlauch.
Auf des Kellerlochs feuchtfröhlicher Diele
Ersinnt der kleine Ebert Zwieblauch,
Wilhelms rachitischer Enkel,
Mit Spinnen, Wanzen, Schaben und Asseln
Hygienische Spiele.
Lallt, sich in Schlaf quasselnd,
Von Brummbären und Brombeeren im Wald.
Dann haucht ein Gaswind wunderlind:
Alles für das Kind.

Schwanger Hindenburgis,
Zwieblauchs sechzehnjährige Tochter,
Palastgehilfin bei Baron Moltke Kohn
Oder Creuzot Krupp,
Stöhnt, reißt sich das rechte Auge aus
Oder gläubig aus das linke:
»Rasch abgekratzt nach achtundvierzig
Arbeitsjahren ist der Alte.
Lebst schuftend du, bist du verratzt, verloren.
Ausgekratzt wird nur das Kind der Rasse
Pinke-Pinke.«
Sie heult staubsaugend um den tauben
Hochaltar:
Ostmarken- oder ruhrhilfereiche Kasse –
Noch ist die Kindesleiche nicht geboren!

 

Germanenschabbes

Ehret die Frauen,
Sie können nicht kochen!
Tunkt ihr die Tunke,
Kommt euer Gedärm in die Wochen –
Hausmannskost kostet das Leben!
Ehret die Weibchen, die Zeitvertreibchen –
Der Bubikopf hat
In seinem nicht kopflosen Weltkrieg
Immerhin die Knie-Freiheit erfochten.
Ihr aber, Sklaven! Nationalesel!
Habt euch ausgeliefert dem Feindbund:
Kapitaldemokraten, Pfaffen und Junkern.
Auf Massenausflügen
Dürft ihr im Zeitungsjüdisch
Euern kaffeevergifteten Ziegen
Was von deutscher Republik vorlügen –
Helden vom Reichshakenkreuzbanner
Schwarzweißrotgold.
Am Wochenende die Weekente.
Das Wandervöglein hold und edeltraut:
Die gebräunte Wannseemannsbraut
Aus dem neuen Schlüpfer ins Heu schlüpft,
Im Schatten eines Wotansbartwisches
Klingt es und singt:
»Stahlhelmut!
Ich habe Pipi gemacht in den Wäldern!«
Ein Motorrad fährt allein spazieren im Gras.
O Lenz! Die Telegraphenmaste schlagen aus –
Aber der Sonntag ist am Montag aus,
Die Wotanseichel saust nachhaus:
Auf den Soziussitz schwingt sich geschwind
Urahne, Großmutter, Mutter und in der
Tochter befindliches Kind,
Verwundert winkt Abschied
Im herben Auspuff- und Windjackenwind
Oberlehrers markig ostelbisches Rind.

 

Deutschland

Kennst du das Land, wo die Germanen blühn?
Kennst du die überdeutschen Untermenschen,
Goethes amusisch:
Völkisch entartetes Knechtvolk?
Aus dem Lande der Teutonenbande fliehn!
Wohin? Dahin!
Schande – leider gibt es keinen Ort!
Man kann noch immer nicht
Von dieser Erde fort
Zum Licht!

Ich bin ein Deutscher.
Kennt Ihr meine I. G. Farben?
Deutsche! Trinkt deutschen Rhein!
Singet im Gesangverein
Deutsche Lieder vom mainischen Wein.
Wollet vor Wotan-Jehovah
Zum Beten treten,
Daß wieder bald
Im Teutoburger Biederwald
Über der Hampelmänner
Ratzenkahlgeschorene Sträflingsglatzen
Der heilige Bierabend hereinbricht.
Dann rauchen und trinken
Kugelköpfig die kegelnden Krieger
Hindenburg Gold
Und Löwenedelextraspezialperle.
Kaiser Rotbart wächst durch den Tisch.

Der Himmel ist zum Kotzen grau.
Es weckt kein Schrei irgend eine Partei,
Dies konservativ blökende Schlafvolk.
»Simson! Bonzen über dir!«
Kapitalbonzen in Fabrik,
Kunst, Wissen und Politik!
Stolze Empörer winden sich volutionär
Zwischen den Bürgern
Auf und ab.
Krumm der Sozi-Aal schlängelt sich rum,
Macht Arbeiter dumm.
Gehorsam der Prolet
Schwitzt sich hoffnungsvoll, stumm
Ins Grab.
Nur die Toten haben frei.
Sogar der erste Mai
Fällt längst schon auf den ersten April,
Weil das die »rote« Polizei
So will.
Schnarchend verrichten Sozialbonzen,
Arbeiterverführer,
Die sozialdemokrätzigen Pfaffennaturen
Und Zeitungshuren
Ihr Empörergeschäft:
Tagaus, tagein,
Im Tagtraum, im Nachttraum
Leckt der Abschaum, das Sozialschwein
Sklavisch, demokratisch
Seine süße Schlummerstulle:
Den Kapitalhintern der Macht,
Den angestammten Arschadel
Der monarchistischen Militärwehr.
Bis der auswärtige Adel im rückwärtigsten Amt,
Weimarsche Hakenkreuzprofessoren
Der Kaiser Wilhelm-Gesellschaft,
Oberlehrerminister, Stahlschelme,
Leitartikelnde Gaukler und Schaukler
Freibleibend den ausgeweideten Kuli verhökern
An das unersättlich niemals
Abgefundene Potsdam.
Bald segnen und loben
Die prominenten Zeitungsenten
Den fetten Dolchstoß von oben.
Nur das arme Stimmvieh
Weiß nicht, was soll es bedeuten,
Daß es so dämlich ist.
Es nahn der Zwangsarbeit faschistische Zeiten!
Das kommt der S. P. D. nicht in den Sinn.
Sozialdemokraten! Müllert!
Hängt eure Führer:
Wilhelms treuteutscheste Mannen
Endlich auf an deutschen Tannen!

 

Der Nil

Für Wilhelm Schmidtbonn

Der Nil ist nur Touristen grün,
Fellachen sehen ihn gelb oder grau.
In Ägypten leben: hungern
Millionen von einem Groschen den Tag.
Dreizehn Millionen Menschen
Haben kein reines Wasser, kein Haus.
Da fahrn ma halt nach'm Menahaus naus.
Es wird ein Nil sein
Und wir wern nimmer sein!
Börseaner aller Länder
Vereinigt euch
in Ägypten.
Hier ist Baumwolle,
Steigt sie toll mit den Fluten,
Gibt's Geldüberschwemmung für die guten
Plantagenbesitzer.
Der immergrüne dreckbraune Nil
Spendet drei Ernten im Jahr.
Immerdar.
Zwar blüht Bilharzia, Typhus und Ruhr,
Aber nicht Weißen, sondern nur
Den Fellachen,
Die seit Pharaonen
Häuferln machen in der Wüste,
Unter den siebenundsiebzig Plagen Ägyptens
Stöhnend auf den Straßen einschlafen,
Aussätzig, erblindet erwachen.
Lepra stört nicht den Schlaf
der schlafwagengewiegten
Paschas, Lords und ihrer Whiskysodalisken,
Der Suezcanaillen,
Die mit Siebenmeilenstiefeln gähnend am
Flamingorot,
An den Ibissen und Wasserbüffeln des Deltas
Vorbei,
An nie geschauten tausend Tempeln der Götter
Vorbei
Alle Wüsten in Pullman-Oasen durcheilen.
Keiner der wohldressierten
Nekropolypen Cooks
Schleift die Pyramidenmüden zur Hölle,
Für sie ist ein mildes Winterklima zur Stelle.
Man füttert sie keinestags
Mit den Saubohnen der Armen.
Früh weiß meckert das Haar des braven Sklaven,
Die Sonne der Sorgen gerbt es, verfärbt es,
Heut kriegt er ein Papatacci,
Morgen ein Schwarzwasserfieber.
Für seine Kinder keine Schulen,
Zum Trinken faulendes Wasser.
Sie schlingen Klee,
Uralten Kukuruz und rohes Zuckerrohr.
Ins Gerümpel verkrochen,
Auf allen Gassen Kairos nachten, vergreisen
Dreißigtausend Waisen: Verwahrloste Kinder.
Auf den Straßen der Fremden putzen die Buben
Den kotigen Stiefel des Schicksals,
Das ihnen Staub,
Den letzten Tritt als Bakschisch gibt.
Die Peitsche!
Aufseher peitschen arbeitende Kinder.
Knaben graben für Dollar-Ägyptologen
Um karge Piaster nach goldenen Schätzen,
Unter Glühsonnen acht Langstunden des Tags
Schaufelnd das eigene Grab.
Was tut man nicht für Tutanchamon!
»Mein ist die Rache!«
Spricht der Herr Baumwollmissionär
Und schleppt arabische Bibeln daher.
Ave Maria! Ave Malaria!
Warum verrecken dreizehn Millionen?
Zu Knechten schuf sie unverstandner Koran.
So herrscht immer noch rings
Der grausam weiße Sphinx,
Er schmarotzt im grünen Garten,
Den er mit christlichen Krokodilstränen gießt.
In der Jahrtausendwüste
Sitzen geduldig
Die Memnonkolosse
Und warten,
Bis ihnen ein Weißer den Schuh putzt.

 

Jerusalem

An den Sickerbächen, falben Flüssen –
Die heute noch von gestern fließen,
Morgen schwinden,
Nimmerzu von Milch und Honig triefen,
Doch von fetten gelben Gewissenswürmern –
Schrien Wüstenpropheten
Ihrem taubblinden
Volk ins Gewissen;
Noch starren die schluchzenden Schluchten
Der Felsen,
In die ihr Feuertränengewässer
Einst grub grünende Buchten
Den Palmen.

Wo über fromme Gelsen
Die Klagemauern trauern,
Sah ich die Steine,
Worunter die Patriarchen schnarchen.
Die wollen nicht gehn,
Nicht auferstehn,
Nur schlafen
Immerzu.
Auf ihren Gräbern
Im Tale Joschaphath
Weiden am Schabbath
Schaf, Ziege und Kuh.
Die wollen noch Gras,
Die Toten noch Ruh.

Schlicht ist es, vom ewigen Frieden zu träumen
Auf Ölbergen, unter Ölbäumen;
Leicht, spielend mit Gasen und Giften
Auf dem Golfplatz von Golgatha,
Englisch durch Blut und Tod
Ewigen Unfrieden stiften
Zwischen Arabern und Juden.
Stets blutrot
Die Erde ist ein verlogenes Lazarett.
Auch der von Nazareth
Erlöste nie die Welt –
Es blieb der Armen Arbeit
Und der Reichen Geld.
Ist die Erde
Die meine
Oder die deine,
Gibt es keine
Menschen.

 

Damaskus

Ich spreche nicht von Saulus oder Paulus,
Denn diese Zelotenschwalbe des Zionysos
Machte keinen Sommer der Menschheit.
Mich ärgert die Auserwähltheit aller Völker.
Das hält sich für Monotheisten,
Sind aber nur Scheinjuden, Scheinchristen.
Konfession ist Humbug, Schwindel;
Mit Himmelsgespinsten um fette Erde
Betrügt man die Menschen.
Rundreiseyankees becooken
Vierzehn Tage die Hoteltempel Ägyptens –
Aber nur zwei oder drei Palästina:
Das eigene Land Jehovas,
Der Mosespropheten und Davidsbastarde.
Wer trieb den Teufel aus einem Saujuden
In Myriaden Sauchristen?
Den Schweinen klingt das zu schweinern?
Man soll nicht verallgemeinern?
Ich erstarre zu Stein:
Die Gemeinheit der Allgemeinheit
Ist ungemein!

Ich seh Egoistengesindel, das prompt
Dem Herrgott den Tag stiehlt,
Nach dem Kopf jedes Farbigen zielt,
Mit »Heiden« Geld oder Leben spielt
Und beides schnappt.
Dafür zelebriert es Levantinerkultur:
Der Riesenfreßsaal des Katarakthotels Assouan
Nahm fromm die Form der Moschee an.
Mahlzeit!
Bei den Lebe- unter den Muselmännern
Die Gestalt keiner Bordellbar
Eine christliche Kirche war.
Kein Diplomätlein interveniert,
Kein Weißer die Lästerung spürt oder sieht.
Nur der Kataraktkranich flieht
Vor dem Geschmacksfrikassee
Einer Speisemoschee
Ins bessere, innerste Afrika –
Vergebens: Trara!
Die Kapstadt-Kairo-Flieger sind schon da!
Bald gibt es auf Erden nur
Die alleinseligmachende Bombenkultur.

Ich sah in Damaskus –
Grüß Gott! Saulus oder Paulus –
Ich sah im Damaskus der Rauscheflüsse,
Wie ein Franzos
Einen in der Sonne frierenden, fiebernden,
Fetzenbehängten Araberknaben
In das schmutzvolle, eisige Becken
Des Springbrunnens schmiß.
Ich sah in Damaskus frühmorgens
Spahis fröstelnd, erbittert über den Frühdienst,
Fantasia reiten zu Ehren
Der gebenedeiten Jungfrau von Orleans.
Der Papst hatte die wohlverbrannte
Revanchekriegerin, Ketzerin
Endlich heilig gesprochen.
Hätten Spahis die Selige lebend gerochen,
Sie hätten die Jungfrau
Geritten, geschändet, erstochen.
Wüßte er, welch Patriotengelichter
Kränze spendet
Dem Grab des unbekannten Soldaten,
Dem Grab des unbekannten Matrosen,
Dem Grab des unbekannten Piloten –
Dem armen Proleten
Drehte sich der zerschossene
Straußenmagen rundum
Über seine Maniaken-Marschälle.
Ich sah Damaskus in Trümmern.
Franzosendegeneräle haben sadistisch
Auf Damaskus mit Kanonen geschossen –
Nach Märtyrern alter Flinten.
Welch ein Geschrei
Über Barbarei,
Hätten Deutsche Damaskus,
Den Haschischtraum der Araber:
Uralte Moscheen, Paläste, Bazare,
Eine Stadt lebender Menschen
Wegen gerechten Aufruhrs zertrümmert!
Franzosen dürfen. Sie bauen dafür
Ihre Fertigware: Kasernen, Baracken.
Frankreich darf. Man liebt nur
Diese alte privilegierte, militaristisch vertierte,
Andre Kulturen mutwillig zerfurzende
Kulturhur.
Sie tut es mit Grazie.
Waren Sie schon in Paris?
Eine Bombenkultur. Besonders in Annam.
Auch Franzosen sind »Boches«.
Franzosen sind »Hunnen«.

 

Volkshymne

Bocheland, Bocheland über Alles!
Welschland, Welschland über Alles!
Alle Länder über Alles!
Alle Völker sind ein Dreck!
Nieder mit den Vaterländern!
Wo du lebst, ist die Beschwerde
Ehern groß und ewig gleich,
Denn die ganze Menschenerde
Ist ein zweckbeschißnes Schweinereich.
Wer den Armen frikassieret,
Macht sich selig, macht sich reich.
Fron ist Schicksal der Millionen,
Freiheit blüht hier bloß den Drohnen,
Ihrer ist dies Himmelreich.
Zwangsarbeit den Arbeitsknechten!
Wer da schuftet, nicht darf rechten,
Wenn er tot ist, dann vielleicht –
Appelliert er ohne Chance
An das jüngste Kriegsgericht.
Proleten, ihr seid Urgroßesel,
Die Hohn unverfroren an den Ohren
Lebenslänglich, sterbensbänglich zieht.
Künstler, Weise hungern über Zeiten,
Feldherrn, »Führer« hamstern Blut und Ruhm.
Proleten eilen, sich zu opfern
Für die faulen, feigen, feilen,
Rosaroten Parteibonzen,
Schmiererlumpen und Zuhälter jeder Macht.
Wer das Gold hat, hat die Erde –
Tot hat sie der Arme auch!
Und es lebt vom Todesschweiß
Der Hunde, Pferde, Menschenherde
Geschäftsvampyr, der unser Blut aussaugt
In Äckern, Ämtern und Fabrikkasernen,
Bis er hängt von allen Sternlaternen –
Der kannibalische Machtgierbauch.

 

Menschheit

Für Franz Pfemfert

Ihr tanzet im Blutschwarm
Auf Bällen, Kaninchen;
Euere Götter sind die schäbigsten Masken,
Ein Lustgeschäft ist Euere Liebe.
Das Irrsal der Menschen auf diesem Stern –
O wüßt ich den Ausweg zu finden, zu künden!
O wärt Ihr so schön wie die Blumen,
O wärt Ihr so rein wie der Tau.
O wärt Ihr so groß wie die Berge,
O wärt Ihr so tief wie das Meer.
Aber Ihr seid nur
Menschen aus umgeborener Erde,
Gern gäb ich Euch unerwachsenen Kindern
Ein Spielzeug!
Oft ging ich, Euch Freude zu suchen,
Aber noch lenken die mordenden Greise
Euer Geschick.
Ihr tröstet Euch mit Wollust in den Betten,
Ihr tröstet Euch mit dem Fraß im Abort!
Verblutend am Kreuz nie vergoltener Arbeit
Im armen Vergnügen erstickt Eure Seele.
Nichts gab Euch das Leben;
So freut Ihr Euch am Abenteuer der Leinwand,
Am Abenteuer des Lebens äffenden Buches,
Schmackhaften Beinen im Theater des Todes,
Der endlich den alternden Magen,
Den alternden Schoß,
Die alternden Augen
Und unbefleckt von Erkenntnis
Euer Gehirn
Stampft in den Staub
Der vergessenen Gräber.


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