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Liebe


Elly

Morgentraum und sanfte Glut
Verheert mein Hirn, das nie entruht.
Zerdrücktes Herz stöhnt, blutet Leid,
Mich umwintert Einsamkeit.

Hin und Her. Auf und ab.
Fremde, Kälte bläst um mich.
Eh Gruß dem Kuß
Und Leidenschaft der Liebe wich –
Im Grenzwind grinst fern dir mein Grab.

 

Ethel

Ich sehne mich nach deinen Winterwimpern,
Sommersprossen, der Frühlingshand,
Herbstrotem Haar,
Und nur die Winterwehmut ist und war.
Verbannt aus Frühlingsland, das wir genossen,
In graue Wüste, selbstverdrossen
Erlösch ich im Licht, das Larven scheint.
Der Regen weint,
Und selbstversteint
Alt-einsames Herz
Gibt sich der Träne, die den Regen grüßt.
Wenn ich wüßte,
Wer den Regen weint in meine graue Wüste –
Sein Schmerz schluchzt nah
Meinem Gram um nichtgeküßte Küste
Und Tränenregen frißt
Alt-einsames Herz,
Fern deinen Winterwimpern, Sommersprossen,
Der Frühlingshand, herbstrotem Haar
Und allem, was einst war
Und nicht mehr, nicht mehr ist!

 

Ilsebill

Möge Gott mich rascher töten,
Enteile, Geist, urab dem Plunder: Leib.
Fortpflanzen Not zu neuen Nöten?
Wenn rings die Kröten sich zusammenlöten,
Flieht mich das süße, bunte Wunder: Weib.

Wie Hagelgewimmel stürzt Tod vom Himmel,
Würgt, was sich in Weib und Gott nicht birgt.
Sind Gott und Weib verschieden?
Die Stufe schmiegt sich in den Thron.
Polternd zerbrach ich Stufenfrieden
Und barst verbröckelnd stufennieder,
Entstelltes Chaos, spröder Ton.

Umrauscht mich Ruhe, Kühlgefieder,
In das sich still die Furcht:
Die tiefe Weltangst stehle?
Duldet der Geist die Flucht –
Daß sich sein Knecht vermähle?
Ich ahne, Herr, es ist der Tod
Und nicht das Weib, die ferne Seel an Seele.

 

Abendsee

Wir kämmten Wolken; Faun und Fee
Im Liebesspiel über Stern und See.
Nun hat uns Dämmer verschneit,
Nebel gezweit,
Vor Leid vergilbt die Lilienzeit.

Neidwolken, herzschnappende weiße Wölfe,
Warum verscheuchtet ihr mir
Die verspielte Tanzelfe?
Mein Abendlied ertrinkt im See.

Die wilde Nacht bespringt mein Reh,
Die Sterne haben sich abgedreht,
Ödvogel weht sein: »Spät, zu spät!«
Ich fühle weh, wie ich im Schnee
Untergeh.

 

Betty

Mich verschlingt die rote Wut,
Mit der Sonne in Blau-See
Fall ich tiefseetiefer;
Lyrisch piepst die Sternenbrut,
Flimmerndes Geziefer.
Lauernd lähmt mich laue Nacht,
Grauer, schwarzer Schatten.
Kauernd kaut mich krumm Verdacht,
Bis Giftneid und Sehnens Sucht
Mit Geiergier in mir sich gatten,
Schlangengleich in allen Poren paaren
Meiner Seelen, die in Seligkeit verloren waren.
Klage hallt und wallt das Blut;
Sonne hebt sich aus Blau-See,
Neue Scheibe roter Wut.

 

Verzweiflung

Wochen, Wochen sprach ich kein Wort;
Ich leb einsam, verdorrt.
Der Himmel hat keinen Stern.
Ich stürbe so gern.

Meine Augen betrübt die Enge,
Ich verkriech mich in einen Winkel,
Klein möcht ich sein: eine Spinne –
Aber niemand zerdrückt mich.

Keinem hab ich Schlimmes getan,
Allen Guten half ich ein wenig.
Glück, dich soll ich nicht haben.
Man will mich nicht lebend begraben.

 

Die Hölle

Mit weißem Mauszahn biß mich das Schicksal.
Unwürdig zu Füßen dem Weib,
Der unerstürmten Belacherin,
Lebensverwüsterin,
Heute zertrampelt von Launen,
Scheinmorgen borgend aus gnädigen Worten –
Liebe ersehn ich, endlose Liebe.
Nicht gab mir die Mutter nie endenden Kuß,
Ich such ihn ewig – und ewig
Weicht er vor mir zurück,
Aus dem Tag in die Nacht,
Aber Nacht ist hart, Schlaf gibt mir ihn nicht,
Es haben die Berge des Traums
Nicht andern Ort, sie zerschmettern
Die Brust mir.

 

Lehm

Wenn ich, dem Lehm enteilend,
Über die apfelblütenbeschneiten Seewege
Trabe,
Zärtlicher Sand kriecht in meine Sandalen
Und knirscht:
»Guten Morgen!«

Deine Augen haben
Zwei Eichhörnchen und ein Reh.
Matt erhäng ich mich in der Hängematte.
Reime gerinnen in meinem Kopf.
Nicht schütteln!

 

Der Unglückliche

Ich bin der Zerstückte,
Der nichts besitzt und nur erschrickt.
Ich bin der Zerfallene,
Einsam erstickt.
Ich bin der Gefangene,
Den keine befreit.

Die Bäume blühen anders.
Sie wachsen sanft im Schlaf.
Mir barst der Traum in Trümmer.
Ich gehe.
Nicht segnet mich zum Leben
Der Safranmund.

 

Zürich

Ich muß mich selbst beneiden
Um mir entsunkne Zeit;
Zerwölkt von Sehnsucht schmacht ich
Nach Flaum und Fleisch.

Du spieltest mit dem alten Dornstrauch,
Er blühte grimmig seinen Winterfrühling.
Nun ruht die schwarze Katze dir am Herzen
Und ich bin
Eine vergessene Feder am Schreibtisch.

Kleine Speise ward ich deinen Zähnen,
Ein Ball, der stets in die Hand dir zurückfliegt.

 

Mutter

Die Nacht ist lang.
Du bist mein weißer Weihnachtsbaum,
Vom reinen Stern entzündet;
Du leuchtest still, Schnee fällt, in Traum
Der Zeiten Winter mündet.

Du bist meine einzige Heimat!
Du bist mein Weib:
Gott, Himmel: Zwischenraum,
Der dieser Welten Raum,
Die Teufelshölle: Raum
Menschlich überwindet.

Der Same fließt in bessere Zeit;
Heilig, selig ist ein Opferleib:
Verwundet Mädchenkind,
Das sich zur Mutter rundet.
Die Krippe ist gebenedeit –
Messias schläft in jeder Wiege,
Lichtverbündet.

 

September

Es ist September. Ich fühle Reu.
Das Herz ermattet, die Sterne stürzen,
Herbstbäume sterben rotes Heu.
Ich weiß, daß ich mehr keinen Menschen hab.
Ein alter Sterber bittet um das letzte Grab.

 

Eblis

Gäb es ein Sternengesicht,
Diamantene Geister,
Quellenfrohes Sommergeäug,
Sonnigen Fuß in schattiger Nacht,
Wandelnden Klee –
Der marmorne Satan:
Ein weiblicher Wildfang zerbricht
Den ehernen Mann,
Ein langes Haar fällt den Weltordner.

 

Allein

Sanft war der Sand unter meinen Füßen,
Als ich ein Kind ging.
Nun bläst mir der Sturm in die Nase,
Hagel tanzt auf meinem Hornschädel,
Mädchen verschwinden in der Dämmerung,
Der glühende Geist ruht.

Keine Hütte hab ich,
Kalt ist mein Körper
Und die Rehe vermeiden mich.

 

Blut sickert auf meine Stirn

Vor meinen Schritten beben die Gazellen,
Wehe! ich zerquäle meine Rehe,
Ich verwehe
Smaragdene Schmetterlingsgaukler.
Elfenlibellen,
Die mich am Quellenbach umschaukeln,
Scheucht mein Fluch
Ins Wirbelwasser der Stromschnellen.
Und die Schleierseele
Eines wild entseelten Kolibri
Eilt zu tragen ihre Klagen
Vor den Herrn des Blutes und Gefieders.
Wundervogels Irisfarben
Leuchten Blut auf meine Sünden.
Und der Wunden ewig fallender Tropfen
Sickert auf meine Stirn,
Schreckt zurück mich auf die Wehmuterde:
Zu den alten Schattenjahren
Sternenloser Mondumnachtung,
Bis mich der Tod zertritt,
Der schwarze Ochse.

 

Reigen

Wie geriet ich in den Nymphenhain?
Die Nacht schwieg,
Der Weg war beschmiert mit Schlangenschleim,
Schnecken krochen Bäume bergan,
Ein alter Trauermolch starb.

Wie geriet ich in den Nymphenhain?
Sie spotteten mein,
Regenleicht,
Tanzwirbelnde Glieder,
Schleier atmend.

Wie geriet ich in den Nymphenhain?
Faune behaarten kühle Najaden,
Die Wälder schwankten vor Lust,
Auf meine Blume fiel rostiger Tau,
Sie bliesen auf meinem Horn.

Wie geriet ich in den Nymphenhain?
Ich blieb.
Ein Strick war gut,
Ich hänge mich auf,
Ich danke dem Baum für den ruhigen Ort.

 

Das Leben

Am Ufer des Breitstroms, großschwätzenden
Ebenen-Murmlers der Sommer,
Saß ich gewiegt von der Wiesen Wölbung,
Sterne suchend im betrübt grünen Spiegel.
Nichts galt dem sich überwogenden Trinker,
Tyrannen der Überflutungsgelüste,
Meine gefleckte Jungkatze.
Er spie die Verreckte
Mit andern Fischgräten aus,
Schnarcht sein Gewog Gestadelehm lang.
Ich sitz im sumpfseligen Rohr,
Traueraug sucht seinen Stern,
Der vergilbend ins Schilf fiel.
Miauend schmieg ich meinen Schlamm
An die gefleckte verreckte Jungkatze,
Die Wipfel der Wasser rollen mich fort
Aus dem zerbrochenen Spiegel,
Ich bete zur Sonne,
Und es spricht das Grün des Stroms
Mit dem Grünen der Wiesen
Vom Wandern und Ruhn.

 

Vergessen

Endlich vergißt man alles,
Sogar die Hand der liebsten Geliebten,
Antlitz der Eltern,
Die Wohnung der Kindheit,
Blumen und Sterne.

 


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