Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Karl Philipp Moritz

1757 – 1793

Auf die vergessene Pathographie von Marcus Herz über Karl Philipp Moritz – in Hufelands Journal Bd. 5, 1 798, S. 259–339 – habe ich vor kurzem hingewiesen. (E. Ebstein, Z. f. d. ges. Neurologie usw. Bd. 117. S. 513–515.)

Herz erzählt, daß Moritz von seiner Reise nach England – im Jahre 1782 – »eine mit einem kurzen Husten verbundene Engbrüstigkeit« mitbrachte. Der Arzt machte ihm Vorstellungen und Vorstellungen, daß Moritz sich zu einer förmlichen Kur entschließen solle. Aber Moritz wollte keine Arzneien nehmen, und vor einem Aderlaß hatte er eine »wirkliche Furcht«.

»Nächst dem Gange mit offener Brust und dem kalten Baden gehörte zu den Affectionen des damals grassierenden Geniewesens, an welchem Moritz nicht wenig litt, auch der Abscheu vor dieser blutigen Operation«.

Kurz danach fand Herz den Kranken gleich einer Leiche nach einem der heftigsten Bluthusten auf Stühlen liegend vor. Die verordnete Ruhe hielt Moritz nicht ein. Daher setzten wieder heftiges Fieber und starker Husten ein. Herz nannte ihn »einen Schwindsüchtigen im ansehnlichen Grade.«

»Das schlimmste unter seinen Zufällen war die stürmische Unruhe in seiner Seele, eine Folge seiner übertriebenen Furcht vor dem Tode.«

Da Moritz den Anordnungen auch weiterhin nicht folgte, verschlimmerte sich sein Brustübel; der Auswurf wurde eitrig und häufig, das Fieber heftiger und anhaltender. »Mit dieser Verschlimmerung wuchs immer das Toben in seiner Seele.«

Moritz erlag – 16 Jahre später – am 26. Juni 1793 einem erneuten Blutsturz.

Nach seinem Tode erschien in Schlichtegrolls Nekrolog 1793, 4. Jg., 2. Bd., S. 169–276 eine ausführliche Würdigung, die, wie aus dem Nachtrag (ebenda Supplementband, 2. Abt., Gotha 1798, S. 182–218) hervorgeht, von Lenz verfaßt war. Dort findet sich übrigens (S. 200 bis 217) auch ein Abdruck der Moritzschen Krankengeschichte, und ihm folgt ein Passus, der darum besonders interessant ist, weil er zeigt, wie ein zeitgenössischer Arzt sich über die Herzsche Pathographie ausspricht. Es heißt dort:

»Ein Arzt, den wir über dieses ingeniöse Verfahren des Prof. Herz zu befragen Gelegenheit hatten, wollte in dieser Krankengeschichte für die Arzneywissenschaft nicht so viel Wichtiges und Neues finden, als sie uns Aufklärung über Moritz zu geben schien. Er sagte: Das eigentliche Brustübel, woran Moritz litt, sey garnicht bestimmt, die Arzneymittel, welche M. genommen habe, wären gar nicht angezeigt worden. So bedenklich, als es nach einigen angeführten Symptomen scheinen könne, müsse die Krankheit nicht gewesen seyn, weil sonst Herz nicht so gewiß hätte die Heilung erwarten können, da bey chronischen Brustübeln die Kunst gar wenig auszurichten vermöge. Überdies habe das ausgesprochene Todesurteil nur ein Hindernis der Heilung gehoben, sie nicht selbst bewirkt, für die Hülfsmittel nur empfänglich gemacht usw. Die Situation, in der Moritz war, sey gar nicht so selten; denn wie oft fühlte der Kranke sich in Gefahr, während der Arzt entweder die Krankheit nicht fürchtet oder seinen Mitteln gegen sie alles zutraut. Daß dieses Schwanken des Gemüthes sich bey M. so nachtheilig bewies, sey ihm unerklärlich – und er sey geneigt, die Erklärung anzunehmen, daß M., der nur ein Phantasiemensch war, habe einen besonderen Reiz darinn gefunden, von dem Arzt förmlich aufgegeben worden zu seyn, seinen frühen unvermeidlichen Tod selbst bemitleiden und von der Vorbereitung sprechen zu können, weise zu sterben, ein Gedanke, der, wie aus allem erhellt, ihn sehr frappirt habe. Dieser Reiz habe die Todesgefahr selbst in Schatten gestellt. – Was unser skeptischer Arzt noch über die Unwahrscheinlichkeit äußerte, daß ganz so gesprochen worden sey, als der beredte Dialog Herzens aussagt, über den Mißbrauch, welchen Ärzte mit Erregung und Künstelung von Leidenschaften auf Veranlassung einer so großen Autorität treiben könnten usw., gehört nicht hierher.«


 << zurück weiter >>