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In dem Quartiere Heinz Schorlins hatte Frau Bärbel, seine junge Wirtin, noch gestern die kostbare Rüstung, die ihr anvertraut worden war, und was dazu gehörte, putzen lassen und in stand gesetzt; doch ihre Arbeit war vergebens gewesen; denn ohne seine Wohnung in der Stadt zu berühren, war Heinz aus der Schweinau geradeswegs auf die Veste geritten.
Erst ganz vor kurzem hatte er erfahren, daß seine beiden Boten aufgefangen und nicht ans Ziel gekommen wären. Dem Ritter Boemund Altrosen dankte er diese und dazu manche andere Nachricht, die Cordula ihm mit auf den Weg gegeben.
Die Aufgabe Heinz Schorlins war in der Hauptsache gelöst, als der Abgesandte der Gräfin bei ihm eintraf. Ungesäumt hatte er sich darum auf den Heimweg begeben, und der schweigsame Freund war diesmal beredt gewesen und hatte ihm alles vertraut, was sich während seiner Abwesenheit ereignet.
Jetzt wußte er, daß Boemund und Cordula Eins waren, hatte er erfahren, was der treue Biberli für ihn gethan und gelitten, und endlich auch bis ins kleinste, welche wunderbare Wandlung sich mit Eva begeben.
306 Als er ausgeritten war, hatte er gehofft, ihr, die er mit der ganzen Kraft seiner feurigen Seele liebte, entsagen zu lernen, und es über sich zu gewinnen, mit diesem glücklichen Feldzug den Kriegerberuf zum Abschluß zu bringen; während er aber Burgen brach und gegen den Feind anstürmte, waren die früheren Wünsche verstummt und ein neues Verlangen und neue Ueberzeugungen an ihre Stelle getreten. Er konnte von dem Waffenhandwerk nicht lassen, das, was Schorlin hieß, seit unvordenklichen Zeiten geübt, und der Minne, die ihn mit Eva verband, abzusagen, war ihm unmöglich. Die Geliebte mußte sein eigen werden, wenn sie auch einem Apriltage glich und wenn ihm auch Biberlis Märe von der Gefahr, die dem Manne von seiten der nachtwandelnden Hausfrau drohte, mehr als einmal in den Sinn kam.
Doch wie schöne Apriltage hatte er erlebt, und mochte Eva auch überreich sein an Fehlern, der Wille, gut zu sein und Gott wohlgefällig, fehlte dem frommen, engelschönen Kinde gewiß nicht. War sie erst sein, so sollte sie schon so werden, daß auch die Mutter daheim seine Wahl billigen würde.
Dem Gedanken, ins Kloster zu gehen, hatte er völlig entsagt. Der Minorit Ignatius, den Pater Benedictus Heinz nachgesandt hatte, damit er das von ihm begonnene Werk an ihm zu Ende führe, war ein Mann, dem es weder an Geist noch an Beredsamkeit fehlte; der feurige Enthusiasmus und die vornehme Sicherheit des jüngst Verstorbenen gingen ihm indes ab. Als aber zwei eifrige Patres, die der Prior der Dominikaner abgesandt hatte, um das Bekehrungswerk an Heinz zu Ende zu führen, ihm in den Weg traten, geriet jener mit ihnen in 307 so scharfe und peinliche Streitigkeiten, daß der junge Ritter, der ihren Zänkereien mehr als einmal beiwohnte, abgeschreckt und entnüchtert, sehr bald alle drei von sich fern hielt und ihnen erklärte, sein Entschluß in der Welt zu verbleiben sei gefaßt, und sein schweres Amt lasse ihm keine Zeit, ihren wohlgemeinten Mahnungen weiter zu folgen.
Er war nicht für das Kloster geschaffen.
Wenn der Himmel ihn eines Wunders gewürdigt, war es geschehen, um ihn am Leben zu erhalten, damit er – wie Eva es wünschte – für die Kirche, seinen heiligen Glauben und den geliebten Kaiser bis zum letzten Blutstropfen streite. Wenn er aber in der Welt verblieb, so that Eva es ihm nach; denn sie gehörten untrennbar zusammen. Warum, hätte er nicht zu begründen vermocht, aber die Stimme, die es ihm fort und fort versicherte, konnte nicht lügen.
Nachdem er Seitz Siebenburg im Schwertkampfe getötet und die Burg seiner Brüder geschleift hatte, war sein Entschluß, um Eva zu werben, zu voller Festigkeit gelangt.
Das Herz befahl es ihm; doch auch die Ehre schrieb ihm vor, der Jungfrau und ihrer Schwester den guten Namen zurückzugeben, den sein leidenschaftliches Ungestüm beiden geschädigt.
Auf dem schnellen Ritte, der ihn mit Boemund Altrosen nach Nürnberg führte, war er im Schweinauer Siechenhause vorgesprochen und hatte in Biberli, dem Gegner Evas, ihren glühendsten Lobredner gefunden. Von ihm war Heinz auch mitgeteilt worden, wie schnell sie das Herz der Mutter und Schwester für sich gewonnen, und daß er alle drei auf der Burg finden würde.
308 Schwester Hildegard hatte ihn endlich auch mit der großen Gefahr bekannt gemacht, in der sein »alter Biber«, sein lieber, treuer Diener und Gefährte, schwebte, und die Eva dahin geführt, die Gnade des Kaisers anzurufen.
An der Leiche des Paters Benedictus hörte er, wie schön der Tod des Greises gewesen, der sich so redlich bemüht, ihn auf den Weg zu führen, in dem er den rechten für ihn gesehen. In einem kurzen Gebete zu Häupten des frommen Freundes sprach Heinz ihm seinen Dank aus und rief ihn zum Zeugen auf, daß er auch in der Welt nicht vergessen wollte, wie kurz das Erdenwallen, und daß er auch für sein anderes Leben, das ewig dauerte, zu sorgen gedenke. Freilich waren Heinz diesem Abschiede nur kurze Augenblicke zu widmen vergönnt; denn die Sache des treuen Gesellen, der selbstlos und ungebeten namenlose Qualen für ihn erduldet, ging jeder andern vor und duldete keinen Aufschub.
Als der Heimgekehrte den Empfangssaal raschen Schrittes hoch aufgerichtet betrat, sah er froh bewegt vor sich, was er am meisten liebte, wonach ihn auf dem Ritte hieher am innigsten verlangt: die Mutter, Eva, die Schwester, den kaiserlichen Wohlthäter, der ihm so teuer.
Hingerissen von einer mächtigen Bewegung warf er sich vor dem lieben Herrn auf die Kniee und küßte ihm Hand und Gewand; der Kaiser aber gebot ihm, sich zu erheben, und begrüßte ihn herzlich.
Nachdem Heinz ihm gemeldet, daß er seinen Auftrag glücklich zu Ende geführt habe und einige Worte des Dankes und der Anerkennung dafür geerntet, legte er, bevor er sich an die Seinen wandte, in aller Bescheidenheit, aber doch mit dringlicher Wärme dem Kaiser ans 309 Herz, wenn er mit ihm zufrieden sei, statt jedes andern Lohnes seinen treuen Diener, der aus Liebe zu ihm die grausamste Marter ertragen, der Verfolgung zu entziehen.
Da gewann das Antlitz des Herrschers, der Heinz wie einen lang entbehrten Sohn willkommen geheißen hatte, ein ernsteres Ansehen, und leiser Unwille schien sich in den Ton seiner Stimme zu mischen, als er ihm zurief: »Bringen wir erst Deine eigenen Angelegenheiten ins reine. Wie gegen Deinen Diener, zu dessen Gunsten man mich schon so reichlich plagte, wurde auch gegen Dich, mein Sohn, ernstliche Klage erhoben. Ein Vater, der zu den Häuptern dieser Stadt gehört, beschuldigt Dich, seiner Tochter den Leumund verdorben zu haben, indem Du in sein Haus drangst, nachdem Du sein Kind Deiner Minne versichert.«
Hier wandte sich Heinz Eva zu, um zu versichern, daß er hier sei, um gut zu machen, was er gegen sie gefehlt; der Kaiser aber ließ ihn nicht zu Worte kommen. Es galt jeden Einspruch, der von geistlichen und weltlichen Gegnern gegen dies Bündnis erhoben werden konnte, auf einmal zum Schweigen zu bringen, und so behielt er, wie sehr es ihn auch drängte, das junge Glück dieser beiden mit zu genießen, die Miene der ernsten Unzufriedenheit bei, die er angenommen, und befahl einem Pagen, den Schultheißen, den ersten Losunger der Stadt Nürnberg und seinen Protonotar, die sämtlich zu den Anwesenden gehörten, und endlich auch die Herzogin Agnes zu ihm zu berufen.
In ihren Kinderaugen las er wie in einer deutlichen Schrift, und weder war ihm das Aufleuchten ihres Antlitzes beim Eintritt Heinz Schorlins, noch der feindselige Blick 310 entgangen, mit dem sie die Gräfin Montfort gemessen. Ihre Neigung wie ihr eifersüchtiger Groll sollten ihm dienen.
Die junge Böhmin meinte jetzt bestimmt zu wissen, daß Heinz Schorlin, und kein anderer, der von Cordula erhörte Ritter sei; hatte doch die Gräfin bei seinem Erscheinen dem Vater laut genug zugerufen: »Da hätten wir ihn denn wieder!«
Als sie den berufenen Herren voran vor dem Kaiser stand, ersuchte sie dieser, in einer wichtigen Frage die Entscheidung zu treffen.
Der Ritter dort – und damit wies er auf Heinz – hätte sich eines schwer zu rechtfertigenden Handels schuldig gemacht. Obwohl er der Tochter eines wappenfähigen Nürnberger Geschlechtes nachgestellt und sogar in ihr väterliches Haus gedrungen sei, habe er, wie es scheine, dieser Beklagenswerten vergessen . . .«
»Und,« brauste die junge Gattin auf, »auch eine andere hat der gewissenlose Mann nicht nur seiner Minne versichert, sondern auch ernstlich um sie geworben.«
»Das würde ihm ähnlich sehen,« versicherte der Kaiser. »Wir aber dürfen der Klage des Nürnberger Ehrbaren das Ohr nicht verschließen. Seine Tochter, eine holdselige, sittsame und wohlbeleumdete Jungfrau, kam durch Heinz Schorlin in großen Schaden, und so bitte ich Dich, Kind, mit dem feinen Gefühle, das Dir gegenüber allen Fragen eignet, die die Rechte und Pflichten einer Dame angehen, uns anzuvertrauen, was nach Deiner Meinung dem Ritter Schorlin aufzuerlegen sei, um gut zu machen, was er an der jungen Nürnbergerin verschuldet.«
311 Damit winkte er dem Protonotar, um ihm zu gebieten, der Herzogin die Klageschrift Ernst Ortliebs zu zeigen; die junge Böhmin aber schien die Kunst des Lesens trefflich geübt zu haben; denn schneller als es anderen möglich gewesen wäre, auch nur von den ersten Sätzen Kenntnis zu nehmen, rief sie, indem sie sich hoch aufrichtete und Cordula mit stolzer Ueberlegenheit ins Auge faßte: »Hier gibt es nur eine Entscheidung, wenn anders die gute Sitte in dieser edlen Stadt gewahrt und die jungfräulichen Töchter ihrer edlen Geschlechter auch fürder vor dem Mißgeschick sichergestellt werden sollen, ein Spielball für den Frevelmut leichtfertiger Herzensbrecher zu werden. Diese Entscheidung aber, auf der ich als Dame und Fürstin im Namen meines gesamten Geschlechtes und aller ritterlich Gesinnten, die mit mir die Ehrfurcht und unverbrüchliche Treue hochhalten, die einer Dame gebührt, fest und entschieden bestehe, sie lautet: Ritter Heinz Schorlin hat bei dem ehrbaren Herrn, der diese Klage mit vollem Rechte an Eure kaiserliche Majestät brachte, um die Hand seiner Tochter zu werben, und, würdigt die so schwer geschädigte Jungfrau ihn noch, ihn zu erhören, vor Gott und der Welt den Ehebund mit ihr zu schließen.«
»Mir aus dem Herzen gesprochen,« versetzte der Kaiser und fuhr, indem er sich an die Nürnberger wandte, fort: »Und so frage ich euch denn, ihr werten Herren, die ihr mit den Gesetzen und Sitten dieser guten Stadt vertraut seid und ihrer Rechtspflege vorsteht: Ist mit einer solchen Eheschließung die Klage erledigt, die sich gegen den Ritter Heinz Schorlin und mit ihm gegen seinen Herrenknecht erhebt?«
312 »Sie ist es,« entgegnete der alte Herr Berthold Vorchtel mit ernster Entschiedenheit.
Der kaiserliche Schultheiß pflichtete ihm zwar bei, doch fügte er bedenklich hinzu, ein beklagenswertes Zusammentreffen habe es gefügt, daß eine andere noch schwerer durch die Unvorsichtigkeit des Ritters getroffen worden sei als Eva. Es sei ihre ältere Schwester, die Braut des jungen Eysvogel. Um ihretwillen, wie um es zu einer giltigen Verbindung zwischen dem Ritter Heinz Schorlin und der jüngeren Ortliebin kommen zu lassen, bedürfe es der Zustimmung des Vaters. Wenn die kaiserliche Majestät das Gnadenwerk, das sie so huldreich begonnen, heute noch zu einem schönen Ende zu führen gedächten, so stehe dem nichts im Wege; denn Ernst Ortlieb befinde sich mit der von der Verleumdung so schwer betroffenen Tochter auf der nahen Zollernschen Burg.
Erstaunt ließ der Kaiser sich erklären, wie sie dorthin kämen und befahl dann, den Vater Evas und ihre Schwester zu ihm zu führen. Er sei begierig, auch das zweite schöne E kennen zu lernen.
»Und Wolff Eysvogel?« frug der Schultheiß.
»Wir bestimmten,« entgegnete der Herrscher, »ihn erst freizugeben, nachdem wir Nürnberg hinter uns ließen. So viel Rühmliches wir darum auch von diesem jungen Manne vernahmen, so gern wir ihm auch zeigten, wie großen Dankes wert wir das Blut schätzen, das ein Tapferer für uns auf dem Marchfelde vergoß, so duldet doch keine Aenderung, was kraft unseres kaiserlichen Wortes . . .«
»Gewiß nicht, Brüderlein,« unterbrach ihn hier der 313 Schalksnarr Eyebolt; »doch gerade darum sollst Du dem Eysvogel, so schnell es angeht, den Käfig öffnen und ihn hieher flattern lassen; denn auf dem Ritte zu den Zeidlern überschrittest Du in der eigenen, sieben Fuß hohen Person, das ihr – Deiner kaiserlichen Person, mein' ich – an Länge nicht weit überlegene Gebiet dieser guten Stadt. Darum wandtest Du ihr so sicher den Rücken, wie Du vor den Dingen stehst, die hinter Dir liegen. Und da einem Kaiserworte nicht so viel hinzugefügt oder abgenommen werden darf, wie die Mücke auf dem Schwanze davonträgt, wenn sie überhaupt einen hat, so bist Du, Brüderlein, verpflichtet und gehalten, das merkwürdige Ungetüm, das zugleich ein Wolff ist und ein Vogel, auf der Stelle freizugeben und hieher zu bescheiden.«
»Nicht übel,« lachte der Kaiser, »wenn die Nürnberger Stadtgrenze unsern Rücken in der That auch nur so kurze Zeit sah, wie es bedarf, um aus einem Weisen einen Narren zu machen. Folgen wir denn Deinem Rat, Eyebolt! Ihr, Herr Schultheiß, sagt dem jungen Eysvogel, die Gnade des Kaisers habe seine Strafe von ihm genommen. Der Bruch des Landfriedens sei demjenigen vergeben, der uns den Frieden so heldenhaft zu erkämpfen beistand.«
Dann wandte er sich an Meister Gottlieb, den Protonotar, und raunte ihm, nur ihm verständlich, zu, er möge flugs eine Schrift zu Papier bringen, die dem Bunde Heinz Schorlins mit Eva Ortliebin rechtliche Kraft verleihe, damit ihn weder eine weltliche Behörde, noch auch die Dominikaner und Klarissinnen, anfechten könnten.
Während dieser Verhandlung hatte die höfische Sitte den Anwesenden verboten, den Platz zu wechseln. Was 314 einer dem andern kund zu thun wünschte, hatte er ihm mit der stummen Sprache der Augen anvertrauen müssen, und einer scherzhaften Regung Kaiser Rudolfs gefiel es, den Bann, der diejenigen getrennt hielt, die es am mächtigsten zu einander hinzog, noch aufrecht zu erhalten.
Als er indes mit dem Protonotar redete, durften Kühnere es wagen, sich freier zu bewegen, und von ihnen allen legte sich Cordula den geringsten Zwang auf.
Bevor Heinz noch Zeit gefunden, das erste Wort an Eva zu richten oder die Mutter zu begrüßen, trat sie schnell an seine Seite und flüsterte ihm mit bitterböser Miene zu: »Wenn der Himmel den Besten das größte Glück schenkte, so müßtet Ihr von den Vorzüglichen der Vorzüglichste sein; denn ein feineres Meisterwerk als Eure künftige Hausfrau – ich kenne sie – ist ihm nimmer gelungen. Aber jetzt öffnet die Ohren und folgt meinem Rate. Zeigt erst, wie's euch ums Herz ist, wenn Ihr die Burg so weit hinter Euch ließet, daß das Auge des böhmischen Königskindes Euch nicht mehr erreicht. Haltet an Euch, wenn Ihr nicht wollt, daß das Glücksschiff noch dicht vor dem Hafen scheitert.«
Dann kehrte sie ihm mit einer schnellen Wendung und gut gespieltem Unwillen den Rücken.
Geflissentlich blieb sie, nachdem sie in den Saal zurückgetreten war, gesenkten Hauptes in der Nähe der Herzogin stehen; diese aber trat rasch auf sie zu und sagte mit gut gespieltem Ernste: »Ihr, Gräfin, werdet meinem Eintreten gegen die Leichtfertigkeit unserer ritterlichen Schmetterlinge und für ihre Opfer, die armen, unerfahrenen Jungfräulein, wohl am letzten die Zustimmung versagen.«
315 »Wenn Eure Hoheit meinen,« antwortete Cordula und zuckte, als gelte es, sich in Unvermeidliches zu fügen, die Achseln. »Was mich angeht, so sendet mich, fürchte ich, Eure gütige Fürsorge ins Kloster.«
»Gräfin Montfort als Nonne!« lachte die junge Gattin. »Wenn Ritter Schorlin es war, dessen Ihr vorhin gedachtet, so gehört auch Ihr allerdings zu den beklagenswerten Getäuschten; doch mit weiser Vorsicht sorgtet Ihr ja längst für Ersatz. Statt Euch, deren so viele begehren, in einem Kloster zu verbergen, winkt doch lieber einem Eurer Verehrer und schenkt ihm das Glück, dessen der andere nicht wert war.«
Da schaute Cordula kurze Zeit sinnend zu Boden und rief dann, als hätte dieser Rat ihre Billigung gefunden: »Wie immer, so fand auch diesmal die reife Weisheit Eurer herzoglichen Hoheit das Rechte. Ich tauge nicht für den Schleier. Vielleicht morgen schon werdet Ihr von mir hören. Auf wen die Wahl fällt, wird sich dann wohl entscheiden. Was würdet Ihr zu dem schwarzhaarigen Altrosen sagen?«
»Ein tapferer Streiter,« versetzte die Böhmin, und das Lachen, das ihre Rede begleitete, kam ihr diesmal aus dem Herzen. »Versucht es mit ihm in aller Heiligen Namen. Doch seht den Ritter Schorlin! Ein mürrischer Beglückter! Er scheint mit unserem Richterspruche nicht völlig zufrieden.«
Darauf winkte sie ihrem Kämmerer und dem Hofmeister, sagte dem kaiserlichen Schwiegervater Lebewohl und rauschte, indem sie das hübsche Kinderköpfchen stolz zurückwarf, aus dem Empfangssaal.
Bald nach ihr führte der Schultheiß Ernst Ortlieb, seine Tochter und Wolff vor den Herrscher, der wie verjüngt auf die schönen Paare sah, deren Wohl und Wehe in seiner Hand lag. In diesem Bewußtsein genoß er einen jener Augenblicke, in denen er dankbar die ganze Schönheit und Hoheit seines schweren Berufes empfand.
Mit gütigen Worten gab er Wolff die Freiheit zurück und sprach die Erwartung aus, daß er mit solcher Gefährtin das edle Haus seiner Väter zu neuer Blüte führen werde.
Als er sich endlich Heinz zuwandte, frug er leise: »Weißt Du, was dieser Tag mir bedeutet?«
»Er schenkte Euch vor neunzehn Jahren den armen Hartmann,« entgegnete jener und schaute wehmütig zu Boden.
Da nickte der gütige Fürst ihm verständnisvoll zu und sagte: »So soll er denen zu gute kommen, die, so lange er noch währt, auf die Gnade seines Vaters hoffen.«
Dann blickte er nachdenklich vor sich hin, und, getreu seiner Art, ein Ziel – oft auch ein fernes – ins Auge zu fassen und dann das einzelne, das ihn dem Erfolg näher bringen sollte, sorgsam zu Ende zu führen, bevor er sich dem Folgenden zuwandte, berief er den Schultheißen und den ersten Losunger an seine Seite.
Nachdem er ihnen seinen Willen eröffnet, die Schöffen entscheiden zu lassen und, mochte das Urteil auch gegen Biberli ausfallen, ihn durch einen Gnadenakt von der Strafe zu befreien, nahmen beide es auf sich, das Fernbleiben des Angeklagten vom Verhör zu rechtfertigen. Die weise Vorsicht, mit der Kaiser Rudolf in die Rechte des ehrbaren Rates einzugreifen vermied, gereichte dem alten Herrn Berthold Vorchtel zu großer Genugthuung. Er wie der Schultheiß durften auch, des Erfolges sicher, 317 versprechen, diese Angelegenheit, die die Gemüter, besonders im Handwerkerstande, so heftig ergriffen hatte, sei mit der Vermählung der beiden Jungfrauen Ortlieb und der Zahlung des Wehrgeldes an den verwundeten Schneidermeister aus der Welt zu schaffen. Jede neue sie betreffende Klage würden Rugamt und Schultheiß sodann von Rechts wegen zurückweisen dürfen.
Wärmer hatte Heinz dem kaiserlichen Wohlthäter noch für keine Gabe gedankt; der Kaiser aber nahm die redlichen Aeußerungen der Rührung und Erkenntlichkeit des tapferen Schützlings zwar freundlich entgegen, doch gestattete er ihm auch jetzt noch nicht, seines neuen Glückes zu genießen.
Es gab da noch einiges, was erledigt werden mußte, und zum drittenmale lehrte sein eigentümliches Lächeln den Eingeweihten, daß er für denjenigen, dem es galt, etwas Erfreuliches plane.
Die Erwähnung des Wehrgeldes, das Herr Ernst Ortlieb dem verleumderischen Schneider schuldete, der immer noch nicht völlig von seiner Wunde genesen, veranlaßte den Kaiser, den Vater der schönen Schwestern ins Auge zu fassen.
Er wußte, daß auch Herr Ernst einen wackeren Sohn auf dem Marchfelde verloren, und man hatte ihm den Vater Evas als braven, doch schwer zu behandelnden Mann geschildert. Jetzt sah der Herrscher ihn trotz des neuen Glückes seiner Kinder unfroh und als sei ihm eine Kränkung widerfahren, von den Töchtern auf Heinz und von ihm auf Frau Schorlin und Maria blicken, mit denen man ihm noch nicht einmal vergönnt hatte, Bekanntschaft zu machen. Wohl empfand er, daß der 318 Kaiser ihn und die Seinen mit seltener Huld ehre und sie zum wärmsten Dank verpflichte; dennoch aber fühlte er sich als Vater und als Mitglied des stolzen und unabhängigen ehrbaren Rats der freien Reichsstadt Nürnberg in seinen Rechten gekränkt; ja, es kostete ihn schwere Ueberwindung, nicht Einsprache gegen solche Willkür zu erheben. Er stand auch noch hier mit seinen väterlichen Rechten, und Els und Eva waren keine elternlosen Waisen.
Der edle Monarch und kluge Menschenkenner sah dem Nürnberger an, was in ihm vorging, doch das liebenswürdige Lächeln behauptete seinen Platz, als er mit einem Blicke auf den übelgelaunten »Ehrbaren« seinem künftigen Eidam zurief: »Da wurde ich an etwas erinnert, Heinz, was Deine warmen Danksagungen leicht ein wenig abkühlen könnte. Das holdselige Kind dort willigte zwar ein, die Deine zu werden, doch bedeutet das nicht eben viel; denn es geschah ohne Zustimmung des Vaters, durch die dem Vertrage erst Unterschrift zukommt und Siegel. Der ehrbare Herr Ernst Ortlieb scheint aber keineswegs frohen Mutes. Schau ihn nur an! Stillschweigend zeiht er mich sicher eines ärgerlichen Eingriffes in seine väterlichen Rechte, und doch mag er sich versichert halten, daß ich ihm vor vielen anderen wohl will. Schon das Blut seines Sohnes, das für seines Kaisers Sache floß, erwirbt ihm ein gutes Recht auf unsere besondere Gnade, und so schenkten wir denn auch seiner Klageschrift aufmerksame Rücksicht. In dieser verlangt er nun von Dir, mein Sohn, daß Du die zweihundert Mark Silber, die dem Schneider als Wehrgeld zugesprochen wurden, und die er dem geschädigten Handwerker zahlen muß, ihm – Herrn Ernst Ortlieb – zurückerstattest. Dem klugen 319 Geschäftsmanne ist diese Forderung kaum zu verdenken; denn, was er dem übel beratenen Meister anthat, der ihm sein Liebstes so schnöde kränkte, wäre sicher unterblieben, hätte Dein frevelhaftes Eindringen in das Ortliebsche Haus die bösen Zungen nicht entfesselt. Du also, Heinz gabst Anlaß zu seiner raschen That und hast darum von Rechts wegen einzustehen für ihre Folgen. Die Herren Schöffen werden Dich, wenn er klagt, zur Zahlung dieser Summe verurteilen, und ich frage Dich darum, ob Du sie bereit hältst?«
Hier machte Herr Ernst den Versuch, zu erklären, daß, wie die Sachen jetzt stünden, von solcher Zahlung, die nur bezweckt hätte, den Störer seines häuslichen Friedens empfindlicher zu strafen, keine Rede mehr sein könnte; doch der Kaiser entzog ihm das Wort – und forderte Heinz auf, zu reden.
Verlegen schaute dieser indes auf den Helm in seiner Hand und hatte die rechte Antwort noch nicht gefunden, als der Herrscher ihm zurief: »Wie ist mir denn! Irrte sich der Herzog von Pommern etwa, als er mir von einem Haufen Goldes erzählte . . .«
»Nein, Majestät!« unterbrach Heinz hier den Kaiser, ohne den Blick zu erheben. »Doch was von jenem Golde übrig blieb, würde zwar mehr als reichlich genügen, die geforderte Summe zu decken . . .«
»Das dachte ich mir!« rief der Herrscher, ohne ihn ausreden zu lassen; »denn der junge Ritter, der wie ein großer Herr ein schönes Landgut den frommen Franziskanern verehrt, braucht ja nur dem Schatzmeister zu gebieten, die Kasse zu öffnen . . .«
Da fiel Heinz ihm kleinlaut ins Wort: »Ihr spottet 320 meiner, Herr. Ist es Eurer Majestät doch wohl bekannt, woher der goldene Unsegen mir zufloß. Wie schädliches Gift schob ich ihn beiseite, und wenn es mir widerstrebt, ihn zu benützen, um mir das Teuerste und Heiligste gleichsam zu erkaufen, so geschieht es wahrlich nicht aus Kargheit; denn ich war schon entschlossen, die beiden Beutel, die mir verblieben, den frommen Klarissinnen und den eifrigen Minoritenbrüdern anzubieten, von denen einer der Besten sich gar emsig um das Heil meiner Seele bemühte.«
»Recht so, mein Sohn!« scholl es dem Kaiser im Tone warmer Zustimmung von den Lippen. »Kommt das Gold der heiligen Armut dieser frommen Schwestern und Brüder zu gute, dann verwandelt die Teufelsgabe sich leicht in himmlischen Segen. Ihr beide,« und damit schaute er Eva und Heinz liebevoll ins Antlitz, »habt euch ohnehin einander gleichsam dem Kloster entführt und schuldet ihm Ersatz. Dadurch aber, daß Du Dich Deines Goldschatzes entäußerst, mein Freund, gewinnt diese Angelegenheit – denn zweihundert Mark Silber sind für einen jungen Ritter nichts Geringes – ein so schwieriges Ansehen, daß – daß . . .«
Hier senkte er bedenklich die Stimme und fuhr dann mit heiterer Herzlichkeit fort: »Daß sich schon ein Freund entschließen muß, das Seine für ihn zu thun. Zwar seh' ich Deinem künftigen Herrn Schwiegervater, den anderen Nürnberger ›Ehrbaren‹ und sogar Deiner Frau Mutter an, mein wackerer Heinz, daß sie bereit wären, die Zahlung zu leisten; derjenige aber, der Dir am meisten schuldet, hält fest an diesem Vorrecht, und der bin ich, – ja ich bin es, Du mein tapferer Kämpe. Was Du für Deinen Kaiser und sein bestes Werk, den Landfrieden, thatest, 321 verdient guten Lohn, und dank den hohen Heiligen, ist mir gerade etwas zur Hand, was meine Schuld wett macht. Das schwäbische Lehen Reichenbach wurde frei. Es gehört dazu eine starke Veste, von der aus wir Dir den Landfrieden aufrecht zu erhalten und die Raubgesellen niederzuwerfen befehlen. Dies Lehen sei Dein. Mit der lieben Hausfrau magst Du seiner genießen. Deinen Kindern und Kindeskindern soll es gehören bis ans Ende der Tage; denn daß ein Schorlin geboren werden sollte, der nicht würdig wäre solchen Lehens und der seinem Herrn und Kaiser untreu würde, das dünkt mich ein Unding. Drei Dörfer und weite Forsten samt Feldern und Wiesen gehören zu dem Lehnsgut. Ein Leichtes wird es Dir als Herr von Reichenbach sein, das Wehrgeld zu zahlen, wenn Dein Herr Schwiegervater kein allzu dringender Mahner.«
Ein solcher wollte dieser gewiß nicht sein, und es kostete Ernst Ortlieb wahrlich keinen Zwang mehr, vor dem gütigen Herrscher das Knie dankbar zu beugen.
Kaiser Rudolf ließ es geschehen; den jungen Lehnsherrn aber zog er wie einen lieben Sohn ans Herz, und da er die Hand Evas in die seine legte und sie dabei das schöne Antlitz zu ihm aufhob, neigte er sich zu ihr nieder und küßte sie mit väterlicher Huld.
Als Wolff ihn bat, seinen Bund an Stelle des erkrankten Vaters zu segnen, that er es gern, und auch Els bot ihm willig die Lippen, als er sie um dieselbe Gunst bat, die ihm die Schwester gewährt, damit er sich des Kusses rühmen dürfe, den ihm die beiden schönen E's vergönnt, die holdseligsten Jungfrauen Nürnbergs.