Georg Ebers
Die Frau Bürgemeisterin
Georg Ebers

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Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Die erste Juniwoche und die Hälfte der zweiten war vergangen, die schönen Sonnentage hatten ihr Ende erreicht und viele Gäste suchten in der Abendstunde den »Angulus« im Wirthshaus zum Wechsel auf. Es war dort so heimlich, wenn der Seewind heulte, der Regen rauschte und das Wasser plätschernd auf das Pflaster fiel. Das spanische Belagerungsheer umschloß die Stadt wie eine eiserne Mauer. Jeder fühlte sich als Mitgefangenen des Andern und schloß sich enger an seine Standes- und Gesinnungsgenossen. Handel und Wandel stockten, Unthätigkeit und Besorgniß lasteten wie Blei auf den Gemüthern, und wer die langsam hinschleichende Zeit in rascheren Fluß bringen und die bedrücke Seele erleichtern wollte, der ging in die Schenke, um dort den eigenen Hoffnungen und Befürchtungen Ausdruck zu geben und zu vernehmen, was Andere in der gemeinsamen Noth fühlten und dachten.

Alle Tische im Angulus waren besetzt, und wer von seinem entfernter sitzenden Nachbar verstanden zu werden wünschte, mußte seine Stimme recht laut erheben, denn an jeder Tafel wurden besondere Gespräche geführt. Dabei rief man hier und dort und an einer dritten Stelle nach der vielbeschäftigten Schenkin, Gläser klangen zusammen und zinnerne Deckel fielen auf den Hals der Krüge von hartem Steingut.

An einem runden Tisch im Hintergrunde des länglichen Zimmers wurde lauter gesprochen als an den anderen Tafeln. Sechs Offiziere hatten an demselben Platz gefunden und unter ihnen Georg von Dornburg. Kapitän van der Laen, der Vorgesetzte desselben, welcher eine wahre Heldenlaufbahn hinter sich hatte, gab laut und mit tiefer Stimme bemerkenswerthe und lustige Geschichten aus seinen Fahrten zu Wasser und zu Lande zum Besten, Oberst Mulder fiel ihm manchmal in's Wort und ließ schmunzelnd auf jede schwer glaubliche eine ähnliche, aber völlig unmögliche Erzählung folgen. Rittmeister van Duivenvoorde trat besänftigend ein, wenn der Kapitän, welcher sich bewußt war, nie allzuweit von der Wahrheit abzuweichen, aufbrausend die Scherze des Alten zurückwies. Lieutenant Cromwell, ein ernster Mann mit rundem Kopf und schlichtem langem Haar, der mit nach Holland gezogen war, um für den Glauben zu streiten, mischte sich nur selten mit wenigen schwer verständlichen holländischen Worten in das Gespräch. Georg streckte, tief in den Stuhl zurückgelehnt, die Füße von sich und schaute schweigend in's Blaue. Herr Aquanus, der Wirth, ging von einem Tisch zum andern, und als er endlich bis zu dem der Offiziere gelangt war, blieb er gegenüber dem Thüringer stehen und sagte:

»Mein Herr Junker, wo weilen Eure Gedanken? Man kennt Euch seit einigen Tagen nicht wieder. Welches Wesen ist in Euch gefahren?«

Georg richtete sich schnell in die Höhe, dehnte sich wie Einer, der aus dem Schlafe erwacht, und entgegnete freundlich:

»Beim Nichtsthun kommt man in's Träumen.«

»'s wird ihm zu eng hier im Käfig,« fiel ihm der Hauptmann van der Laen in's Wort. »Wenn das noch lange so fortgeht, bekommen wir Alle die Drehkrankheit wie die Schafe.«

»Und wir werden so steif wie der eherne Heidengott dort auf dem Simse,« fügte Oberst Mulder hinzu.

»Bei der ersten Belagerung gab es die gleiche Klage,« entgegnete der Wirth, »aber der Herr von Noyelles ersäufte das Mißbehagen und hat manches Faß von meinem Besten geleert.«

»Erzählt den Herren, wie er Euch zahlte,« rief Oberst Mulder.

»Da hängt der Zettel unter Glas und Rahmen,« lachte Aquanus. »Statt Geld zu schicken, schrieb er mir dies:

›Du hast mir, liebster Freund, viel Gutes angethan,
Doch möchtest du dafür metall'nes Geld empfahn:
Du findest nichts bei mir; drum nimm anjetzt beim Scheiden
An garst'ger Münzen Statt
Dies schön geschrieb'ne Blatt;
Papiergeld gibt sich ja ganz leichtlich aus in Leyden.‹«

»Herrlich!« rief der Junker von Warmond, »und Ihr habt noch dazu selbst den Stempel für die Pappmünzen geschnitten!«

»Allerdings! Das Stillsitzen des Herrn von Noyelles kommt mir theuer zu stehen. Diesmal habt ihr euch doch schon zweimal gerührt.«

»Schweigt, schweigt um Gottes willen schweigt von dem ersten Streiche!« rief der Rittmeister. »Ein wohl angelegtes Unternehmen, das schmählich scheitert, weil der Führer sich hingelegt hat, um wie ein Maulwurf zu schlafen! Wo hat sich dergleichen zum zweiten Male begeben?«

»Aber das andere nahm doch einen besseren Ausgang,« sagte der Wirth. »Dreihundert Schinken, hundert Tonnen Bier, Butter, Munition und dazu den nichtswürdigsten von allen Spionen; immerhin eine treffliche Beute.«

»Und doch ein Fehlschlag!« rief der Kapitän van der Laen. »Wir hätten die Vorrathsschiffe in der Leydener See, so viel ihrer sind, abschneiden und einbringen können! Und der Kaag! Daß dies Fort auf der Insel dem Feinde gehört!«

»Aber die Leute haben sich wacker gehalten.« sagte der Rittmeister.

»Wahre Teufelskerle gibt es darunter,« lachte van der Laen. »Der Eine stach einen Spanier nieder, und mitten im Kampf nahm er ihm die rothen Hosen ab und zog sie sich an die Beine.«

»Ich kenne den Mann,« fügte der Wirth hinzu, »er heißt van Keulen; drüben sitzt er beim Biere und erzählt den Leuten lustige Schnurren. Ein Tausendsassa mit einem Gesicht wie ein Satyr. Es fehlt uns doch auch nicht an Freuden! Denkt an Chevraux' Niederlage und den Sieg der Geusen bei Vlissingen auf der Schelde.«

»Auf Boisot, den braven Admiral und das tapfere Geusenheer!« rief Hauptmann van der Laen und stieß mit dem Obersten Mulder an. Dieser wandte sich mit erhobenem Glase dem Thüringer zu, und als der Junker, welcher in seine Träumerei zurückgefallen war, seine Bewegung übersah, rief er empfindlich:

»Nun, Herr von Dornburg, Ihr braucht lange Zeit zum Bescheidthun!«

Georg fuhr auf und erwiederte rasch:

»Bescheid thun? Ganz recht! Bescheid thun. Ich thu' Euch Bescheid, Herr Oberst.« Damit hob er den Becher, leerte ihn auf einen Zug, machte die Nagelprobe und stellte ihn auf den Tisch.

»Brav!« rief der Alte; und Herr Aquanus sagte:

»Das hat er auf der hohen Schule gelernt; Studium macht durstig.« Dabei warf er einen freundlich besorgten Blick auf den jungen Deutschen. Dann schaute er nach der Thür hin, durch welche der Musiker Wilhelm in den Angulus trat. Der Wirth ging ihm entgegen und flüsterte ihm zu:

»Der deutsche Junker will mir nicht mehr gefallen. Aus der singenden Lerche ist ein mausernder Nachtvogel geworden. Was hat er?«

»Heimweh, keine Nachricht von Hause, und dann die Falle, in die ihn der Krieg auf der Jagd nach Ruhm und Ehre geworfen. Er ist bald wieder der Alte.«

»Das hoff' ich.« entgegnete der Wirth. »Solch saftiges Bäumlein schnellt wieder empor, wenn es zu Boden gedrückt ward; helft ihm auf, dem köstlichen Jungen!«

Ein Gast rief den Wirth, der Musiker aber gesellte sich zu den Offizieren und begann mit Georg eine leise, von dem bunten Durcheinander der Stimmen laut übertönte Unterhaltung.

Wilhelm kam aus dem van der Werff'schen Hause. Er hatte dort erfahren, daß übermorgen, am 14. Juni, des Bürgemeisters Geburtstag sei. Adrian hatte es Henrika, und diese ihm verrathen. Der Hausherr sollte am Morgen seines Wiegenfestes mit Gesang überrascht werden.

»Schön,« unterbrach Georg den Freund, »sie wird ihre Sache vortrefflich machen.«

»Sie nicht allein; wir dürfen auch auf die Frau Bürgemeisterin zählen. Anfangs wollte sie sich ernstlich weigern, als ich aber ein artiges Madrigal vorschlug, hat sie nachgegeben und die erste Stimme übernommen.«

»Die erste Stimme?« fragte der Junker erregt. »Natürlich steh' ich zu Diensten. Laßt uns gehen; habt Ihr die Notirung zu Hause?«

»Nein, Herr von Dornburg, ich brachte sie soeben den Frauen; jedoch morgen früh . . .«

»Morgen früh wird probirt! Dieser Krug ist für mich, Jungfer Dortchen! Euer Wohl, Oberst Mulder! Rittmeister Duivenvoorde, diesen Becher auf Euer neues Reiterfähnlein und manchen wackern Ritt an Eurer Seite!«

Die Augen des Deutschen leuchteten wieder in lebhaftem Glänze, und als Kapitän van der Laen in seiner Rede fortfuhr und sagte: »Die Meergeusen bohren doch noch zuletzt die spanische Macht in den Grund,« rief er begeistert: »Auf's Meer, Ihr Herren, auf's Meer! Seine Sach' auf Nichts stellen, das ist das Beste! Im Sturme jubeln, kapern und entern! Auf dem Feindesschiff Mann gegen Mann und Brust gegen Brust kämpfen und ringen! Fechten und siegen, oder zu Grunde gehen mit dem Feinde!«

»Auf Euer Wohl, Junker!« rief der Oberst. »Donner und Wetter, solche Jugend können wir brauchen!«

»Nun seid Ihr wieder der Alte,« sagte Wilhelm und wandte sich an den Freund. »Stoßet an auf Eure Lieben daheim.«

»Zwei Gläser für eins,« rief Georg. »Auf die Lieben daheim –, auf die Wonnen und Leiden der Minne, auf die schöne Frau, die wir lieben! Krieg ist Lust, Liebe ist Leben! Laßt die Wunden bluten, laßt das Herz in tausend Stücke brechen! Auf dem Schlachtfeld grünt Lorbeer, die Liebe flicht Rosen –, Rosen mit Dornen, aber doch wonnige Rosen! Fort, Ding! Aus dir soll Keiner mehr trinken!«

Georg warf mit glühenden Wangen den gläsernen Becher in die Ecke des Zimmers, wo er klirrend zerbrach. Seine Tafelgenossen jubelten laut, nur der Lieutenant Cromwell erhob sich, um das Zimmer still zu verlassen, und der Wirth schüttelte bedenklich den klugen Kopf.

Es war, als hätte sich Feuer in Georg's Seele ergossen und sein Geist Flügel gewonnen. In krausem Durcheinander umwallten die vollen Locken sein schönes Haupt, als er, tief in den Stuhl zurückgelehnt und mit aufgenesteltem Koller, lichte Gedanken und glänzende Bilder in die nüchterne Rede der Anderen warf. Wilhelm folgte seinen Worten bald mit Bewunderung, bald mit Besorgniß. Der neue Tag hatte längst begonnen, als der Musiker mit seinem Freunde die Schenke verließ. Oberst Mulder schaute ihm nach und rief den Zurückbleibenden zu:

»Der Blitzkerl hat den Teufel im Leibe.«

Am folgenden Tag wurde im Hause des Bürgemeisters, während er selbst den Vorsitz im Rathe führte, das dreistimmige Madrigal eingeübt. Georg stand zwischen Maria und Henrika. So lange der Musiker Fehler zu verbessern und Wiederholungen anzuordnen hatte, beherrschte Frohsinn den kleinen Chor, und mehr als einmal hörte Barbara in der Nebenstube harmloses Gelächter; als aber Jeder seine Partie beherrschte und das Madrigal tadellos vorgetragen werden sollte, wurden die Frauen ernst und ernster. Maria schaute unverwandt auf das Blatt, und so seelenvoll, so makellos rein hatte ihre Stimme selten geklungen. Georg paßte seinen Gesang dem ihren an und seine Augen blieben, so oft sie sich von den Noten erhoben, auf ihrem Antlitz ruhen. Henrika suchte den Blick des Junkers, aber immer vergebens, und doch wollte sie ihn von der jungen Frau abziehen, und doch peinigte es sie, unbeachtet zu bleiben. Es trieb und drängte sie, Maria zu überbieten, und so klang denn bald die ganze leidenschaftliche Fülle ihrer Natur aus ihrem Gesang. Ihr Feuer riß auch die Andere fort., Maria's Diskant überflog jubelnd die wohllautende Stimme des Deutschen, und Henrika's Gesang strömte grollend und jauchzend dahin. Der Musiker schlug entzückt und gehoben den Takt und wiegte sich, hingerissen von dem tiefen Schmelz der Stimme Henrikas, in süßen Erinnerungen an ihre Schwester.

Als die Serenade zu Ende war, rief er feurig: »Noch einmal!« Nun begann der Wettkampf der Sängerinnen mit erneuter Kraft, und diesmal begegnete der leuchtende Blick des Junkers dem Auge der jungen Frau. Da senkte sie schnell das Blatt, trat aus dem Halbkreis und sagte:

»Wir können das Madrigal. Auf morgen früh, Meister Wilhelm; meine Zeit ist gemessen.«

»O, o!« rief der Musiker bedauernd. »Es ist so herrlich gegangen, und es waren nur noch wenige Takte.« Aber Maria stand schon an der Thür und antwortete nichts als:

»Auf morgen.«

Der Musiker dankte dem Fräulein mit begeisterten Worten für ihren Gesang; Georg that es höflich. Als sich Beide entfernt hatten, ging Henrika mit schnellen Schritten auf und nieder und schlug trotzig und leidenschaftlich mit der kleinen Faust in die Hand.

Am Geburtstagsmorgen waren die Sänger zeitig bereit, aber Peter hatte sich schon vor Sonnenaufgang erhoben, denn es gab mit dem Stadtsekretär einen Antrag auszuarbeiten, der vor der Sitzung fertig gestellt werden mußte. Nichts lag ihm ferner, als an seinen Geburtstag zu denken, und als der Chor im Speisezimmer anhub, schlug er mit der Faust an die Thür und rief:

»Wir haben zu thun; sucht euch einen andern Platz für den Singsang.«

Der Vortrag des Madrigals wurde auf einen Augenblick unterbrochen, und Barbara sagte:

»Wer Aepfel pflückt, denkt nicht an das Fischnetz. Er ahnt nichts von seinem Feste. Lassen wir die Kinder vorangehen.«

Die Bürgemeisterin trat nun mit Adrian und Lieschen in das Arbeitszimmer. Sie hielten Blumensträuße in der Hand, und Maria hatte die Kleine so niedlich geputzt, daß sie in ihrem weißen Kleidchen in der That einer lieblichen Elfe gleichsah.

Nun wußte Peter, was der Gesang zu bedeuten habe. Er zog die drei Gratulanten mit Innigkeit an sich, und als der Vortrag des Madrigals von Neuem begann, stellte er sich lauschend dem Chor gegenüber. Freilich gelang die Aufführung nicht halb so gut wie die Probe, denn Maria sang leise und mit umschleierter Stimme, und trotz Wilhelm's heftigem Taktschlagen wollten der Schwung und die Wärme von gestern nicht wiederkehren.

»Trefflich, vortrefflich,« sagte Peter, als die Sänger schwiegen. »Gut ersonnen und ausgeführt, eine schöne Geburtstagsüberraschung!« Dann schüttelte er jedem Einzelnen mit herzlichen Worten die Hand, und als er die Rechte des Junkers ergriff, sagte er warm: »Ihr seid uns in diesen schweren Tagen recht zu gelegener Zeit vom Himmel gefallen. In der Fremde ein Heim, das ist immerhin etwas, und bei uns habt Ihr ein solches gefunden.«

Georg hatte die Augen zu Boden geschlagen, aber bei den letzten Worten erhob er sie und ließ sie in denen des Bürgemeisters ruhen. Wie treu, wie gut und offen schauten sie ihn an! Da überkam ihn eine große Bewegung, und ohne zu überlegen, ohne zu wissen, was er that, legte er die Hände auf Peter's Arme und drückte das Antlitz auf seine Schulter.

Van der Werff ließ es geschehen, strich dem Jüngling über die Locken und sagte lächelnd:

»Wie Leonhard, Frau; ganz wie unser Leonhard war! Heut Mittag bleiben wir Alle beisammen. Auch Ihr, van Hout; und Eure Hausfrau nicht zu vergessen!«

Bei Tisch verteilte Maria die Plätze so, daß sie Georg nicht anzusehen brauchte. Er kam neben Frau van Hout und gegenüber Henrika und dem Musiker zu sitzen. Im Anfang war er still und befangen, das Fräulein ließ ihm aber keine Ruhe, und als er einmal auf ihre Fragen einzugehen begonnen hatte, wurde er bald von ihrer feurigen Lebhaftigkeit fortgerissen und ließ seinen Witz fröhlich spielen. Henrika blieb ihm nichts schuldig, ihre Augen leuchteten, und in der wachsenden Lust, ihren Geist mit dem seinen zu messen, suchte sie jeden Scherz und jede Antwort des Junkers zu überbieten. Sie trank keinen Wein, aber sie berauschte sich an der eigenen Rede und nahm Georg so ganz in Beschlag, daß er keine Zeit fand, an die anderen Gäste ein Wort zu richten. Wenn er es einmal that, so unterbrach sie ihn schnell und nöthigte ihn, sich wieder an sie zu wenden. Dieser Zwang ärgerte den Junker, und während er ihm widerstrebte, erwachte sein Uebermuth, und er begann Henrika zu unerhörten Behauptungen zu reizen und ihnen andere entgegen zu stellen.

Maria horchte bisweilen befremdet zu dem Fräulein hinüber, und in Georg's Verhalten gegen dasselbe lag etwas, das sie verdroß. Peter beachtete Henrika nur wenig, denn er sprach mit van Hout über die zur Uebergabe auffordernden Briefe der Glipper, von denen nun schon drei in die Stadt gebracht worden waren, über die unzuverlässige Gesinnung einiger Mitglieder des Rathes und die Hinrichtung des gefangenen Spions.

Wilhelm, den seine Nachbarin kaum einer Antwort gewürdigt hatte, folgte jetzt dem Gespräch der älteren Männer und bemerkte, daß er den Verräther gekannt habe. Er sei ein Wirth gewesen, in dessen Schenke er einmal mit dem Ritter Matenesse van Wibisma zusammengetroffen.

»Da haben wir's,« fiel ihm van Hout in's Wort. »In Quatgelat's Tasche fand sich ein Zettel, und was darauf stand, das sah der Schrift des Freiherrn verhängnißvoll ähnlich. Quatgelat sollte sich nach dem Bestand der Vorräthe in Leyden erkundigen.«

»Gelichter!« rief der Bürgemeister. »Leider, leider hätte er Valdez nur zu willkommene Kunde bringen können. Die Untersuchung hat wenig Tröstliches ergeben; Genaues ist freilich noch nicht festgestellt worden.«

»Das sollten wir in den nächsten Tagen den Frauen überlassen.«

»Den Weibern?« fragte Peter erstaunt.

»Ja uns!« rief die Frau des Stadtsekretärs. »Warum sitzen wir müßig, wo wir uns nützlich erweisen könnten.«

»Gönn' uns die Arbeit!« rief Maria. »Uns drängt es so gut wie euch, im Dienst der großen Sache etwas zu leisten.«

»Und glaubt mir,« fügte Frau van Hout hinzu, »wir finden eher Einlaß in Speicher und Keller als Gerichtsboten und Waibel, vor denen die Bürgerinnen sich fürchten.«

»Frauen im Dienste der Stadt,« sagte Peter bedenklich. »Ehrlich gestanden . . . aber Euer Vorschlag läßt sich immerhin überlegen . . . Das Fräulein hat heut einen munteren Tag.«

Maria schaute unwillig zu Henrika hinüber, welche sich weit über den Tisch geneigt hatte. Sie zeigte Georg einen Ring und rief dabei lachend:

»Ihr wollt nicht wissen, was das bedeutet? Seht her: Eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt.«

»Aha,« gab der Junker zurück; »das Symbol der Selbstquälerei.«

»Gut, gut! Aber sie hat auch eine andere Bedeutung, und Ihr mögt sie Euch merken, Herr Ritter: Wißt Ihr, was Ewigkeit ist und ewige Treue?«

»Nein, Fräulein, so tief hat man mich in Jena nicht denken gelehrt.«

»Natürlich. Eure Lehrer sind ja Männer gewesen. Männer und Treue, ewige Treue!«

»War Delila, die Simson an die Philister verrieth, ein Mann oder ein Weib?« fragte van Hout.

»Sie war eine Frau. Die Ausnahme, welche die Regel bekräftigt. Nicht wahr, Maria?«

Die Bürgemeisterin antwortete nicht und nickte nur stumm mit dem Kopfe; dann schob sie den Stuhl unwillig zurück, und das Mahl war zu Ende.


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