Georg Ebers
Die Frau Bürgemeisterin
Georg Ebers

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Zwanzigstes Kapitel.

Die Bürgemeisterin war um Henrika besorgt gewesen, aber diese begrüßte sie mit besonderer Freudigkeit und begegnete ihren milden Vorwürfen mit der Versicherung, daß dieser Morgen ihr wohl gethan habe. Die Schickung, sagte sie, sei gerecht, und wenn es wahr sei, daß Zuversicht auf Genesung dem Arzte helfe, so werde es Doktor Bontius leicht mit ihr haben. Der gefallene Kastilianer könne Niemand anders sein, als der Elende, welcher ihre Anna in's Unglück gestürzt habe. Maria verließ sie erstaunt, aber völlig beruhigt und suchte dann ihren Gatten auf, um ihm mitzutheilen, wie sie die Kranke gefunden und in welcher Beziehung der von Allertssohn getödtete spanische Offizier zu Henrika und ihrer Schwester gestanden zu haben scheine. Peter hörte ihr mit halbem Ohre zu, und als Barbara ihm die frisch getollte Halskrause brachte, unterbrach er seine Gattin mitten in der Erzählung, reichte ihr die Brieftasche des Gefallenen und sagte:

»Da, laß sie sich selbst überzeugen und bring' mir heute Abend das Portfolio wieder. Ich komme schwerlich zu Tisch; im Laufe des Tages wirst Du wohl einmal nach der Wittwe des armen Allertssohn sehen.«

»Gern,« entgegnete sie eifrig. »Und wen werdet ihr an seine Stelle setzen?«

»Das hat der Prinz zu bestimmen.«

»Habt ihr auch auf Mittel gedacht, die Verbindung mit Delft vor dem Feinde frei zu halten?«

»Wegen Deiner Mutter?«

»Das nicht allein. Rotterdam liegt ja auch im Süden. Von Haarlem und Amsterdam, also von Norden her, können wir nichts erwarten, denn da befindet sich Alles in den Händen der Spanier.«

»Ich schaffe Dir eine Stelle im Kriegsrath. Woher nimmst Du die Weisheit?«

»Man macht sich eben seine Gedanken, und ist es denn nicht natürlich, daß ich euch lieber sehend als blind in die Zukunft folge? Hat man die englischen Fähnlein benutzt, um sich der Werke am alten Kanal zu versichern? Auch der Kaag ist ein wichtiger Punkt.«

Peter schaute seiner Frau erstaunt in's Antlitz, und es überkam ihn jenes Mißbehagen, welches den unsicheren Schreiber befällt, wenn ihm ein Unberufener über die Schulter sieht. Sie hatte ihn auf einen bösen, folgenschweren Fehler verwiesen, welcher freilich ihm nicht allein zur Last fiel, und weil er sich ihr gegenüber gewiß nicht verantworten wollte und es vielleicht auch mißlich um seine Rechtfertigung gestanden hatte, blieb er ihr die Antwort schuldig und sagte nichts als die Worte: »Männersachen! Auf heute Abend.« Damit ging er an Barbara vorüber, der Thür zu.

Maria wußte nicht, wie ihr geschah, aber ehe er die Hand auf die Klinke legte, gewann sie Fassung genug, um ihm nachzurufen:

»So willst Du gehen, Peter! Ist das recht? Was hast Du mir bei Deiner Heimkehr von der Reise zum Prinzen versprochen?«

»Ich weiß, ich weiß,« gab er ungeduldig zurück. »Man kann nicht zweien Herren dienen und in diesen Tagen bitte ich Dich, mich nicht mit Fragen und Dingen, die Dich nichts angehen, zu stören. Die Angelegenheiten der Stadt zu leiten, ist meine Sache; Du hast Deine Kranke, die Kinder, die Armen; damit laß es genug sein.«

Ohne ihre Antwort abzuwarten, verließ er das Zimmer, sie aber schaute ihm regungslos nach.

Barbara blickte einige Augenblicke mit stiller Besorgniß auf sie hin. Dann machte sie sich mit den Papieren auf ihres Bruders Schreibtisch zu schaffen und sagte wie im Selbstgespräch und doch halb ihrer Schwägerin zugewandt:

»Schlimme Zeiten! Danke Jedes dem Herrgott, den keine solche Lasten drücken wie Peter. Er hat die Verantwortung für Alles zu tragen, und mit Centnern am Beine kam auch Leichtfuß nicht tanzen. Ein besseres Herz hat Keiner, und redlicher meint es wohl Niemand als er. Wie haben die Marktleute seine Umsicht gelobt! Im Sturm erkennt man den Lotsen, und wenn es am buntesten herging, war Peter immer am größten. Er weiß ja, wofür er eintritt, aber die letzten Wochen haben ihn um Jahre gealtert. Wir müssen ihm Manches nachsehen, sollte ich meinen.«

Maria nickte mit dem Kopfe. Barbara aber verließ das Zimmer, und als sie nach einigen Minuten wiederkehrte, sagte sie bittend:

»Du siehst übel aus, Kind, komm jetzt und lege Dich nieder. Eine Stunde Schlaf ist besser als drei Mahlzeiten. Solch' verwachte Nacht wie die letzte geht in Deinem Alter nicht spurlos vorüber. Die Sonne scheint so hell, ich habe die Fenster verhängt und Dein Bett aufgemacht. Sei verständig und folge.«

Bei den letzten Worten faßte sie der Bürgemeisterin Hand und zog sie mit sich fort. Maria sträubte sich nicht, und obgleich ihre Augen nicht trocken blieben, als sie allein war, wurde sie doch bald vom Schlaf überwältigt.

Erquickt und frisch gekleidet begab sie sich gegen Mittag in die Wohnung des Hauptmanns. Ihr war weh um's Herz, und Mitleid mit sich selbst und ihrem Loose beherrschte sie wieder. Eva Peterstochter, des Fechtmeisters Wittwe, eine stille, bescheidene Frau, die sie kaum von Ansehen kannte, ließ sich nicht sehen. Sie saß allein in ihrer Kammer und weinte, aber Maria fand in ihrem Hause den Musiker Wilhelm, welcher dem Sohn seines verstorbenen Freundes tröstend zugesprochen und ihm verheißen hatte, ihn bei sich aufzunehmen und zu einem tüchtigen Spielmann heranzubilden.

Die Bürgemeisterin ließ die Wittwe bitten, sie am nächsten Tage zu empfangen, und trat dann mit dem Musiker auf die Straße. Ueberall standen Bürger, Gesellen und Frauen gruppenweise bei einander und unterredeten sich über das Geschehene und die kommende Noth. Während Maria dem Musiker erzählte, wer der gefallene Kastilianer gewesen sei und daß Henrika ihn, Wilhelm, sobald es angehe, zu sprechen wünsche, wurde sie mehr als einmal unterbrochen, denn bald zogen Freiwilligen- und Bürgerwehrfähnlein, welche die Wachen in den Thürmen und auf den Mauern abzulösen hatten, an ihnen vorüber, bald versperrte ein Geschütz ihren Weg. War es die Erwartung auf kommende Ereignisse oder waren es die Wirbelschläge der Trommler und die Trompetenrufe, welche ihren Begleiter so sehr erregten, daß er sich oft an die Stirn griff und sie ihn bitten mußte, den Schritt zu mäßigen. Es lag auch etwas Fremdes, Gepreßtes in seiner Stimme, während er ihrer Aufforderung zufolge erzählte, daß die Spanier zu Schiff auf der Amstel, der Drecht und dem Brasem See in den Rhein gekommen und bei Leyderdorp an's Land gegangen seien.

Ein berittener Bote mit den Farben des Prinzen, dem nicht nur Kinder, sondern auch erwachsene Neugierige nachliefen, um zu gleicher Zeit mit ihm das Rathhaus zu erreichen, unterbrach ihn, und sobald der Schwarm vorbei war, legte die Bürgemeisterin ihrem Begleiter eine Frage nach der andern vor. Der Kriegslärm, das aus der Ferne vernehmbare Schießen, die bunten Soldatentrachten, welche an Stelle der dunkleren Bürgerkleider überall zu sehen waren, versetzten auch sie in lebhafte Spannung, und was sie von Wilhelm erfuhr, war wenig geeignet, diese zu vermindern. Die Hauptmacht der Spanier war auf dem Weg nach dem Haag. Die Einschließung der Stadt hatte begonnen, aber sie konnte dem Feinde schwerlich gelingen; denn auf die englischen Hülfsvölker, welche die neuen Schanzen bei Valkenburg, das Dorf Alfen und die Gouda'sche Schleuse vertheidigen sollten, war guter Verlaß. Wilhelm hatte die britischen Soldaten, ihren Oberst Chester und den Kapitän Gensfort selbst gesehen und rühmte ihre reiche Ausrüstung und stattliche Haltung.

Vor ihrem Hause wollte sich die Bürgemeisterin von ihrem Begleiter verabschieden, dieser begehrte aber dringend das Fräulein sogleich zu sprechen und ließ sich nur schwer überzeugen, daß er sich gedulden müsse, bis der Arzt seine Einwilligung gegeben habe.

Bei Tisch gab Adrian, der, wenn der Vater nicht an der Mahlzeit theilnahm, frei genug mit der Sprache herauskam, allerlei Selbstgesehenes, sowie Nachrichten und Gerüchte zum Besten, welche er in der Schule und auf der Straße erhascht hatte, und seine Redseligkeit wurde nicht wenig durch die lebhaften Fragen der Mutter ermuthigt.

Eine große Unruhe hatte sich der Bürgemeisterin bemächtigt. Ihre Begeisterung für die Sache der Freiheit, der die Geliebtesten unter ihren Angehörigen zum Opfer gefallen waren, loderte hell auf, und der Zorn gegen die Bedrücker ihres Landes regte sich leidenschaftlich in ihrer Brust. Das zarte, jungfräulich in sich selbst zurückgezogene, jeder lauten und derben Gefühlsäußerung im gewöhnlichen Leben unfähige Weib wäre jetzt im Stande gewesen, auf die Wälle zu eilen, um dort, wie Kenau Hasselaer von Haarlem, mit den Männern dem Feinde entgegenzutreten.

Der verletzte Stolz und Alles, was noch vor einer Stunde ihr Herz bedrängt hatte, trat zurück hinter der Theilnahme für die Sache der Ihren. Mit neuem Lebensmuth beseelt ging sie zu Henrika und setzte sich, als es Abend geworden war, an die Lampe, um an ihre Mutter zu schreiben; denn das hatte sie seit der Aufnahme der Kranken verabsäumt, und die Verbindung mit Delft konnte leicht in der nächsten Zeit unterbrochen werden.

Als sie den fertigen Brief überlas, war sie mit ihm und sich selbst zufrieden, denn er athmete festes Vertrauen auf den Sieg der guten Sache und brachte deutlich und ungezwungen zum Ausdruck, wie freudig sie bereit sei, auch das Schlimmste zu tragen.

Barbara hatte sich schon zur Ruhe begeben, als Peter endlich erschien. Er war so schwer ermüdet, daß er das für ihn bereit gehaltene Mahl kaum berührte. Während er die Speisen zum Mund führte, bestätigte er Maria, was sie bereits von dem Musiker erfahren, und war mild und freundlich, aber sein Anblick that ihr weh, denn er erinnerte sie an Barbara's Hinweis auf die schwere Last, welche er auf sich genommen. – Heute zum ersten Male bemerkte sie zwei tiefe Falten, welche die Sorge ihm zwischen Augen und Mund gefurcht hatte, und von zärtlichem Mitgefühl erfaßt, trat sie hinter ihn, legte beide Hände auf seine Wangen und küßte ihm die Stirn. Da erbebte er leis, ergriff ihre zarte Rechte so heftig, daß sie zusammenschrak, führte sie erst an die Lippen und dann auf die Augen, und ließ sie dort minutenlang ruhen.

Endlich erhob er sich, ging ihr in das Schlafzimmer voran, bot ihr eine herzliche Gutenacht und legte sich nieder. Als auch sie das Lager aufsuchte, athmete er tief. Schwere Müdigkeit hatte ihn schnell übermannt. Beiden war in dieser Nacht nur ein vielfach unterbrochener Schlummer beschieden, und so oft sie erwachte, hörte sie ihn seufzen und stöhnen. Sie regte sich nicht, um den Schlaf, den er suchte und brauchte, nicht zu verscheuchen, und zweimal hielt sie den Athem an, denn er redete vor sich hin. Zuerst klagte er leise: »Schwer, zu schwer,« und dann: »Wenn ich's nur trage.«

Als sie am nächsten Morgen erwachte, hatte er bereits das Zimmer verlassen und war auf das Rathhaus gegangen. Um Mittag kehrte er heim und erzählte, die Spanier hätten den Haag genommen und seien dort von den elenden Königsknechten mit Jubel begrüßt worden. Die gutgesinnten Bürger und Geusen hätten zum Glück Zeit gefunden, nach Delft zu entkommen, denn bei der Geestburg habe der wackere Nikolas Ruichhaver den Feind eine Zeitlang im Schach gehalten. Der Westen sei noch frei und das neu verschanzte, von den Engländern besetzte Valkenburg nicht so leicht zu erstürmen. Im Osten zu Alfen lägen noch andere britische Hülfsvölker im Rücken der Spanier.

Der Bürgemeister erzählte das Alles ungefragt, aber nicht so frei und natürlich wie im Gespräch mit Männern. Während er redete, schaute er oft in den Teller und hielt stockend inne. Es war, als müsse er sich Zwang anthun, vor den Frauen, Dienstboten und Kindern über diese Dinge zu reden, welche er nur mit seinesgleichen zu verhandeln gewohnt war. Maria hörte ihm aufmerksam zu, aber sie hielt sich bescheiden zurück und regte ihn nur durch freundliche Blicke und theilnehmende Ausrufe an, während Barbara kecklich eine Frage nach der andern stellte.

Das Mahl näherte sich dem Ende, als der Junker von Warmond unangemeldet in das Zimmer trat und den Bürgemeister ersuchte, ihm sogleich zu folgen, denn Oberst Chester stehe mit einem Theil der englischen Hülfsvölker vor dem weißen Thor und begehre in die Stadt gelassen zu werden.

Peter stieß bei dieser Kunde den Bierkrug zornig auf die Tafel, sprang dann auf und ging dem Junker voran.

In den späteren Nachmittagsstunden füllte sich das van der Werff'sche Haus. Die Gevatterinnen kamen, um mit Frau Barbara über das, was am weißen Thore vorging, zu verhandeln. Die Bürgemeisterin van Swieten wußte von ihrem Gatten selbst, daß die Engländer, ohne Widerstand zu leisten, beim bloßen Anblick der Spanier die schöne neue Schanze von Valkenburg preisgegeben und das Hasenpanier ergriffen hatten. Der Feind war von Haarlem aus durch die Dünen über Nordwyk herangezogen, und es wäre für die Briten ein Leichtes gewesen, die starke Stellung zu halten.

»Schöne Hülfe, die solche Hülfsvölker bringen!« rief Barbara entrüstet. »Königin Elisabeth behält die Männer auf ihrer Insel für sich selbst zurück und schickt uns die Weiber.«

»Und dabei sind es wahre Enakssöhne und sie tragen sich wie schmucke Soldaten,« sagte die Frau des Schöffen Heemskerk. »Hohe Stiefel, Wämmser von feinem Leder, bunte Federn auf den Sturmhauben und Hüten, große weite Panzer, Hellebarden, um einem halben Dutzend damit den Garaus zu machen, – und das Alles wie neu.«

»Sie wollten's wohl nicht verderben, darum haben sie's so schnell in Sicherheit gebracht, die windigen Memmen,« rief des Kirchenvorstehers de Haes Hausfrau, welche wegen ihrer scharfen Zunge bekannt war. »Ihr scheint sie Euch aus der Nähe betrachtet zu haben, Frau Margret.«

»Von der Windmühle am Thor,« entgegnete die Andere. »Der Parlamentär hielt auf der Brücke dicht unter uns. Ein schöner Mann auf einem stattlichen Gaul. Auch sein Signalbläser saß im Sattel, und das große Sammettuch an seiner Trompete starrte von schöner Stickerei in Goldfäden und Perlen. Sie begehrten brav auf, aber das Thor blieb geschlossen.«

»Recht, recht!« rief Frau Heemskerk, »der Kommissar des Prinzen, der Bronkhorst, kann mir gefallen. Was fragt Der nach uns, wenn die Königin nur nicht die Laune verliert und die Subsidien einstellt. Er will dem Chester zu Willen sein und ihm Einlaß gewähren, hab' ich gehört.«

»Das möcht' er,« fügte die Gattin des Stadtsekretärs van Hout hinzu. »Aber Euer Gemahl, Frau Maria, und mein Herr, – ich habe ihn auf dem Herweg gesprochen, setzen Alles dran, um das zu verhindern. Die beiden Herren van der Does sind auch ihrer Ansicht, und so wird der Kommissar vielleicht überstimmt.«

»Das walte Gott,« rief in ihrem derben Ton die Mutter des Musikers Wilhelm. »Morgen oder übermorgen kann keine Katze mehr zum Thor hinaus, und mein Mann sagt, wir müßten von Anfang an mit den Vorräthen sparen.«

»Ein halbes Tausend Fresser mehr in der Stadt, die unseren Kindern die Bissen schmälern; das wäre das Rechte!« rief Frau de Haes, warf sich in den Stuhl, daß er krachte, und schlug sich mit der Hand auf das Knie.

»Und es sind Engländer, Frau Gevatterin, Engländer sind's,« fiel die Steuereinnehmerin der Frau Margret ins Wort. »Das ißt nicht, das frißt nicht, das schlingt. Wir stellen auch unsern Mann; aber der Herr von Nordwyk, – ich meine den jüngeren, der als Gesandter des Prinzen mit bei der Königin gewesen, der hat meinem Wilhelm erzählt, was so ein britischer Vielfraß klein kriegen kann. Sie tilgen Euch das Rindfleisch wie Käse, und unser Bier ist Spülwasser gegen ihr schwarzes, malziges Gebräu.«

»Das ließe sich Alles ertragen,« gab Barbara zurück, »wenn sie wackere Kriegsleute wären. Auf hundert Stück Vieh mehr oder weniger kann's uns nicht ankommen, und der Nimmersatt wird zum Haltemaß, wenn Schmalhans im Hause regiert. Aber für diese Schnellläufer nehm' ich unserem Adrian noch nicht eins von seinen grauen Kaninchen.«

»Es wär' auch schade darum,« sagte Frau de Haes. »Ich gehe jetzt nach Haus, und finde ich meinen Alten, so soll er erfahren, was verständige Leute über die Engländer denken.«

»Ruhe, Gevatterin, Ruhe,« sagte nun die Frau des Bürgemeisters van Swieten, welche bis dahin still mit der Katze gespielt hatte. »Glaubt mir, es bleibt sich im Grunde ganz gleich, ob wir das Hülfsvolk einlassen oder nicht, denn bevor die Stachelbeeren in unserem Garten süß sind, wird es ohnehin mit dem Widerstande vorbei sein.«

Maria, welche Kuchen und Würzwein herumreichte, stellte bei diesen Worten das Brett auf die Tafel und fragte:

»Das solltet Ihr wünschen, Frau Magtelt?«

»Das wünsche ich,« entgegnete diese bestimmt, »und mit mir wünschen es viele verständige Leute. Gegen die Uebermacht ist kein Widerstand möglich, und je eher wir die Gnade des Königs anrufen, desto sicherer wird sie gewährt.«

Die anderen Frauen hörten der kühnen Magtelt sprachlos zu, Maria aber trat ihr näher und entgegnete empört:

»Wer das sagt, der mag nur gleich zu den Spaniern gehen, wer das sagt, der will die Schande der Stadt und des Landes, wer das sagt . . .«

Magtelt unterbrach Maria mit einem erzwungenen Gelächter und rief:

»Frau Frühweise, Ihr wollt erfahrene Weiber in die Schule nehmen? Ist es erhört, bei einem Besuch so überfallen zu werden?«

»Erhört oder nicht,« entgegnete die Andere. »Ich dulde solche Reden nimmer in unserem Hause, und kämen sie meiner Schwester über die Lippen, so würd' ich ihr sagen: Geh, Du bist nicht mehr meine Freundin!«

Maria's Stimme bebte und mit straff ausgestrecktem Arm wies sie auf die Thür.

Frau Magtelt rang nach Fassung, aber sie fand, während sie das Zimmer verließ, kein anderes Wort als: »Unbesorgt, unbesorgt . . . Ihr seht mich nicht wieder.«

Barbara folgte der Gekränkten, und während die Zurückbleibenden verlegen in den Schooß schauten, rief Wilhelm's Mutter:

»Brav, Frauchen, brav!«

Des Stadtsekretärs freundliche Gattin schlang den Arm um die junge Frau, küßte ihre Stirn und flüsterte ihr zu:

»Kehrt Euch ab von den anderen Weibern und trocknet die Augen.«


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