Alexander Dumas Sohn
Die Dame mit den Kamelien
Alexander Dumas Sohn

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IV.

»Ich hätte Ihnen den Beginn dieses so innigen, traulichen Verhältnisses in kurzen Worten erzählen können,« sagte Armand zu mir; »aber ich wollte Ihnen zeigen, durch welche Ereignisse und durch welche Stufenreihe von Gefühlen dieses Verhältnis entstand, wie ich dahin kam, in alles zu willigen, was Margarete wollte und wie Margarete endlich nicht mehr ohne mich leben konnte.«

Am Tage nach ihrem Abendbesuche schickte ich ihr »Manon Lescaut«, das Buch, welches Sie gekauft haben.

Da ich das Leben meiner Geliebten nicht ändern konnte, so änderte sich von jenem Augenblicke an meine eigene Lebensweise. Vor allen Dingen wollte ich meinem Geiste nicht die Zeit lassen, über die Rolle, die ich angenommen, nachzudenken, denn wie sehr ich mich auch über gewisse Bedenklichkeiten hinwegzusetzen suchte, so war ich doch zuweilen sehr traurig gestimmt. Mein sonst so stilles, ruhiges Leben nahm daher plötzlich einen Schein der Unordnung und Regellosigkeit an. Glauben Sie nicht, daß die Liebe einer femme entretenue, wie uneigennützig sie auch sei, keine Kosten verursache. Nichts kostet so viel als die tausend Launen einer in der Modewelt gefeierten Schönheit; man kann ihr die Blumen, Theaterlogen, Soupers, Landpartien unmöglich abschlagen.

Sie wissen, daß ich kein Vermögen besitze. Mein Vater ist Generaleinnehmer in C***. Er steht in dem Rufe eines höchst redlichen Mannes und dadurch wurde es ihm möglich, die Kaution zu finden, die er bei seinem Amtsantritt erlegen mußte. Diese Stelle trägt ihm jährlich vierzigtausend Franks ein und seit zehn Jahren, in denen er dieselbe bekleidet, hat er nicht nur seine Kaution zurückgezahlt, sondern auch schon für die Ausstattung meiner Schwester Sorge getragen. Mein Vater ist der ehrenhafteste Mann, den man finden kann. Meine verstorbene Mutter hat eine Rente von sechstausend Franks hinterlassen und diese hat er an dem Tage, wo er die gewünschte Stelle erhielt, zwischen meiner Schwester und mir geteilt; und als ich einundzwanzig Jahre alt war, gab er mir zu diesem kleinen Einkommen noch einen jährlichen Zuschuß von fünftausend Franks, mit der Versicherung, daß ich zu Paris mit achttausend Franks sehr glücklich leben könne, wenn ich mir daneben entweder als Advokat oder als Arzt eine Stellung gründen wollte. Ich ging also nach Paris, absolvierte meine Rechtsstudien, machte meine Advokatenprüfung und ... machte es wie viele junge Leute: ich steckte mein Ernennungsdekret in die Tasche und überließ mich dem müßigen Pariser Leben. Meine Bedürfnisse waren nicht groß; ich verbrauchte in acht Monaten nicht mehr als mein Jahreseinkommen und die vier Sommermonate lebte ich bei meinem Vater, wodurch ich mein jährliches Einkommen auf zwölftausend Livres brachte und mir den Ruf eines guten Sohnes erwarb. Übrigens hatte ich keinen Sou Schulden.

Dies waren meine Verhältnisse, als ich Margaretens Bekanntschaft machte.

Sie können sich leicht denken, daß ich ohne meinen Willen in größere Ausgaben verwickelt wurde. Margarete war wie ein verzogenes Kind, sie hatte die tausend Zerstreuungen, aus denen ihr Leben bestand, nie als eine bedeutende Ausgabe angesehen. Da sie so viel als irgend möglich in meiner Gesellschaft sein wollte, so pflegte sie mir vormittags zu schreiben, daß sie mit mir speisen würde, aber nicht in ihrem Hause, sondern in einem Gasthause zu Paris oder auf dem Lande. Ich holte sie dann ab, wir speisten, gingen ins Theater, soupierten oft und abends hatte ich vier bis fünf Louisd'or ausgegeben. Dies betrug monatlich gegen dreitausend Franks; meine Jahresrente reichte daher nicht viel länger als drei Monate aus und ich sah mich in die Notwendigkeit versetzt, entweder Schulden zu machen oder Margarete zu verlassen.

Ich war zu allem bereit, nur nicht zu diesem letzten Schritt.

Verzeihen Sie, daß ich Sie mit allen diesen Umständen bekannt mache, aber Sie werden sehen, daß sie die Ursache der folgenden Ereignisse waren. Was ich Ihnen erzählte, ist eine buchstäblich wahre, einfache Geschichte, der ich das schmucklose Gewand lasse.

Da nichts in der Welt mich bewegen konnte, meine Geliebte zu verlassen, so mußte ich auf ein Mittel sinnen, die Ausgaben, die sie mir verursachte, zu bestreiten. Überdies nahm diese Liebe meine ganze Geistestätigkeit dergestalt in Anspruch, daß mir alle Augenblicke, die ich fern von Margarete verlebte, wie Jahre erschienen, und daß ich das Bedürfnis fühlte, diese Augenblicke durch das Feuer irgendeiner Leidenschaft zu zerstören und dieselben so schnell zu durchleben, daß ich mir dessen kaum bewußt war und im Taumel der Stunde des täglichen Stelldicheins zueilte.

Ich fing an, von meinem kleinen Kapital fünf- bis sechstausend Franks zu entlehnen und versuchte mein Glück im Spiel, denn seit der Abschaffung der Spielhäuser wird überall gespielt. Vormals, als man noch zu Frascati ging, hatte man die Aussicht, dort sein Glück zu machen; man spielte gegen Geld und wenn man verlor, so konnte man sich wenigstens mit dem Gedanken trösten, daß man hätte gewinnen können. Jetzt ist es anders: ausgenommen in den Klubs, wo es mit der Bezahlung noch so ziemlich streng genommen wird, hat man fast die Gewißheit, einen bedeutenden Gewinst nicht zu erhalten. Der Grund ist leicht einzusehen.

Das Spiel ist jetzt hauptsächlich eine Zuflucht für junge Leute, die große Bedürfnisse und nicht genug Vermögen haben, um dieselben bestreiten zu können; sie spielen also und das Ergebnis ist notwendig folgendes: entweder sie gewinnen, und dann müssen die Verlierenden die Pferde und Maitressen dieser Herren bezahlen oder sie verlieren, und da es ihnen schon an Geld zur Bestreitung ihrer Bedürfnisse fehlt, so läßt sich noch weniger erwarten, daß sie ihre Spielschulden bezahlen. Das erstere ist lächerlich, das letztere sehr unangenehm. Es werden Schulden gemacht, die am grünen Tisch begonnenen Freundschaften endigen in Streitigkeiten, wo Ehre und Leben immer Gefahr laufen und wenn man ein ehrlicher Mann ist, so wird man oft durch sehr brave junge Leute ruiniert, die keinen anderen Fehler haben, als daß sie nicht zweihunderttausend Livres Renten besitzen.

Ich habe nicht nötig von denen zu sprechen, die im Spiel betrügen und deren notgedrungene Abreise oder allzu späte Verurteilung man einst in Erfahrung bringt.

Ich stürzte mich also in dieses geräuschvolle, rastlose, vulkanische Leben, das mir vormals stets einen Schrecken verursacht hatte, so oft ich nur daran dachte, nun aber eine notwendige Ergänzung meiner Liebe zu Margarete geworden war. Wie konnte ich auch anders?

Wenn ich nicht in der Rue d'Antin war, so würde mich die Eifersucht verzehrt haben, wenn ich zu Hause geblieben wäre; das Spiel hingegen wendete das Fieber ab, das mein Herz ergriffen haben würde und lenkte es auf eine Leidenschaft, die mich unwiderstehlich fesselte, bis die Stunde schlug, die mir Margarete zum Stelldichein bestimmt hatte. So oft diese Stunde schlug – und daran besonders erkannte ich die Größe meiner Liebe – verließ ich unnachsichtlich den Spieltisch, ich mochte nun gewinnen oder verlieren, ich bedauerte sogar die Zurückbleibenden, die kein Glück wie das meinige zu erwarten hatten.

Für die meisten war das Spiel eine Notwendigkeit, für mich war es ein Heilmittel. Wäre ich von der Leidenschaft für Margarete geheilt worden, so würde ich auch die Leidenschaft des Spieles nicht mehr gekannt haben. Ich bewahrte darum immer eine ziemlich große Kaltblütigkeit; ich verlor nur so viel, als ich bezahlen konnte und gewann nur das, was ich hätte verlieren können.

Übrigens war mir das Glück günstig. Ich machte keine Schulden und gab doch dreimal mehr Geld aus als ich ausgegeben hatte, bevor ich spielte.

Es war nicht leicht, diesem Leben zu widerstehen, das mir gestattete, ohne mich in Geldverlegenheit zu bringen, Margaretens tausendfältige Launen zu befriedigen. Dabei liebte sie mich mit gleicher und sogar immer größerer Innigkeit als zuvor.

Anfangs hatte ich, wie schon erwähnt, nur zu bestimmten Stunden Zutritt bei ihr; dann erhielt ich von Zeit zu Zeit eine Einladung in ihre Loge und endlich speiste sie auch zuweilen bei mir. Nach und nach verlängerten sich auch meine Besuche bei ihr.

Margaretens moralische Umwandlung stand noch bevor, eine physische Umwandlung war aber schon deutlich sichtbar. Ich hatte ihre Heilung unternommen, sie erriet meine Absicht und gehorchte mir, um mir ihren Dank zu beweisen. Es war mir ohne gewaltsame Mittel und ohne Anstrengung gelungen, sie von ihrer früheren Lebensweise fast ganz zu entwöhnen. Mein Arzt, den ich ihr zugeführt, hatte mir gesagt, daß nur eine ruhige, geregelte Lebensweise imstande sei, ihre Gesundheit zu erhalten, und es war fortan nicht mehr die Rede von späten Soupers und Nachtwachen.

Margarete gewöhnte sich unwillkürlich und fast wider ihren Willen an diese neue Lebensweise, deren heilsame Wirkungen sie spürte. Schon fing sie an einige Abende zu Hause zu bleiben oder, wenn das Wetter schön war, hüllte sie sich in einen Kaschmir, nahm einen Schleier vor und wir durchwandelten wie zwei Kinder zu Fuß die dunklen Laubgänge der Champs Elysées. Sie kam ermüdet nach Hause, nahm ein leichtes, frugales Abendessen, spielte etwas Klavier oder las und begab sich dann zur Ruhe.

Die heilsamen Folgen für Margaretens Gesundheit zeigten sich bald. Der Husten, der mir, so oft ich ihn hörte, das Herz zerriß, war fast ganz verschwunden. Nach sechs Wochen war von dem Grafen, der mir entschieden geopfert wurde, keine Rede mehr; nur der alte Herzog zwang mich noch mein Verhältnis zu Margarete geheim zu halten und es war sogar oft vorgekommen, daß er unter dem Vorwande, Madame sei unpäßlich und schlafe, nicht vorgelassen worden war, wenn ich da war.

Infolge der Gewohnheit und selbst des Bedürfnisses Margaretens, mich zu sehen, gab ich das Spiel gerade in dem Zeitpunkte auf, wo ein gewandter Spieler nicht zurückgetreten sein würde. Ich hatte eine Summe von etwa zehntausend Franks gewonnen und dies schien mir ein unerschöpfliches Kapital.

Die Zeit, zu welcher ich sonst immer meinen Vater und meine Schwester besucht hatte, war wiedergekehrt und ich reiste nicht ab. Beide bestürmten mich daher mit Briefen, worin sie mich baten, zu ihnen zu kommen.

Auf alle diese Bitten antwortete ich so gut als ich konnte, indem ich wiederholt versicherte, daß ich mich wohl befände und kein Geld brauche und ich glaubte, daß diese beiden Dinge meinen Vater über die Verspätung meines jährlichen Besuches einigermaßen trösten würden.

Inzwischen kam Margarete an einem herrlichen Morgen auf den Gedanken, den ganzen Tag auf dem Lande zuzubringen. Ich nahm den Vorschlag mit Freuden an. Prudence wurde herbeigeholt und wir drei verließen die Stadt, nachdem Margarete ihrer Zofe befohlen hatte, dem Herzoge zu sagen, sie habe den schönen Tag benutzen wollen und sei mit Madame Duvernoy auf das Land gefahren.

Die Anwesenheit der Duvernoy war notwendig, um den Herzog zu beruhigen und überdies gehörte Prudence zu jenen Frauen, die für Landpartien geschaffen zu sein scheinen. Mit ihrer stets ungetrübten Heiterkeit und ihrem unerschöpflichen Appetit konnte sie denen, die sie begleiteten, keinen Augenblick der Langweile lassen und sie verstand sich vollkommen darauf, das traditionelle ländliche Frühstück mit gebackenen Kaninchen, Eiern, Butter, Milch und Kirschen zu bestellen.

Auch bei dieser Wahl zog uns die Duvernoy aus der Verlegenheit.

»Wollen Sie ein wahres Landleben genießen?« fragte sie.

»Ja,« sagte Margarete,

»Nun, so fahren wir nach Bougival, zu der Witwe Arnould ... Armand, besorgen Sie eine Kalesche.«

»Schicke sie hierher und erwarte uns beim Rond-Point in den Champs Elysées,« sagte Margarete zu mir mit einem zärtlichen Kuß; »ich will nicht, daß man Dich vor meiner Tür mit mir einsteigen sehe.«

Anderthalb Stunden nachher waren wir in Bougival, bei der Witwe Arnould.

Das Gasthaus zum »Point du Jour« ist allen Freunden des Landlebens zu Paris wohl bekannt, es ist in der Woche ein Hotel, Sonntags eine von Besuchern wimmelnde Schenke. Von dem terrassenförmig sich erhebenden Garten hat man eine herrliche Aussicht. Zur Linken wird der Gesichtskreis durch den Aquädukt von Marly begrenzt, zur Rechten schweift der Blick über grüne Hügel; der Fluß, der dort fast gar keine Strömung hat, schlängelt sich wie ein gewässertes weißes Band durch die reizende Landschaft und umspielt die Insel Croissy mit ihren schlanken Pappeln und den bis in das Wasser sich neigenden Trauerweiden.

Im Hintergrunde erheben sich kleine weiße Häuser mit roten Dächern und Fabriksgebäude, die, in der Entfernung gesehen, ihr steifes, prosaisches Aussehen verlieren und der Landschaft einen lebendigen Charakter verleihen.

Prudence hatte recht, wir waren wirklich auf dem Lande und ich muß hinzusetzen, daß wir ein wahrhaft genußreiches, ländliches Frühstück hatten. Ich sage dies nicht etwa aus Dankbarkeit für das Glück, das ich dort gefunden, aber Bougival hat, ungeachtet seines abscheulichen Namens, eine ungemein reizende Lage. Ich habe viele Reisen gemacht: ich habe Großartigeres, aber nichts Anziehenderes gesehen, als dieses kleine Dorf, das so malerisch am Fuße des grünen Hügels liegt.

Madame Arnould bot eine Spazierfahrt auf dem Wasser an; ein hübscher Kahn war bereit und wir nahmen den Vorschlag mit Freude an.

Unglücklicherweise war die Sonne sehr heiß und das Zurückprallen der Strahlen von dem Wasser tat den Augen weh. Wir legten bei der Insel Croissy an und setzten uns in den Schatten.

Man hat die Liebe immer mit dem Landleben in Verbindung gebracht und mit Recht; denn nichts bildet eine so passende Umgebung des geliebten Gegenstandes als der reine blaue Himmel, die duftenden Blumen, die melodischen Baumgruppen, die reizenden Einöden in Feld und Wald. Wie innig man auch ein weibliches Wesen liebt, wie großes Vertrauen man auch zu ihr hat und wie sicher auch die Gewähr für die Zukunft ist, welche die Vergangenheit bietet, so ist man doch immer eifersüchtig. Wer je wahrhaft geliebt hat, muß dieses Bedürfnis gefühlt haben, das Wesen, dem man ganz leben will, von der Welt abzusondern. Wie gleichgiltig auch der geliebte Gegenstand gegen seine Umgebungen sei, so scheint er doch durch die Berührung mit Menschen und Sachen an Reiz und Zauber zu verlieren. Ich empfand das mehr als jeder andere. Meine Liebe war kein gewöhnliches Gefühl, ich liebte so innig und feurig, wie nur ein menschliches Wesen lieben kann, aber es war eine Buhlerin, die ich liebte und daher konnte mir zu Paris bei jedem Schritt ein Mann begegnen, der ihr Geliebter gewesen war oder es vielleicht morgen werden konnte und dies zerriß mir das Herz, trieb aber auch meine Leidenschaft auf den höchsten Grad.

Auf dem Lande hingegen, mitten unter Leuten, die wir nie gesehen hatten und die sich um uns nicht kümmerten, umgeben von der herrlichen Frühlingsnatur und von dem Geräusche der Stadt getrennt, konnte ich meine Liebe verbergen und ohne Beschämung und Besorgnis lieben.

Die Buhlerin verschwand nach und nach. Ich hatte nicht mehr Margarete Gautier, die fille entretenue vor Augen, sondern ein reizendes junges Mädchen, das meine Liebe erwiderte und zufällig Margarete hieß; die Vergangenheit hat keine Gestalten, die Zukunft keine Wolken mehr. Die Sonne beleuchtete meine Geliebte, wie sie die keuscheste Braut beleuchtet haben würde. Wir lustwandelten beide auf der freundlichen Insel, die ausdrücklich gemacht zu sein scheint, um an die Verse Lamartines oder an die Melodien Scudos zu erinnern. Margarete trug ein weißes Kleid, sie lehnte sich an meinen Arm, sie wiederholte mir am Abend unter dem Sternenhimmel die Worte, die sie mir tags zuvor gesagt hatte, und das geräuschvolle Treiben der Welt dauerte in der Ferne fort, ohne auf das lachende Bild unserer Jugend und unserer Liebe einen trüben Schatten zu werfen.

Diesen Traum träumte ich, indem ich die glühenden Sonnenstrahlen, die sich durch das Laubdach stahlen, sinnend betrachtete, und in dem langen, üppigen Grase liegend, meinen Gedanken freien Lauf ließ und mich den freudigsten Hoffnungen hingab.

Von der Stelle, wo ich mich befand, bemerkte ich am Ufer ein wunderhübsches kleines Landhaus, umgeben von grünen Rasenplätzen und malerischen Baumgruppen. Die Außentreppe war ganz von blühenden Schlingpflanzen bedeckt, welche bis zum ersten Stock hinauf reichten. Eine breite Allee von Kastanienbäumen führte vom Ufer zu dem scheinbar unbewohnten Hause.

Je länger ich das Haus betrachtete, desto schwerer ward es mir, meine Blicke von demselben wegzuwenden, und endlich konnte ich mich des Gedankens nicht entschlagen, die reizende Besitzung sei mein. Ich sah Margarete und mich, wie wir am Tage in den schattigen Laubgängen auf und ab gingen und abends auf dem Rasen saßen, der sich wie ein Teppich hinter dem Hause ausbreitete, und fragte mich, ob irdische Wesen jemals so glücklich gewesen wären wie wir.

Ich sah Margarete an, sie war der Richtung meines Blickes und vielleicht auch meiner Gedanken gefolgt, denn auch sie betrachtete das Haus, das uns anlächelte und sich anzubieten schien.

»Welch ein hübsches Haus!« sagte sie zu mir.

»Wo?« fragte Prudence.

»Dort unten,« antwortete Margarete, indem sie mit dem Finger auf das Landhaus deutete.

»Reizend! allerliebst!« erwiderte Prudence; »es gefällt Ihnen?«

»Ungemein.«

»Nun, so sagen Sie dem Herzog, daß Sie hier zu wohnen wünschen; und ich bin überzeugt, daß er das Haus für Sie mieten wird. Ich nehme die Sache auf mich.«

Margarete sah mich an, als ob sie mich fragen wollte, was ich dazu sage.

Die letzten Worte der Duvernoy hatten meinen Traum verscheucht und mich so unsanft in die Wirklichkeit zurückgeworfen, daß ich von dem Falle noch ganz betäubt war.

»In der Tat, ein trefflicher Gedanke!« stammelte ich, ohne recht zu wissen, was ich sprach.

»Nun, ich werde die Sache zustande bringen,« sagte Margarete, die meine Worte nach ihrem Wunsche deutete, mit einem zärtlichen Händedruck. »Wir wollen sogleich sehen, ob es zu vermieten ist,« fuhr sie fort.

Das Haus war leer und um den Preis von dreitausend Franks zu vermieten.

»Morgen sollen Sie die Antwort haben,« sagte Margarete zu dem Hausmeister ... »Wirst Du hier glücklich sein?« sagte sie zu mir, indem sie mir die Hand drückte.

»Werde ich denn gewiß hierher kommen?« fragte ich.

»Für wen sollte ich mich denn in dieser Einsamkeit begraben?«

»So erlaube mir, teuerste Margarete, daß ich dieses Haus miete.«

»Bist Du von Sinnen, Armand? Dies wäre nicht nur ganz unnütz, sondern sogar gefährlich. Du weißt ja, daß ich nur von Einem Manne etwas annehmen darf; Du mußt daher ganz aus dem Spiele bleiben.«

»Und ich,« sagte Prudence, »werde hierherkommen, so oft ich zwei freie Tage habe.«

Wir verließen das Haus und kehrten, den neuen Plan ausführlich besprechend, nach Paris zurück. Ich hielt Margarete in meinen Armen, so daß ich schon vor meiner Ankunft zu Hause den Entschluß meiner Geliebten mit weit weniger Bedenklichkeit betrachtete.


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