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In meine Wohnung zurückgekehrt, fing ich an zu weinen wie ein Kind. Es gibt wohl keinen Mann, der nicht wenigstens einmal von einer Geliebten, die ihm wirklich teuer, getäuscht worden wäre und der nicht wüßte, was man im ersten Augenblicke leidet.
Voll von jenen Entschlüssen, die man faßt, aber nicht auszuführen vermag, meinte ich, daß ich mit dieser Liebe, die mich schon so unglücklich machte, sogleich brechen müsse, und ich glaubte den Tagesanbruch mit Ungeduld zu erwarten, um eine Fahrkarte für den Postwagen zu lösen und zu meinem Vater und zu meiner Schwester zurückzukehren, bei denen ich gewiß war, eine warme, ungeheuchelte Zuneigung zu finden.
Ich wollte jedoch nicht abreisen, ohne Margarete von der Ursache meiner Abreise in Kenntnis zu setzen und ohne ihr zu schreiben, daß ich um den mir gespielten Betrug wisse.
Nur ein Mann, der für seine Geliebte gar nichts mehr empfindet, wird sie verlassen, ohne an sie zu schreiben.
Ich sann mir wohl zwanzig Briefe aus und alle verwarf ich wieder. Es war ausgemacht, daß Margarete allen filles entretenues ähnlich war, daß ich sie mir viel zu poetisch dargestellt hatte und daß sie, um mich zu hintergehen, eine List angewandt hatte, die eben wegen ihrer Einfachheit höchst beleidigend für mich war. Meine gekränkte Eigenliebe gewann die Oberhand und ich faßte den Entschluß, sie zu verlassen, ohne ihr den Schmerz, den dieser Bruch mir verursachte, zu erkennen zu geben. Endlich setzte ich mich nieder und schrieb ihr folgendes in den zierlichsten Schriftzügen und mit Tränen der Wut und des Schmerzes in den Augen:
»Liebe Margarete!
Ich hoffe, daß Ihre gestrige Unpäßlichkeit nicht von Bedeutung gewesen ist. Um elf Uhr abends erkundigte ich mich nach Ihnen und erhielt zur Antwort, daß Sie noch nicht wieder zu Hause wären. Der Graf von G*** ist glücklicher gewesen als ich, denn er kam einige Augenblicke nachher und um vier Uhr früh war er noch bei Ihnen.
Verzeihen Sie mir die wenigen langweiligen Stunden, die ich Ihnen verursacht, und seien Sie versichert, daß ich die glücklichen Augenblicke, die ich Ihnen verdanke, nie vergessen werde.
Ich würde mich heute nach Ihrem Befinden erkundigt haben, aber ich gedenke zu meinem Vater zurückzukehren.
Leben Sie wohl, Margarete, ich bin weder reich genug, um Sie zu lieben, wie ich wünschte, noch arm genug, um Sie zu lieben, wie Sie wünschten. Vergessen Sie daher einen Namen, der Ihnen ohnehin ziemlich gleichgiltig sein muß; ich werde mich bestreben, ein Glück zu vergessen, das mir unmöglich wird.
Ich sende Ihnen Ihren Schlüssel zurück, dessen ich mich nie bedient habe und der Ihnen nützlich sein kann, wenn Sie oft krank sind wie gestern.«
Sie sehen, ich hatte nicht die Kraft, diesen Brief ohne eine impertinente Ironie zu schließen; und eben diese Ironie bewies, wie groß meine Liebe noch war.
Ich las den Brief wohl zehnmal und der Gedanke, daß er Margarete Schmerz verursachen werde, beruhigte mich etwas. Ich suchte aus den Gesinnungen, die er zur Schau trug, Mut zu schöpfen, und als mein Diener um acht Uhr in mein Zimmer trat, übergab ich ihm sogleich das Schreiben.
»Habe ich auf Antwort zu warten?« fragte Josef (mein Diener hieß Josef wie alle Diener in Paris).
»Wenn man Dich fragt, ob Du eine Antwort bringen sollst, so sagst Du, daß Du es nicht wissest, und wartest.«
Ich hegte noch die Hoffnung, sie werde mir antworten und sich entschuldigen.
Wie schwach und wankelmütig wir doch sind! So lange als mein Diener ausblieb, war ich in einer schrecklichen Aufregung. Wenn es mir in den Sinn kam, daß Margarete eine wirkliche uneigennützige Zuneigung zu mir hatte, so fragte ich mich, mit welchem Rechte ich ihr einen impertinenten Brief schrieb, auf welchen sie mir antworten konnte, daß der Graf von G*** mich nicht betrüge, sondern vielmehr von mir betrogen werde; ein Raisonnement, das mancher Schönen gestattet, mehrere Verehrer zu haben. Wenn ich mich dann wieder an Margaretens Beteuerungen erinnerte, so suchte ich mir einzureden, daß mein Brief noch viel zu milde sei und daß es keine genügend starken Ausdrücke gebe, um ein Weib zu brandmarken, das mit einer aufrichtigen Liebe, wie die meinige, ein leichtsinniges Spiel trieb. Dann schwankte ich zwischen diesen beiden entgegengesetzten Ansichten und meinte, ich würde besser getan haben, nicht an sie zu schreiben und selbst zu ihr zu gehen, um mich an den Tränen zu weiden, die ich ihr entlockt haben würde.
Endlich fragte ich mich, was sie mir wohl antworten werde; ich zweifelte kaum noch, daß sie sich entschuldigen werde.
Josef kam zurück.
»Nun, bringst Du mir Antwort?« fragte ich.
»Nein,« antwortete er; »Madame schlief noch, aber sobald sie erwacht, wird man ihr den Brief übergeben, und wenn eine Antwort darauf erfolgt, wird man sie überbringen.«
Sie schlief.
Zwanzigmal war ich im Begriff, den Brief zurückfordern zu lassen; aber ich dachte immer, sie habe ihn vielleicht schon erhalten und es könnte das Ansehen haben, als ob ich meinen Schritt bereute.
Je näher die Stunde kam, in welcher ich eine Antwort erwarten konnte, desto mehr bereute ich, an sie geschrieben zu haben.
Es schlug zehn, elf, zwölf.
Um zwölf war ich im Begriffe, verabredetermaßen zu ihr zu gehen, als ob gar nichts vorgefallen wäre; aber ein gewisses stolzes Selbstgefühl hielt mich zurück. Endlich wußte ich nicht mehr, wie ich mich des eisernen Reifes, der mir das Herz zusammenschnürte, entledigen sollte.
Um ein Uhr wartete ich noch. Da suchte ich mir in der allen Wartenden eigenen abergläubischen Stimmung einzureden, wenn ich ausginge, würde ich bei meiner Rückkehr ohne Zweifel die Antwort finden.
Die ungeduldig erwarteten Antworten kommen immer an, wenn man nicht zu Hause ist.
Ich ging also aus, unter dem Vorwande zu frühstücken. Statt, wie gewöhnlich in einem Kaffeehause am Boulevard zu frühstücken, zog ich das Palais Royal vor, um einen Vorwand zu haben, durch die Rue d'Antin zu gehen.
So oft ich ein Frauenzimmer bemerkte, glaubte ich Nanine mit der Antwort zu sehen.
Ich ging durch die Rue d'Antin, ohne auch nur einem Kommissionär zu begegnen. Das Haus Nr. 9 zeigte keine Spur von Unordnung, der man in einer heftig aufgeregten Stimmung so gerne nachforscht.
So kam ich zum Palais Royal und begab mich in Veris Restauration. Der Kellner trug mir auf, was ihm beliebte, aber ich rührte keinen Bissen an. Meine Blicke waren unwillkürlich und unablässig auf die Wanduhr gerichtet.
Ich begab mich nach Hause zurück; ich hoffte nicht mehr, sondern war fest überzeugt, daß ich einen Brief Margaretens vorfinden würde.
Der Hausmeister hatte nichts erhalten. Ich setzte meine Hoffnung noch auf meinen Diener, aber auch dieser hatte während meiner Abwesenheit niemand gesehen. Es war nun klar, daß Margarete mir längst geantwortet haben würde, wenn sie mir überhaupt eine Antwort zugedacht hätte.
Nun fing ich an die Ausdrücke meines Briefes zu bereuen, welche sie ohne Zweifel beleidigt hatten. Ich sagte zu mir selbst, daß ich besser getan haben würde, ganz zu schweigen, wodurch sie wahrscheinlich besorgt gemacht und bewogen worden wäre, irgendeinen Schritt zu tun; denn würde ich zu der bestimmten Zeit nicht erschienen sein, so würde sie nach der Ursache meines Ausbleibens gefragt haben und erst dann hätte ich sie mit dieser Ursache bekannt machen sollen. Sie hätte dann nicht umhin können sich zu entschuldigen und eben eine Entschuldigung erwartete ich. Ich fühlte schon, daß ich ihr geglaubt haben würde und daß ich alles leichter ertragen haben würde als die Trennung von ihr.
Ich gab mich sogar der Hoffnung hin, sie werde zu mir kommen, aber die Stunden vergingen und sie kam nicht.
Margarete war gewiß nicht wie viele andere Frauen; denn es gibt deren gewiß nur wenige, die nach Empfang eines Briefes, wie ich ihn geschrieben, nicht etwas antworten.
Um fünf Uhr war ich in den Alleen der Champs-Elysées.
»Wenn ich ihr begegne,« dachte ich, »so nehme ich eine gleichgültige Miene an und sie wird überzeugt sein, daß ich schon nicht mehr an sie denke.«
Sie fuhr wirklich vorüber. Diese Begegnung machte einen so erschütternden Eindruck auf mich, daß ich erblaßte. Ich weiß nicht, ob sie es bemerkte, ich war dergestalt außer Fassung, daß ich nur ihren Wagen sah.
Ich setzte meinen Spaziergang in den Champs Elisées nicht fort. Ich studierte die Theaterzettel, denn ich hatte noch eine Hoffnung, sie zu sehen.
Im Theater des Palais Royal war die erste Vorstellung, Es unterlag keinem Zweifel, daß Margarete da sein würde.
Um sieben Uhr war ich im Theater. Alle Logen füllten sich, aber Margarete erschien nicht.
Da verließ ich das Palais Royal und ging in alle Theater, welche sie oft zu besuchen pflegte, in das Vaudeville, die Varietés, die Komische Oper,
Sie war nirgends. Mein Brief hatte ihr entweder zu viel Schmerz gemacht, als daß sie Theaterlust hätte haben können, oder sie fürchtete mit mir zusammen zu treffen und wollte einer Erklärung ausweichen.
Dies flüsterte mir meine Eitelkeit auf dem Boulevard zu. Während ich mit diesem Gedanken beschäftigt meiner Wohnung zusteuerte, begegnete mir Eugen, der mich fragte, wo ich gewesen sei.
»Im Palais Royal.«
»Und ich im italienischen Theater,« sagte er; »ich glaubte, Sie auch dort zu finden.«
»Warum?«
»Weil Margarete da war.«
»Wirklich! Sie war da?«
»Ja wohl.«
»Allein?«
»Nein, mit einer Freundin.«
»Und sonst war niemand bei ihr?«
»Der Graf von G*** kam einen Augenblick in ihre Loge, aber sie ist mit dem Herzog fortgegangen. Ich glaubte Sie jeden Augenblick erscheinen zu sehen. Es war neben mir ein Sperrsitz, der den ganzen Abend leer blieb und ich meinte, er müsse von Ihnen gemietet worden sein.«
»Warum sollte ich denn hingehen, wo Margarete ist?« sagte ich zu Eugen, als ich alles erfahren hatte, was ich wissen wollte.
»Pardieu! Weil Sie ihr Geliebter sind.«
»Wer hat Ihnen das gesagt?«
»Prudence, die mir gestern begegnete. Ich wünsche Ihnen Glück, lieber Armand, Margarete ist ein schönes, geistreiches Mädchen, das sich nicht jedermann wegwirft. Suchen Sie sie nur zu behalten, sie wird Ihnen Ehre machen.«
Diese einfache Bemerkung Eugens zeigte mir, wie lächerlich meine Empfindlichkeit war. Wenn er mir am Abend vorher begegnet wäre und ebenso zu mir gesprochen halte, so würde ich den abgeschmackten Brief gewiß nicht geschrieben haben.
Ich war im Begriffe, zu Prudence zu gehen und Margarete sagen zu lassen, daß ich mit ihr zu reden hätte; aber ich fürchtete, daß sie mich nicht vorlassen werde und ich kehrte nach Hause zurück, nachdem ich durch die Rue d'Antin gegangen war.
Ich fragte den Hausmeister noch einmal, ob ein Brief an mich da sei. Es war nichts da.
Sie hat ohne Zweifel abwarten wollen, ob ich einen neuen Schritt tun und meinen Brief von diesem Morgen widerrufen würde; wenn sie aber sieht, daß ich ihr nicht schreibe, so wird sie morgen an mich schreiben.
Besonders an jenem Abende bereute ich, was ich getan hatte. Ich war allein in meinem einsamen Schlafzimmer, die Unruhe und Eifersucht verscheuchten mir den Schlaf. Hätte ich den Dingen ihren Lauf gelassen, so wäre ich bei Margarete gewesen und hätte ihre süßen Liebesworte gehört, die ich nur zweimal vernommen hatte und die mir in meiner Einsamkeit in den Ohren klangen.
Mein Zustand wurde hauptsächlich dadurch schrecklich, daß ich mir bei ruhigem Nachdenken unrecht geben mußte. Es vereinigte sich in der Tat alles, um mich zu überzeugen, daß Margarete mich liebte. Zuerst der Plan, einen Sommer mit mir allein auf dem Lande zu leben, dann die Gewißheit, daß sie durch nichts gezwungen war, meine Geliebte zu sein, denn mein Vermögen konnte ja nicht einmal ihre Launen, geschweige denn ihre mannigfaltigen Bedürfnisse befriedigen. Sie hatte folglich nur die Hoffnung gehabt, bei mir eine aufrichtige Zuneigung zu finden, die ihr eine Erholung bieten könne mitten in ihrem Scheinglück, und schon am zweiten Tage zerstörte ich diese Hoffnung und belohnte mit verletzender Ironie die Liebe, die sie nur für mich allein hatte. Mein Benehmen war also mehr als lächerlich, es war unzart. Welches Recht hatte ich, ihr Leben zu tadeln? Bekam ich durch mein Zurücktreten nicht das Ansehen eines Schmarotzers, der sich fürchtet, man werde ihm die Rechnung für seine Mahlzeit übergeben? Ich kannte Margarete erst seit sechsunddreißig Stunden und erst seit vierundzwanzig Stunden war ich ihr Geliebter, und ich spielte schon den Empfindlichen; statt mich überglücklich zu fühlen durch ihre uneigennützige Liebe, wollte ich sie ganz allein besitzen und sie zwingen, alle ihre früheren Verhältnisse, die ihre einzige Gewähr für die Zukunft waren, auf einmal abzubrechen! Was hatte ich ihr vorzuwerfen? Nichts, Sie hatte mir geschrieben, daß sie unpäßlich sei, während sie mir mit der widerlichen Aufrichtigkeit mancher anderen Schönen gerade heraus hätte sagen können, daß sie einem Geliebten ein Rendezvous gegeben und statt ihrem Briefe Glauben zu schenken, statt in allen Straßen von Paris, mit Ausnahme der Rue d'Antin, umherzugehen, statt meinen freien Abend im Kreise meiner Freunde zu verleben und mich am folgenden Tage zur festgesetzten Stunde einzufinden, spielte ich den Othello bei einer Buhlerin, beobachtete ihr Tun und Lassen und glaubte sie durch mein Ausbleiben zu bestrafen. Sie mußte aber vielmehr hocherfreut sein über die Trennung, sie mußte mich höchst abgeschmackt finden und ihr Stillschweigen war kein Groll, sondern Verachtung,
Ich hätte Margarete ein Geschenk machen sollen, das ihr über meine Großmut keinen Zweifel lassen konnte; ich würde sie auf diese Weise als fille entretenue behandelt haben. Aber dies würde in meinen Augen eine Herabwürdigung unserer gegenseitigen Gefühle gewesen sein; meine Liebe zumal war so rein, daß sie durch kein Geschenk, wie schön es auch sein mochte, das von ihr gewährte, wenn auch kurze Glück, bezahlen konnte.
Dies alles suchte ich mir die Nacht hindurch recht deutlich zu vergegenwärtigen und ich war jeden Augenblick bereit, es Margarete zu sagen.
Als der Tag anbrach, schlief ich noch nicht, ich war in einem fieberhaften Zustande und es war mir unmöglich an etwas anderes als an Margarete zu denken.
Ich mußte einen entscheidenden Entschluß fassen und entweder mit Margarete brechen oder meine Bedenklichkeiten überwinden, wenn sie nämlich noch geneigt war, mich zu empfangen. Sie wissen aber wohl, daß man die Ausführung eines entscheidenden Entschlusses gern aufschiebt. Zu Hause zu bleiben war mir unmöglich, zu Margarete zu gehen, wagte ich nicht; ich versuchte daher ein Mittel, mich ihr zu nähern; ein Mittel, das meine Eigenliebe im Falle des Gelingens auf Rechnung des Zufalles setzen konnte.
Es war neun Uhr; ich ging zu Prudence, die mich fragte, welcher Ursache sie diesen frühen Besuch zu verdanken habe.
Ich wagte ihr nicht gerade heraus zu sagen, was mich zu ihr führte und antwortete ihr, ich sei früh ausgegangen, um eine Fahrkarte für den nach C*** abgehenden Postwagen zu lösen, da ich einen Besuch bei meinem Vater beabsichtigte.
»Sie sind sehr glücklich,« sagte sie, »daß Sie in diesem schönen Wetter Paris verlassen können.«
Ich sah Prudence an und fragte mich im stillen, ob sie sich über mich lustig machen wolle; aber ihr Gesicht war ganz ernsthaft.
»Werden Sie von Margarete Abschied nehmen?« fuhr sie in demselben ernsthaften Tone fort.
»Nein.«
»Sie tun sehr wohl daran.«
»Natürlich, Sie haben ja mit ihr gebrochen, warum wollten Sie sie wiedersehen?«
»Sie wissen es also?«
»Sie hat mir Ihren Brief gezeigt.«
»Und was hat sie gesagt?«
»Sie hat gesagt: Liebe Prudence, Ihr Schützling ist nicht artig, solche Briefe denkt man nur, aber man schreibt sie nicht.«
»Und in welchem Tone hat sie das gesagt?«
»Sie hat gelacht und hinzugesetzt: Er hat zweimal bei mir soupiert und macht mir nicht einmal die Verdauungsvisite.«
Eine solche Wirkung hatte ich also durch meinen Brief und meine Bedenklichkeiten hervorgebracht! Ich war in meiner Liebeseitelkeit sehr schmerzlich gedemütigt.
»Und was hat sie gestern Abend gemacht?« erwiderte ich.
»Sie ist ins italienische Theater gegangen.«
»Ich weiß es und dann?«
»Dann hat sie zu Hause soupiert.«
»Allein?«
»Mit dem Grafen von G***, glaube ich.«
Mein Zurücktreten hatte an Margaretens Lebensweise also durchaus nichts geändert. Sie werden vielleicht mit vielen anderen der Meinung sein, Margarete habe mich nicht geliebt und ich hätte nicht mehr an sie denken sollen.
»Es freut mich,« erwiderte ich mit gezwungenem Lächeln, »daß sich Margarete um mich nicht grämt.«
»Sie tun sehr wohl daran,« sagte Prudence, »Sie haben ganz recht gehandelt; Sie sind vernünftiger gewesen als Margarete, denn sie war ganz vernarrt in Sie, sie sprach nur von Ihnen und wäre gewiß irgendeiner Torheit fähig gewesen.«
»Wenn sie mich aber liebt, warum hat sie mir dann nicht geantwortet?«
»Weil sie eingesehen hat, daß sie sich durch ihre Gefühle zu einer Übereilung hatte verleiten lassen. Überdies erlauben die Frauen wohl zuweilen, daß man ihre Liebe täuscht, aber ihre Eigenliebe darf man nicht verletzen; man verletzt ihre Eigenliebe, wenn man sie nach zweitägiger Bekanntschaft verläßt, was für Gründe man auch für einen solchen Bruch anführe. Ich kenne Margarete, sie würde lieber sterben, als Ihnen antworten.«
»Was habe ich also zu tun?«
»Nichts. Sie werden sich gegenseitig vergessen und haben einander nichts vorzuwerfen.«
»Aber wenn ich an sie schreibe und sie um Verzeihung bitte?«
»Hüten Sie sich wohl, Sie würde Ihnen verzeihen.«
Diese Worte elektrisierten mich, ich hätte Prudence um den Hals fallen mögen.
Eine Viertelstunde nachher war ich zu Hause und schrieb an Margarete:
»Jemand, der einen gestern an Sie geschriebenen Brief bereut und morgen abreisen wird, wenn Sie ihm nicht verzeihen, wünscht zu wissen, zu welcher Stunde er seine Reue zu Ihren Füßen niederlegen kann. Wann wird er Sie allein finden? Sie wissen ja, eine Beichte muß ohne Zeugen abgelegt werden.«
Ich faltete dieses Madrigal in Prosa zusammen, siegelte es und schickte Josef damit ab. Er übergab es Margarete selbst und sie ließ mir sagen, sie werde später antworten.
Ich entfernte mich nur kurze Zeit, um zu speisen, und um zehn Uhr abends hatte ich noch keine Antwort erhalten.
Da faßte ich endlich den Entschluß, meinen Qualen ein Ende zu machen und am folgenden Tage abzureisen. Ich sah wohl ein, daß ich nicht würde schlafen können, wenn ich mich auch niederlegte, ich fing daher an, meine Sachen einzupacken.