Alexander Dumas d. Ä.
Die schwarze Tulpe
Alexander Dumas d. Ä.

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2.
Die beiden Brüder

Wie es die schöne Rosa in einer Art ahnungsvoller Befürchtung gesagt hatte, thaten die Bürger, während Johann von Witt die Steintreppe hinaufstieg, die zu dem Gefängnis seines Bruders Cornelius hinaufführte, ihr Bestes, um Tillys Schar, die sie behinderte, zu entfernen.

Als das Volk, welches die guten Absichten seiner Miliz billigte, dies sah, schrie es aus vollem Halse: »Es lebe die Bürgerwehr!«

Was den ebenso klugen wie entschlossenen Herrn von Tilly anlangt, so unterhandelte er unter den schußbereiten Pistolen seiner Compagnie mit dieser Bürgerwehrcompagnie, indem er ihr so gut wie möglich auseinandersetzte, daß ihm die von den Ständen erteilte Weisung ausdrücklich vorschriebe, mit drei Compagnien den Platz vor dem Gefängnis und seinen Umgebungen zu bewachen.

»Weshalb solchen Befehl? Weshalb das Gefängnis bewachen?« schrien die Orangisten.

»Ei!« erwiderte Herr von Tilly, »da fragt ihr mich hintereinander mehr, als ich euch beantworten kann. Man hat mir gesagt: Bewache, und ich bewache. Ihr, die ihr halbe Soldaten seid, meine Herren, müßt wissen, daß ein Befehl nicht besprochen werden darf.«

»Aber man hat Ihnen diesen Befehl gegeben, damit die Verräter die Stadt verlassen können.«

»Das wäre wohl möglich, da die Verräter zur Verbannung verurteilt sind,« erwiderte Tilly.

»Aber wer hat diesen Befehl gegeben?«

»Die Stände, potztausend!«

»Die Stände verraten.«

»Das ist mir unbekannt.«

»Und Sie verraten selbst.«

»Ich?«

»Ja, Sie.«

»Ei, wir wollen uns verständigen, meine Herren Bürger. Wen sollte ich verraten? Die Stände? Ich kann sie nicht verraten, da ich in ihrem Solde stehe und ihren Befehl pünktlich ausführe!«

Und da der Graf so vollkommen Recht hatte, daß sich seine Antwort unmöglich bestreiten ließ, wurden darauf das Geschrei und die Drohungen nur um so heftiger, furchtbares Geschrei und schreckliche Drohungen, auf welche der Graf mit aller möglichen Höflichkeit antwortete.

»Aber meine Herren Bürger, setzet gefälligst den Hahn eurer Musketen in Ruhe. Es könnte eine aus Zufall losgehen, und wenn der Schuß einen meiner Reiter verwundete, müßten wir zweihundert von euch niederreiten, was uns sehr leid thun würde und euch noch mehr, da es weder in eurer noch in meiner Absicht liegt.«

»Wenn Sie das thäten,« riefen die Bürger, »so würden wir unsererseits Feuer auf Sie geben.«

»Ei ja, aber wenn ihr uns auch vom Ersten bis zum Letzten tötetet, so würden die von uns Getöteten deshalb doch tot bleiben.«

»Verlassen Sie dann also den Platz, und Sie handeln als guter Bürger.«

»Erstlich bin ich kein Bürger,« versetzte Tilly; »ich bin Offizier, was einen wesentlichen Unterschied bildet; und ferner bin ich kein Holländer, ich bin Franzose, und das bildet einen noch größeren Unterschied. Ich kenne also nur die Stände, die mir Sold zahlen. Bringt mir von den Ständen den Befehl, den Platz zu verlassen, und ich mache sofort kehrt, da ich mich hier schrecklich langweile.«

»Ja, ja!« schrien hundert Stimmen, in die augenblicklich fünfhundert andere einfielen. »Wir wollen nach dem Stadthause gehen und die Abgeordneten aufsuchen! Kommt, kommt!«

»So ist es recht,« murmelte Tilly, als er sich die Wütendsten entfernen sah, »verlangt im Stadthause eine Niederträchtigkeit, und ihr werdet ja sehen, ob man sie euch zugesteht. Geht, Freundchen, geht.«

Der würdige Offizier verließ sich auf die Ehre der Obrigkeit, die sich wieder auf ihn, auf seine Soldatenehre verließ.

»Lassen Sie den Abgeordneten doch sagen, Rittmeister,« raunte dem Grafen sein Premierlieutenant zu, »sie möchten diesen Wütenden ihr Verlangen abschlagen, uns aber einige Verstärkung schicken, das könnte nichts schaden, denke ich.«

Inzwischen war Johann von Witt, den wir verließen, als er nach seiner Unterhaltung mit dem Gefängniswärter Gryphus und seiner Tochter Rosa die steinerne Treppe hinaufstieg, vor der Thür des Zimmers angelangt, wo sein Bruder Cornelius, gegen den, wie wir gesagt haben, der Staatsanwalt die ersten Grade der Folter hatte vollstrecken lassen, auf einer Matratze lag.

Das Urteil zur Verbannung, welches die Anwendung der höheren Foltergrade unnütz machte, war eingetroffen.

Cornelius, der von einem Verbrechen, das er nicht begangen, nichts gestanden hatte, lag mit zerbrochenen Handgelenken und Fingern auf seinem Bette. Nach drei Tagen schweren Leidens hatte er endlich wieder aufgeatmet, als er erfuhr, daß die Richter, von denen er die Todesstrafe erwartete, ihn nur zur Verbannung hatten verurteilen wollen.

Von kräftigem Leibe und unüberwindlichem Geiste hätte er gewiß seine Feinde enttäuscht, hätten sie in der tiefen Dunkelheit des Zimmers in Buytenhoff das Lächeln des Märtyrers, der den Kot der Erde vergißt, seitdem er den Glanz des Himmels erblickte, leuchten sehen.

Mehr durch die Macht seines Willens als durch einen wirklichen Beistand hatte der Deichhauptmann alle seine Kräfte wiedergewonnen, und er berechnete, wie lange ihn noch die gerichtlichen Förmlichkeiten im Gefängnis zurückhalten könnten.

Gerade in diesem Augenblicke erhob sich gegen die beiden Brüder das vereinte Geschrei der Bürgerwehr und des Pöbels und drohte dem Rittmeister Tilly, der ihnen als Schutz diente. Dieser Lärm, der sich wie eine heranbrausende Flut am Fuß der Gefängnismauer brach, drang bis zum Gefangenen.

Aber so drohend dieser Lärm auch war, so versäumte Cornelius doch sich zu erkundigen oder hielt es auch nicht der Mühe für wert aufzustehen, um durch das schmale Fenster mit seinem Eisengitter zu blicken, welches das Licht und die verworrenen Stimmen hineindringen ließ.

Er war in der beständigen Fortdauer seines Leidens so abgestumpft, daß ihm dieses Leiden fast zur Gewohnheit geworden war. Endlich fühlte er, wie seine Seele und Vernunft so nahe daran waren, alle körperlichen Beschwerden abzustreifen, mit solcher Seligkeit, daß es ihm vorkam, als ob schon diese Seele und Vernunft, allem Sinnlichen entrückt, über demselben schwebten, wie über einem fast erloschenen Herde die Flamme hin- und herschwankt, ehe sie sich gen Himmel emporschwingt.

Auch dachte er an seinen Bruder.

Sicherlich machte sich ihm durch die unbekannten Geheimnisse, die später der Magnetismus entdeckt hat, das Nahen seines Bruders fühlbar. Als Johann seinen Bruder so nahe umschwebte, daß sein Name auf dessen Lippen hörbar war, öffnete sich die Thür, Johann trat ein und ging mit eiligem Schritte auf das Bett des Gefangenen zu, der seine zerquetschten Arme und seine in Leinwand gehüllten Hände nach seinem ruhmreichen Bruder ausbreitete.

Zärtlich küßte Johann seinen Bruder auf die Stirn und legte seine kranken Hände sanft auf die Matratze.

»Cornelius, mein armer Bruder,« sagte er, »nicht wahr, du leidest sehr?«

»Ich leide nicht mehr, mein Bruder, da ich dich sehe.«

»O mein armer, lieber Cornelius, glaube mir, jetzt leide ich an deiner statt, da ich dich in solchem Zustande erblicke.«

»Auch habe ich mehr an dich als an mich gedacht und während sie mich folterten, klagte ich nur ein einziges Mal: Armer Bruder! Aber da bist du ja, laß uns alles vergessen. Du willst mich abholen, nicht wahr?«

»Ja!«

»Ich bin genesen; hilf mir aufstehen, mein Bruder; du sollst dich überzeugen, wie gut ich gehen kann.«

»Du brauchst nicht weit zu gehen, mein Freund, denn meine Kutsche steht hinter Tillys Reitern am Fischteiche.«

»Hinter Tillys Reitern? Weshalb sind sie denn am Fischteiche?«

»Ach,« sagte der Großpensionär mit jenem traurigen Lächeln, das ihm eigentümlich war, »weil man annimmt, die Leute von Haag könnten deine Abreise mit ansehen wollen, und etwas Aufruhr fürchtet.«

»Aufruhr?« versetzte Cornelius, indem er seinen verlegenen Bruder fest anblickte; »Aufruhr?«

»Ja, Cornelius.«

»Dann hörte ich ihn also soeben,« sagte der Gefangene, als ob er mit sich selber spräche. Darauf kehrte er zu seinem Bruder zurück und fügte hinzu:

»Es sind also große Volkshaufen um den Buytenhoff, nicht wahr?« fragte er.

»Ja, mein Bruder.«

»Aber wie hat man dann, um hierher zu kommen . . .«

»Nun?«

»Dich hindurch gelassen?«

»Du weißt wohl, daß wir nicht allzubeliebt sind, Cornelius,« sagte der Großpensionär mit bitterer Schwermut. »Ich bin durch entlegene Straßen gefahren.«

»Du hast dich verborgen gehalten, Johann?«

»Ich beabsichtigte, ohne Zeit zu verlieren zu dir zu gelangen, und that deshalb, was man in der Politik und auf dem Meere thut, wenn man den Wind gegen sich hat: ich lavierte.«

In diesem Augenblick drang noch wütenderer Lärm von dem Platze ins Gefängnis. Tilly unterhandelte mit der Bürgerwehr.

»O, o,« sagte Cornelius, »du bist ein sehr geschickter Lotse, Johann; aber ich weiß nicht, ob du deinen Bruder unter der hohen See und der Brandung der Volksmasse ebenso sicher aus Buytenhoff herausschaffen wirst, wie du die Flotte durch die Untiefen der Schelde von Tromp nach Antwerpen führtest.«

»Mit Gottes Hilfe wollen wir es wenigstens versuchen, Cornelius,« entgegnete Johann; »zunächst aber ein Wort.«

»So sprich.«

Von neuem erhob sich das Geschrei.

»O, o!« fuhr Cornelius fort, »von wie großem Zorne sind diese Leute erfüllt! Gilt er dir? gilt er mir?«

»Ich glaube, er ist gegen uns beide gerichtet, Cornelius. Ich wollte also sagen, mein Bruder, daß uns die Orangisten unter ihren albernen Verleumdungen namentlich vorwarfen, wir hätten mit Frankreich unterhandelt.«

»Die Tröpfe.«

»Ja, aber sie werfen es uns vor.«

»Hätten diese Unterhandlungen jedoch Erfolg gehabt, so wären ihnen die Niederlagen bei Rees, Orsay, Wesel und Rheinberg erspart worden; sie hätten ihnen den Übergang über den Rhein aus dem Wege geräumt, und Holland könnte sich inmitten seiner Sümpfe und Kanäle noch immer für unüberwindlich halten.«

»Das alles ist wahr, mein Bruder, aber eins ist für mich noch weit wahrer: fände man in diesem Augenblicke unseren Briefwechsel mit Herrn von Louvois, so würde ich, ein so guter Lotse ich auch bin, das so gebrechliche Schifflein, das die Brüder Witt und ihr Vermögen aus Holland tragen soll, nicht zu retten imstande sein. Dieser Briefwechsel, der redlichen Leuten bewiese, wie sehr ich mein Vaterland liebe und welche Opfer ich persönlich für seine Freiheit und seinen Ruhm bringen wollte, dieser Briefwechsel würde uns bei den Orangisten, unseren Besiegern verderben. Auch gebe ich mich der Hoffnung hin, lieber Cornelius, daß du, bevor du Dordrecht verließest, um mit mir in Haag zusammenzutreffen, ihn verbrannt hast.«

»Mein Bruder,« versetzte Cornelius, »dein Briefwechsel mit Herrn von Louvois beweist, daß du in der neuesten Zeit der größte, der edelmütigste und gewandteste Bürger der sieben vereinigten Provinzen warst. Ich liebe den Ruhm meines Vaterlandes, ich liebe vor allem deinen Ruhm, mein Bruder, und habe mich deshalb wohl gehütet, diesen Briefwechsel zu verbrennen.«

»Dann sind wir für dieses irdische Leben verloren,« sagte ruhig der Exgroßpensionär, indem er an das Fenster trat.

»Nein, ganz im Gegenteil, Johann, und wir werden dadurch unser irdisches Leben retten und zugleich unsere Volksgunst wieder erblühen sehen.«

»Was hast du denn nun mit diesen Briefen angefangen?«

»Ich habe sie meinem Paten, Cornelius van Baerle, den du ja kennst und der in Dordrecht wohnt, anvertraut.«

»O, der arme Junge, dieses liebe und naive Kind! dieser Gelehrte, der, was selten vorkommt, so vieles weiß und doch nur an die Blumen, die Gott grüßen, und an Gott, der die Blumen wachsen läßt, denkt! Ihm hast du also dieses unheilvolle Gut übergeben? Aber dann ist er verloren, mein Bruder, dieser arme, liebe Cornelius!«

»Verloren?«

»Ja, einerlei ob er stark oder schwach ist. Denn so fremd er auch allem, was uns widerfährt, sein mag, so tief dieser wunderbare Mensch auch in Dordrecht vergraben ist und von allen abgezogen lebt, so wird er doch früher oder später erfahren, was uns zustößt. Ist er nun stark, so rühmt er sich unser, ist er schwach, so fürchtet er sich wegen unserer innigen Freundschaft; ist er stark, so plappert er das Geheimnis aus; ist er schwach, so läßt er es sich entreißen! In beiden Fällen ist er also verloren, Cornelius, und wir ebenfalls. So laß uns deshalb schnell fliehen, mein Bruder, wenn es noch Zeit ist.«

Cornelius richtete sich auf seinem Bette empor, ergriff die Hand seines Bruders, die bei der Berührung des Umschlages zu zittern begann und sagte:

»Kenne ich meinen Paten nicht? Habe ich nicht jeden Gedanken in van Baerles Herzen, jedes Gefühl in seiner Seele lesen gelernt? Du fragst mich, ob er schwach, du fragst mich, ob er stark ist. Er ist keins von beiden; aber gleichviel, was er überhaupt auch sei. Die Hauptsache ist, daß er das Geheimnis bewahren wird, weil er es nicht einmal kennt.«

Überrascht wandte sich Johann um.

»O,« fuhr Cornelius mit seinem sanften Lächeln fort, »der Deichhauptmann ist ein in Johanns Schule erzogener Politiker; ich wiederhole es dir, mein Bruder, van Baerle kennt nicht die Natur und den Wert des ihm von mir anvertrauten Gutes.«

»Dann schnell!« rief Johann, »da es noch Zeit ist; wir wollen ihm den Befehl zur Verbrennung der Papiere geben.«

»Durch wen ihm diesen Befehl überbringen lassen?«

»Durch meinen Diener Kraeke, der uns zu Pferde begleiten sollte und mit mir in das Gefängnis gekommen ist, um dir beim Hinabsteigen der Treppe zu helfen!«

»Überlege, ehe du diese dir Ruhm bringenden Urkunden verbrennen läßt, Johann.«

»Überlege, mein braver Cornelius, daß die Gebrüder Witt vor allem ihr Leben retten müssen, um ihren Ruf zu retten. Wer wird uns verteidigen, Cornelius, wenn wir tot sind? Wer hat uns nur verstanden?«

»Du glaubst also, daß sie uns töten würden, wenn sie diese Papiere fänden?«

Ohne seinem Bruder zu antworten, streckte Johann die Hand nach dem Buytenhoff aus, von wo in diesem Augenblicke der Schall wilden Gebrülles hereindrang.

»Ja, ja,« sagte Cornelius, »ich höre dieses Geschrei wohl; aber was sagt dieses Geschrei?«

Johann öffnete das Fenster.

»Tod den Verrätern!« heulte der Pöbel.

»Hörst du jetzt, Cornelius?«

»Und wir sind die Verräter!« versetzte der Gefangene, indem er die Augen zum Himmel emporschlug und die Achseln zuckte.

»Wir sind es,« wiederholte Johann von Witt.

»Wo ist Kraeke?«

»Vermutlich vor der Thür deines Zimmers.«

»Laß ihn dann eintreten.«

Johann öffnete die Thür. Der treue Diener wartete wirklich auf der Schwelle.

»Komm herein, Kraeke, und behalte wohl, was dir mein Bruder sagen wird.«

»O nein, Johann, ein mündlicher Befehl reicht nicht aus, ich muß ihn leider aufschreiben.«

»Und weshalb?«

»Weil van Baerle das ihm anvertraute Gut nicht ohne einen ausdrücklichen Befehl zurückgeben oder verbrennen wird.«

»Wirst du aber schreiben können, mein lieber Freund?« fragte Johann, beim Anblick dieser armen ganz verbrannten und ganz zerquetschten Hände.

»O, wenn ich Feder und Tinte hätte, solltest du sehen!« sagte Cornelius.

»Da ist wenigstens ein Bleistift.«

»Hast du Papier, denn hier hat man mir nichts gelassen?«

»Diese Bibel. Reiße das erste Blatt heraus.«

»Gut.«

»Wird deine Schrift aber nicht unleserlich sein?«

»Überzeuge dich selbst!« versetzte Cornelius, und blickte seinen Bruder an. »Diese Finger, die den Schrauben des Henkers widerstanden, dieser Wille der den Schmerz besiegte, werden sich zu einer gemeinsamen Anstrengung vereinigen, und sei unbesorgt, mein Bruder, die wenigen Zeilen sollen ohne ein einziges Zittern niedergeschrieben werden.«

Und wirklich nahm Cornelius den Bleistift und schrieb.

Jetzt konnte man unter der weißen Leinewand Bluttropfen erscheinen sehen, welche der Druck der Finger gegen den Bleistift aus dem offenen Fleische hervortrieb.

Der Schweiß rann von den Schläfen des Großpensionärs herab.

Cornelius schrieb:

»Lieber Pate

Verbrenne das dir von mir anvertraute Päckchen Papiere, verbrenne es, ohne es anzusehen, ohne es zu öffnen, damit es dir selbst unbekannt bleibt. Geheimnisse derartigen Inhalts töten ihre Aufbewahrer. Verbrenne sie also, und du rettest dadurch Johann und Cornelius.

Lebe wohl und behalte mich lieb.

  Den 20. August 1672.

Cornelius von Witt.«

Mit Thränen in den Augen wischte Johann einen Tropfen dieses edeln Blutes, der das Blatt befleckt hatte, ab, übergab es Kraeke mit einer letzten Einschärfung und kehrte zu Cornelius zurück, der vor Schmerz noch jammerblaß war und einer Ohnmacht nahe schien.

»Wenn jetzt dieser brave Kraeke,« sagte er, »sein altes Pfeifen hören läßt, wird es ein Zeichen sein, daß er sich außerhalb der Volksmassen jenseits des Fischteiches befindet. Alsdann wollen wir unserseits aufbrechen.«

Fünf Minuten waren noch nicht vergangen, als ein lauter und greller Pfiff durch die dunkle Blätterkrone der Ulmen hindurchdrang und das Geschrei auf Buytenhoff übertönte.

Johann erhob seine Arme zum Himmel, um ihm zu danken.

»Und jetzt, Cornelius,« sagte er, »laß uns aufbrechen.«

 


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