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Athos nahm kurz nach dieser Szene von d'Artagnan und Rudolf Abschied und trat die Heimkehr an. Als d'Artagnan ihm die Hand zum Abschied reichte, erklang hinter ihm die Frage: »Ich hätte mit Ihnen zu reden, Herr Chevalier.« – Der Kapitän sah sich um und erblickte ein kleines, unscheinbares Männchen, das bescheiden nähertrat. »Potzblitz!« rief er, »das ist Baisemeaux. Es ist wahr, ich hatte Ihnen geschrieben, es sei ein neuer Kostgänger abzuholen, aber es wird nichts draus. Athos, erlauben Sie, daß ich Ihnen Herrn Baisemeaux, den Gouverneur der Bastille vorstelle. Sie müssen sich übrigens kennen. Es ist ja Baisemeaux, mein Leibgardist, mit dem wir einst unter dem Kardinal manchen Streich ausgeführt haben.« – »Es ist mir erinnerlich,« sagte Athos. – »Das ist der Graf de la Fère,« flüsterte der Kapitän den Gouverneur ins Ohr. – »Ja, ja, einer der vier Famosen,« sagte Baisemeaux. – »Ganz recht! doch warum sind Sie selbst gekommen?« fragte der Chevalier, während Athos mit einem letzten Gruße hinwegritt. – »Weil ich mit Ihnen zu reden hatte. Also wird nichts aus der Verhaftung? Will der König die fragliche Person nicht einsperren lassen? Das ist sehr bedauerlich.«
»Wieso?« rief d'Artagnan lachend. – »Jenun, meine Gefangnen sind doch mein Einkommen,« antwortete der Gouverneur. – »Ei, Sie sagen das ja wie jemand, der nicht das Salz aufs Brot hat. Sie müssen doch ein sehr hübsches Sümmchen im Jahre herausschlagen. Doch kommen Sie mit auf mein Zimmer, dort reden wir in aller Ruhe.«
Baisemeaux folgte dem Chevalier. – »Nun, alter Freund,« fuhr d'Artagnan fort, als sie einander gegenübersaßen. »Ich wette doch, Sie ziehen aus den Täubchen, die Sie in dem allerliebsten Käfig der Bastille halten, jährlich Ihre 50 000 Livres. Man sieht es ja auch, Sie sind rund und wohlbeleibt wie ein Fäßchen.« – »Das ist alles gut und schön,« antwortete Baisemeaux kopfschüttelnd. »Sie vergessen nur die Hauptsache dabei. Sie haben Ihren schönen Posten vom König erhalten, ich aber verdanke meine Stelle den Herren von Tremblay und von Louvières.« – »Das heißt also, Sie haben sie nicht umsonst bekommen,« sagte der Kapitän. – Der Gouverneur nickte. »Ich habe an jeden 50 000 Livres zahlen müssen, und obendrein haben sie mir noch ganz unerhörte Bedingungen auferlegt. Ich mußte ihnen nämlich noch drei Jahre meines Einkommens verpfänden.« – »Also nochmals 150 000 Livres?« – »Zahlbar an drei genau festgesetzten Terminen.« – »Das ist ja schauderhaft,« sagte d'Artagnan. »Das ist ja unglaublich.« – »Ja, und wenn ich eine der Zahlungen nicht leiste, so fällt die Stelle an die beiden Herren zurück. Der König hat das selbst unterzeichnet.«
»Dann sind Sie freilich zu bedauern, Baisemeaux,« sagte der Chevalier. »Aber warum hat Mazarin Ihnen diese Gnade erwiesen, die doch eigentlich gar keine zu sein scheint. Es wäre leicht gewesen, sie Ihnen zu verweigern.« – »Er wurde durch meinen Gönner gewissermaßen dazu gezwungen.« – »Und wer ist dieser Gönner?« – »Ein Freund von Ihnen, Herr d'Herblay.« – »Aramis!« rief d'Artagnan. – »Ganz recht! Aramis. Als ich aus seinen Diensten treten wollte, legte er ein gutes Wort bei Tremblay und Louvières für mich ein und leistete außerdem Bürgschaft für die drei Zahlungen. Zu den ersten beiden Zahlungen hat er mir auch pünktlich die 50 000 Livres gegeben, aber nun ist der dritte Termin herangerückt, und wenn ich morgen nicht zahle, dann geht es mir zu guter Letzt doch noch an den Kragen. Ich habe dann drei Jahre umsonst gearbeitet. Und in dieser Not komme ich zu Ihnen. Sie kennen doch den Abbé d'Herblay. Ich habe ihn in seiner Wohnung gesucht; er ist nicht mehr da. Können Sie mir sagen, wo er sich jetzt aufhält?«
»So wissen Sie nicht, daß er Bischof von Vannes geworden ist?« antwortete d'Artagnan. – »Von Vannes in der Bretagne? O weh!« rief der kleine Mann und raufte sich die Haare aus. »Wie soll ich bis morgen nach Vannes und zurück? Ich bin ein verlorener Mann! Ich muß mich dem König zu Füßen werfen.« – »Werfen Sie noch nicht die Flinte ins Korn,« antwortete der Chevalier. »Gehen Sie zu Fouquet!« – »Was soll mir der?« versetzte der Gouverneur. – »Einfältiger! Vannes liegt in der Diözese Belle-Ile, und Belle-Ile gehört Herrn Fouquet. Der Minister hat Herrn d'Herblay zu diesem Bistum verholfen. Gehen Sie zu ihm und sagen Sie ihm, Sie wünschten den Bischof zu sprechen. Der Minister ist hier. Heute abend können Sie ihn allerdings nicht mehr erreichen, weil er beim König ist, aber morgen in aller Frühe wird er zu sprechen sein.« – »Ich werde hingehen. Wärmsten Dank für Ihren guten Rat!« antwortete der Gouverneur, sich verabschiedend. – »Eine sonderbare Geschichte!« sprach der Musketier zu sich selbst, »was für einen Zweck hat Aramis, indem er diesem Herrn Baisemeaux unter die Arme greift? Das muß ich zu erfahren suchen.«
D'Artagnan hatte den Gouverneur richtig beschieden; Fouquet war beim König und nahm an der Spielpartie teil. Monsieur, Buckingham und Graf von Guiche waren ebenfalls zugegen. Der Brite war zerstreut; doch achtete er nicht darauf, wieviel Geld er verlor, hatte er doch sein Herz verloren. Madame spielte mit dem König, und ihr Gatte sah ihr zu und freute sich über den beträchtlichen Gewinn, den sie bereits eingestrichen hatte. Sie schien sich weder um Guiche noch um Buckingham zu kümmern und an die bevorstehende Abreise des letzteren überhaupt nicht zu denken. Der feinfühlende, stolze Engländer empfand diese Kälte und sah nur selten zu ihr hinüber. Ihn erbitterte die Fröhlichkeit dieser Prinzessin, die doch genau wissen mußte, was in seinem Herzen vorging. Ja fast schien es, als ob sie ihrer Laune noch mehr als sonst die Zügel schießen lasse, um ihren Landsmann in letzter Stunde noch einmal nach Herzenslust zu peinigen. Der König, der sich über die besonderen Gründe ihrer Heiterkeit keine Gedanken machte, überließ sich ganz dem unaussprechlichen Reiz, den ihr Frohsinn auf ihn ausübte. Er fand sie bezaubernd schön, und es war nur begreiflich, daß er fehlerhaft spielte. Der Königin-Mutter und der Gattin Ludwigs entging es nicht, daß Madame mit wunderbarem Geschick die erste Rolle in der Umgebung des Königs an sich riß. Mit der Gebärde einer Siegerin triumphierte sie über ihren Erfolg und ließ keinen Zweifel darüber, daß sie willens sei, ihren Platz zu behaupten und jede Nebenbuhlerin – selbst die rechtmäßige Gattin – in Schatten zu stellen. Anna von Oesterreich, alt geworden in der Diplomatie, beugte sich alsbald vor ihr, allein Maria-Theresia, die Infantin von Spanien, schien nicht geneigt, die Macht der Engländerin anzuerkennen. Sie sah sich die Sache ein Weilchen mit an und erhob sich dann ziemlich brüskiert, erklärte das Spiel für beendet und zog sich in ihre Gemächer zurück. Den andern Damen blieb nichts weiter übrig, als ebenfalls zu gehen. Aber selbst hierbei fügte Lady Henriette ihren Triumphen nur noch einen neuen bei: Ludwig XIV. reichte ihr, ohne sich um seinen Bruder zu kümmern, galant den Arm und führte sie bis zur Tür des Salons. Mit einem Seufzer ließ er ihre Hand los – und dieser Seufzer war laut genug gewesen, um von den nächsten Damen und Höflingen gehört zu werden. Madame seufzte auch, aber ganz leise; doch war dieser leise Seufzer um so verhängnisvoller für die Ruhe des Königs.
Man sah darauf den König sehr zerstreut zurückkehren und erst aus seinen tiefen Gedanken erwachen, als Colbert, der Intendant, sich ihm näherte und leise ein paar Worte sprach. Der König sah auf, nickte und trat dann lächelnd zu dem Oberintendanten Fouquet, der sich mit Lord Buckingham unterhielt. – »Verzeihung, wenn ich Ihr Gespräch unterbreche,« sagte Ludwig, »aber ich bedarf Ihrer, Herr Fouquet.« – »Ich stehe meinem Könige stets zur Verfügung,« antwortete Fouquet. – »Auch Ihre Kasse?« fragte der König lachend. – »Die in erster Linie,« erwiderte der Minister gelassen.
»Nun, Herr Fouquet,« sagte der König, »ich beabsichtige in Fontainebleau ein großes Fest zu veranstalten, das vierzehn Tage dauern soll, und dazu brauche ich –« er stockte und warf einen Seitenblick auf Colbert – »dazu brauche ich vier Millionen.« – »Vier Millionen,« antwortete Fouquet und verneigte sich. Dabei preßte er die Finger so fest auf die Brust, daß die kostbare Spitze seines Jabots zerriß. »Und wann, Majestät?« – »Sobald als möglich.« – »Man braucht Zeit –« sagte Fouquet, und als er den triumphierenden Blick sah, der in Colberts Augen aufleuchtete, setzte er kalt hinzu, »um eine solche Summe abzuzählen. An je einem Tage kann nur eine Million gezählt werden.« – »Also vier Tage,« sagte Colbert. – »Meine Beamten tun Wunder, wenn es einen besonderen Dienst gilt,« antwortete Fouquet lächelnd. »Sie sollen das Geld in drei Tagen haben.« – Colbert erblaßte, Fouquet verneigte sich und schritt, den Tod im Herzen, hinaus.
Er befahl sofort seinen Wagen und fuhr in seinen Palast, wo Aramis ihn schon erwartete. Er saß im samtnen Schlafrock am Schreibtische, mit Briefen beschäftigt. Als er den Oberintendanten erblickte, ließ er die Feder fallen, stand auf und rief: »Sie haben wie immer verloren?« – »Mehr als immer,« war die Antwort. – »Aber Sie wissen den Verlust gut zu ertragen,« sagte Aramis. »War es heute so viel?« – Fouquet lächelte schmerzlich und ließ sich in einen Sessel fallen. »Vier Millionen,« sagte er. – »Aber soviel können Sie doch nicht verspielt haben?« rief Aramis erstaunt, denn eine solche Summe zu hören, hatte er nicht erwartet. – »Doch. Colbert war mein Partner,« antwortete der Minister mit unheimlichem Lächeln.
»Jetzt verstehe ich,« sagte d'Herblay. »Und auf Colberts Rat hin verlangt der König diese Summe.« – »Mit höchsteigenem Munde hat er sie verlangt,« sprach der Oberintendant. »Mit einem holdseligen Lächeln, als ahnte er nicht im mindesten, daß er mich zugrunde richtet.« – »Eine große Summe, allerdings,« erwiderte d'Herblay. »Aber selbst eine Forderung von vier Millionen bringt Ihnen noch nicht den Untergang. Haben Sie zugesagt?« – »Was sollte ich anders tun?« sagte Fouquet. »Wenn ich das Geld nicht auftreibe, treibt Colbert es auf, und dann bin ich verloren. In drei Tagen soll's da sein. Majestät scheint es diesmal besonders eilig zu haben. Und ich weiß, es wird schwer halten, das Geld zusammenzubringen. Und gelingt es auch diesmal noch, woher das nächste Mal nehmen? Glauben Sie mir, es hat damit noch kein Ende. Wenn die Könige einmal das Geld gekostet haben, dann sind sie wie die Tiger, die Blut geleckt haben. Es wird eine Zeit kommen, wo ich sagen muß: Majestät, ich kann nicht mehr.«
Aramis zuckte die Achseln. »Not macht erfinderisch,« sagte er. »Wenn alles verloren scheint, wird etwas Unerwartetes aufgefunden werden, und Sie sind gerettet.« – »Und wer wird dieses Unerwartete auffinden?« – »Sie selbst!« antwortete Aramis, »oder ich. Haben Sie vergessen, was ich einst zu Ihnen sagte? Solange Sie Mut haben, können Sie unbesorgt sein. Ein Mann in Ihrer Stellung ist verloren, wenn er verloren sein will. Und Sie brauchen den Mut nicht sinken zu lassen.« – »Sie meinen, im entscheidenden Moment werden Sie mir zu Hilfe kommen?« fragte Fouquet. – »Ich werde dann nur meine Schuld bei Ihnen abtragen,« antwortete der Bischof. »Für heute allerdings muß ich selbst es bedauern, daß Sie schlecht bei Kasse sind, weil ich Sie um Geld bitten wollte.« – »Um wieviel?« – »Um 50 000 Livres.« – »O,« rief Fouquet beruhigt. »Soviel hat man doch immer. Ich wünsche, Colbert, der Schurke, wäre mit ebenso Wenigem zufrieden. Wann brauchen Sie das Geld?« – Morgen früh.« – »Gut, und –«
»Natürlich, Sie wollen wissen, wozu es verwendet werden soll,« sagte Aramis lächelnd. – »Nein, bitte sehr, es bedarf keiner näheren Erklärung,« antwortete der Minister. – »Morgen ist Zahlungstermin für einen unserer Schuldscheine,« erklärte der Bischof. »Das letzte Drittel der verbürgten 150 000 Livres für Herrn Baisemeaux, den Gouverneur der Bastille, ist fällig.« – »Ach richtig, ja! Wir haben für ihn gutgesagt, als wir ihm die Stelle verschafften. Der Mann hat uns eigentlich noch gar nichts genützt.« – »Kann es aber immer noch,« antwortete d'Herblay. »Ein Gouverneur der Bastille ist zu jeder Zeit eine sehr wertvolle Bekanntschaft. Wir haben Dichter, die uns preisen, Ingenieure, die für uns bauen, Zeitungsschreiber, die für uns Reklame machen, und wir haben auch unsern Gefängnisdirektor. Und, gnädigster Herr,« setzte er hinzu, »wir sind ja doch immer in der Gefahr, der Bastille einen Besuch machen zu müssen.« Dabei tat er seine blassen Lippen auf und zeigte dieselben schönen Zähne, die vor dreißig Jahre schon von Maria Michon bewundert worden waren.
Am nächsten Vormittag war Baisemeaux, der Gouverneur, bereit zur Ausfahrt, um den Minister Fouquet aufzusuchen, als ein Schließer zu ihm eintrat mit der Meldung, daß ein fremder Herr, der seinen Namen nicht nennen wolle, ihn zu sprechen wünsche. Von einer frohen Ahnung beseelt, befahl der Gouverneur, den Fremden einzulassen. Seine Hoffnung betrog ihn nicht: es war Aramis, der Chevalier d'Herblay, der Bischof von Vannes, und wenn er kam, das wußte Baisemeaux, dann kam auch das Geld mit ihm. »Wie freue ich mich, Eure Herrlichkeit zu sehen!« rief der Gouverneur und empfing ihn mit aller Höflichkeit, deren ein von Herzen dankbarer Mensch fähig ist. »Ach, gnädigster Herr, gnädigster Herr, Sie sind doch eben immer ein Mann von Wort!«
»In Geschäftssachen,« antwortete d'Herblay, »ist die Pünktlichkeit keine Tugend, sondern eine Pflicht. Sie waren aber doch wohl nicht ohne Besorgnis dieserhalb? Nun, ich wollte gestern schon kommen, aber ich war zu ermüdet, und deshalb komme ich nun heute so zeitig. Und ich tat auch wohl, mich zu beeilen, wie es scheint, denn Sie wollten eben ausfahren.« – »Ich muß gestehen –« stammelte Baisemeaux und suchte nach einem Vorwande, denn er wollte Aramis nicht wissen lassen, wohin er hatte fahren wollen, da erklang aus dem Hofe herauf eine Stimme: »Fährt der Herr Gouverneur noch zu Herrn Fouquet?« – Der Bischof von Vannes lächelte. »Wie? Zu Herrn Fouquet wollten Sie fahren? Wozu denn?« – »Jenun,« platzte Baisemeaux in seiner Verlegenheit heraus, »Herr d'Artagnan sagte mir, ich würde Sie dort treffen.« – »Wie? Herr d'Artagnan?« fragte Aramis. »So haben Sie mit diesem Herrn gesprochen? Sie trauen mir nicht, Herr Gouverneur?« – »O, nicht doch, nicht doch, gnädigster Herr!« rief Baisemeaux untröstlich. »Ich traf ihn zufällig, und da er ein Freund von Ihnen ist, erkundigte ich mich nebenher nach Ihrer Adresse. Wir sprachen im übrigen nur von meinen Geschäften, die, wie Sie wissen, sehr schlecht stehen.«
»Schon gut, schon gut,« versetzte der Bischof. »Sie zahlen ja nun das letzte Mal, dann beginnt eine bessere Zeit. Wie viele Gefangene haben Sie jetzt?« – »Sechzig.« – »Nun, das geht doch an.« – »Ach, gnädigster Herr,« seufzte der Gouverneur. »Früher gab es Jahre mit 200. Ja doch, jedem andern würden 60 Gefangene 150 Pistolen eintragen, aber ich füttere sie zu gut. Rechnen Sie doch, für einen Prinzen von Geblüt bekomme ich täglich 50 Livres –« – »Aber Sie haben jetzt keinen Prinzen von Geblüt hier, nicht wahr?« fragte Aramis. – »Leider nicht,« antwortete Baisemeaux mit einem aufrichtigen Seufzer. »Weiter, für jeden Marschall bekomme ich 36 Livres. Habe aber leider auch keinen Marschall. Dann kommen die Generalleutnants – mit 24 Livres pro Tag. Deren habe ich zwei. Dann die Parlamentsräte mit 15 Livres. Deren sind vier da. Dann geht's aber auch gleich bis auf 10 Livres hinab für die Richter, Anwälte und Geistlichen. Sind ihrer sieben da.« – »Nun also, da müssen Sie doch ganz gut wirtschaften können,« sagte d'Herblay lächelnd. – »Ach mein Gott,« erwiderte Baisemeaux. »Ein einigermaßen guter Fisch kostet mich 4 bis 5 Livres, ein einigermaßen fettes Huhn anderthalb Livres. Ich mäste ja selbst Geflügel, aber das will doch auch gefüttert sein. Und das Korn ist teuer. Zumal wir hier ein wahres Heer von Ratten haben, gegen die gar nichts zu machen ist. Es gibt in der Bastille am Tage drei Mahlzeiten, denn die Gefangenen haben nichts zu tun, da ist Essen immer ein angenehmer Zeitvertreib. Infolgedessen kommt mich jeder, für den ich 10 Livres erhalte, allein schon auf 7 Livres 10 Sous zu stehen.«
»Haben Sie keine Gefangene unter 10 Livres?« fragte Aramis.« – »Doch. Die Advokaten und gewöhnlichen Bürgersleute. Es werden 5 Livres für sie gezahlt. Na ja, denen kann man natürlich nicht alle Tage Hühner und Fisch vorsetzen, sie kriegen dreimal wöchentlich ein gutes Essen. Wenn ein Fünfzehner mal sein Huhn nicht hat aufessen können, dann bekommt es der Fünfer, und das ist dann ein Schmaus für den armen Teufel. Man muß doch christliche Barmherzigkeit haben.«
»Und was wirft so einer zu 5 Livres für Sie ab?« – »Dreißig Sous, so wahr ich ehrlich bin. Aber bei denen, die mit 3 Livres taxiert sind, bei den Gerichtsschreibern und Leuten aus dem Volke, setze ich zu.« – »Hoffentlich lassen die Fünfer öfters was für sie übrig,« sagte der Bischof. – »O, was denken Sie?« antwortete Baisemeaux. »Die sind selbst froh, wenn sie satt werden. Nein! die Leute aus dem Volke und die Gerichtsschreiber mache ich dadurch glücklich, daß ich ihnen hin und wieder mal einen Rebhuhnflügel, einen Rehrücken, eine Gänsekeule vorsetze – nämlich die Ueberbleibsel der Vierundzwanziger. Das verschlingen sie dann, rufen überm Essen: Es lebe der König! und segnen die Bastille. Denn in der Freiheit haben sie solche Leckerbissen nicht kennen gelernt. Daher kommt es auch – was eine Ehre für die Bastille ist – daß mancher, der kaum herausgekommen ist, sich binnen kurzem wieder einsperren läßt. Warum auch nicht? Bei so vorzüglicher Küche?«
Aramis lächelte. – »Glauben Sie es nicht?« fuhr der Gouverneur fort. »Ich kann Ihnen das Register zeigen, Sie sollen sich mit eignen Augen überzeugen.« Mit diesen Worten trat er an einen Schrank und nahm ein großes Buch heraus. Er schlug es auf. »Sehen Sie hier,« sagte er. »Buchstabe M. Martinier, Januar 1659. – Martinier, März 1660. – Martinier, Juni 1661. Verhaftet wegen Druckschriften gegen Mazarin. Das ist ja nur ein Vorwand. Er hat sich selbst denunziert, um wieder hier zu dinieren.«
Der Bischof blätterte, wie es schien, gedankenlos in dem Register. »Seldon,« sagte er, innehaltend. »Der Name kommt mir bekannt vor. Sprachen Sie nicht einmal von einem jungen Manne –« – »Ganz recht! Das ist ein armer Student, der einen Spottvers auf die Jesuiten gedichtet hat.« – »Eine harte Strafe!« murmelte der Bischof. – »Sie verwendeten sich damals schon für ihn, gnädigster Herr,« antwortete der Gouverneur, »und seitdem halte ich ihn, Ihnen zu gefallen, wie einen Fünfzehner.« – »Also wie etwa diesen hier,« sagte Aramis und hielt bei einem Namen inne, der kurz vor Martinier verzeichnet stand. »Ist das übrigens ein Italiener, dieser Marchiali?« fragte er und deutete mit dem Finger auf das Blatt.
»Still!« rief Baisemeaux ängstlich. – »Warum?« versetzte Aramis, und seine weiße Hand ballte sich unwillkürlich. – »Ich glaube, ich habe Ihnen das schon einmal gesagt,« flüsterte der Gouverneur. – »Nein,« antwortete der Bischof, »ich höre den Namen zum ersten Male. Wohl ein alter Sünder, wie?« – »Im Gegenteil, ein ganz junger Mensch.« – »Dann ist sein Verbrechen also sehr groß. Hat er gemordet? Brand gestiftet?« – »Nein, nein, es ist doch der Jüngling, der die Kühnheit besitzt, eine Aehnlichkeit zu haben mit –« – »Ach, ja doch, ja doch,« unterbrach ihn Aramis. »Jetzt erinnere ich mich. Sie haben mir das schon vorm Jahre mal erzählt. Das Verbrechen schien mir aber unbedeutend, oder vielmehr kann doch der arme Kerl eigentlich nichts dafür. Er sitzt in der Bertaudière, nicht wahr, so heißt doch wohl der Turm –« – »Der Turm, den Sie dort linker Hand von uns sehen. Ja, dort sitzt er im zweiten Stock.«
»Und im ersten Stock sitzt der Dichter jenes Spottverses auf die Jesuiten, wenn ich nicht irre,« fuhr Aramis fort. »Ja, ja, lieber Baisemeaux, von diesem Poeten haben Sie mir alles erzählt, aber wenn die Rede auf den Herrn vom zweiten Stock kommt, dann sagen Sie: Pst! pst! Als ob das ein so furchtbares Staatsgeheimnis wäre.« – »Das ist es auch, gnädigster Herr.« – »Ei was, die große Aehnlichkeit besteht sicherlich nur in Ihrer Phantasie,« sagte der Bischof. »Ich habe doch schon mehrmals junge Leute gesehen, die diese Aehnlichkeit auch hatten –« – »Ja,« fiel der Gouverneur ihm ins Wort, »aber zwischen Aehnlichkeit und Aehnlichkeit ist ein Unterschied. Diese hier ist gar zu frappant. Ueberzeugen Sie sich nur einmal selbst davon.«
»Ich bin nicht neugierig,« erwiderte Aramis, anscheinend gleichgültig. »Und dann – ich glaube, ich werde den Eindruck nie wieder los, wenn ich erst mal solch einen Unglücklichen zwischen Kerkermauern gesehen habe.« – »Ah bah,« versetzte Baisemeaux, »er ist guter Dinge. Hat sich in sein Schicksal gefügt, denn er weiß, daß er zu immerwährender Gefangenschaft verurteilt ist.« – »Aber warum das?« – »Potzblitz, sein Verbrechen währt, solange er lebt, also muß er auch bestraft sein, solange er lebt; denn sie begreifen, falls er nicht etwa die Blattern bekommt, was nicht anzunehmen ist, wird diese Ähnlichkeit –« – »Und so soll dieser Unglückliche nie das Ende seiner Leiden erleben?« – »Seiner Leiden? Es werden 15 Livres täglich für ihn bezahlt, und ein Fünfzehner hat keine Leiden,« antwortete der Gouverneur. »Sehen Sie ihn sich nur mal an! Er ist von Geburt nicht zu einem so vornehmen Tische geboren, wie er ihn hier führen kann.« – »Nun, da Sie soviel davon hermachen, so wollen wir ihn uns mal ansehen,« sagte Aramis, anscheinend noch immer mit Widerstreben.
Der Gouverneur rief einen Schließer, der ihnen voranging. Sie schritten über den Hof und betraten den Turm, den Baisemeaux bezeichnet hatte. Aramis war weder ein Träumer noch ein gefühlvoller Mensch; er war vielmehr kalt und herzlos. Doch als er jetzt die abgetretenen Steinstufen hinanstieg, als ihn die Luft dieser finstern, tränenfeuchten Mauern umschloß, da war ihm seltsam zumute, traurig senkte er den Kopf, und seine Augen verschleierten sich. Er sprach kein Wort mehr, bis der Gouverneur eine Tür aufschließen ließ.
»Wir sind im ersten Stock,« sagte er. – »Es ist mir recht,« sprach Aramis leise. »Machen wir bei diesem den Anfang.«
Sie traten ein und sahen einen jungen Menschen von 18 Jahren und fast noch knabenhaftem Aussehen vor sich. Er hob den Kopf und sprang auf, als er den Gouverneur erblickte. – »Meine Mutter! Meine Mutter!« rief er, die Hände faltend und mit so herzzerreißender Stimme, daß Aramis erbebte. – »Ich bringe Ihnen ein Extragericht, lieber Freund,« sagte der Gouverneur lächelnd, »und Konfekt zum Nachtische.« – »O, mein Herr,« rief der junge Mann, »kommen Sie ein ganzes Jahr lang nicht her, geben Sie mir ein ganzes Jahr lang nichts als Wasser und Brot, aber versprechen Sie mir, daß ich nach diesem Jahre die Freiheit wiedererlangen werde – daß ich meine Mutter wiedersehen werde!« – »Lieber Freund,« erwiderte Baisemeaux, »Ihre Mutter ist arm – Sie haben es hier besser.« – »Besser? Man hat es am besten nur in der Freiheit! Und warum entzieht man der Armen die einzige Stütze?« – »Lieber Freund,« antwortete der Gouverneur, »Sie wissen, daß das nicht meine Sache ist – von mir hängt nur Ihre Verpflegung ab, und über die können Sie sich nicht beklagen.« – »O, mein Gott!« schrie der Jüngling, taumelte und stürzte rücklings auf den Boden. – »Gehen wir!« flüsterte Aramis, »ich werde für den armen Menschen um Begnadigung bitten.« – »Und wenn Sie die Begnadigung nicht erlangen,« sagte der Gouverneur, »bitten Sie wenigstens darum, daß man ihn auf zehn Livres setze, damit ist dann uns beiden, mir und ihm, geholfen.«
Sie gingen weiter, und Aramis fühlte, daß er, um keinen Verdacht zu erwecken, alle Kraft und Geistesgegenwart zusammennehmen müsse. Baisemeaux blieb stehen und schloß die Tür auf. Man sah in dem Lichtschein, der zu dem vergitterten Fenster hereinfiel, einen schönen jungen Mann von mittlerer Größe, mit kurzgeschnittenem Haar und einem Flaum auf Kinn und Oberlippe. Er saß auf einem Schemel. Sein Rock war aus schwarzem Samt, und er trug ein überaus feines schneeweißes Battisthemd.
Als der Gouverneur eintrat, wendete er sich um, stand auf und grüßte höflich. Sein Blick fiel auf Aramis, und der Bischof erblaßte, von Schauder erfaßt, der Hut entsank seiner Hand. Er hatte das Gefühl, als ob ein Schlag ihn streifte. Baisemeaux war frei von allen derartigen Gefühlen. – »Sie sehen recht wohl aus,« redete er den Häftling an. »Es geht Ihnen gut?« – »Sehr gut, ich danke,« antwortete der Jüngling. – Der Klang dieser Stimme erschütterte Aramis; er tat einen Schritt nach vorn, mit weitgeöffneten Augen und zitternden Lippen. Als Baisemeaux sich nach ihm umdrehte, konnte er nur mit Mühe die Spuren seiner Erregung verbergen.
»Da sehen Sie's,« sagte der Gouverneur zu d'Herblay. »Sie glauben nicht, daß er sich wohl fühle. Nicht wahr,« wandte er sich wieder an den Gefangenen. »Sie haben nie zu klagen?« – »Nie.« – »Und langweilen sich auch nie?« fragte Aramis. – »Nie.« – »Dagegen ist nichts einzuwenden,« sagte Aramis zu dem Gouverneur. »Wollen Sie noch ein paar Fragen an ihn richten? Dann, bitte, fragen Sie zunächst einmal, ob ihm bekannt ist, weshalb er hier ist.« – Der Gouverneur tat die Frage, und der junge Mann antwortete ruhig: »Nein, ich weiß es nicht.« – »Aber das ist doch nicht möglich,« rief d'Herblay, indem er sich von seinem Gefühl hinreißen ließ. »Sie müssen doch außer sich sein vor Grimm, daß Sie nicht einmal den Grund Ihrer Gefangenschaft kennen.« – »In der ersten Zeit war ich es auch,« antwortete der junge Mann ruhig. – »Und jetzt sind Sie's nicht mehr?« – »Ich habe mich eines Bessern besonnen.« – »Inwiefern?« – »Ich sage mir jetzt, wenn auch die Menschen mich strafen, Gott kann mich nicht strafen, weil ich nichts verbrochen habe.« – »Gleichviel, eine Strafe bleibt es doch,« rief Aramis. – »Ich weiß nicht; aber ich denke und fühle jetzt eben ganz anders als vor sieben Jahren.« antwortete der Gefangene. – »Seltsam! Wenn man Sie so reden hört, möchte man glauben, der Kerker sei Ihnen lieb geworden.« – »Ich ertrage meine Haft mit Geduld,« war die Antwort. – »In der sichern Erwartung, einmal frei zu werden?« – »Erwartung? O nein! Aber Hoffnung trotz allem noch, wenn sie auch mit jedem Tage mehr schwindet.«
»Wie alt sind Sie?« – »Ich weiß es nicht.« – »Wie heißen Sie?« – »Ich habe den Namen vergessen, den man mir gegeben hat.« – »Haben Sie Ihre Eltern gekannt?« – »Nein.« – »Aber doch Ihre Pflegeeltern?« – »Sie nannten mich nie ihren Sohn.« – »Hatten Sie sonst jemand lieb, ehe Sie hierher kamen?« – »Meine Amme, meine Blumen, meinen Diener.« – »Sie haben Amme und Diener wohl sehr vermißt?« – »Ich habe viel geweint, als sie starben.« – »Sind die beiden inzwischen gestorben oder bevor Sie herkamen?« – »Beide am Tage meiner Gefangennahme.« – »Beide am gleichen Tage?« – »Zu gleicher Zeit.« – »Wie geschah Ihre Verhaftung?« – »Ein Mann holte mich ab, hieß mich in einen Wagen steigen und brachte mich hierher.« – »Würden Sie diesen Mann wiedererkennen?« – »Er war maskiert.«
»Seltsame Geschichte, nicht wahr?« raunte Baisemeaux dem Bischof zu. – Aramis wagte kaum zu atmen. »Ja, sehr seltsam,« murmelte er. – »Aber das sonderbarste ist, daß er noch nie zuvor so viel aus seinem Leben erzählt hat wie eben jetzt Ihnen,« setzte der Gouverneur hinzu. – »Vielleicht, weil Sie ihn nie ausgefragt haben,« meinte Aramis. – »Mag sein,« antwortete Baisemeaux, »ich bin grundsätzlich nicht neugierig.«
»Erinnern Sie sich,« fragte der Bischof, »eines Besuchs von einem fremden Herrn oder einer Dame?« – »Eine Dame war dreimal hier und stellte die gleichen Fragen an mich wie Sie vorhin; nämlich, ob ich mich wohl fühlte und ob ich mich nicht langweilte.« – »Und wenn sie ging?« – »Dann drückte sie mich ans Herz und küßte mich.« – »Würden Sie diese Dame wiedererkennen, wenn der Zufall Sie mit ihr zusammenführte?« – »Ganz gewiß.« – Aramis lächelte unwillkürlich; dann schien er alles zu wissen, was er hatte hören wollen, und wandte sich an den Gouverneur. »Wollen wir gehen?« – »Wenn es Ihnen gefällig ist,« antwortete Baisemeaux. Und sie verließen den Kerker. Der junge Mann grüßte höflich und setzte sich ruhig wieder auf seinen Schemel.
»Nun, was sagen Sie dazu?« fragte der Gouverneur draußen. – »Ich habe das Geheimnis entdeckt,« antwortete der Bischof. »In diesem Hause ist ein Mord begangen worden. Der Diener und die Amme sind an einem Tage und zu gleicher Zeit gestorben. Verstehen Sie? Vergiftet ohne Zweifel.« – »Das kann schon sein.« – »Vielleicht hat jener Knabe die Verbrecher gesehen, und man fürchtet, er könnte schwatzen.« – »Teufel, wenn ich das wüßte –« murmelte der Gouverneur. – »Was würden Sie dann tun?« – »Doppelt wachsam sein.« – »Er sieht nicht danach aus, als sänne er auf Flucht.« – »Man kann nie wissen.« – »Bekommt er Bücher?« – »Nein, das ist streng verboten, Mazarin hat das Verbot eigenhändig geschrieben. Sie können es sehen, wenn wir wieder unten sind. Es ist in dem Erlaß eine Stelle ausgestrichen. Mazarin hatte nämlich zuerst geschrieben, es sollten täglich 50 Livres für ihn bezahlt werden.« – »Also so viel wie für einen Prinzen von Geblüt.« – »Aber nachher hat der Kardinal wohl gesehen, daß er sich irrte, die Null ausgestrichen und vor die 5 eine 1 gesetzt. Doch Sie sagen ja gar nichts über die Ähnlichkeit.«
»Aus dem einfachen Grunde, weil sie überhaupt nicht vorhanden ist,« antwortete d'Herblay. »Und wäre sie vorhanden, so würden Sie gut tun, gar nicht davon zu reden. Ludwig XIV. würde sicherlich sehr böse werden, wenn er erführe, daß einer seiner Untertanen sich erkühne, ihm wie ein Zwillingsbruder ähnlich zu sein.« – »Das ist wahr,« versetzte Baisemeaux erschrocken, »aber ich habe es ja auch nur gesagt, weil ich auf Ihre Diskretion rechne.« – »Seien Sie ohne Sorge,« antwortete Aramis, »und nun noch die Notiz von Mazarin!« – Sie waren in Baisemeaux' Wohnung zurückgekehrt. Der Gouverneur suchte ein Buch hervor, blätterte darin, schlug den Buchstaben M auf und ließ den Bischof folgende in Mazarins Handschrift eingetragene Bemerkung lesen:
»Keinerlei Lektüre – feinste Wäsche – eleganteste Kleidung. Nicht spazieren gehen lassen – immer den gleichen Kerkermeister – und kein Umgang mit andern. Musikalische Instrumente sind gestattet. Für alle Bequemlichkeit ist zu sorgen. 15 Livres tägliches Kostgeld. Herr Beaisemeaux kann mehr fordern, wenn das nicht ausreicht.« – »Sieh da,« rief der Gouverneur. »Das hatte ich ganz vergessen. Ich werde sogleich mehr fordern.«
Aramis klappte das Buch zu. »Ja, es ist Mazarins Handschrift,« sagte er. »Ich kenne sie. Und nun, lieber Baisemeaux, sind unsere Geschäfte erledigt. In diesem Beutel ist Ihr Geld. Stellen Sie mir eine ganz einfache Quittung aus, und zwar über die nun erhaltene Gesamtsumme von 150 000 Livres.« – »Ich habe Ihnen aber schon zwei Quittungen gegeben,« sagte Baisemeaux schüchtern. – »Hier sind sie,« antwortete d'Herblay, »und ich zerreiße sie vor Ihren Augen.« – Der Gouverneur schrieb den Empfangsschein, und Aramis steckte ihn in die Tasche, scheinbar, ohne ihn gelesen zu haben. Dann wandte er sich zum Gehen. – »Nicht wahr, sagte er auf der Schwelle, »Sie sind mir nicht böse, wenn ich Ihnen einen Gefangenen entführe? Ich meine natürlich, indem ich seine Begnadigung erwirke,« setzte er hinzu, als er das ängstliche Gesicht des Gouverneurs sah. »Der arme Seldon, der Poet jenes Spottverses, tut mir so leid.« – »Das ist Ihre Sache,« antwortete Baisemeaux. »Ich weiß, Ihr Arm reicht weit, und Ihre Hand ist stark.«