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Die Erfindung der Mausefalle gehört nicht unserer Zeit an. Da vielleicht unsere Leser mit dem Rotwelsch in der Gasse Jerusalem noch nicht bekannt sind, so wollen wir ihnen erklären, was eine Mausefalle ist. Wenn man ein Individuum, das irgendeines Verbrechens verdächtig ist, in einem Haus festgenommen hat, so hält man diese Verhaftung geheim, man legt im ersten Zimmer vier oder fünf Menschen im Hinterhalt; man öffnet die Tür allen, die anklopfen, sperrt sie hinter ihnen ab, und verhaftet sie; auf diese Art bemächtigt man sich nach ein paar Tagen fast aller Hausgenossen. Seht, das ist eine Mausefalle. Es wurde somit aus der Wohnung des Meisters Bonacieux eine Mausefalle gemacht, und wer dort erschien, wurde von den Leuten des Herrn Kardinals festgenommen und verhört. Es versteht sich von selbst, daß diejenigen, die zu d'Artagnan kamen, von dem Verhör frei blieben, da auch ein besonderer Gang nach dem ersten Stockwerk führte. Übrigens waren dahin bloß die drei Musketiere gekommen. Jeder von ihnen legte sich auf die Lauer, doch gelang es keinem, etwas auszukundschaften. Athos wagte es sogar, Herrn von Tréville zu befragen, worüber sich der Kapitän nicht wenig verwunderte, da ihm die Schweigsamkeit des würdigen Musketiers bekannt war. Herr von Tréville wußte weiter nichts, als daß das letztemal, wo er den König, die Königin und den Kardinal sah, der Kardinal eine sehr bekümmerte Miene hatte, der König sehr beunruhigt schien, und die geröteten Augen der Königin anzeigten, daß sie gewacht oder geweint habe; doch fiel ihm der letzte Umstand nicht auf, da die Königin seit ihrer Verheiratung viel gewacht und geweint hatte. Herr von Tréville legte für jeden Fall Athos den Dienst des Königs ans Herz und bat ihn, daß er seine Gefährten gleichfalls an diese Pflicht mahne. Was d'Artagnan betrifft, so rührte er sich nicht weg von seinem Zimmer, das er in ein Observatorium verwandelt hatte. Er sah von seinem Fenster aus diejenigen, die verhaftet wurden. Da er außerdem die Dielen seines Fußbodens aufgerissen hatte, und ihn nur ein dünner Plafond von dem unter ihm liegenden Zimmer trennte, wo die Verhöre stattfanden, so vernahm er alles, was zwischen den Inquisitoren und den Angeschuldigten vorging. Die Verhöre, denen stets eine umständliche Untersuchung des verhafteten Individuums voranging, waren ihrem Inhalt nach so ziemlich einander ähnlich: »Hat Euch Madame Bonacieux etwas für ihren Gemahl oder eine andere Person übergeben?« »Hat Euch Herr Bonacieux etwas für seine Gemahlin oder eine andere Person übergeben?« »Hat Euch einer der beiden Teile irgend etwas teilnehmend anvertraut?« »Wüßten sie etwas,« sprach d'Artagnan zu sich selbst, »so würden sie nicht derart fragen. Was wollen sie eigentlich in Erfahrung bringen? Ob sich der Herzog von Buckingham in Paris befindet, ob er mit der Königin eine Zusammenkunft hatte oder haben soll.« D'Artagnan blieb bei dieser Meinung stehen, der es auch nach dem, was er gehört hatte, nicht an Wahrscheinlichkeit gebrach.
Am Abend des zweiten Tages nach der Verhaftung des armen Bonacieux, als eben d'Artagnan wegging, um sich zu Herrn von Tréville zu begeben, da es gerade neun Uhr schlug, hörte man an der Haustür pochen. Die Tür wurde sogleich geöffnet und wieder zugemacht. Jemand kam, um sich in der Mausefalle zu fangen. D'Artagnan eilte nach der Stelle, wo die Dielen aufgerissen waren, legte sich auf den Bauch nieder und horchte. Gleich darauf ertönte dann ein Schluchzen, das man zu ersticken bemüht war. Von einem Verhör war nicht die Rede. »Teufel!« sprach d'Artagnan zu sich selbst, »mich dünkt, daß das eine Frau ist; man untersucht sie, sie leistet Widerstand, man braucht Gewalt; die Nichtswürdigen!« D'Artagnan hatte, ungeachtet seiner Besonnenheit, Mühe, sich nicht in die Szene, die unter ihm vorging, einzumengen. »Ich sage Euch aber, meine Herren! ich bin die Frau des Hauses, ich sage Euch, daß ich Frau Bonacieux bin! ich sage Euch, daß ich im Dienste der Königin stehe!« rief die unglückliche Frau. »Madame Bonacieux!« murmelte d'Artagnan, »wäre ich so glücklich, das, was jedermann sucht, gefunden zu haben?!« »Auf Euch haben wir eben gewartet,« sagten die Fragenden unten. Die Stimme wurde immer erstickter, eine laute Bewegung ertönte an dem Getäfel, das Opfer widersetzte sich, soweit sich eine Frau vier Männern zu widersetzen vermag. »Vergebt, meine Herren! ach ver . . .« lallte die Stimme, die nur unartikulierte Töne vernehmen ließ. »Sie knebeln sie, sie wollen sie fortzerren!« rief d'Artagnan, und sprang empor wie eine Feder. »Meinen Degen! ah! er hängt mir an der Seite. Planchet!« »Mein Herr!« »Suche eilends Athos, Porthos und Aramis auf. Einer von den dreien ist sicher zu Hause, vielleicht sind schon alle drei heimgekehrt. Sie sollen sich bewaffnen und hierher eilen. Ha, es fällt mir ein, daß Athos bei Herrn von Tréville ist.« »Doch wohin gehen Sie, mein Herr, wohin wollen Sie?« »Ich steige hinab durch das Fenster,« rief d'Artagnan, »um schneller dort zu sein. Du lege wieder die Dielen nieder, säubere den Boden, gehe durch die Tür und laufe, wie ich dir sagte.« »O, mein Herr! mein Herr! Sie fallen sich tot,« schrie Planchet. »Schweig, du Einfältiger!« rief d'Artagnan. Er klammerte sich mit der Hand an die Fensterrahmen und ließ sich hinabgleiten vom ersten Stockwerke, das zum Glück nicht hoch war, ohne sich auch nur zu ritzen. Dann pochte er an die Tür und murmelte: Auch ich will mich in der Mausefalle fangen lassen, doch wehe den Katzen, die eine solche Maus antasten.« Der Türhammer hatte kaum noch unter der Hand des jungen Mannes geschallt, als das Geräusch verstummte; es näherten sich Tritte, die Tür ging auf, und d'Artagnan stürzte mit entblößter Klinge in das Zimmer des Meisters Bonacieux, dessen Tür zweifelsohne an einer Feder ging und sich von selbst wieder schloß. Sofort hörten jene, die noch in dem unglückseligen Haus des Bonacieux wohnten, sowie die nächsten Nachbarsleute ein großes Geschrei, ein Stampfen, ein Degengeklirr und ein Zerschmettern von Möbeln: einen Augenblick darauf konnten die Leute, die sich über dieses Getöse erstaunt an ihre Fenster gestellt hatten, um davon die Ursache zu erfahren, bemerken, wie die Tür wieder aufging und vier schwarzgekleidete Menschen viel mehr herausflogen als gingen, gleich scheu gewordenen Raben, auf dem Boden und an den Tischecken Federn von ihren Flügeln zurücklassend, das heißt Lappen von ihren Kleidern und Fetzen von ihren Mänteln. D'Artagnan ward Sieger ohne große Anstrengung, doch man muß anführen, daß nur einer der Häscher bewaffnet war, und dieser wehrte sich bloß der Form wegen. Wohl versuchten es die drei andern, den jungen Mann mit Sesseln, Bänken und Töpfen zu Boden zu schmettern; allein zwei oder drei Hiebe von dem Stoßdegen des Gascogners versetzten sie in Schrecken. Zehn Minuten reichten hin zu ihrer Niederlage, und d'Artagnan blieb Meister auf dem Wahlplatz.
Als nun d'Artagnan mit Madame Bonacieux allein war, wandte er sich zu ihr. Die arme Frau saß in einem Lehnstuhl und war halb ohnmächtig. D'Artagnan prüfte sie mit einem raschen Blick. Sie war eine reizende Frau von fünfundzwanzig bis sechsundzwanzig Jahren, von bräunlicher Gesichtsfarbe, mit blauen Augen, leicht aufgeworfener Nase und einem Teint von rosa und opal marmoriert. Indes hörten hier die Merkmale auf, durch die man sie hatte mit einer hohen Dame vermengen können. Die Hände waren weiß, doch nicht fein und zart, die Füße verrieten keine Frau von Stand. Glücklicherweise konnte sich d'Artagnan noch nicht mit diesen Einzelheiten befassen. Während d'Artagnan Madame Bonacieux forschend anblickte und bis zu den Füßen kam, sah er auf dem Boden ein feines Batisttuch liegen, das er seiner Gewohnheit gemäß aufhob, und er erkannte an der Ecke dieselbe Zeichnung, die er an jenem Sacktuch bemerkt hatte, wegen dessen er mit Aramis zum Zweikampf gekommen war. Von dieser Zeit an hatte d'Artagnan auf alle Sacktücher ein Mißtrauen, worin Wappen eingestickt waren, darum schob er das aufgelesene in die Tasche der Madame Bonacieux, ohne dabei ein Wort zu sprechen. In diesem Moment kam Madame Bonacieux zum Bewußtsein. Sie öffnete die Augen, blickte mit Schrecken umher, und sah, daß das Zimmer leer, und sie mit ihrem Retter allein sei. Sie reichte ihm lächelnd die Hände. Madame Bonacieux war im Besitz des reizendsten Lächelns. »Ha, mein Herr!« sagte sie, »Sie haben mich gerettet; erlauben Sie, daß ich Ihnen danke!« »Madame,« erwiderte d'Artagnan, »ich tat nur soviel, wie jeder Edelmann an meiner Stelle getan hätte, somit sind Sie mir keinen Dank schuldig.« »Doch, mein Herr! doch, und ich hoffe, Ihnen beweisen zu können, daß Sie keiner Undankbaren einen Dienst erwiesen haben. Was wollten denn diese Männer, die ich anfangs für Räuber hielt? und warum ist Herr Bonacieux nicht anwesend?« »Madame! diese Männer waren viel gefährlicher, als es Räuber sein könnten, denn es sind Agenten des Herrn Kardinal, und was Ihren Gemahl, Herrn Bonacieux, anbelangt, so ist er nicht hier, denn er wurde gestern verhaftet und in die Bastille geführt.« »Mein Mann in der Bastille!« seufzte Madame Bonacieux; »ach, mein Gott! was hat er denn verbrochen? der arme, liebe Mann! er, die Unschuld selber!« Und etwas wie ein Lächeln zeigte sich auf dem noch schreckerfüllten Antlitz der jungen Frau. »Was er verbrochen hat, Madame?« sagte d'Artagnan, »ich glaube, seine ganze Schuld ist diese, daß er zugleich das Glück und das Unglück hat, Ihr Gemahl zu sein.« »Doch, mein Herr! Sie wissen also . . .?« »Ich weiß, daß Sie entführt worden sind, Madame.« »Und von wem wissen Sie das? O, wenn Sie das wissen, so sagen Sie es mir.« »Von einem Manne, der vierzig bis fünfundvierzig Jahre alt ist, schwarze Haare, eine dunkle Gesichtsfarbe und eine Narbe an der linken Schläfe hat.« »So ist es, ja, so ist es; aber sein Name?« »Ach, seinen Namen weiß ich nicht.« »Wußte also mein Gatte, daß ich entführt worden bin?« »Er bekam die Nachricht durch einen Brief, den ihm der Entführer selbst geschrieben hat.« »Und vermutet er die Ursache dieses Vorfalls?« fragte Madame Bonacieux mit Verlegenheit. »Ich glaube, er schrieb ihn einer politischen Ursache zu.« »Ich zweifelte anfänglich daran, doch bin ich jetzt seiner Meinung. Also hatte mich dieser liebe Herr Bonacieux nicht einen Augenblick im Verdacht?« »O, weit davon entfernt, Madame! er war zu stolz auf Ihre Verständigkeit und zumal auf Ihre Liebe.« Ein abermaliges fast unmerkliches Lächeln schwebte um die rosigen Lippen der schönen jungen Frau. »Wie sind Sie aber entkommen?« fuhr d'Artagnan fort. »Ich nützte einen Moment, wo man mich allein ließ, und da ich diesen Morgen wußte, was ich von meiner Entführung zu halten habe, so glitt ich mittels meiner Bettücher vom Fenster hinab, und eilte hierher, da ich meinen Mann hier zu finden hoffte.« »Um sich unter seinen Schutz zu begeben?« »Ach nein, der liebe arme Mann! ich wußte, daß er nicht imstande gewesen wäre, mich zu verteidigen, doch da er uns zu etwas anderm dienen konnte, so wollte ich ihn benachrichtigen.« »Wovon?« »Ach, das ist nicht mein Geheimnis, daher kann ich es Ihnen nicht mitteilen.« »Außerdem,« versetzte d'Artagnan, »um Vergebung, Madame! daß ich, ein einfacher Krieger, Sie an Klugheit mahne, außerdem glaube ich, ist hier zu vertraulichen Mitteilungen nicht der rechte Ort. Die Männer, die ich in die Flucht trieb, werden alsbald mit starker Mannschaft zurückkommen, und wenn sie uns treffen, sind wir verloren. Ich meldete es wohl dreien meiner Freunden, allein, wer weiß, ob man sie zu Hause getroffen hat.« »Ja, ja! Sie haben recht,« entgegnete Madame Bonacieux erschreckt, »entfliehen wir, retten wir uns.« Bei diesen Worten schlang sie ihren Arm um den des d'Artagnan und zog ihn lebhaft fort. »Doch wohin fliehen?« fragte d'Artagnan, »wo werden wir geborgen sein?« »Fliehen wir zuvörderst aus diesem Hause, dann wollen wir das weitere sehen.« Die junge Frau und der junge Mann gingen, ohne sich die Mühe zu nehmen, das Tor zu schließen, nach der Gasse Fossayeurs hinab, durcheilten die Straße des-Fosses-monsieur-le-Prince, und hielten erst an auf dem Platze Saint-Sulpice. »Und was wollen wir jetzt tun?« fragte d'Artagnan, »und wohin wollen Sie geführt werden?« »Ich bin sehr verlegen, Ihnen darauf zu antworten,« erwiderte Madame Bonacieux; »ich war willens, Herrn Laporte durch meinen Mann benachrichtigen zu lassen, damit uns jener genau sagen könnte, was seit drei Tagen im Louvre vorging, und ob ich nicht Gefahr liefe, wenn ich dort erschiene?« »Doch kann ja auch ich Herrn Laporte benachrichtigen,« sagte d'Artagnan. »Das wohl, doch waltet dabei ein Übelstand ob, man kennt Herrn Bonacieux im Louvre und würde ihm kein Hindernis machen, während man Sie nicht kennt, und Ihnen die Tür schließen würde.« »Ei was!« rief d'Artagnan, »es gibt gewiß an irgend einem Tore des Louvre einen Pförtner, der Ihnen ergeben ist, und mir vermittels eines Losungswortes . . .« Madame Bonacieux faßte dan jungen Mann fest ins Auge. »Und wenn ich Ihnen dieses Losungswort gäbe, würden Sie es sogleich, nachdem Sie es gebraucht haben, wieder vergessen?« fragte sie. »Auf mein Ehrenwort als Edelmann!« sagte d'Artagnan mit einem Tone der Wahrheit, der untrüglich war. »Gut, ich vertraue Ihnen, Sie zeigen sich mir als ein ehrbarer junger Mann! Übrigens dürfte Ihre Willfährigkeit vielleicht Ihr Glück werden.« »Ich will ohne ein Versprechen und gewissenhaft alles tun, was ich vermag, um dem König zu dienen und der Königin gefällig zu sein,« antwortete d'Artagnan, »verfügen Sie also über mich wie über einen Freund.« »Wohin gedenken Sie jetzt mit mir zu gehen?« »Haben Sie niemanden, wo Sie Herr Laporte abholen könnte?« »Nein, ich will mich keinem Menschen anvertrauen.« »Halt,« sprach d'Artagnan, »wir sind vor Athos' Tür. Ja, so ist's.« »Wer ist Athos?« »Einer meiner Freunde.« »Doch wenn er zu Hause ist, so sieht er mich.« »Er ist nicht zu Hause, und wenn ich Sie in sein Zimmer geführt habe, so nehme ich den Schlüssel mit mir.« »Wenn er aber zurückkommt?« »Er wird nicht zurückkommen; und außerdem wird man ihm sagen, ich habe eine Frau gebracht, und diese Frau sei in jenem Zimmer.« »Aber wissen Sie, daß mich das bloßstellen wird?« »Was liegt Ihnen daran? man kennt Sie nicht, und überdies sind wir in einer Lage, wo wir uns über gewisse Schicklichkeiten hinwegsetzen müssen.« »So gehen wir denn zu Ihrem Freund . . . wo wohnt er?« »In der Gasse Féron, ein paar Schritte von hier.« »Also dahin!« Beide setzten rasch ihren Weg fort. Wie es d'Artagnan vorausgesehen hatte, war Athos nicht zu Hause; er nahm den Schlüssel, den man ihm gewöhnlich als einem Hausfreund vertraute, stieg über die Treppe und führte Madame Bonacieux in die kleine Wohnung. »Hier sind Sie zu Hause,« sprach er, »sperren Sie inwendig die Tür und öffnen Sie niemandem, außer Sie hören auf folgende Art, dreimal anpochen, so . . .« Er pochte dreimal an, zweimal hintereinander und stark, einmal entfernter und schwacher. »Es ist gut,« entgegnete Madame Bonacieux. »Jetzt vernehmen Sie auch meine Instruktion.« »Ich höre.« »Verfügen Sie sich nach der Pforte des Louvre von der Seite der Gasse l'Echelle, und fragen Sie um Germain.« »Gut, und dann?« »Er wird Sie fragen, was Sie wünschen, und darauf antworten Sie ihm mit den zwei Worten: Tours und Brüssel. Er wird sich sogleich zu Ihrer Verfügung stellen.« »Und was soll ich ihm auftragen?« »Herrn Laporte zu holen, den Kammerdiener der Königin.« »Und wenn er ihn geholt hat und Herr Laporte gekommen ist?« »So schicken Sie ihn zu mir.« »Gut; allein wo und wie werde ich Sie wiedersehen?« »Liegt Ihnen denn viel daran, mich wiederzusehen?« »Allerdings.« »Nun, überlassen Sie diese Sorge mir, und seien Sie ruhig.« »Ich zähle auf Ihr Wort.« »Zählen Sie darauf.« D'Artagnan verneigte sich vor Madame Bonacieux, warf ihr den verliebtesten Blick zu, den er nur auf ihrer kleinen, reizenden Gestalt zu konzentrieren vermochte, und während er die Treppe hinabging, hörte er hinter sich die Tür doppelt abschließen. Mit zwei Sätzen war er im Louvre. Alle diese erzählten Vorfälle folgten einander in dem Raum einer halben Stunde.
Alles ging so von statten, wie es Madame Bonacieux vorhergesagt hatte. Auf das bewußte Losungswort verneigte sich Germain, zehn Minuten darauf war Herr Laporte in der Loge; d'Artagnan verständigte sich mit ihm durch zwei Worte und zeigte ihm an, wo Madame Bonacieux wäre. Laporte versicherte sich zweimal über die Richtigkeit der Adresse und ging eilends fort. Aber schon nach zehn Schritten kehrte er wieder zurück und sagte d'Artagnan: »Junger Mann, einen Rat.« »Welchen?« »Sie könnten wohl über das, was vorging, beunruhigt werden.« »Sie glauben?« »Ja, haben Sie einen Freund, dessen Pendeluhr zu spät geht?« »Nun?« »Gehen Sie zu ihm, damit er bezeugen kann, Sie wären um halb zehn Uhr bei ihm gewesen. Das heißt in der Justiz ein Alibi.« D'Artagnan fand den Rat verständig; er lief über Hals und Kopf fort und kam zu Herrn von Tréville. »Verzeihen Sie, mein Herr!« sagte d'Artagnan, der den Augenblick benutzte, wo er allein war, die Uhr um drei Viertelstunden zurückzurücken, »ich meinte, da es erst neun Uhr fünfundzwanzig Minuten wäre, könnte ich mich Ihnen noch vorstellen.« »Neun Uhr fünfundzwanzig Minuten!« rief Herr von Tréville und sah auf seine Pendeluhr, »das ist ja unmöglich.« »Sehen Sie nur, mein Herr, die Uhr beweist das.« »Es ist richtig so,« versetzte Herr von Tréville; »ich dachte, es wäre schon später. Nun, was wünschen Sie?« D'Artagnan erzählte nun Herrn von Tréville eine lange Geschichte über die Königin. Er teilte ihm seine Besorgnisse mit in bezug auf Seine Majestät, er sagte ihm, daß er von den Projekten des Kardinals in bezug auf Buckingham hörte, und das alles mit einer Ruhe und einem Ernste, womit sich Herr von Tréville um so leichter berücken ließ, als er, wie gesagt, bemerkt hatte, daß zwischen dem Kardinal, dem König und der Königin etwas Neues im Gange sei.
Als es zehn Uhr schlug, verließ d'Artagnan Herrn von Tréville, der ihm für seine Nachrichten dankte und ihm empfahl, sich den Dienst des Königs und der Königin stets angelegen sein zu lassen, worauf er in den Salon zurückkehrte. Wie aber d'Artagnan die Treppe hinabstieg, fiel ihm ein, daß er seinen Stock vergessen habe, er lief daher wieder zurück, ging in das Kabinett, rückte die Uhr mit einem Fingerdruck an ihre Stunde vor, damit man am folgenden Tage nicht wahrnehmen könnte, sie sei aus dem Gange gebracht worden, und da er versichert war, er habe einen Zeugen gefunden, sein Alibi zu beweisen, stieg er wieder die Treppe hinab und war alsbald auf der Straße.