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Die Rüstungen und Anfragen.

Der englische Gesandte in Wien berichtete schon in der ersten Hälfte des Juli 1756 von eifrigen Vorbereitungen zum Kriege, welche man österreichischer Seits anstelle; so sollte jedes Regiment Reiterei bis zum ersten Oktober von 800 auf 1000 Mann gebracht sein, und aus Ungarn, sowie von anderwärts wurden Truppen zusammengezogen. Dabei erklärte jedoch der Wiener Hof: »er habe keine feindlichen Absichten, er wolle wenigstens nicht der angreifende Theil sein;« eben dies war allerdings die ganz folgerichtige Politik, wie Keith sie bald durchschaute, wenn er bemerkte: »der Wiener Hof würde nicht betrübt sein, wenn der König von Preußen den ersten Schlag thun wollte, damit Oesterreich vertragsmäßig Frankreichs und Rußlands Beistand fordern könnte.« Es lag Oesterreich Alles daran, und mußte ihm daran liegen, den Schein des Angriffs auf Friedrich II. zu wälzen; dieser Grundsatz leitete denn auch, wie wir gleich sehen werden, das ganze Benehmen des Wiener Hofes während der Rüstungen, welche fort und fort mit großem Eifer fortgesetzt wurden. Als Grund derselben gab der Wiener Hof an, daß die Bewegungen im preußischen Heere und die Absicht Friedrich's II., an den österreichischen Gränzen Lager zu bilden, die Nothwendigkeit auferlegten, sich in vollkommenen Vertheidigungsstand zu setzen; worüber später ein Näheres.

Dem König von Preußen blieb unter diesen Umständen nichts übrig, als auch seinerseits seine Kriegsrüstungen zu betreiben; zugleich befolgte er den Rath des englischen Gesandten Mitchell: »von Oesterreich eine Erklärung zu verlangen, ob es ihn angreifen wolle«, – obgleich er von diesem Schritte nichts erwartete. Kaunitz bemerkte über diese sehr richtige Maßregel Friedrich's gegen den sächsischen Gesandten, den Grafen Flemming: »der König von Preußen hatte einen doppelten Zweck, welchen wir hier gleichmäßig vermeiden wollten, erstens: zu Erörterungen und Aufklärungen zu gelangen, welche eine Unterbrechung der Maßregeln veranlassen konnten, deren kräftige Fortsetzung wir für nöthig hielten; und zweitens: die Sache weiter zu führen, zu anderen Vorschlägen und wesentlicheren Verpflichtungen.« Und so ertheilte denn Maria Theresia im Juli auf die durch den preußischen Gesandten Klinggräf an sie ergangene höfliche Anfrage die allgemein gehaltene Erklärung: »So wie sich die Angelegenheiten jetzt in der Krisis befänden, habe sie es für nöthig gehalten, Maßregeln für ihre eigene Sicherheit und für die ihrer Verbündeten zu ergreifen, welche Niemand beeinträchtigen sollten.« Dabei wurden die Rüstungen fortgesetzt, und man erwartete für den Anfang Septembers die Zusammenziehung von 60,000 Mann (ohne die Husaren und 11 bis 12,000 Mann Warasdiner) in Böhmen und Mähren.

Dieser Umstand konnte nur dazu beitragen, die Besorgnisse Friedrichs vor feindlichen Absichten Oesterreichs zu vermehren; er versicherte Klinggräf (wie auch Mitchell) daß er Beweise von den Angriffsplanen Oesterreichs und Rußlands in Händen habe, und glaubte, daß die Ausführung derselben nur deßhalb verschoben werde, weil die Russen noch nicht gehörig vorbereitet seien. »Ich glaube im Recht zu sein« (schrieb er an Klinggräf) »wenn ich von der Kaiserin eine formelle und kategorische Erklärung fordere, bestehend in einer mündlichen oder schriftlichen Versicherung, daß sie nicht die Absicht habe, mich im Laufe des gegenwärtigen oder des künftigen Jahres anzugreifen. Es gilt mir gleich und hängt von dem Belieben der Kaiserin ab, ob diese Erklärung schriftlich oder mündlich, in Gegenwart des französischen und englischen Gesandten geschehe. Man muß wissen, ob wir Krieg oder Frieden haben. Ich mache die Kaiserin zur Schiedsrichterin darüber. Sind ihre Absichten lauter, so ist jetzt der Augenblick vorhanden, dieselben an den Tag zu legen. Gibt man mir aber eine orakelmäßige, unbestimmte, nicht bündige Antwort, so wird sich die Kaiserin selbst alle Folgen eines Stillschweigens vorzuwerfen haben, durch welches sie mich in der Voraussetzung der gefährlichen Projekte bekräftigt, die sie im Verein mit Rußland gegen mich gebildet hat. Ich nehme den Himmel zum Zeugen, daß ich an allem daraus folgenden Unglück unschuldig bin.« Am 9. August betrachtete er den Bruch mit Oesterreich – nach allen genauen Berichten aus Wien – als unvermeidlich. Gleichwohl hatte er seine Anfragen am Wiener Hofe, seine Bitten um eine bestimmte Erklärung wiederholt; England lag ihm dabei seit einiger Zeit dringend an: er möge nicht angreifen, um nicht dadurch Rußland die Gelegenheit zu einem offenbaren und unmittelbaren Anschluß an Oesterreich und den willkommenen Vorwand zu geben; den Angriff hielt Georg II. erst dann für zulässig, wenn alle anderen Mittel zur Sicherung Friedrichs fehlgeschlagen wären. Friedrich seinerseits hielt sich gerüstet, einen Angriff zurückzuschlagen oder einem solchen zuvorzukommen, und er glaubte (wie er sich gegen Mitchell äußerte), »nicht der könne als Angreifender betrachtet werden, der den ersten Schlag gibt, sondern der, welcher diesen Schlag nothwendig und unvermeidlich macht Diese Erklärung bildete auch den Inhalt einer gedruckten »Abhandlung von dem Unterschiede der Off- und Defensiv-Kriege.«. Schon im Juni hatte er zwei Heere, deren eines er selbst, deren anderes Schwerin führen sollte, schlagfertig und zum Einfall in Sachsen bereit dastehen. Auf die neue Anfrage Friedrichs gab nun der Wiener Hof, sein Prinzip konsequent durchführend, am 21. August eine Erklärung, welche dem König von Preußen eben so wenig genügen konnte, als die frühere, und wodurch die Sache nicht um Haaresbreite weiter gebracht wurde; der Wiener Hof stellte nämlich bloß die Existenz eines Angriffsbündnisses zwischen Oesterreich und Rußland gegen Preußen in Abrede, ließ jedoch den eigentlichen Fragepunkt, ob Maria Theresia ihn im Laufe des gegenwärtigen oder des nächstfolgenden Jahres anzugreifen beabsichtige, gänzlich unberührt. Noch jetzt sagte Friedrich: »Ich bin so sehr zum Frieden geneigt, daß jede Erklärung mir genügt hätte, wenn ich darin nur irgend eine Zusicherung für meine Sicherheit gefunden hätte; ich las die letzte Antwort mehrere Male, aber ich kann daselbst nichts der Art entdecken.« Da setzte denn Friedrich zu Ende Augusts sein Heer gegen Sachsen in Bewegung, erklärte jedoch nochmals, sobald der Wiener Hof die gewünschte Zusicherung abgebe, wollte er zurückgehen, entwaffnen und alle Gründe des Argwohns beseitigen. Der Wiener Hof entsprach den Wünschen des Gegners, den er demüthigen wollte, nun um so weniger, da er jetzt am Ziele seiner langen beharrlich durchgeführten Bemühungen stand; das Stillschweigen des Wiener Hofes war so beredt als eine laute Kriegserklärung, und als solche nahm es Friedrich II. denn auch auf.

Gleichzeitig waren die Rüstungen auch Gegenstand eines Reskripts Marien Theresiens an die kaiserl. königlichen Minister (vom 24. Juli 1756), und eines königl. preußischen Reskripts an den preußischen Gesandten am Reichstag zu Regensburg (vom 17. August) gewesen. Maria Theresia erklärte die Veranlassung der von ihr vorgenommenen Rüstungen durch die Pflicht: ihre Erblande vor den als faktisch angeführten drohenden Bewegungen Friedrichs zu schützen; und fügte noch hinzu: ihre Rüstungen würden – dem Vernehmen nach – durch die protestantischen Höfe noch insbesondere dahin mißdeutet, als enthalte ihr Freundschaftsbündniß mit Frankreich geheime Artikel, »so die völlige Unterdrückung des protestantischen Religionswesens und Conversionscasum des Erbprinzen von Hessen-Kassel zum eigentlichen Gegenstand hätten, und daß zugleich darinnen wegen der Römischen Königswahl zu Faveur Unsers ältesten Cron-Prinzen dem Reich präjudicirliche Verabredungen enthalten wären,« welchen Gerüchten sie hiermit ausdrücklich widersprochen haben wollte, und ihre Gesandten in diesem Sinne anwies. – Friedrich II. stellte in seinem obenerwähnten Reskript die von Maria Theresia angeführte Behauptung in Abrede, daß seine Rüstungen die ihrigen veranlaßt hätten; er wies darauf hin, daß sie schon zu Ende des Mai, da er noch an keine Bewegungen seiner Truppen gedacht habe, die Rüstungen begonnen und eifrig fortgesetzt, ja seine Gränzen mit ihren Völkern so zu sagen überschwemmt, viele beträchtliche Magazine in Böhmen errichtet, ihre Festungen in wehrhaften Stand gesetzt und mit Munition versehen u. s. w.; in Böhmen und Mähren stünden römisch-kaiserlicher Seits mehr als 80,000 Mann, »mit allem Kriegs-Attirail, einer konsiderablen Anzahl Bagage, Proviant und Munitions-Wagen,« ja selbst einen starken Train Belagerungsartillerie habe sie zusammenziehen lassen. Wenn der Wiener Hof versichere, daß er diese Zurüstungen auch deßhalb gemacht habe, um seine Obliegenheit gegen seine Bundesgenossen zu erfüllen, so »wird wohl kein vernünftiger Mensch dergleichen Ausstreuungen Glauben beimessen, da jene ebensowenig etwas von irgend einer Puissance zu befahren haben.« Der Neutralitäts-Traktat zwischen Preußen und England (wurde abermals versichert) sei lediglich »auf die Erhaltung des Ruhestandes und Tranquillität des geliebten deutschen Vaterlandes gerichtet gewesen.« Ob der Traktat zwischen Oesterreich und Frankreich noch einige geheime Artikel enthalte, müsse er schlechterdings dahingestellt lassen, obwohl man es den protestantischen Reichsfürsten nicht verdenken könne, wenn sie bei den gegenwärtigen mißlichen und weitaussehenden Zeitläuften einige Unruhe blicken ließen.

Was nun den wirklichen Zustand der Rüstungen betraf, so zählte die österreichische Heeresmacht damals 150,500 Mann (wovon jedoch an 40,000 in Italien und den Niederlanden standen) und die preußische 145,200 Mann.

Der Würfel war also gefallen und rasch schritt Friedrich II. an der Spitze seiner braven Krieger den Feinden entgegen, welche ihn umdrängten. Der siebenjährige Krieg begann, in welchem abermals Deutsche Deutschen gegenüber standen, um ihr Blut in den Streitsachen der Fürsten zu vergießen. Der zweite Theil jener Tragödie des österreichischen Erbfolgekrieges, ein Schritt weiter zur Auflösung der alten Reichsverfassung, zur Zersplitterung, zur Entnationalisirung der Deutschen! Deutsche, Franzosen und Russen einerseits, – Deutsche und Engländer anderseits nannten sich unter einander Brüder, aber der Preuße mordete den Oesterreicher, der Oesterreicher den Preußen, und jeder Theil fand den höchsten Ruhm darin, nicht mehr Deutscher, sondern Preuße oder Oesterreicher zu heißen. Unselige Zeiten, in welchen der Krieg bloß Fürstensache ist! Da wird die Willkür in den Begriff einer höhern Nothwendigkeit gekleidet, welche die Erstere rechtfertigen soll; da gilt bloß das Gebot des Augenblicks, und alle Grundpfeiler von Treue stürzen unter den Schlägen der Gewalt zusammen. Bald genug sollte eine Gewaltthat Friedrichs II. einen Beweis dafür liefern. Blickt man tiefer auf die Grundwurzel aller Möglichkeiten hinab, wie der Stamm der schlimmen Wirklichkeit aus ihnen erwächst, so ist sie der Absolutismus; der Begriff von einer unmittelbar durch Gottes Gnaden geschaffenen Majestät, welche nicht bloß über, sondern auch außer dem Volke von vornherein existire, von der unbedingten Nichtverantwortlichkeit des Regenten vor dem Volke, woraus sich leicht jede andere Nichtverantwortlichkeit als Konsequenz ableiten läßt, – ein Begriff, welchen Deutschland lediglich dem römischen Recht zu verdanken hat, denn im deutschen Wesen, wie es ursprünglich war und so weit es sich in seiner Ursprünglichkeit frei und schön entwickeln konnte, war derselbe nicht zu finden; da ist immer bloß Mitwirkung des Volks und der Fürsten, inniger (weil rechtlich begründeter und in der Rechtsnatur beiderseits anerkannter) Verband zwischen Beiden, ein »Mitrathen und Mitthaten,« also ein wechselseitiges Ergänzen der Einsicht, ein wechselseitiges Berichtigen des Rechtsirrthums, ein wechselseitiges Beschränken der persönlichen Leidenschaft durch die Klarheit des Rechtes. Unter solchen naturgemäßen und in Deutschland als Ausdruck des Nationalwesens geschichtlich nothwendigen Verhältnissen, welche im 18. Jahrhundert sogar bis zur Erinnerung an dieselben erloschen waren, ist ein bloßer Krieg der Fürsten um ihrer eigenen Interessen willen ohne Volks-Zurathen und ächtes »Zuthaten« unmöglich. Möchte er in deutschen Landen wenigstens künftig unmöglich, und möchte nie ein Fürstenkrieg mehr sein, der nicht auch reine Volkssache wäre.

Ueberblickt man schließlich die Ursachen des siebenjährigen Krieges, so ergibt sich allerdings ohne den mindesten Zweifel, daß Maria Theresia denselben veranlaßte und herbeiführte, daß sie Friedrich II. zur Eröffnung der Feindseligkeiten zwang und zwingen wollte. Und dennoch ist das Motiv, welches sie beseelte, nicht bloß begreiflich, sondern auch entschuldbar. Friedrich hatte ihre tiefste Noth benutzt, um ihr ein Erbland zu entreißen, in dessen Besitz sie nach seinen Ansprüchen und Ableitungen keine Verjährung schützen sollte! Sie vermochte nun auch keine um so viel jüngere Verjährung des Besitzstandes anzuerkennen, und die Friedensschlüsse betrachtete sie eben so wie den Krieg, der ihr Schlesien entrissen hatte, bloß als Akt der Uebermacht, welcher sie hatte nachgeben müssen. Man darf nicht vergessen, daß Maria Theresia jedes Zugeben von Verminderung des Umfangs und der moralischen Bedeutung ihrer Monarchie mit demselben Hochgefühl abwies, wie Friedrich das Ziel seines Strebens und Lebens in der Vermehrung, in der erhöhten Bedeutung der seinigen erkannte, daß sie sich vertrauensvoll von der Strömung einer Politik hinreißen ließ, welche das Ansehen und die Macht des Hauses Oesterreich als höchstes Prinzip erkannte.

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