Robert Waldmüller (Charles Edouard Duboc)
Don Adone
Robert Waldmüller (Charles Edouard Duboc)

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Viertes Kapitel

Die beiden Golfe von Neapel und Salerno sind, wie ihr wißt, durch eine gebirgige Halbinsel getrennt. Man sagt, ihre Höhe habe seit der Erschaffung der Welt häufige Veränderungen erfahren, ohne Zweifel solche, wie wir sie auf den verschiednen Bildern vorgestellt sehen, die unser Freund Matteo drüben an der Hafenmauer aufzuhängen pflegt, und worauf, je nachdem sie nach diesem oder nach jenem Erdbeben gezeichnet worden sind, der Vesuv und der Somma so oder auch so aussehen. Jedenfalls waren bis auf den heutigen Tag die Höhenzüge der Halbinsel nie ganz unerheblich, und um von dem einen Golf zum andern zu gelangen, machte der Reisende darum immer lieber einen Umweg.

Zu Don Adones und Fiammettas Zeit waren zu solchem Zwecke Maultiersänften für die Vornehmen in Gebrauch. Wagen kamen selten bis hierher. Weder diese noch jene Beförderungsart hätte übrigens von Don Adone benutzt werden können, beide würden Aufsehen erregt haben, und Aufsehen zu vermeiden war mit gutem Grund sein besondrer Wunsch.

41 Du hast Recht gethan, dich in deinen Alltagsstaat zu kleiden, sagte Don Adone, als Fiammetta nach Sonnenuntergang reisefertig aber mit der brennenden, messingnen, dreiarmigen Lampe und dem schuldigen Abendgruße: Felicissima notte! bei ihm eintrat, denn er war nach seiner Gewohnheit noch nicht fertig, und sie mußte ihm sein Bündel schnüren helfen.

So, nun wirds gehn, rief dann Fiammetta, endlich auch hiermit fertig, schürzte vor dem alten Wandspiegel der Signora Trasi ihr grau und kirschrot gemustertes Baumwollenkleid in die Höhe, besteckte ihr blaßgelbes wollnes Busto mit den Stecknadeln eines kleinen Sammetkästchens, das unter dem Spiegel stand, fühlte nach ihrer Fiore di Sangue-Korallenschnur am Hals und ihrer Silbernadel am Hinterkopf, blickte, indem sie den Saum ihres Kleides zurückdrückte, auf ihre schwarzen Schuhe und roten Zebrastrümpfe hinab und zog endlich ihr weißes Kopftuch tiefer über die dunkle, niedrige Stirn. Dann wandte sie sich zu Don Adone, der geduldig wartend dastand, da er nicht gewohnt war, sich in irgend einem Geschäfte selbst zu helfen. Setzt nun Euern Spitzhut auf, Don Adone, ordnete sie also an, nehmt Eure lange Peitsche vom Nagel, steckt das Taschenmesser Euers seligen Herrn Vaters ein und vergeßt vor allem nicht einen tüchtigen Strick, damit Ihr die Zecchinentasche an den Sattel binden könnt, wenn Ihr sie nicht lieber an Euern Gurt befestigt.

Sie wird uns noch zu schaffen machen, versetzte Don Adone und half sich auf die letztangegebne Weise; was für ein fetter Bissen wäre das für unsre Herren Räuber! Sieh nach, ob draußen bei den Nachbarn schon Licht angezündet ist; daß wir 42 ungesehen aus dem Gäßchen hinauskommen, dazu scheint mir die Ave-Maria-Stunde die günstigste.

Wenig Minuten später zog Fiammetta das Maultier Don Adones leise aus dem Stall in den dunkelnden Hof, und Don Adone belud es mit so vielen Lebensmitteln, wie sich vor und hinter dem Sattel irgend unterbringen ließen. Es spitzte denn auch sehr gereizt die langen Ohren, und Don Adone hielt es für ratsam, es wiederholt höflich anzusprechen, wobei er dem Namen des Tieres rücksichtsvoll den Dontitel vorsetzte, sodaß sich Don Pantaleone schließlich die Bürde geduldig gefallen ließ.

Lazaro, Fiammettas wohlgenährtes Grautier, kam demnächst an die Reihe. Es trug seinen Namen längst mit Unrecht, denn die ihm von seinem frühern Besitzer, einem Dattelhändler, geschlagnen Wunden waren unter Fiammettas gutherziger Pflege schon seit Jahren vernarbt, und kein Esel am ganzen Golf war besser gehalten als Lazaro. Da aber überdies Fiammettas Federleichtigkeit ihm wenig Sorgen machte, so kümmerte er sich kaum um den Inhalt der ihm aufgeladnen Doppelkörbe, nur daß er nach dem Futtersack des einen Korbes sachkundig schnupperte.

Nachdem Don Adone seiner kleinen Reisegenossin ohne sonderliche Anstrengung auf das breite Polsterkissen hinaufgeholfen hatte, das zwischen den beiden Körben befestigt war und ihr als Sattelsitz diente, sodaß ihre Beine in den zweiten, nur mit dem Sonntagsanzuge belasteten Korb hinabhingen, verschloß er unter allerlei Vorsichtsmaßregeln das Haus, bestieg selber Don Pantaleone, dessen eisenbeschlagne Hufe sorglich mit Stroh umwickelt waren, und trabte nun lautlos von dannen.

43 Lazaro folgte in kurzem Paßgalopp, und so kam die Kavalkade unbemerkt aus dem Gäßchen und bald auch aus dem Orte hinaus.

Auf der nördlichen Seite Sant' Aniellos hatte Don Adone nie früher etwas zu thun gehabt. Das vor Jahren schon verkaufte Olivenwäldchen der Signora Trasi lag ganz im Süden der Halbinsel, fast bis nach Termini hinaus. Außer Besorgungen an den Pächter dieses Wäldchens hatte Signora Trasi dem Sohne aber nie eine über das Haus hinausreichende Verrichtung aufgetragen.

Bei Don Adones angeborner Furchtsamkeit war sein heutiger ins Dunkel der Nacht hineingehender Ritt also keine gering zu schätzende Leistung, und ohne seinen blinden Respekt vor allem Gedruckten, also auch vor der großen Wandkarte des Fra Ambrogio, wäre er schwerlich über die letzten Marksteine von Sant' Aniello hinausgekommen.

Bemerkt wurde das Reiterpaar übrigens doch öfter, als Don Adone dies vermutet hatte. Hie und da begegneten den beiden arbeitsmüde Männer und Weiber, die draußen auf den verpachteten Baumwollfeldern des Kapuzinerklosters gearbeitet haben mochten und nun auf dem Heimwege nach ihrer Behausung waren. Diese standen dann wohl verwundert still, denn nach Ave-Maria pflegte man doch hierzulande sich und seinen Tieren Rast und Erholung zu gönnen. Dergleichen rief ihnen auch der eine und der andre nach, sodaß Don Adone nach einer Viertelstunde scharfen Trabens für ratsam hielt, die weitere Wegstrecke, die heute noch zurückzulegen war, im Schritt zu reiten.

Das war freilich ohnehin nötig gewesen. Der fette 44 Lazaro hatte keinen ausreichenden Atem mehr, und Don Adone selbst, der dem Grautier an Korpulenz wenig nachstand, fühlte, daß es hohe Zeit zum Verschnaufen sei. Fiammettas Polster war aber gar schon beim Beginn des Galopps in einen der beiden Körbe hinabgerutscht, und sie fühlte vor lauter Stößen kaum noch ihre Knochen, oder besser: sie fühlte jeden einzelnen, aber wie zerschlagen und zerdroschen.

Nachdem sich beide Reiter durch Schrittreiten einigermaßen erholt hatten, begann Don Adone wie folgt:

Nach allem, was ich in Fra Ambrogios Büchern gelesen habe, wird nun unsre Hauptsorge sein, vor völliger Nacht unter Dach zu kommen, damit wir nicht noch im Freien sind, wenn die Räuber aus ihren Höhlen hervorkriechen. In einer Stunde etwa wird das wohl der Fall sein. Bis dahin könnten wir einen Ort erreichen, der auf der Karte den Namen Carota führt. Hier werden wir uns bei dem Wirt ein gutes Nachtlager geben lassen.

Und wißt Ihr denn, fragte Fiammetta, ob der Wirt uns nicht um unsre Tasche bestehlen wird, Don Adone? Die Nacht scheint nicht kalt zu werden. Essen und Trinken haben wir mit. Wenn Ihr meinem Rat folgen wollt, so legt Ihr Euch hinter die erste beste Hecke oder Gartenmauer. Da sieht Euch niemand, und ich mache für mich auch schon ein Schlupfwinkelchen ausfindig. Morgen aber reiten wir mit dem ersten Frührot weiter.

Don Adone war sehr verwundert, daß ein Wirt und ein Räuber in Fiammettas Auffassung verwandte Personen seien. Er hatte über diese beiden Stände wenig gelesen und stellte sich nach Kinderart vor, daß, 45 wie auf den Landkarten eine bunte Grenze ein Land von dem andern sondert, so auch ein Stand von dem andern wie durch einen scharfgezognen Strich geschieden sei. Es hatte ihm ganz natürlich geschienen, daß, wie alle Wirte, die er je gesehen hatte, sich großer Wohlbeleibtheit erfreut und dazu eine seegrüne sizilianische Zipfelmütze getragen hatten, so auch alle Räuber vor lauter Nachtwachen hager und verbissen aussähen und eine Art schrecklicher Banditenuniform trügen.

Fiammettas Vorschlag gewann indessen die Überhand, und nachdem man noch manchen Sattelstoß ausgehalten hatte und an mancher unheimlichen Wegstelle glücklich vorübergekommen war, dämmerten endlich die Umrisse des Kirchleins von Carota durch das sinkende Dunkel. Bald war man dem Orte nahe genug, daß man das Auge auf die Wahl eines passenden Unterkommens lenken mußte, wobei freilich der Umstand, daß jedes Besitztum und jeder Orangenhain nach Landesbrauch durch hohe Mauern eingeschlossen war, das unbemerkte Einkehren sehr erschwerte.

Endlich aber entdeckte Fiammettas spähender Blick einen seitwärts von der Straße liegenden verfallnen Steinbruch, zu dem man durch eine nur angelehnte Bretterthür in der Mauer, die den Steinbruch sowie hügelan ein trümmerhaftes, unbewohntes Haus und die dazu gehörige verwilderte Orangenplantage umgab, recht wohl gelangen konnte.

Nach einigen Bedenken war Don Adone wirklich überredet, hier Einkehr zu halten. Sie stiegen ab, zogen ihre Tiere in den Schutz der Mauern, trugen den Sattel und die Körbe in den Steinbruch, setzten sich auf den Boden und stärkten sich dann durch ein gemeinsames Mahl. Dieses war schmackhaft und 46 reichlich, da Fiammetta Sorge getragen hatte, alles von dem Festmahl des vorigen Tages übriggebliebne mit auf die Reise zu nehmen.

Aber auch die Geschütztheit des Orts ließ kaum etwas zu wünschen übrig. Die draußen schon kühler wehende Abendluft hatte hier noch nicht gegen die Wärme des von der Sonne den ganzen Tag über beschienenen Gesteins aufkommen können, und diese Wärme versprach bis zum Morgen vorzuhalten.

Dabei sah man über die runden Orangenbäume, die schon zu dunkeln Massen verdämmerten, auf das hell den Sternenhimmel wiederspiegelnde Meer hinaus, und eine Nachtigall, die es an Neugier mit Fiammetta aufgenommen hätte, kam mit lockenden Flötentönen näher und näher heran, bis sie in einem Olivenbaum unmittelbar neben den Tafelnden Posto faßte und ihre Kehle nun erst in den vollsten Melodien schwelgen ließ.

Fiammetta war ganz Vergnügen und Lebensfreudigkeit.

Anders Don Adone, wenngleich es ihm kaum jemals besser gemundet hatte.

Im Grunde, sagte er, sind die Sorgen und Plagen hienieden durchaus nicht gerecht verteilt. Es bleibt schon einmal ausgemacht, daß uns Männern fast alle Not des Lebens aufgebürdet ist, während ihr das fröhliche Zusehen habt.

Wenn dem wirklich so ist, lachte Fiammetta, so geschieht es den Männern nur recht; haben sie dafür nicht reichlichen Ersatz in ihrer Knochenstärke und in ihren gewaltigen Fäusten? Ist es kein Vergnügen, sich selbst beschützen zu können? Wenn wir nicht unter der besondern Obhut der Madonna stünden und im 47 Haare nicht die Nadel mit ihrer drohenden Faust trügen, ein Talisman, vor dem die Bösewichte zum Glück noch immer einigen Respekt haben, da möchte ich wahrlich kein Mädchen sein.

Fiammetta holte ihre silberne, mit der Faust und dem eingeklemmten Daumen verzierte Nadel unter dem Kopftuch hervor und begann sie auf der Hüfte mit dem Ärmel blank zu reiben.

Die Madonna hat mit der Nadel gar nichts zu thun, belehrte sie Don Adone, und daß euch Weibern dennoch, wenn ihr eine solche Nadel im Haare tragt, kein Leid zu geschehn pflegt, das ist ja eben wieder eine der Vergünstigungen des Himmels, von denen uns Männern nie etwas zu teil geworden ist. Ich habe in der legenda aurea, einem Buche des guten Fra Ambrogio, gelesen, daß schon in heidnischer Zeit, als in Rom noch Gladiatorenkämpfe in der Mode waren, der eingeklemmte Daumen soviel wie »Gnade!« bedeutete. Hatte nämlich ein Gladiator den andern in den Sand geworfen und wollte ihm nun den Todesstoß versetzen, da guckte er sich erst nach den Zuschauern um, damit diese noch ein Begnadigungszeichen zu geben Zeit hätten. Wollten sie nun keinen Tod verhängt wissen, so klemmten sie den Daumen ein. So steht es in dem Buche. Und es steht ferner darin, daß dieses Zeichen überhaupt damals im Schwange war und dem Stärkern gegenüber soviel ausdrückte, als etwa der Zuruf: »Thut ihm nichts zu leide!« Nun hat sich die Bedeutung des Zeichens im Laufe der Jahrhunderte wohl zwar verwischt, aber es selber hat sich in euern Schmucksachen erhalten, und weil sich die Leute nicht mehr Rechenschaft zu geben wußten, warum man um eines solchen toten Dinges willen 48 die Besitzerin mit besonderm Glimpf behandeln müsse, so hat man die Faust ohne weiteres der Madonna zugeschrieben. Ist nun diese Auslegung, die euch so gut zu statten kommt, etwas Geringeres als eine euch zu teil gewordne Vergünstigung des Himmels? Was schützt mich? Etwa der heilige Antonio von Goldblech, den ich am Halse trage? Ich will ihm nichts Nachteiliges nachreden, denn er könnte michs büßen lassen, aber bis jetzt habe ich seinen Schutz noch niemals verspürt . . .

Er hatte die letzten Worte noch nicht zu Ende gesprochen, als er seinen Spitzhut sich von seinem Haupte erheben fühlte und beim erschreckten Aufblicken das struppige, vernachlässigte, wenn auch nicht gemeine Gesicht eines Mannes gewahrte, der aus dem Felsgebüsch oberhalb des Sitzes der beiden Tafelnden mit Kopf und Arm hervorguckte und den Spitzhut Don Adones in demselben Moment dem Aufblickenden unsanft wieder bis auf die Nase hinabstülpte, woselbst der Hut sitzen blieb und die Augen Don Adones völlig verdeckte.

Fiammetta war erschrocken aufgesprungen.

Don Adone stöhnte auf seinem Sitz gegen die Felswand zurückgelehnt unter der Krempe seines Hutes: Ein Räuber, ein Räuber!

Aber der unhöfliche Mann rief häßlich lachend: Für diesesmal noch kein Räuber, Signor Falimbello, sondern vielmehr kein Geringerer als Don Angiolo Zoppo, der Herr und Besitzer dieser Goldgrube, sowie jenes Schlosses und Parks.

O, rief Fiammetta, rasch gefaßt und vor allem beflissen, ihre und Don Adones Bestürzung zu verbergen, Ihr seid der Besitzer, Eccellenza? Wie gut, 49 daß wir solcherart gleich bei Euch selbst unsre Entschuldigungen anbringen können! Denn, nicht wahr, böse seid Ihr uns deshalb nicht? – Und da er begierig nach den Leckerbissen hinabschaute, fuhr sie fort: Auch werdet Ihr uns jetzt nicht die Bitte abschlagen, einen Kapaunenflügel und etliche Schlucke guten Terminiweins aus unserm Tönnchen von uns anzunehmen. Wir haben lange nach jemand ausgespäht, Eccellenza, bei dem wir unsern Einbruch in das schöne Besitztum rechtfertigen und entschuldigen könnten. Denn im Gasthause das Mitgebrachte zu verspeisen, das hätte sich doch nicht geschickt. Und darum allein sitzen wir hier. Aber nun schenkt uns, bis wir aufbrechen, die Freude Eurer Gesellschaft, Eccellenza!

Sie hatte, nicht ohne bebende Hast, aus ihrem Speisebehälter hervorgeholt, was ihr gerade unter die Finger kam, und Don Zoppo, der mittlerweile herabgestiegen war, und dessen zerrissener Anzug kaum besser aussah als sein verfallnes und verwildertes Besitztum, versetzte: Auch ich habe lange nach Euresgleichen, Jüngferchen, ausgespäht, und wenn anders Euer Begleiter, wie er es jetzt thut, ein Auge zudrücken will, so soll mirs nicht darauf ankommen, Euch die Nacht über zu beherbergen.

So redend setzte er sich zwischen Don Adone und Fiammetta, langte mit der einen Hand nach dem Essen und legte die andre gewichtig auf den Hut Don Adones, den dieser noch nicht seitwärts zu schieben gewagt hatte, sodaß er ihm nicht nur ein Auge zugedrückt hielt, sondern beide.

Fiammetta hütete sich, etwas zu bemerken, so sehr ihr lieber Herr ihr auch leid that. Sie schenkte ein und bemühte sich, die aus Scherz und Arglist 50 rätselhaft gemischte Laune des absonderlichen Kumpans durch fern haltende aber freundliche Reden zu zügeln, was ihr denn auch nach und nach so gut gelang, daß Don Zoppo, nachdem er, immer mit der einen Hand auf Don Adones Hut, sich eine gute Weile gemächlich hatte traktieren und sich dabei manchen Streichel- und Tätschelversuch hatte verbieten lassen, einen andern Ton anschlug.

Ihr seid ein artiges Kind, sagte er, und habt mir ein recht vergnügtes halbes Stündchen bereitet. Dafür sollt Ihr aber auch keine Ursache haben, Euch über mich zu beklagen. Ob das nicht der Fall sein würde, wenn Ihr von meiner Einladung in das Schloß Gebrauch gemacht hättet, statt daß Ihr sie verständig ablehntet, das will ich dahingestellt sein lassen. Ich möchte Euch aber einen Rat auf den Weg geben. Tauscht mit Euerm Begleiter die Kleider, wenn anders Ihr unbehelligt und ungefoppt an das Ziel Eurer Reise kommen wollt. Ehe ich in diese Gegend zog und aus Übersättigung mit guten Dingen es einmal mit dem Gegenteil, das heißt mit der Kostgängerschaft eines Anachoreten, versuchte, habe ich das Leben von allerlei Seiten kennen gelernt. Da sind mir denn wohl auch einmal Männer vorgekommen, die, wie Euer Beschützer durch seine vorhin zum besten gegebnen Reden, sich als furchtsame und feige Gesellen auswiesen. Das ist nun eine moralische Krankheit, wie hundert andre, und der Kranke muß sich eben in sein Ungemach fügen. Die Schwester oder die Braut oder das Weibchen, die auf seinen Schutz angewiesen sind, haben aber alle Ursache, auf ihrer Hut zu sein. Denn ihnen mitzuspielen, dazu liegt für jedermann die 51 Versuchung sehr nahe, und zumeist nimmt das Ding ein schlimmes Ende.

Er stand auf, beugte sich mit feinem Anstand über Fiammettas Händchen, indem er einen Kuß darauf drückte, verneigte sich dann gegen sie und entfernte sich in der Richtung des trümmerhaften Gebäudes.

Fiammetta stand einige Augenblicke purpurrot da. Dann aber that sie einen tiefen Atemzug und trat auf Don Adone zu, der eben hinter seiner Hutkrempe hervorzuschielen begann.

Ich danke Euch für Euer kluges Benehmen, Don Adone, sagte sie; wenn Ihr nicht mit so viel Selbstbeherrschung an Euch gehalten hättet, wäre es uns vielleicht noch schlecht ergangen.

Fiammetta, versetzte Don Adone, indem er sich aufrichtete und seine Hutspitze auf seinem Knie wiederum in die rechte Zuckerhutform brachte, du weißt, ich habe noch nie mit jemand Händel gehabt, und wie ich oder der andre bei einer solchen Gelegenheit fahren würde, das läßt sich nicht wohl sagen. Gleichwohl hätte mich der Spott dieses ungezognen Mannes bald zu einer derben Erwiderung hingerissen. Glücklicherweise erinnerte ich mich beizeiten des Wortes, das einst ein gewisser Antisthenes über die Schmeichler gesagt hat. Er sagte: »Es ist besser unter die Raben zu geraten als unter die Schmeichler; denn jene fressen nur die Toten, diese die Lebendigen.« Daß nun dieser gefräßige Don Zappo oder Zoppo kein Schmeichler war, darüber bin ich mit mir ganz einig, und so ist es mir denn gelungen, um dieser seiner negativen Tugend willen seine positive Unleidlichkeit in christlicher Ergebung hinzunehmen.

52 Er half die ausgekramten Lebensmittel, soviel davon übrig geblieben war, wieder zusammenpacken, fing dann Don Pantaleone ein, dessen fletschendes Gebiß noch im letzten Augenblick einen blühenden Orangenzweig ergatterte, und nachdem auch Fiammetta ihr Grautier von neuem aufgezäumt und beladen hatte, wurde beim Sternenschein die Reise fortgesetzt. 53

 

 


 << zurück weiter >>