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König Monmouth hatte auf den Abend eine Sitzung des Kriegsrats anberaumt und Oberst Saxon dazu befohlen. Ihm schloß ich mich an, um dem Könige das Päckchen zu übergeben, das mir Sir Jakob Clancing für ihn anvertraut hatte.
Als wir im Schloß ankamen, wurden wir in eine große Halle geführt, wo wir den König erwarten sollten. Es war ein schönes Gemach mit hohen Fenstern und einer prächtig geschnitzten Decke. Im Hintergrunde befand sich das königliche Wappen ohne den Linksschrägbalken, den Monmouth sonst geführt hatte.
Die obersten Heerführer und manche der Unterbefehlshaber waren hier versammelt, dazu allerhand städtische Würdenträger und andre, die Petitionen überreichen wollten.
Lord Grey von Wark stand am Fenster und blickte schweigend und düster in die liebliche Landschaft hinaus. In einer Ecke flüsterten Wade und Holmes miteinander und schüttelten die Köpfe. Fergusson, dessen Perücke schief saß, ging mit starken Schritten auf und ab, ermahnte, warnte, betete, alles mit lauter, hallender Stimme und in breitem schottischen Dialekt. Einige elegant gekleidete Herren standen um den leeren Kamin. Einer von ihnen erzählte eine mit Flüchen und Kraftworten reichlich gespickte Geschichte, welche die andern sehr belustigend zu finden schienen und laut belachten.
In einer andern Ecke war um einen augenscheinlich besonders beliebten Prediger ein zahlreicher Kreis von Eiferern versammelt, die in schwarze oder rostbraune Talare mit breiten, weißen Krausen und herabhängende Kragen gekleidet, halblaut miteinander über Calvins Philosophie und ihren Zusammenhang mit der Staatskunst diskutierten.
Ein paar schlicht dreinschauende Kriegsleute, die weder Sektierer noch Höflinge sein mochten, schritten auf und ab oder sahen aus den Fenstern auf das geschäftige Lagertreiben auf dem Burganger hinab. Zu einem von diesen, der sich durch seine Größe und seine breiten Schultern auszeichnete, führte mich Saxon, zupfte ihn am Ärmel, und dann schüttelten sich beide die Hand wie alte Freunde.
»Mein Gott!« rief der deutsche Glücksritter, denn es war derselbe, den mir mein Gefährte am Morgen als solchen bezeichnet hatte, »dacht' ich's doch, daß Ihr es wärt, Saxon, als ich Euch am Thore sah, obgleich Ihr noch dünner geworden seid, wie in alten Zeiten! Wie ein Mensch soviel gutes bayrisches Bier hat schlucken und so wenig Fleisch davon ansetzen können, wie Ihr, ist mir völlig unverständlich. Na, wie ist's Euch denn ergangen?«
»Die alte Leier,« sagte Saxon. »Viel Hiebe, wenig Geld und mehr Verwendung für den Wundarzt als für den Geldschrank. Wann sah ich Euch doch zuletzt, Freund? War's nicht bei der Überrumpelung von Nürnberg, wo ich den rechten Flügel der schweren Reiterei kommandierte und Ihr den linken?«
»Nee, nee,« versetzte Buyse. »Ich traf Euch noch wo anders. Habt Ihr das Scharmützel am Rheinufer vergessen, als Ihr Euer Gewehr auf mich losbranntet? Sapperment! Hätte nicht in dem Augenblick ein hundsföttischer Schelm mein Pferd erstochen, ich hätte Euren Kopf abgeschlagen wie ein Schulbub einen Distelkopf mit seiner Gerte.«
»Jawohl, das hatte ich vergessen,« meinte Saxon mit großem Gleichmut. »Wenn ich mich recht erinnere, wurdet Ihr gefangen genommen, schlugt aber nachher der Schildwache mit Euren Ketten den Hirnkasten ein und schwammt über den Rhein unter dem Pelotonfeuer des ganzen Regiments, Und doch hatten wir Euch, dünkt mich, dieselben Bedingungen geboten, wie Ihr sie drüben bei der andern Partei hattet.«
»Allerdings wurde mir so'n gemeines Anerbieten gemacht,« sagte der Deutsche finster. »Und ich erwiderte darauf, daß ich zwar mein Schwert verkaufte, aber nicht meine Ehre. Kavaliere der Fortuna sollten stets zeigen, daß eine eingegangene Verpflichtung unlösbar für sie ist, so lange der Krieg dauert. Danach mögen sie nach Belieben den Zahlmeister wechseln. Warum nicht?«
»Wahr, sehr wahr, mein Freund,« erwiderte Saxon. »Diese schäbigen Italiener und Schweizer betreiben die Sache so handwerksmäßig und verkaufen sich so bereitwillig mit Leib und Seele an den Meistbietenden, daß wir um soviel peinlicher auf unsre Ehre halten müssen. Erinnert Ihr Euch übrigens noch des alten Händedruckes, den in der Pfalz kein Mensch Euch erwidern konnte? Hier, dies ist mein Hauptmann Micha Starke. Zeigt ihm doch, wie warm ein norddeutscher Willkommen sein kann.«
Der Brandenburger zeigte grinsend seine weißen Zähne und hielt mir seine breite braune Hand hin. Im selben Augenblick, wo ich die meine hineinlegte, drückte er mit aller Kraft zu und queschte meine Finger zusammen, bis das Blut mir unter den Nägeln prickelte und die ganze Hand schlaff und kraftlos wurde.
»Donnerwetter!« rief er und lachte herzlich, als ich vor Schmerz und Überraschung zusammenzuckte, »nicht wahr, das ist ein grober deutscher Spaß, der einem Engländer nicht viel Vergnügen macht!«
»Wahrlich, mein Herr,« sagte ich, »der Spaß war mir neu, und ich möchte ihn gern unter der Leitung eines so geschickten Meisters üben.«
»Was, Ihr wollt's noch mal versuchen?« rief er aus. »Ei, ich dächte, es müßte Euch noch prickeln vom erstenmal! Aber wenn Ihr wollt, mir soll's recht sein, obgleich ich fürchte, es wird Euch die Schwerthand lähmen.«
Mit diesen Worten reichte er mir die Hand. Ich griff fest zu, Daumen gegen Daumen, wobei ich den Ellenbogen hoch hielt, um meine volle Kraft einsetzen zu können. Ich hatte bemerkt, daß sein Kniff darin bestand, die Hand des Gegners durch einen großen Kraftaufwand gleich zu Anfang in seine Gewalt zu bekommen. Dies verhinderte ich, indem ich ihm mit ebensolchem Kraftaufwand begegnete. Ein bis zwei Minuten standen wir regungslos da und blickten einander fest ins Gesicht. Da sah ich, wie ein Schweißtropfen von seiner Stirn rann, und ich wußte, er war geschlagen. Allmählich lockerte sich sein Griff, seine Hand wurde matt und schlaff, und die meinige schloß sich fester und enger um die seine. Endlich mußte er mit mißvergnügtem Brummen bitten, ich möge ihn loslassen.
»Hex und Teufel!« rief er und wischte sich das Blut ab, das unter seinen Nägeln hervorsickerte. »Ebensogut hätt' ich ja meine Finger in ein Fangeisen stecken können. Ihr seid der erste Mann, der einen Händedruck mit Anton Buyse ausgetauscht hat.«
»Bei uns in England gibt's ebensogut Sehnen und Muskeln wie in Brandenburg,« sagte Saxon und schüttelte sich vor Lachen über die Niederlage des Deutschen. »Ei, ich habe gesehn, wie dieser Junge einen stämmigen vollgerüsteten Dragonersergeanten aufhob und in einen Karren warf, wie ein Bündel Kleider!«
»Stark ist er freilich,« knurrte Buyse, der noch immer seine verletzte Hand rang und streichelte, »stark wie der alte Götz mit der eisernen Hand. Aber was ist Stärke allein beim Gebrauch einer Waffe? Die Kraft des Schlages thut's nicht, aber die Art des Schlages, die thut die Wirkung. Euer Schwert sieht mir schwerer aus als meins, aber was wetten wir – meine Klinge beißt tiefer? Wie? Das ist ein besseres Spiel für Soldaten als Händedrücken und solcherlei Kinderei, nicht wahr?«
»Er ist ein bescheidener Jüngling,« sagte Saxon. »Trotzdem möcht' ich auf seinen Hieb gegen Euren wetten.«
»Auf was?« brummte der Deutsche.
»Auf soviel Wein, als wir an einem Abend trinken können.«
»Wär' auch ein ganz anständiges Maß,« sagte Buyse, »ein paar Galonen zum mindesten. Topp! Abgemacht! Nehmt Ihr den Kampf auf, Herr Clarke?«
»Ich will thun, was ich kann,« entgegnete ich, »obgleich ich kaum hoffen darf, einen ebenso gewichtigen Streich zu thun, wie ein so alter bewährter Soldat.«
»Der Henker hol' Eure Komplimente,« rief er rauh, »mit solchen schönen Worten habt Ihr auch meine Finger in Eure Fangeisen für Narren gelockt. Na, hier ist mein alter Helm aus spanischem Stahl. Wie Ihr sehen könnt, hat er schon ein paar Beulen, und eine mehr wird ihm nicht schaden. Ich lege ihn hier auf diesen eichenen Schemel, der hoch genug ist, um dem Schwert rechten Spielraum zu lassen. Haut zu, Junker, und laßt uns sehn, ob Ihr Euer Zeichen drauf eingraben könnt.«
»Schlagt Ihr zuerst, Herr Buyse,« sagte ich, »Ihr seid der Ausforderer.«
»Da muß ich meine eigne gute Sturmhaube zerhauen, um meinen Soldatenruhm wiederherzustellen,« murrte er. »Na, sie hat ihrerzeit so manchen strammen Puff vertragen müssen.«
Damit zog er sein breites Schwert, winkte damit die Zuschauer, die sich um uns gesammelt hatten, ab, schwang die mächtige Waffe mit gewaltiger Kraft um sein Haupt und ließ sie dann wie einen leuchtenden Blitz wuchtig auf die glatte Stahlhaube niedersausen. Der Helm sprang hoch in die Luft und fiel dann rasselnd zu Boden. Ein langer tiefer Spalt klaffte in dem festen Metall.
»Ein guter Hieb! . . . Ein tüchtiger Streich!« riefen die Zuschauer.
»Es ist dreimal gehärteter, hiebfester Stahl, und eine Schwertklinge sollte daran abgleiten,« bemerkte einer, der den Helm aufgehoben und untersucht hatte. Dann legte er ihn wieder auf den Schemel.
»Ich habe meinen Vater mit diesem selben Schwerte durch hiebfesten Stahl schneiden sehn,« sagte ich und zog die fünfzig Jahr alte Klinge. »Er legte sich, anders als Ihr, stets mit dem ganzen Körper aus, und pflegte zu sagen, ein guter Hieb käme mehr aus dem Rücken und den Lenden, als aus den bloßen Armmuskeln.«
»Wir brauchen hier keinen Vortrag, sondern ein Beispiel oder exemplum,« spottete der Deutsche. »Mit Euerm Hiebe haben wir's zu thun, nicht mit Euers Vaters guten Lehren!«
»Mein Hieb,« sagte ich, »stimmt zu seiner Lehre.«
Und nun wirbelte ich mein Schwert hoch in die Luft und ließ es aus aller Kraft auf den Helm des Deutschen herabfahren. Die gute alte Parlamentsklinge durchschnitt den Stahl, spaltete den Schemel und fuhr noch zwei Zoll tief mit der Spitze in das Eichengetäfel des Fußbodens.
»Es ist ein bloßes Kunststück,« setzte ich erklärend hinzu. »Ich habe es an Winterabenden zu Hause geübt.«
»Ich möchte jedenfalls das Kunststück nicht an mir üben lassen,« sagte Lord Grey, während sich ringsumher ein Gemurmel des Beifalls und der Überraschung erhob. »Potztausend, Mensch, Ihr seid um zwei Jahrhunderte zu spät auf die Welt gekommen. Was würden Eure Sehnen für einen Wert gehabt haben, ehe das Schießpulver alle Menschen gleich machte!«
»Wunderbar!« brummte Buyse vor sich hin, »wunderbar!« und setzte dann zu mir gewandt offen hinzu: »Ich bin über die Höhe des Lebens hinaus, junger Herr, da kann ich Euch immerhin die Palme der Stärke überlassen, Es war wahrhaftig ein rechter, prächtiger Hieb. Er kostet mich ein paar Bächlein Kanariensekt und einen guten alten Helm, aber ich sehe nicht scheel drum. Bin nur froh, daß mein Kopf nicht in meinem Helm steckte bei der Kraftprobe. Auch Freund Saxon war Meister in allerlei Schwertspiel, aber er hatte nicht die Wucht zu solchen Schwabenstreichen.«
»Mein Auge ist noch scharf und meine Hand fest, wenn auch beide eben jetzt ein wenig außer Übung sind,« sagte Saxon, nur zu erfreut, bei dieser Gelegenheit die Augen der Anführer auf sich lenken zu können. »Ich halte meine Ausforderung auf Hieb und Stich, Dolch und Schwert, Krummsäbel mit und ohne Scheide, mit und ohne Schild gegen jedermann aufrecht, ausgenommen nur meinen Bruder Quartus, der ebensogut fechten kann wie ich, nur daß sein Arm einen halben Zoll länger ist als meiner, wodurch er gegen mich im Vorteil ist.«
»Ich habe in Paris Signor Contarinis Fechtschule besucht,« sagte Lord Grey. »Wer war Euer Lehrer?«
»Die Not, Mylord,« versetzte Saxon. »Fünfundvierzig Jahre lang hat mein Leben tagaus, tagein davon abgehangen, daß ich mich mit diesem Stückchen Stahl decken konnte. Ein kleines Kunststück ist aber zum Exempel dies: man wirft einen Ring an die Decke und fängt ihn mit der Degenspitze auf. Es scheint einfach, man kann es sich aber doch nur durch einige Übung aneignen.«
»Einfach?« rief Wade, der Advokat, ein Mann mit eckigen Gesichtszügen und kühn blickenden Augen. »Ei, der Ring ist ja nur der Gürtel Eures kleinen Fingers! Das gelingt einmal zufällig, aber von Sicherheit kann dabei doch keine Rede sein.«
»Ich wette eine Guinee auf jeden Wurf,« sagte Saxon. Damit schleuderte er den kleinen Goldreif in die Luft und führte mit Blitzesschnelle einen Rapierstoß danach. Der Ring schurrte an der Stahlklinge herab und klirrte richtig aufgespießt gegen das Degengefäß. Mit einer kräftigen Handbewegung schnellte ihn Saxon noch einmal gegen die Decke, wo er an einen geschnitzten Balken anstieß und im Fallen eine andre Richtung nahm. Aber mit einem raschen Schritt vorwärts stand Saxon darunter und fing ihn abermals mit der Schwertspitze auf.
»Es gibt hier sicherlich so manchen Kavalier, dem das Spiel ebenso geläufig ist,« sagte er und steckte den Ring wieder an den Finger.
»Ich denke, ich dürfte mir's zutrauen Herr Oberst,« sagte eine Stimme hinter uns, und umschauend gewahrten wir Monmouth, der soeben eingetreten war, und ruhig außerhalb des Gedränges stand. Niemand hatte ihn bemerkt, da aller Aufmerksamkeit auf unsern Wettkampf gerichtet war.
»Nein, nein, meine Herren,« fuhr er munter fort, als wir die Hüte zogen und uns etwas verlegen verbeugten; »meine Getreuen können ja gar nicht besser beschäftigt sein, als mit ritterlichen Übungen. Bitte, leihet mir Euer Rapier, Oberst.«
Er zog einen Diamantring von seinem Finger. Blitzend und wirbelnd flog der Reif in die Luft, und er spießte ihn ebenso geschickt auf, wie Saxon vorhin.
»Ich habe mir dies Kunststück im Haag eingeübt, wo ich meiner Treu nur zu viele Stunden solchen Kindereien widmen konnte. Aber wo kommen denn diese Stahlstücke und Holzsplitter her, die auf dem Boden herumliegen?«
»Ein Enakssohn ist unter uns aufgestanden,« sagte Ferguson und wandte mir sein narbiges, skrophulöses Antlitz zu. »Ein Goliath von Gad, der einen Streich führt, als wie mit einem Weberbaum. Hat er nicht das weiche Angesicht eines Kindleins und Sehnen gleich dem Behemoth?«
»In der That, ein Meisterstreich!« bemerkte der König und hob den halben Stuhl auf. »Wie heißt unser Kämpe?«
»Er ist mein Hauptmann, Ew. Majestät,« antwortete Saxon und steckte den Degen ein, den der König ihm gereicht hatte, »Micha Clarke, gebürtig aus Hampshire.«
»So ist er ein Engländer von tüchtigem Schlage,« sagte Monmouth; »wie aber kommt Ihr hierher, Herr Hauptmann? Ich berief zu dieser Versammlung nur meinen eignen unmittelbaren Haushalt und die Obersten der Regimenter. Wenn jeder Hauptmann zu unsern Beratungen zugelassen werden sollte, müßten wir diese nächstens auf dem Schloßhuf draußen abhalten, denn kein Zimmer würde groß genug für uns sein.«
»Ich wagte es hieher zu kommen,« entgegnete ich, »weil ich auf unserm Marsch den Auftrag erhielt, dieses kleine, aber gewichtige Päckchen in Ew. Majestät Hände zu legen. Ich hielt es deshalb für meine Pflicht, keine Zeit zu verlieren, um meine Bestellung auszurichten.«
»Was ist darin?« fragte er.
»Ich weiß es nicht,« antwortete ich.
Dr. Ferguson flüsterte dem Könige ein paar Worte ins Ohr, dieser aber lachte und streckte die Hand nach dem Päckchen aus.
»Thorheit!« sagte er. »Die Tage der Borgias und Medici sind vorüber, Doktor. Außerdem ist der Junge kein italienischer Verschwörer, sondern hat ehrliche blaue Augen und Flachshaare – die Naturbescheinigung eines redlichen Herzens. Das ist ja aber gehörig schwer! Fühlt sich wie Bleiguß an. Leihet mir Euern Dolch, Oberst Holmes. Es ist mit Bindfaden zusammengenäht. Ha! es ist eine Goldbarre – echtes, edles Gold, bei allem was wunderbar ist! Nimm es, Wade, und sieh zu, daß es in die Kriegskasse kommt. Dies kleine Stück Metall rüstet mindestens sieben Pikeniere aus. Hier ist noch etwas – ein Brief – an James, Herzog von Monmouth – hum! – er wurde wohl geschrieben, ehe wir die königliche Würde annahmen –! Laßt hören, was er sagt:
›Sir Jakob Clancing, weiland von Snellaby-Hall, sendet Gruß und ein Pfand seiner Ergebenheit. Führet das gute Werk aus. Hundert Barren gleich dieser erwarten Euch, wenn Ihr die Heide von Salisbury überschreitet.‹
Eine prächtige Verheißung, Sir Jakob! Ich wollte, du hättest die Barren lieber gleich hergeschickt! Nun, meine Herren, ihr seht, wie Unterstützungen und Erweise von Freund Willigkeit von allen Seiten kommen. Staut die Flut nicht schon zurück? Kann der Usurpator hoffen, sich zu halten? Werden ihm seine Leute treu bleiben? Im Laufe eines Monats sind sie alle in Westminster um mich versammelt, und dann soll es keine süßere Pflicht für mich geben, als die, dem Höchsten sowohl wie dem Geringsten unter euch die Loyalität zu lohnen, die er seinem Monarchen in der Stunde der Not und der Gefahr bewiesen hat!«
Ein Dankgemurmel durchlief die Reihen der Höflinge bei dieser gnädigen Rede. Der Deutsche aber stieß Saxon leise an und flüsterte:
»Er ist jetzt in der Fieberglut! Der Frostschauer wird schon nachkommen.«
»Hier haben sich mir fünfzehnhundert Mann angeschlossen, wo ich höchstens tausend erwartete,« fuhr der König fort. »Wenn unsre Hoffnungen hoch stiegen, als wir bei Lyme Cobb mit nur achtzig Mann landeten, wie sollten wir jetzt nicht jubeln, wo wir uns in der Hauptstadt vor Somerset befinden und achttausend tapfre Männer um uns sind? Noch ein Erfolg wie der bei Axminster, und meines Onkels Thron stürzt zusammen wie ein Kartenhaus! Nehmt Platz um den Tisch, meine Herren, wir wollen die Sache in aller Form beraten.«
»Hier ist etwas, was Ihr noch nicht gelesen habt, Sire,« sagte Wade und hob einen schmalen Zettel auf, der in den Brief eingeschlossen gewesen und beim Öffnen herausgeflattert war.
»Das ist ja wohl eine Art Canon, oder auch ein Sinnspruch für einen Ring,« sagte Monmouth mit einem flüchtigen Blick darauf. »Was soll das nun heißen:
›Wenn im Trigon dein Stern
Steht im Dämm'rungsschein –
Herzog Monmouth, Herzog Monmouth
Hüt dich vor dem Rhein!‹
›Im Trigon dein Stern!‹ Will er mich zum Narren halten?«
»Ew. Majestät halten zu Gnaden,« sagte ich, »ich habe Grund zu glauben, daß der Mann, der diese Botschaft sendet, einer von denen ist, die tiefe Kenntnis besitzen von der Weissagekunst, und die vorgeben, aus den Bewegungen der Himmelskörper das Schicksal der Menschen voraussagen zu können.«
»Der junge Mann hat recht, Sire,« bemerkte Lord Grey. ›Im Trigon dein Stern‹ ist ein astrologischer Ausdruck, welcher soviel bedeutet wie: Euer Geburtsplanet soll an einer gewissen Stelle des Himmelsbogens stehen! Der Vers hat auch alle Eigenschaften einer Prophezeiung. Man sagt, die alten Ägypter und Chaldäer sollen diese Kunst besonders gut verstanden haben. Ich muß aber gestehen, daß ich von den Propheten unsrer Tage nicht viel halte, die sich damit abgeben, jedem albernen Weibsbilde seine Fragen zu beantworten.«
›Die sich vom Mond Bericht und von der Venus Nachricht holen
Wer ihren Löffel oder Fingerhut gestohlen –‹
citierte Saxon leise aus seinem Lieblingsgedicht.
»Ei, ei, auch unsre Obersten scheinen bereits der Reimkrankheit zu verfallen,« lachte der König. »Wir kommen am Ende noch dahin, daß auch wir dem Schwert entsagen und zur Harfe greifen, wie weiland König Alfred in eben diesen Gegenden. Ich werde dann ein König der Sänger und der Troubadoure, wie der gute König René von Provence! Aber meine Herren, mir scheint, wenn dies wirklich eine Prophezeiung sein sollte, so könnte sie unserm Beginnen nur günstig sein. Es ist wahr, ich werde vor dem Rhein gewarnt, aber wir haben doch wahrlich keine Aussicht, unsern Kampf an seinen Ufern auszufechten!«
»Schade drum!« murmelte der Deutsche halblaut.
»Wir können deshalb Sir Jakob und seinem riesigen Boten für seine Voraussagung sowohl wie für sein Gold danken. Hier kommt auch der würdige Bürgermeister von Taunton, der älteste unsrer Ratgeber und der jüngste unsrer Ritter. Hauptmann Clarke, ich ersuche Euch, innen an der Thür stehen zu bleiben und jede Störung abzuwehren. Ich bin überzeugt, daß ich auf Eure Verschwiegenheit zählen kann.«
Ich verbeugte mich und nahm den mir angewiesenen Posten ein. Die Räte und Kommandeure hatten sich unterdes um den großen Eichentisch, der die Mitte der weiten Halle einnahm, versammelt. Das mildgoldige Abendlicht strömte durch die drei Westfenster, und das ferne Stimmengeschwirr der Soldaten auf dem Schloßplatz klang wie schläfriges Insektengesurre. Monmouth ging mit raschen, unruhigen Schritten am oberen Ende des Zimmers auf und ab, bis alle ihre Plätze eingenommen hatten. Dann wandte er sich zu ihnen und redete sie an.
»Meine Herren und Freunde,« sagte er, »ich habe euch berufen, um bei dem Beschluß über unsre demnächstigen Schritte eure gemeinsame Ansicht zu hören. Wir sind jetzt vierzig Meilen weit in unser Königreich hinein marschiert. Wo wir hinkamen, empfing uns ein warmer Willkommen. Fast achttausend Mann folgen unsern Fahnen, und ebensoviele haben wir wegen Warenmangels fortschicken müssen. Wir haben den Feind zweimal geworfen und Gewehre und Kanonen erbeutet. Nichts, das uns von Anfang an bis hierher mißlungen wäre! Wir müssen aber achtgeben, daß es in Zukunft ebenso vorwärts gehe. Zu diesem Zweck habe ich euch berufen und bitte euch nun, mir eure Meinung über unsre Lage zu sagen, damit ich nach Anhörung eurer Ansichten meinen Aktionsplan entwerfen kann. Unter euch sind Staatsmänner, unter euch sind Soldaten, unter euch sind auch fromme, gottesfürchtige Männer, die vielleicht von oben Erleuchtung empfangen, wo der Staatsmann und Kriegsmann im Dunkeln bleiben. Sprecht also frei heraus und laßt mich wissen, was ihr denkt.«
Von meiner die Tafel beherrschenden Stellung an der Thür konnte ich die beiden Reihen Gesichter auf jeder Seite derselben sehen: die feierlichen, glattrasierten Puritaner, die sonnverbrannten Soldaten und die Höflinge mit weißen Perücken und feinen Schnurrbärtchen. Meine Augen hafteten besonders auf Fergusons aufgedunsenen Zügen, auf Saxons hartem römischen Profil, auf des Deutschen plumpem Gesicht und dem spitzigen, gedankenvollen Antlitz des Lord von Wark.
»Und wenn sonst niemand seine Meinung sagen will,« rief der fanatische Doktor, »so will ich selbst reden, getrieben von der innern Stimme! Denn wie ein Sklave habe ich gearbeitet für die Sache und habe viel leiden und ertragen müssen von den Händen der Gottlosen, aber mein Geist ist dadurch reichlich befruchtet worden. Bin ich nicht zermalmt worden wie in der Kelter, und verstoßen worden mit Lästerworten und Hohnreden in die wüsten Örter?«
»Wir kennen Eure Verdienste und Eure Leiden, Herr Doktor,« sagte der König, »es handelt sich jetzt um die Frage: welchen Kurs wollen wir einschlagen?«
»Hat man nicht eine Stimme gehört im Osten?« rief der alte Whig. »War es nicht eine Stimme, wie von großen Wehklagen, die da weinte um einen gebrochenen Bund und um ein sündhaftes Geschlecht? Woher kam das Weinen, und wessen Stimme war es? War es nicht die Stimme des Mannes Robert Ferguson, der da aufstand gegen die Großen des Landes und wollte nicht stille sein?«
»Freilich, freilich, Dr. Ferguson,« sagte Monmouth ungeduldig. »Kommt zur Sache, oder laßt jemand anders reden.«
»Ich will mich deutlich erklären, Majestät. Haben wir nicht gehört, daß Argyle vernichtet ist? Und warum wurde er vernichtet? Weil er nicht den Glauben hatte an das Wirken des Allmächtigen. Da mußte er den Beistand der Kinder des Lichtes zurückweisen um der barbeinigen Brut des Prälatentums willen, die halb Heiden sind und halb Papisten! Wäre er in den Satzungen des Herrn gewandelt, so würde er jetzt nicht im Kerker von Edinburg liegen mit der Aussicht auf Strick oder Beil! Warum gürtete er nicht seine Lenden und schwang das Banner des Lichts und that gewisse Tritte mit seinen Füßen, anstatt daß er hier trödelte und da lauerte wie ein halbherziger Didymus? Und dasselbe, oder Schlimmeres wird über uns kommen, wenn wir nicht rasch ins Land hinein marschieren und unsre Feldzeichen aufpflanzen vor der gottlosen Stadt London – der Stadt, in der das Werk des Herrn gethan werden und die Spreu und der Weizen gesichtet werden und aufgehäuft werden soll zum Verbrennen!«
»Kurz, Ihr ratet zum Weitermarsch?« sagte Monmouth.
»Zum Weitermarsch, allerdings, Ew. Majestät, und daß wir uns bereiten zu Gefäßen der Gnade Gottes, und uns enthalten, die Sache des Evangeliums zu beflecken, indem wir des Teufels Livree tragen.« Bei diesen Worten richtete er einen vernichtenden Blick auf den reich und zierlich gekleideten Kavalier, der ihm gegenüber saß – dann fuhr er fort: »oder, indem wir Karten spielen, weltliche Lieder singen, fluchen und schwören, was allnächtlich geschiehet von Mitgliedern dieses Heeres und vielen Anstoß erregt bei dem Volke Gottes.«
Ein beifälliges Gemurmel der Zustimmung erhob sich unter den puritanischen Mitgliedern des Kriegsrates, während die Höflinge einander Blicke zuwarfen und spöttisch den Mund verzogen. Monmouth ging ein paarmal auf und ab und forderte dann eine andre Ansicht.
»Ihr, Lord Grey,« sagte er, »seid ein erfahrener Soldat. Was ratet Ihr? Sollen wir hier Halt machen, oder einen Vorstoß auf London wagen?«
»Nach Osten vorzudringen würde nach meiner unmaßgeblichen Meinung verhängnisvoll für uns werden,« erwiderte Grey.
Er sprach langsam, wie ein Mann, der lange und reiflich nachgedacht hat, ehe er seine Meinung zum Besten gibt.
»Jakob Stuart,« fuhr er fort, »ist reich an Kavallerie, und wir haben keine. Wir können uns zwischen Hecken und auf unebenem Terrain wohl behaupten; was aber würde auf der Heide von Salisbury aus uns werden? Die Dragoner würden uns umzingeln, wie ein Rudel Wölfe eine Herde Schafe. Zudem entfernt uns jeder Schritt auf London zu aus unsrer natürlichen, vorteilhaften Stellung dem Feinde gegenüber. Wir verlassen dieses fruchtbare Land, das uns mit Nahrungsmitteln versorgt, und stärken den Feind, indem wir ihm den Weg nach seinen Magazinen verkürzen. Wenn also nicht irgend sonstwo ein großer Aufstand zu unsern Gunsten entsteht, etwa in London, so thun wir am besten, wir bleiben hier und erwarten den Angriff.«
»Ihr sprecht klug und wohldurchdacht, Lord Grey,« sagte der König, »wie lange sollen wir aber auf diesen Aufstand warten, der immer noch ausbleibt? und diesen Beistand, der immer versprochen und niemals geleistet wird? Wir sind jetzt sieben lange Tage in England, und in der ganzen Zeit ist auch nicht ein einziger Mann aus dem Unterhause zu uns übergegangen und auch nicht aus dem der Lords, außer hier Mylord Grey, der selbst ein Verbannter war. Nicht ein Baron, kein Earl, nur ein Baronet hat für mich zum Schwert gegriffen. Wo sind die Männer, die wie Danvers und Wildman mir verhießen, aus London zu mir stoßen würden? Wo ist die begeisterte Jugend Londons, die, wie es hieß, nach mir verlangte? Wo hat sich das Volk erhoben von Berwick bis Newcastle, wie mir vorgespiegelt wurde? Nicht ein Mann hat sich gerührt, als einzig diese frommen Bauern! Ich bin hintergangen, betrogen, in die Falle gelockt durch schändliche Agenten, die mich zur Schlachtbank geführt haben!«
Monmouth schritt auf und ab, rang die Hände, biß sich auf die Lippen, sein Antlitz drückte die tiefste Verzweiflung aus. Ich bemerkte, daß Buyse lächelte und Saxon etwas zuflüsterte – vermutlich einen Wink darüber, daß dies der Schüttelfrost sei, von dem er vorhin gesprochen hatte.
»Sprecht Ihr, Oberst Buyse,« sagte der König und unterdrückte seine Aufregung mit sichtlicher Anstrengung. »Stimmt Ihr in Eurer Eigenschaft als Soldat mit Lord Grey überein?«
»Geruhen Ew. Majestät, den Oberst Saxon zu fragen,« erwiderte der Deutsche. »Ich habe immer gefunden, daß ich im Kriegsrat stets seine Ansichten teile.«
»So wenden wir uns denn an Euch, Oberst Saxon,« sagte Monmouth. »Wir haben in diesem Rate eine Partei, die für den Vormarsch, und eine, die für die Verteidigung an Ort und Stelle ist. An Gewichtigkeit und Zahl sind sie einander wohl gleich. Wenn Ihr das ausschlaggebende Votum hättet, wie würdet Ihr entscheiden?«
Aller Augen richteten sich jetzt auf unsern Anführer, denn sein kriegerisches Wesen, und der Respekt, den Buyse ihm erwies, machte es wahrscheinlich, daß seine Meinung wirklich die ausschlaggebende sein würde. Er deckte die Hand über die Augen und schwieg ein paar Sekunden.
»Ich will Ew. Majestät meine Meinung nicht vorenthalten,« sagte er endlich. »Feversham und Churchill marschieren mit dreitausend Mann Fußvolk nach Salisbury. Sie haben achthundert von der blauen Garde und zwei bis drei Dragonerregimenter vorausgesandt. Es würde dahero, wie Lord Grey bemerkte, auf der Heide von Salisbury zur Schlacht kommen, und unser Fußvolk mit seiner ungeordneten Bewaffnung könnte kaum daran denken, es mit der Kavallerie aufzunehmen. Dem Herrn ist zwar kein Ding unmöglich, wie Dr. Ferguson weislich sagt: wir sind wie ein Körnlein Staubes in seiner hohlen Hand! Dennoch hat er uns mit Vernunft begabt, um den rechten Weg zu wählen, und wo wir das nicht thun, müssen wir die Folgen unsrer Thorheit leiden.«
Ferguson lachte verächtlich und stieß ein paar Gebetsworte aus, aber viele andre Puritaner nickten mit dem Kopf, um anzudeuten, daß sie diese Auffassung der Sache nicht unvernünftig fänden.
»Anderseits, Sire,« fuhr Saxon fort, »scheint mir ein Hierbleiben ebenso unmöglich. Ew. Majestät Freunde in ganz England würden den Mut ganz verlieren, wenn die Armee unbeweglich liegen bliebe und keinen Schlag thäte. Die Landleute würden einer nach dem andern nach Hause laufen zu Weib und Kind. Solch ein Beispiel wirkt ansteckend. Ich habe schon große Armeen so dahinschmelzen sehen, wie ein Eiszapfen an der Sonne. Einmal weg, ist's keine leichte Sache, sie wieder zu sammeln. Um sie zu behalten, müssen wir sie beschäftigen. Sie dürfen keine Minute lang müßig sein. Sie müssen gedrillt werden, sie müssen marschieren. Sie müssen exerzieren, sie müssen arbeiten. Lasset ihnen predigen. Lehrt sie Gott und ihrem Obersten gehorchen! Das kann nicht in behaglichen Quartieren geschehen. Wir müssen vorwärts. Diese Sache kann nur in London ihren Abschluß finden. London muß deshalb unser Ziel sein. Aber man kann es auf verschiedene Weise erreichen. Wie ich höre, Sire, habt Ihr viele Freunde in Bristol und den Midlands. Wenn ich raten dürfte, würde ich sagen: laßt uns in dieser Richtung marschieren. Jeder neue Tag wird Eure Macht vergrößern und Eure Truppen verbessern, während alle fühlen, daß etwas geschieht. Sollten wir Bristol nehmen – die Werke sollen nicht besonders stark sein, – so würden wir dadurch einen prächtigen Ausgangspunkt für unsre Unternehmungen haben. Wenn alles gut geht, könnten wir dann durch Gloucestershire und Worcestershire nach London ziehn. Inzwischen möchte ich einen allgemeinen Buß- und Bettag empfehlen, damit der Segen Gottes über unsre Sache komme.«
Diese mit großem Geschick aus weltlicher Klugheit und geistlichem Eifer zusammengesetzte Rede erwarb sich den Beifall des ganzen Kriegsrates, und nicht zuletzt den des Königs, dessen Niedergedrücktheit wie mit einem Zauberschlage verschwand.
»Bei meinem Leben, Oberst,« sagte er, »was Ihr da sagt, muß jedem einleuchten. Natürlich, wenn wir hier im Westen eine starke Macht sammeln und mein Onkel sich im übrigen Lande von den Mißvergnügten bedroht sieht, kann er sich nicht gegen uns halten. Will er uns hier entgegentreten, so muß er den Norden, Süden und Osten von Truppen entblößen, und das darf er nicht. So wird uns der Zug nach London über Bristol sehr wohl gelingen.«
»Ich halte den Rat für gut« gab Lord Grey zu, »aber ich möchte Oberst Saxon doch fragen, wer sein Gewährsmann dafür ist, daß Churchill und Feversham mit dreitausend Mann Fußvolks und mehreren Kavallerieregimentern unterwegs sind.«
»Ein Dragoneroffizier vom blauen Regiment, mit dem ich in Salisbury sprach. Er glaubte, daß ich zu den Haustruppen des Herzogs von Beaufort gehöre, und hielt mit nichts zurück. Was nun die Reiter anbetrifft, so verfolgte uns eine Abteilung auf der Heide von Salisbury mit Bluthunden, und eine andre griff uns in einiger Entfernung von hier an, wobei sie an die zwanzig Mann und einen Kornett einbüßte.«
»Wir haben von dem Zusammenstoß gehört,« sagte der König. »Es war eine tapfere That. Wenn der Feind aber so nahe ist, wird uns nicht viel Zeit zur Vorbereitung übrig bleiben.«
»Das Fußvolk kann ehestens in acht Tagen hier sein,« meinte der Bürgermeister, »und bis dahin sind wir möglicherweise schon hinter den Mauern von Bristol.«
»Einen Punkt möchte ich noch erörtert wissen,« warf Wade, der Advokat, ein. »Wir haben, wie Ew. Majestät vorhin sehr richtig bemerkten, eine schwere Enttäuschung erfahren durch die Thatsache, daß niemand vom hohen Adel und wenige von den einflußreicheren Commoners sich bisher für uns erklärt haben. Das liegt meiner Ansicht nach daran, daß jeder meint, sein Nachbar solle den Anfang machen. Kämen auch nur einer oder zwei, so würden die andern bald folgen. Wie machen wir's, daß wir ein paar Herzöge zu unsern Fahnen bringen?«
»Das eben ist die Frage, Meister Wade,« sagte Monmouth und schüttelte kleinmütig den Kopf.
»Ich denke, es müßte doch gehen,« fuhr der rechtskundige Whig fort. »Durch bloße Proklamationen, die sich an den Landadel insgesamt wenden, fängt man diese Goldfischlein nicht. Sie müssen mit nacktem Haken geangelt werden. Ich würde empfehlen, einen Aufruf oder ein Sendschreiben an jeden besonders zu richten, wodurch sie bei Strafe des Hochverrats zu einem bestimmten Tage in unserm Feldlager gefordert werden.«
»Das sprach der Rechtsgelehrte,« versetzte König Monmouth lachend. »Aber eins habt Ihr uns bei diesem schönen Plan verschwiegen: wie soll besagter Aufruf oder Sendschreiben diesem selben Delinquenten mitgeteilt werden?«
»Da ist z. B. der Herzog von Beaufort,« fuhr Wade fort, unbeirrt von dem Einwurf des Königs. »Er ist Statthalter von Wales und, wie Ew. Majestät weiß, Lieutenant von vier englischen Grafschaften. Sein Einfluß überschattet den ganzen Westen. In seinen Marställen zu Badminton hält er dreihundert Pferde, und tausend Mann sitzen, wie ich gehört habe, täglich an seinen Tischen. Warum sollte nicht der Versuch gemacht werden, einen solchen Mann zu gewinnen, um so mehr, als wir in die Nähe seiner Besitzungen kommen werden.«
»Heinrich, Herzog von Beaufort, steht unglücklicherweise bereits gegen seinen Souverän unter Waffen,« sagte Monmouth düster.
»Allerdings, Sire; aber er dürfte doch vielleicht bewogen werden, dieselbe Waffe, die er gegen Ew. Majestät zog, für Sie zu gebrauchen. Er ist Protestant. Er gilt für einen Whig. Warum nicht zu allererst ihm eine Botschaft senden? Schmeichelt seinem Stolz! Beschwört ihn bei seiner Religion! Liebkost und droht ihm! Wer weiß, er hat vielleicht manches heimliche Ärgernis, von dem wir nichts wissen, und ist reif zum Abfall.«
»Euer Rat ist vortrefflich, Wade,« sagte Lord Grey. »Aber Se. Majestät thaten vorhin eine, wie mich deucht, sehr treffende Frage, Euer Bote würde, so fürchte ich, nur zu bald an der höchsten Eiche zu Badminton baumeln, wenn es dem Herzog einfiele, seine Loyalität gegen James Stuart beweisen zu wollen. Wo sollen wir einen Mann finden, der vorsichtig und kühn genug für einen solchen Auftrag ist, ohne einen unsrer Führer daran zu geben? Denn die können wir zur Zeit nicht wohl entbehren.«
»Das ist auch wahr,« sagte der König. »Es wäre besser, das Wagestück ganz aufzugeben, als es auf plumpe und lahme Weise durchzuführen. Beaufort würde glauben, es sei ein Komplott, um ihn bloßzustellen, nicht um ihn zu gewinnen. Was macht unser Riese da an der Thür uns aber für wunderliche Zeichen?«
»Ew. Majestät verzeihen,« fragte ich, »ist mir erlaubt, ein Wort zu sagen?«
»Wir wollen Euch gern hören, Hauptmann,« entgegnete er gnädig, »denn wenn Euer Verstand auch nur im geringsten Eurer Stärke entspricht, so muß Eure Meinung von großem Werte sein.«
»Dann,« versetzte ich, »möchte ich mich als Boten in dieser Sache anbieten. Mein Vater hieß mich Leib und Leben nicht achten in diesem Streit. Wenn die geehrte Versammlung hier meint, der Herzog könnte gewonnen werden, so bin ich bereit, die Botschaft zu überbringen, und bürge dafür, daß sie in seine Hände kommt, dafern Mann und Roß es vermögen.«
»Einen bessern Herold konnten wir nicht finden, dafür steh' ich!« rief Saxon. »Der Junge hat einen klaren Kopf und ein treues Herz.«
»Dann, junger Herr, wollen wir Euer loyales, hochherziges Anerbieten annehmen,« sagte Monmouth. »Seid ihr alle einverstanden, ihr Herren?«
Ein zustimmendes Gemurmel lief durch die Versammlung.
»Setzt das Papier auf, Wade! Bietet ihm Geld, den Vorrang unter den Herzögen, die erbliche Statthalterschaft von Wales – was Ihr wollt, wenn er nur gewonnen wird. Wo nicht – Absetzung, Verbannung, ewige Schmach! Und hört, noch eins! Ihr könnt noch eine Kopie von den Papieren beilegen, die Van Brunnow zusammengestellt hat, welche die Beweise der Trauung meiner Mutter nebst den Aussagen der Zeugen enthalten. Laßt alles morgen bei Tagesanbruch bereit sein, damit der Bote es mitnehmen kann.«
»Es soll bereit sein, Sire,« sagte Wode.
»Und nun, meine Herren,« fuhr König Monmouth fort, »auf eure Posten! Ich entlasse euch. Sollte sich irgend etwas Unvorhergesehenes ereignen, lasse ich euch sofort rufen, um eurer Weisheit teilhaftig zu werden. Wir bleiben hier, wenn Sir Stephan Timewell uns behalten will, bis die Mannschaften ausgeruht und die neuen Rekruten eingestellt sind. Dann wollen wir uns nach Bristol aufmachen und sehn, was wir im Norden für Glück haben. Wenn Beaufort sich uns anschließt, wird noch alles gut. Lebt wohl, meine lieben Freunde, Ich brauche euch nicht zu empfehlen, eifrig und treu zu sein.«
Die Versammlung erhob sich bei den Entlassungsworten des Königs und verbeugte sich vor ihm. Dann verließen sie in langer Reihe den großen Saal. Einige der Mitglieder blieben bei mir stehen und gaben mir Winke für die Reise und mein Betragen.
»Er ist ein stolzer, trotziger Mann,« sagte einer. »Sprecht ihn demütig an, sonst hört er gar nicht auf Eure Botschaft, sondern läßt Euch von seinem Angesicht hinwegpeitschen!«
»Ei, nicht doch,« rief ein andrer, »er ist wohl hitzig, aber er liebt es, wenn ein Mann auch wirklich ein Mann ist. Redet mit ihm kecklich und ehrlich, dann wird er am ehesten Vernunft annehmen!«
»Sprich, was dir der Herr eingeben wird,« sagte ein Puritaner. »Du trägst seine Botschaft so gut, wie die des Königs.«
»Lockt ihn auf irgend eine Weise hinaus,« sagte Buyse, »bindet ihn am Sattel fest und dann auf und davon mit ihm, hast du nicht gesehn! Hagelsturm, das wäre das Echte!«
»Laßt ihn zufrieden,« rief Saxon. »Der Junge hat reichlich soviel Verstand, wie ihr alle. Er wird schon sehen, wie der Hase läuft! Kommt, Freund, wir müssen zu unsern Leuten.«
»Es thut mir sehr leid, Euch zu verlieren,« sagte er, als wir uns einen Weg durch das Gedränge der Bauern und Soldaten auf dem Schloßhof bahnten. »Eure Kompanie wird Euch schmerzlich vermissen, Lockarby muß beide übernehmen. Wenn alles gut geht, könnt Ihr wohl in drei bis vier Tagen zurück sein. Ich brauche Euch wohl nicht erst darauf aufmerksam zu machen, daß es wirklich ein gefährlicher Gang ist. Will der Herzog den Beweis seiner Unbestechlichkeit liefern, so kann er das nur, indem er den Boten aufhängt, wozu er in seiner Eigenschaft als Lieutenant der Grafschaft in Zeiten bürgerlicher Unruhen vollkommen berechtigt ist. Wenn das Gerücht nicht trügt, ist er ein harter Mann. Gelingt Euch aber Euer Gang, so kann das den Grund zu Eurem Glücke und zu Monmouths Rettung legen. Und ihm thut wahrlich Hilfe not, beim Lord Harry! Solch unordentliches Volk, wie diese sogenannte Armee, habe ich doch noch nie gesehn! Buyse sagt, sie haben bei Axminster kräftig dreingehauen, aber er meint auch, wie ich, daß ein paar Salven und Kavalleriechargen sie weit und breit hin zerstreuen würden. – Habt Ihr irgend einen Auftrag, den ich für Euch ausrichten kann?«
»Keinen – nur einen Gruß an meine Mutter,« sagte ich.
»Gut. Solltet Ihr irgend ungerechterweise umgebracht werden, so will ich das Sr. Gnaden von Beaufort nicht vergessen, und der nächste seiner Edelleute, der mir in den Weg kommt, soll hängen, so hoch wie Haman! Und nun geht auf Euer Zimmer und schlaft tüchtig aus, denn morgen beim ersten Hahnenschrei müßt Ihr Euch auf die Strümpfe machen.«