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41.

In der Reitschule im Schwarzenbergpalais, wohin Marianne täglich in ihrem Rolls-Royce fuhr, hatte sie die Bekanntschaft einer merkwürdigen Frau gemacht.

Sie nannte sich einfach Frau Doktor Heffter. Ihr Mann war ein Schweizer, aber mit dem lebte sie nicht. Den hatte sie nur geheiratet, um nicht so leicht aus Österreich ausgewiesen werden zu können. Sie war eine Polin aus dem ehemaligen polnischen Rußland, war eigentlich eine Fürstin, machte aber keinen Gebrauch davon, ließ sich Frau Doktor nennen, hatte in der Schweiz studiert, politische Propaganda betrieben, war Kommunistin und trotzdem mit Sowjetrußland auf dem Kriegsfuß.

Die blasse, schlanke, dunkeläugige Dame mit dem Bubikopf und den herben Zügen wurde der Schatten Mariannens.

Die ungeheure Geistigkeit dieser Frau nahm Marianne ganz einfach gefangen. Insbesondere ihre verächtliche Art, mit den Männern umzuspringen, gefiel ihr sehr. Das kam ihrer eigenen latenten Stimmung gegen Kalmar zu Hilfe.

»Männer, das sind Tiere, die für uns arbeiten müssen – nichts weiter! Man muß sie treten und schlecht behandeln, damit sie nicht faul werden. Hie und da muß man ihnen eine Hand zum Kusse reichen, um sie aufzumuntern – mehr ist nicht nötig, sonst werden sie frech!«

Marianne sog diese Wahrheit, die für sie neu war, gierig in sich und machte die Gesinnung der Frau Doktor zu ihrer eigenen und behandelte Kalmar darnach ...

Langsam begann sich das Verhältnis der beiden zueinander zu verschieben. Ihre Überlegenheit und seine Hörigkeit wuchs.

Hinter seiner scheinbaren Brutalität lag eine demütige Feigheit. Auch war er in seine Frau verliebter denn je.

Seit der Episode mit Leo wußte er überhaupt erst, was sie ihm war, und erzitterte, sie ein zweites Mal zu verlieren.

Ihre Freundschaft mit der Frau Doktor war ihm im höchsten Maße widerwärtig. Er haßte dieses Weib, das so hochmütig und in allen rein geistigen Dingen ihm so überlegen war ... und es ihm auch zeigte und zu fühlen gab ...

Aber er fand keine Handhabe – und vor allem nicht den Mut, diese Freundschaft zu stören. Das mußte irgendwie heimlich und von hinten herum geschehen ... In guter Deckung! So wie damals, als er im Konzerthaussaal das Wort in die Menge warf, das den Skandal auslöste und die Katastrophe mit Leo zur Reife brachte.

Vielleicht war diese Frau Doktor politisch zu kompromittieren und auf diese Weise ihre Abschaffung zu erreichen, denn er haßte sie, so wie er Marianne liebte – unter deren steigender Gleichgültigkeit er unendlich litt.

Wie ein rasendes Tier fuhr er manchmal, von dunklen Ahnungen gepeitscht, mitten in einer Sitzung, wo es um Milliardengeschäfte ging, empor, raste im Auto nach Hause, um sich Gewißheit über Marianne zu holen, ob sie noch da sei, ob sie nicht mit der Freundin, gegen die er den schwärzesten Verdacht hegte, auf und davon sei.

Er bereute, ihr die Villa geschenkt zu haben und den ganzen Schmuck, der sie unabhängig machte – und gab doch immer wieder und zahlte die wahnsinnigsten Rechnungen, die Marianne neuerdings präsentierte und die manchmal sogar über seine glänzenden Verhältnisse gingen.

Und wieder fand er nicht den Mut, irgendetwas dagegen zu tun. Außerdem schmeichelte es ihm ja doch, daß Marianne als die schönste und eleganteste Frau von Wien galt, daß sie ihm Leute ins Haus zog, die sonst nicht gekommen wären. Und das Haus wurde im allergrößten Stile weitergeführt und verschlang Unsummen. Es war ein Glück, daß die Konjunktur nicht abriß und die Börse Wiens immer wieder hergab, was die Börse seiner Frau verschlang.

Marianne hatte sich in den Kopf gesetzt, vor ihrer Abreise nach dem Lido in ihrem Garten noch einen großen Rout zu geben, der die Saison beschließen sollte.

Wehrlos, wie er geworden war, und außerstande, der Verschwendungssucht Mariannens Einhalt zu gebieten, hatte Kalmar eingewilligt.


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