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Neunundvierzigstes Kapitel

Monks und Herr Brownlow treffen endlich zusammen. Ihre Unterhaltung und die Nachricht, die sie unterbricht.

 

Es war bereits dunkel, als Herr Brownlow vor seinem Hause aus einer Droschke kletterte und leise an die Tür klopfte. Sobald die Haustür geöffnet war, entstiegen dem Wagen zwei Männer mit einem dritten in ihrer Mitte und gingen schleunigst in das Haus. Dieser dritte war Monks.

Ohne ein Wort zu sprechen, klommen sie, Herr Brownlow an der Spitze, die Treppe hinauf nach einem kleinen Hinterzimmer. Vor dessen Tür machte Monks, der nur widerstrebend mitgegangen war, halt. Die beiden stämmigen Männer blickten den alten Herrn fragend an.

»Wenn er irgendwelche Schwierigkeiten macht, so schleppen Sie ihn auf die Straße, rufen nach der Polizei und beschuldigen ihn in meinem Namen eines schweren Verbrechens.«

»Wie können Sie sich erkühnen, so etwas von mir zu sagen?« fragte Monks.

»Wie können Sie es wagen, mich dazu zu drängen, junger Mann?« erwiderte Herr Brownlow und sah ihn streng an. »Wären Sie töricht genug, dieses Haus zu verlassen? Lassen Sie ihn los! So, mein Herr. Sie können ungehindert fortgehen, aber niemand kann uns auch hindern, Ihnen zu folgen. Doch ich warne Sie! Ich schwöre Ihnen bei allem, was mir heilig ist, daß ich Sie wegen Raubes und Betruges verhaften lasse, sobald Sie den Fuß auf die Straße setzen. Ich bin dazu fest entschlossen. Sind Sie es auch, so kommt Ihr Blut auf Ihr eigenes Haupt.«

»Auf wessen Veranlassung bin ich von diesen Halunken aufgegriffen und hierher geschleppt worden?« fragte Monks, die Männer dabei verächtlich ansehend.

»Auf meine Verantwortung hin. Wenn Sie sich wegen Freiheitsberaubung hätten beklagen wollen, unterwegs hatten Sie genügend Gelegenheit dazu. Sie hielten es aber für richtiger ruhig zu sein. Ich wiederhole, Sie können den Schutz des Gesetzes anrufen, aber ich werde dann gleichfalls die Gerichte in Anspruch nehmen. Ist die Sache aber erst vor den Richter gekommen, so haben Sie von mir keine Nachsicht mehr zu erwarten und dürfen dann nicht sagen, ich hätte Sie ins Verderben gestürzt.«

Monks zögerte, er wußte nicht, was tun.

»Sie müssen sich schnell entschließen«, fuhr Herr BrownIow mit Festigkeit fort. »Wollen Sie, daß ich Sie bei der Staatsanwaltschaft anzeige und Sie einer Strafe zuführe, deren Schwere ich wohl ahnen, aber nicht verhindern kann, so wissen Sie, was Sie zu tun haben. Wünschen Sie aber Nachsicht und die Vergebung derjenigen, die Sie so schwer geschädigt haben, so setzen Sie sich ohne Widerrede auf diesen Stuhl er wartet auf Sie schon zwei Tage!«

»Gibt es –« fragte Monks stotternd, »gibt es – keinen Mittelweg?«

»Nein, keinen!«

Monks setzte sich.

»Schließen Sie von außen die Tür«, sprach Herr Brownlow zu den beiden Männern, »und wenn ich klingele, kommen Sie herein!«

»Das ist eine nette Behandlung von dem ältesten Freunde meines Vaters.«

»Gerade weil ich Ihres Vaters ältester Freund war, junger Mann. Weil die Hoffnungen einer glücklichen Jugendzeit sich an ihn und das holde Wesen von seinem Blute knüpften, das zu früh zu Gott zurückkehrte und mich einsam und verlassen hier zurückließ. Weil er, noch ein Knabe, mit mir an dem Sterbebette seiner einzigen Schwester kniete und zwar an dem Tage, der sie zu meiner Frau gemacht hätte, wenn es der Wille Gottes gewesen wäre. Weil von jener Zeit an mein wundes Herz bis zu seinem Ende an ihm hing. Weil schöne Rückerinnerungen noch immer in meinem Herzen leben, und selbst Ihr Anblick mir ihn wieder ins Gedächtnis zurückruft. Das sind die Gründe, die mich veranlassen, Sie mit Nachsicht und Milde zu behandeln, obgleich Sie erröten müssen, Eduard Leeford, wie unwürdig Sie des Namens sind, den Sie tragen!«

»Was hat der Name mit dieser Sache zu tun?« fragte Monks verstockt. »Was kümmert mich der Name?«

»Ihnen ist er nichts. Er war aber der Name des von mir geliebten Wesens und mir teuer. Ich bin froh, daß Sie einen anderen angenommen haben. Wirklich sehr froh.«

»Das ist alles recht schön«, sagte Monks trotzig nach einer ziemlich langen Pause, »aber was wollen Sie eigentlich von mir?«

»Sie haben einen Bruder, dessen leise ausgesprochener Name fast allein schon ausreichte, um Sie zu veranlassen, mich hierher zu begleiten.«

»Ich habe keinen Bruder. Sie wissen, daß ich der einzige Sohn meines Vaters bin.«

»Hören Sie, was ich weiß und Sie vielleicht nicht wissen. Es wird Sie interessieren. Es ist mir bekannt, daß Sie der einzige und unnatürliche Sprößling des unseligen Ehebundes sind, zu dem Familienstolz und schmutzigster Ehrgeiz seiner Verwandten Ihren Vater gezwungen haben, als er fast noch ein Knabe war!«

»Es ist mir gleichgültig, wie starke Ausdrücke Sie gebrauchen«, unterbrach ihn Monks mit höhnischem Lachen. »Sie kennen die Tatsache, und das genügt.«

»Aber ich kenne auch das Elend und die Qual dieser unpassenden Verbindung. Ich weiß, wie schwer die Unglücklichen die Kette trugen und sie durch die Welt schleppten. Ich weiß, wie der Gleichgültigkeit Abneigung, der Abneigung Haß und dem Hasse Abscheu folgte, bis sie zuletzt das Band zerrissen. Ihrer Mutter gelang es, die Vergangenheit bald zu vergessen, aber an Ihres Vaters Herzen fraß sie noch jahrelang.«

»Nun, sie haben sich getrennt«, versetzte Monks, »doch was hat das auf sich?«

»Zur Zeit ihrer Trennung hatte Ihre Mutter, während des lustigen Lebens auf dem Festland, ihren um zehn Jahre jüngeren Gatten ganz vergessen, der mit zerstörten Hoffnungen in der Heimat blieb und neue Freunde fand. Diesen Umstand wenigstens kennen Sie?«

»Nein«, antwortete Monks, die Augen abwendend und mit dem Fuß auf die Erde stampfend, wie ein Mann, der entschlossen ist, alles abzuleugnen.

»Ihr Benehmen wie Ihre Handlungen beweisen mir, daß Sie es nie vergessen und nie aufgehört haben, mit Bitterkeit daran zu denken. Ich spreche von der Zeit vor fünfzehn Jahren, wo Sie erst elf Jahre und Ihr Vater einunddreißig Jahre alt war; ich muß wiederholen, daß er beinahe noch ein Knabe war, als sein Vater ihm befahl, sich zu verheiraten. Muß ich auf Dinge zurückkommen, die einen Schatten auf das Andenken Ihres Erzeugers werfen, oder wollen Sie es mir ersparen und die Wahrheit enthüllen?«

»Ich habe nichts zu enthüllen«, versetzte Monks verwirrt. »Reden Sie nur ruhig weiter.«

»Nun denn«, fuhr Herr Brownlow fort, »zu Ihres Vaters neuen Freunden gehörte ein im Ruhestand lebender Seeoffizier, dessen Frau ein halbes Jahr zuvor gestorben war. Von seinen vielen Kindern waren ihm nur zwei Töchter geblieben, die eine ein schönes Mädchen von neunzehn, die andere noch ein Kind von drei Jahren.«

»Was geht mich das an?« fragte Monks.

»Sie wohnten«, sprach Herr Brownlow weiter, ohne auf die Unterbrechung zu achten, »in einem Landesteil, den Ihr Vater auf seinen Reisen häufiger besucht und wo er auch später dauernden Aufenthalt genommen hatte. Die Bekanntschaft ging schnell in Vertraulichkeit und Freundschaft über. Ihr Vater war begabt wie wenige Männer, er hatte seiner Schwester Herz und Äußeres. Je mehr der alte Offizier ihn kennenlernte, desto inniger liebte er ihn. Ich wünschte, es hätte dabei sein Bewenden gehabt, aber seine Tochter tat dasselbe.«

Der alte Herr hielt inne. Monks biß sich in die Lippen und schlug die Augen nieder. Herr Brownlow bemerkte das und fuhr weiter fort:

»Am Ende des ersten Jahres war er verlobt, feierlich verlobt mit jener Tochter. Ihr Vater der Gegenstand der ersten, wahren, glühenden und einzigen Liebe eines arglosen, unerfahrenen Mädchens.«

»Ihre Erzählung wird lang«, bemerkte Monks, unruhig auf seinem Stuhl hin- und herrückend.

»Es ist eine wahrheitsgetreue Erzählung von Kummer, Prüfungen und Leiden, junger Mann«, versetzte der alte Herr, »und derartige Geschichten sind gewöhnlich lang, während die von ungetrübtem Glück gar kurz zu sein pflegen. Endlich starb einer der reichsten Verwandten und hinterließ ihm sein großes Vermögen. Ihr Vater mußte schleunigst nach Rom reisen, wo jener Verwandte gestorben war, ohne vorher seine eigenen Angelegenheiten ordnen zu können. Als er dort ankam, wurde er von einer tödlichen Krankheit befallen, worauf Ihre Mutter, als sie in Paris davon Kenntnis erhielt, zusammen mit Ihnen Ihrem Vater nachreiste. Er starb den Tag nach ihrer Ankunft in Rom ohne Testament, so daß sein ganzes Vermögen Ihnen und ihr zufiel.«

Monks hörte bei diesem Teil der Geschichte atemlos zu.

»Ehe er abreiste«, sagte Herr Brownlow langsam, »kam er zu mir, da er auf seinem Wege nach Rom London berühren mußte.«

»Hiervon habe ich nie gehört!« unterbrach ihn Monks, anscheinend unangenehm überrascht.

»Er kam zu mir und übergab mir unter anderm ein von ihm selbst gemaltes Bildnis jenes armen Mädchens, das er zwar ungern zurückließ, aber auf seiner eiligen Reise nicht mitnehmen konnte. Er war durch Kummer und Gewissensbisse zu einem Schatten abgezehrt und sprach in unzusammenhängender Weise von Schande und Verderben, die sein Werk wären. Er vertraute mir seine Absicht an, sein ganzes Vermögen zu barem Gelde zu machen, auch wenn es mit Verlust geschähe. Er gedachte, Ihre Mutter und Sie durch einen Teil des ihm durch die Erbschaft zugefallenen Vermögens abzufinden und wollte dann für immer England verlassen. Ich erriet nur zu gut, daß er nicht allein gehen würde. Selbst gegen mich, seinen alten Jugendfreund, war er mit weiteren Bekenntnissen zurückhaltend. Er versprach mir alles brieflich mitzuteilen und mich dann noch einmal zu besuchen. Ach, es war damals schon sein letzter Besuch! Ich erhielt keinen Brief und sah ihn nie wieder!«

»Ich ging«, fuhr Herr Brownlow nach einer kurzen Pause fort, »ich ging, als alles vorüber war, nach dem Schauplatz seiner sündigen Liebe, wie die Welt es nennen würde, fest entschlossen, wenn sich meine Befürchtungen bewahrheiten sollten, dem verirrten Mädchen Schutz und eine Heimat anzubieten. Die Familie hatte jedoch die Gegend eine Woche vorher, nach Regelung ihrer Angelegenheiten, bei Nacht und Nebel verlassen. Warum und wohin konnte mir niemand sagen.«

Monks atmete sichtlich auf und konnte ein triumphierendes Lächeln nicht unterdrücken.

»Als Ihr Bruder –« sagte der alte Herr und rückte seinen Stuhl näher an Monks heran, »als Ihr Bruder, ein elendes, vernachlässigtes, in Lumpen gehülltes Kind, mir durch eine mächtigere Hand, als es der Zufall ist, in den Weg geführt wurde und durch mich einem Leben der Schande und des Lasters entrissen werden sollte«

»Was?« schrie Monks auf.

»Durch mich«, wiederholte Herr Brownlow. »Ich sagte ja, die Sache würde Sie interessieren. Ich sage: durch mich, denn ich sehe, daß Ihr schlauer Kumpan Ihnen meinen Namen verschwiegen hat, obgleich er sich nicht denken konnte, daß er Ihnen bekannt wäre. Als Ihr Bruder bei mir Zuflucht fand und krank in meinem Hause lag, setzte mich seine Ähnlichkeit mit dem erwähnten Gemälde in Erstaunen. Ich brauche Ihnen nicht zu erzählen, daß er mir wieder weggefangen wurde, ehe ich seine Geschichte erfuhr.«

»Warum nicht?« fragte Monks hastig.

»Weil Sie es selbst sehr gut wissen!«

»Ich?«

»Das Leugnen nützt Ihnen nichts, ich werde Ihnen beweisen, daß ich noch mehr weiß.«

»Sie – Sie können mir nichts beweisen«, stotterte Monks. »Ich fordere Sie auf, es zu tun.«

»Wir werden sehen«, sagte der alte Herr mit einem prüfenden Blick. »Ich verlor den Knaben und vermochte ihn trotz aller Anstrengungen nicht wiederzufinden. Da Ihre Mutter tot ist, so konnten Sie nur das Geheimnis aufklären. Als ich das letztemal von Ihnen hörte, hieß es, Sie wären auf Ihrer Besitzung in Westindien. Dorthin hatten Sie sich zurückgezogen, um den Folgen Ihres verbrecherischen Lebens in London zu entgehen. Ich reiste Ihnen nach, aber Sie hatten Ihren Zufluchtsort schon vor Monaten verlassen. Man glaubte, Sie wären in London, aber niemand konnte mir etwas Näheres mitteilen. Ich kehrte zurück. Ihre Geschäftsfreunde wußten auch Ihre Adresse nicht, sie sagten, Sie kämen ebenso unregelmäßig wie früher, manchmal alle Tage, dann wieder monatelang nicht. Man glaubte, daß Sie wieder in den zweideutigen Kreisen verkehrten, wo Sie sich schon als nicht zu bändigender Knabe Ihre Freunde suchten. Ich durchwanderte die Straßen bei Tag und bei Nacht, doch waren meine Mühen bis vor zwei Stunden vergeblich.«

»Und nun, da Sie mich gefunden haben, was weiter?« fragte Monks dreist und stand auf. »Betrug und Raub sind starke Worte – und gerechtfertigt, wie Sie glauben, durch die eingebildete Ähnlichkeit eines jungen Landstreichers mit der elenden Kleckserei eines längst Verstorbenen. Sie wissen nicht einmal, ob der Umgang dieses Pärchens ein Kind zur Folge hatte. Selbst das wissen Sie nicht!«

»Ich wußte es nicht«, sagte Herr Brownlow, gleichfalls aufstehend, »aber ich habe in den letzten vierzehn Tagen alles erfahren. Sie haben einen Bruder, Sie wissen es und kennen ihn. Es war ein Testament vorhanden, Ihre Mutter vernichtete es und hinterließ Ihnen nach ihrem Tode das Geheimnis nebst dem dadurch erzielten Gewinn. Es enthielt einen Hinweis auf ein Kind, der wahrscheinlichen Folge dieser traurigen Verbindung. Das Kind wurde geboren und kam Ihnen zufällig in die Quere, wobei seine Ähnlichkeit mit Ihrem Vater zuerst Ihren Verdacht erregte. Sie begaben sich nach seinem Geburtsorte. Dort befanden sich Beweise, lang unterdrückte Beweise seiner Geburt und Herkunft. Sie vernichteten sie und erzählten es Ihrem Mitschuldigen, dem Juden, mit den Worten: ›Der einzige Beweis, der den Jungen legitimieren könnte, liegt auf dem Grunde des Flusses, und die alte Hexe, die ihn von der Mutter empfing, modert in ihrem Sarge!‹ Unwürdiger Sohn, Feigling, Lügner, du Genosse von Dieben und Mördern, Eduard Leeford, du willst mir noch Trotz bieten?«

»Nein, nein, nein!« schrie der Feigling, überwältigt von der wuchtigen Anklage.

»Jedes Wort, das zwischen dir und diesem nichtswürdigen Schurken gewechselt wurde, ist mir bekannt. Schatten an der Wand haben dein Geflüster aufgefangen und es mir hinterbracht. Der Anblick des verfolgten Kindes hat selbst auf das Laster Eindruck gemacht und ihm Mut und die Eigenschaften der Tugend verliehen. Ein Mord ist begangen, für den du moralisch mit verantwortlich bist.«

»Nein – nein!« fiel Monks ein. »Ich wußte nichts davon. Ich war im Begriff, Erkundigungen über die Mordtat einzuziehen, als Sie mich wegführten. Den Anlaß zur Tat kannte ich nicht und glaubte, sie sei die Folge eines gewöhnlichen Streites gewesen!«

»Sie war die Folge einer teilweisen Enthüllung Ihrer Geheimnisse. Wollen Sie diese nun ganz offenbaren?«

»Ja, ich will's.«

»Und Ihre Angaben mit Ihrer Unterschrift beglaubigen und sie vor Zeugen wiederholen?«

»Auch das verspreche ich.«

»Und ruhig hierbleiben, bis ein solches Dokument aufgesetzt ist, und mit mir sich an den Ort begeben, wo es rechtsgültig gemacht wird?«

»Wenn Sie darauf bestehen, will ich auch das tun«, antwortete Monks.

»Sie müssen noch mehr tun«, fuhr Herr Brownlow fort, »Sie müssen dem unschuldigen Kinde Schadenersatz leisten. Wenn er auch die Frucht einer sündigen Liebe ist, so bleibt er doch Ihr Bruder. Sie haben die hierauf bezüglichen Paragraphen des Testaments nicht vergessen. Bringen Sie dieselben, soweit sie Ihren Bruder betreffen, zur Ausführung und gehen Sie dann, wohin es Ihnen beliebt. Sie dürfen ihm in dieser Welt nicht wieder begegnen!«

Während Monks mit finsterem Blick im Zimmer auf und ab ging und über diesen Vorschlag und die Möglichkeit, ihm auszuweichen, nachsann, wurde die Tür hastig aufgeschlossen, und Herr Losberne trat aufgeregt ins Zimmer.

»Der Mann wird bald ergriffen werden. Man wird ihn heute nacht noch verhaften«, rief er.

»Den Mörder?« fragte der alte Herr.

»Ja, ja!« antwortete der Doktor. »Man hat seinen Hund um einen seiner Schlupfwinkel herumschleichen sehen, und man nimmt an, daß der Verbrecher diesen unter dem Schutz der Nacht aufsuchen wird. Allenthalben sind Detektive aufgestellt. Eine Belohnung von hundert Pfund ist vom Staatsanwalt für seine Festnahme ausgesetzt!«

»Ich lege noch fünfzig Pfund zu und will es selbst an Ort und Stelle verkünden«, rief Herr Brownlow. »Wo ist Herr Maylie?«

»Harry? – Als er Sie mit Ihrem Freund hier wohlbehalten in der Droschke sah, schwang er sich aufs Pferd und schloß sich den Verfolgern des Mörders an.«

»Und was ist mit dem Juden?« fragte Brownlow weiter.

»Als ich das letztemal von ihm hörte, war er noch nicht festgenommen, doch ist man seiner sicher!«

»Haben Sie Ihren Entschluß gefaßt?« fragte Herr Brownlow Monks leise.

»Ja«, antwortete dieser, »aber – Sie – werden mich doch nicht bloßstellen?«

»Nein. Bleiben Sie jetzt hier, bis ich wieder zurückkomme. Das ist Ihre einzige Rettung!«

Die beiden alten Herren verließen das Zimmer, dessen Tür wieder von außen verschlossen wurde.

»Was haben Sie erreicht?« fragte der Doktor flüsternd.

»Alles, was ich erhoffen konnte, und mehr. Schreiben Sie unsern Freunden, daß die Zusammenkunft übermorgen abend um sieben Uhr stattfinden soll. Wir werden aber ein paar Stunden früher da sein. Doch mir kocht das Blut in den Adern, das arme ermordete Mädchen zu rächen. Wohin muß ich gehen?«

»Wenn Sie sofort auf das Polizeiamt gehen, werden Sie noch zeitig genug kommen«, entgegnete Losberne.

Die beiden Herren verabschiedeten sich nun hastig und in ziemlicher Aufregung.


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