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Oliver findet eine Stelle und macht den ersten Schritt ins Leben.
Angesehene Familien schicken die jüngeren Söhne, die sonst keine Aussicht haben vorwärtszukommen, gern auf die See. Der Armenhausvorstand beschloß dieses weise Beispiel nachzuahmen. Er glaubte, es wäre das beste für Oliver. Vielleicht würde ihn ein Schiffer in der Trunkenheit zu Tode prügeln oder sonstwie um die Ecke bringen. Herr Bumble erhielt also den Auftrag, einen Schiffer ausfindig zu machen, der Oliver nehmen würde. Als er von dieser Mission zurückkehrte, traf er in der Haustür den Leichenbestatter Herrn Sowerberry. Dieser war trotz seines ernsten Berufes keinem Scherze abgeneigt. Er schüttelte Herrn Bumble die Hand und sagte:
»Ich habe den beiden Weibern, die gestern abend starben, eben Maß genommen.«
»Sie werden noch reich werden, Herr Sowerberry.«
»Glauben Sie? Aber die von der Gemeinde bewilligten Preise sind zu gering, Herr Bumble.«
»Die Särge sind auch dementsprechend klein«, erwiderte der Gemeindediener würdevoll lächelnd.
Herr Sowerberry fand diesen Witz furchtbar komisch und lachte anhaltend. Endlich sagte er:
»Größere sind bei dem neuen Verpflegungssystem auch nicht nötig.«
»Übrigens, Herr Sowerberry, wissen Sie keinen, der einen Lehrjungen gebrauchen kann?« fragte Herr Bumble, der das Gespräch ablenken wollte. »Sehr günstige Bedingungen, sehr günstig.«
Währenddessen zeigte er mit seinem Stock nach dem Anschlag an der Tür und schlug dreimal bedeutungsvoll auf die großgedruckten Worte »fünf Pfund«.
»Nun, wie wär's?«
»Ach, Sie wissen, Herr Bumble, daß ich viel Armensteuer bezahle.«
»Nun?«
»Da dachte ich, wenn ich soviel bezahle, hätte ich auch ein Recht, wieder etwas davon rauszukriegen. Ich möchte deshalb schon den Jungen nehmen.«
Herr Bumble faßte den Leichenbestatter am Arme und führte ihn ins Haus. Dort hatte Herr Sowerberry eine Unterredung von fünf Minuten mit dem Vorstand, und man kam überein, daß Oliver ihm noch am selben Abend auf Probe übergeben werden solle. Dies wurde Oliver von den Herren mitgeteilt und ihm gleichzeitig angedroht, daß man ihn auf die See schicken würde, wenn er es in der Lehre nicht aushielte und der Gemeinde nochmal lästig fiele. Oliver hörte das schweigend an, dann führte ihn der würdige Herr Bumble an den neuen Schauplatz von Leiden. Als sie dem Orte ihrer Bestimmung näher kamen, sagte Herr Bumble:
»Schiebe dir die Mütze aus dem Gesicht, und halte den Kopf hoch.«
Der Leichenbesorger hatte eben die Fensterladen seiner Werkstätte geschlossen und trug beim Schein einer Kerze einige Posten in sein Buch ein, als Herr Bumble eintrat.
»Sind Sie es, Bumble?« sagte Sowerberry und blickte von seinem Buche auf.
»Niemand anders«, versetzte der Gemeindediener, »und da ist der Junge.«
Oliver machte einen Diener.
»Also das ist der Junge«, sagte der Leichenbesorger und hob die Kerze hoch, um ihn besser betrachten zu können. »Liebe Frau, komm doch mal herein.«
Frau Sowerberry kam aus einem kleinen Zimmer hinter der Werkstätte, sie war eine kleine, magere Person mit einem Gesicht wie eine Xanthippe.
»Das ist der Junge aus dem Armenhause, von dem ich dir gesprochen habe.«
»Mein Gott«, sagte sie, der »der ist aber doch zu klein.«
»Klein ist er freilich«, bemerkte Herr Bumble, »aber er wird wachsen, sicher, er wird wachsen.«
»Das glaub' ich wohl«, sagte Frau Sowerberry, »aber von unserer Kost. – Da, geh die Treppe herunter, kleines Gerippe! Charlotte, gib dem Jungen etwas von dem, was für den Hund zurückgestellt war, der kriegt nichts mehr, da er heute morgen nicht nach Hause gekommen ist«, rief sie dem Dienstmädchen zu.
Oliver verschlang mit Gier den Hundefraß.
»Nun«, sagte Frau Sowerberry, »bist du fertig?« Sie hatte mit Entsetzen und düsterer Ahnungen voll zugesehen, wie ein solcher Appetit in Zukunft zu befriedigen sei. Oliver bejahte.
»So komm mit. Dein Bett ist unter dem Ladentisch. Ich denke, es macht dir nichts aus, unter den Särgen zu schlafen. Doch gleichviel, eine andere Schlafstelle können wir dir nicht geben.«