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Erster Band.


Erstes Kapitel.

Tiefsinnig und traurig kehrte der alte, ehrliche Fidato, seit vielen Jahren schon im Schlosse von Manfredonia als Majordomo geehrt und geliebt, nach seiner gewöhnlichen Abendrunde, durch eine der Alleen des weiten Parks in den Hofraum zurück. Nicht allein des Alters stete Hinfälligkeit, mehr noch nagender innerer Schmerz ermattete seiner Seele und seines Körpers Kräfte, jedes Haus, jedes Gebüsch, das sich seinem Auge darbot schob lebhaft das theure Bild eines angebeteten Gebieters vor seine Blicke, und erinnerte ihn an die glückliche Vergangenheit; denn noch immer beweinte er den Verlust des edlen, tugendhaften Lorenzo's, Herzog von Manfredonia, den seit einigen Wochen der unerbittliche Tod seinen Freunden und der Welt, auf einer Reise nach den Inseln des Archipels entrissen hatte, wo er die Ruhe, um welche ihn häusliche Widerwärtigkeiten betrogen, wiederzufinden glaubte.

Manfredonia! rief der treue Diener mit Thränen aus. Erlauchter, verehrter Name, Du bist also auf immer erloschen, nur in den zufälligen Erinnerungen der Menschen lebt Dein Andenken, und Niemand bleibt von dem edlen Geschlechte übrig, der sich glücklich preisen könnte, Dein Sprößling zu sein! Warum erheben sich diese prächtigen Thürme noch so stolz in die Lüfte, warum sind auch sie nicht mit dem Namen zusammen gestürzt, der ihnen diesen Stolz verlieh? Lorenzo, mein geliebter, unvergeßlicher Gebieter, sein Kind, der einzige Zweig dieser berühmten Familie, alles ist dahin gewelkt, und meine Augen sahen den Sarg, der diese theuren Ueberreste verschloß, in die Erde sinken. Nur die trostlose Witwe allein erbt den Namen Manfredonia, und selbst diese Witwe, wird sie den Verlust solch eines Gemals, den Verlust des einzigen Sohnes überleben können, wie wird es ihr bei dem Gefühle, das wir Alle an ihr bis jetzt bewunderten, möglich sein, alle diese Leiden zu ertragen? Bald, ja bald fällt sicher diese uralte Wohnung der Herzöge von Manfredonia als Eigenthum in die Hände eines elenden Fürsten Günstlings, oder eines aus dem nichtigen Staube emporgekrochenen Unverschämten; doch zum wenigsten bleibt mir der Trost, daß noch vor dieser Zeit, mein trauriges Dasein seine Endschaft erreicht haben wird!

In diesem Augenblicke überbrachte ein reitender Bothe einen Brief von Neapel. Fidato erkannte die Schriftzüge Elwirens, der Witwe des Herzogs von Manfredonia, er nahm ihn seufzend und erbrach das Siegel mit bebender Hand und ängstlicher Ahnung; aber kaum hatte sein Auge einige Zeilen durchlaufen, als Erstaunen, Misbilligung und Verachtung seine Stirn röthete, und seinen matten Augen jugendliches Feuer verliehen, dann erbleichte er plötzlich, ein heftiges Zittern ergriff seine Glieder, er wankte und sank leblos mit Aechzen zu Boden.

Dieser Unfall rief die Diener des Schlosses zu seiner Hülfe schnell herbei, alle liebten den Alten, und ihre Sorgfalt brachte Fidato zu seinem Bewußtsein zurück; er erhob sich, erblickte die Schaar der treuen Untergebenen, und sprach mit erzwungener, fester Stimme, indem er ihnen den Brief zeigte, den seine Hand krampfhaft gehalten hatte.

»Meine Freunde, so eben erhalte ich den Befehl der Frau Herzogin, alle Zimmer des Schlosses zu ihrer nahen Ankunft bereit zu halten. Sie kehrt hieher zurück,« fuhr er mit stockender Stimme, von Schluchzen begleitet fort, »nicht als Witwe unseres angebeteten Gebieters; nein, als Gemalin des Grafen von Vizenza!« --

Diese Worte waren ein Donnerschlag für die Dienerschaft, lange Zeit stand jeder sprachlos von Erstaunen gefesselt, dann schlichen sie im steten Stillschweigen ohne ihre Blicke vom Boden zu erheben ins Schloß, und Verwirrung und Schaam über die dem Andenken ihres Herzogs widerfahrene Kränkung lähmte ihre Zungen; doch der traurende Fidato hob seine Blicke zum wolkenvollen trüben Horizonte und rief mit Thränen aus:

»Wer mag die Fügungen der Vorsehung begreifen und ihre Zwecke deuten? Der beste, der liebenswürdigste, der vollkommenste der Menschen -- muß er grade zu zweien Malen der unglücklichste der Gatten sein? Ja, er war bestimmt, sich mit zwei Weibern zu verbinden, die ihr Geschlecht mit Schande bedecken. Das erste verrieth und verließ ihn, und dieses, diese Elwire, tritt alle Wohlanständigkeit mit Füßen, vergißt die Regeln der Pflicht und der Erkenntlichkeit, und verspottet, durch neue unwürdige eheliche Bande, die kaum erkaltete Asche eines Gatten, der sie anbetete.«

 

Endlich erschien der Tag der erwarteten Ankunft im Schlosse Manfredonia, und die unglücklichen Diener Lorenzo's sahen sich genöthigt ihre Trauerkleider abzulegen, aber keinem Befehle der Herzogin, so wenig wie ihrer Anhänglichkeit an das Haus Manfredonia gelang es, die in ihren Zügen eingeprägte Trauer zu verwischen.

Die Neuvermählten näherten sich mit alle dem Glanze, mit welchem die Pracht, Jugend und Schönheit, die ihr Antheil geworden waren, erhöhen kann, aber ihr Empfang auf dem Gebiete von Manfredonia war für sie ein fortdaurendes Gefolge von Unmuth und Kränkungen. Die Herzogin, daran gewöhnt bei Lebzeiten ihres Gemals, die Zahl der Vasallen ihre Ankunft mit Gesängen und Tänzen selbst nach einer Abwesenheit von wenigen Tagen feiern zu sehen, und Jubel überall ertönen zu hören, fand jetzt auf ihren Wegen nur öde Stille und trauernde Gesichter; die Heerstraße zum Schlosse war mit Zypressenzweigen bedeckt, und als der Zug der Vermälten vor dem benachbarten Kloster vorüber fuhr, ertönte das Geläute der Todtenglocke, und in schwarze Gewänder gehüllt, wallte die Prozession der Mönche aus der Kirche heraus, und sang Gebete und Hymnen für das Seelenheil des verblichenen Herzogs von Manfredonia.

Fast erstickte die Herzogin vor Zorn als sie das Schloß betrat, und nur zu deutlich in den Blicken der Diener, ungeachtet ihrer scheinbaren Unterwürfigkeit dieselben Empfindungen laß, die sie bereits auf ihrem Wege an alle ihren Unterthanen entdeckt hatte.

Wo ist Fidato, warum erscheint er nicht? fragte sie mit nach Möglichkeit unterdrücktem Aerger.

Von einem Fieber zurückgehalten liegt er seit jenem Tage zu Bette, wo er den Brief der Frau Herzogin erhielt, war die Antwort.

Und der Pater Rinaldo? fragte sie weiter.

Er befindet sich in der Kapelle.

Dieser gute Pater war der Kaplan des Schlosses, sogleich schickte die Herzogin ihre erste Kammerfrau Bianka mit dem Befehle in die Kapelle, den Geistlichen zu ihr zu führen, nach einer Weile kehrte diese mit der Nachricht zurück: Der heilige Mann sei beschäftigt, eine Messe für die Ruhe der Todten zu lesen, und deshalb habe sie es sich nicht getraut, ihn zu unterbrechen.

Nach einer halben Stunde erschien der Kaplan vor Elwiren.

Ich wünschte zu wissen, Pater Rinaldo, redete sie ihn mit einem verächtlichen, zürnenden Blicke an, warum Ihr es verabsäumt habt, uns wie es schicklich, bei unserer Ankunft zu empfangen?

Frau Herzogin, erwiederte der ehrwürdige Geistliche mit Festigkeit aber kalt, und sah ihr mit ruhigem strengen Auge ins Angesicht, meine Pflicht, die Dankbarkeit und Anhänglichkeit knüpfen mich an das Andenken des Herzogs von Manfredonia, wie ich an seine Person gefesselt war. Seit mich dass Unglück betraf, seine beweinungswürdigen Ueberreste in das Grabgewölbe seiner edlen Vorfahren zu begleiten, sind meine Pflichten strenger und heiliger geworden, doch werde ich solche an einem schicklichern Orte zu erfüllen streben, als in diesem Schlosse, wo es mir, nach der Kränkung, die Ihr dem Schatten Eures edlen Gemals angethan habt, unmöglich ist, länger auszudauern.

So sprach der heilige Mann, verließ das Zimmer, nach einigen Augenblicken dass Schloß, und wählte eine sichere Einsamkeit, wo er gegen Elwirens und Vizenza's Rache geschützt war.

Einige Zeit noch versuchten die Neuvermälten dem Sturme mit verbissener Wuth die unverschämte Stirn zu bieten, da indeß dergleichen demüthigende Auftritte sich fast täglich erneuerten, ihre Hoffnung, die allgemeine Misbilligung werde allmälig verschwinden, und sie, die ihrem Range schuldige Achtung wieder erlangen, sich getäuscht fand, und sie zur Ueberzeugung gelangten, daß die ihnen unverheimlichte Abneigung unüberwindlich sei, und nur der Druck sie vermehrte, so ergriffen sie schnell den Vorsatz, Manfredonia zu verlassen, und sich nach Frankreich auf einen Landsitz unfern Versailles zu begeben, den der Graf von Vizenza vor Kurzem erkauft hatte, und wo sie, weniger gekannt und beobachtet sich ohne Scheu den Vergnügungen, und unsittlichen Zerstreuungen überlassen konnten, die so sehr mit ihrem Geschmacke übereinstimmten.

Polidor, Graf von Vizenza war aus einem alten Geschlechte entsprossen, und früh der Vormundschaft des Grafen Ariosto, dem Vater Elwirens übergeben, als er aber in späteren Jahren nach dem Tode seines Vormunds sein väterliches Erbtheil verschwendet hatte, blieb ihm, um die Kosten seines Aufwandes zu bestreiten, keine weitere Quelle, als die Freundschaft des jungen Grafen Ariosto, des Bruders Elwirens, übrig. Mit allen zur Verführung geeigneten, leider übel gebrauchten Talenten und Reizen ausgestattet, aber früh Meister in der Verstellungskunst, hatte er unter der Maske der Tugend, die Achtung und Zuneigung des jungen arglosen Grafen zu gewinnen gewußt, und schaltete nach Gutdünken mit den beträchtlichen Einkünften dieses liebenswürdigen, uneigennützigen und tugendhaften Mannes.

In der Zeit, als Elwire, die Vorschriften des Anstandes frech verachtend, ihre zweite Verbindung vollzog, lebte ihr Bruder, der Graf Ariosto, fern von der Welt auf einem seiner Güter in Toskana, wo er sich dem Schmerze über den Verlust seiner geliebten Gattin gänzlich überließ. Kaum war ihm die liebenswürdige Clementine entrissen, als auch die Nachricht von dem Tode seines besten Freundes, des Herzogs von Manfredonia ihn traf, und seinen Schmerz, wie seinen Hang zur Einsamkeit vermehrte. Mit lebhafter Theilnahme hatte er alle das Misgeschick, welches die letzten Jahre seines Freundes vergiftete, empfunden, er selbst theilte auf eine grausame Weise die Wirkung dieses Misgeschicks, denn der frühzeitige Tod seiner Clementine entsprang aus der durch Verwandschaft und Freundschaft entstandenen Verbindung zwischen dieser und der ersten Gemalin Manfredoniens.

Dieser Schlag des Schicksals zog die Bande der Freundschaft zwischen beiden noch enger zusammen, als ihm daher von der schamlos beeilten Vermählung Elwirens Kunde geworden, empörte ihn die leichtsinnige Aufführung seiner Schwester in dem Grade, daß er allen Umgang mit derselben und dem Grafen Polidor abbrach, standhaft die Annahme ihres Besuches verweigerte und zwei Jahre hindurch, keinen der zahlreichen Briefe, die er von ihnen erhielt, einer Antwort würdigte. Aber die Gewißheit, ungeachtet seiner Jugend dem Schmerze unterliegen zu müssen, und die Annäherung des Todes vermochte ihn in Frieden mit seiner Schwester zu sterben, und sich mit ihr auszusöhnen. Ihre tadelhafte, mehr als leichtsinnige Lebensweise in Frankreich konnte ihm, dem von der Welt entfernten nicht bekannt sein, der einzige Vorwurf, der sie in seinen Augen traf, war der empörende Leichtsinn, mit welchem sie so rasch zu der zweiten Verbindung schritt; zur Nachsicht geneigt, betrachtete er sie und ihren Gemal überdem, als die einzigen Menschen von denen er Anhänglichkeit ohne eigennützige Nebenabsichten verlangen zu können glaubte, dieserhalb schrieb er an sie Worte der Versöhnung, und nahm zu gleicher Zeit in den feierlichsten Ausdrücken ihre Sorgfalt und ihren Schutz, für seine beiden Kinder Victoria und, Alfons, die sein Tod als Waisen hinterließ, in Anspruch.

Elwirens und Polidors Antwort entsprach seiner Erwartung, er brachte nun seine Angelegenheiten, die Verwaltung seiner Güter und sein Testament in Ordnung, ernannte in selbigem seine Schwester zur Vormünderin seiner beiden Kinder, und voll Vertrauen auf die von derselben ihm gemachten Versprechungen, und über das zukünftige Schicksal derjenigen, die ihm das Theuerste auf Erden waren, beruhigt, verließ er in einem Alter von dreißig Jahren die Welt, deren Leiden er nicht länger zu tragen vermogte.

Kurz nach dem Tode des Grafen Ariosto, ward die junge, dreijährige Victoria mit ihrem Bruder, der sechs Jahre zählte, von denjenigen Personen, denen ihre Erziehung anvertrauet war, nach Frankreich geführt und in die Hände ihrer Vormünderin abgeliefert; eine junge, artige Waise, fünf Jahr alt, die der Graf aus einer armen aber rechtlichen Familie von Toskana genommen, und mit seiner Tochter hatte aufziehen lassen, um aus ihr eine Gesellschafterin zu bilden, begleitete die beiden Kinder.

Die von rauschenden Vergnügungen aller Art eingeschlossene Elwire, welche ihre Zeit nur der Erfindung neuer Lustbarkeiten und neuen Eroberungen widmete, konnte unmöglich Geschmack: an dem schweren Geschäfte der Ausbildung junger Zöglinge finden, sie dachte mithin nur auf einen Ausweg, der Sorge und der Langenweile, die ihr des Bruders Pfand verursachen konnte, auszuweichen, und überließ zu diesem Ende die fernere Erziehung ihrer Mündel denjenigen Personen, welche ein eben so weiser als tugendhafter Vater für sie gewählt hatte; und aus Elwirens Unachtsamkeit in diesem Punkte erwuchs für beide Kinder die größte Wohlthat. Ludovico Alberti, der Informator des jungen Alfons, ein sehr unterrichteter Geistlicher, vereinte gründliche Kenntnisse mit dem besten Herzen, und die liebenswürdige Ursula Farinelli, Victoriens Erzieherin besaß in jeder Hinsicht alle Eigenschaften, die dieses schwierige Amt erfordert. Solchergestalt wurden die glücklichen Anlagen, mit welchen die Natur des Grafen Ariosto Waisen ausgestattet hatte, der Nachlässigkeit ihrer leichtsinnigen Vormünderin zum Trotze, mit Sorgfalt und ganz nach dem Wunsche des verblichenen Grafen gepflegt, und zum Guten geleitet.

 


Zweites Kapitel.

Da es nicht Vorsatz ist, eine Abhandlung über Erziehungsart zu schreiben, mag es hinreichend sein zu bemerken; daß Alfons und Victoria die Mühe und den Eifer ihrer Erzieher belohnten, die Geistesgaben und Tugenden, die ein Erbtheil ihrer edlen Familie zu sein schienen, sich vollkommen zueigneten, und Muster ihres Zeitalters zu werden versprachen.

Frankreich und Spanien hatten ihre Streitkräfte Brittannien zu bekriegen, verbunden, und der junge Alfons, jetzt in einem Alter von ein und zwanzig Jahren, dessen jugendliches Herz mit Enthusiasmus für den Ruhm entbrannt war, wählte der Waffen edles Gewerbe; weder der geliebten Schwester Thränen, noch die Vorstellungen seines weisen Lehrers waren vermögend, seinen Entschluß wankend zu machen. Ohne Mühe erhielt er eine, seinem Range angemessene Anstellung in der spanischen Reiterei, denn er besaß von Seiten seines Großvaters, beträchtliche Besitzungen in Spanien, und bald darauf entriß er sich den Armen der zärtlichen Victoria, um sich in Begleitung Albertis, der seines Alters und Standes ungeachtet, sich von demjenigen nicht trennen wollte, den er wie seinen Sohn liebte, und dem er sein Leben seit langer Zeit schon gewidmet hatte, zu seinen Waffenbrüdern zu gesellen.

Alfons Entfernung war der erste Kummer für Victoriens Herz. Bereits zu einem Alter von achtzehn Jahren gelangt, und vermögend mit einem prüfenden, beurtheilenden Blicke ihre Umgebungen zu betrachten, fühlte sie lebhaft alle Folgen dieser grausamen Trennung der Freund, der Vertraute ihrer Jugend, der einzige Beschützer, auf welchen sie rechnen konnte, war jetzt, vielleicht auf immer, für sie verlohren. Die Gefahren des Krieges zeigten sich ihrer Einbildungskraft in übertriebener Größe, ihr Herz schlug, ihr Blut fing an zu erstarren, die Arme bebte bei dem Gedanken an des geliebten Bruders Tod. Eine Zukunft voll Leiden und Widerwärtigkeiten schien sich vor ihr zu öffnen, sie sah sich allein in der Welt, alles Beistandes beraubt, allen Gefahren, die jeden Augenblick dem schwachen, unbewaffneten Geschlechte drohen, preis gegeben. Von diesem Augenblicke an verschwand ihr natürlicher Frohsinn und ihre liebenswürdige Munterkeit, von einer Anwandlung von Schwermuth, welche alle Sorgsamkeit der guten Ursula nicht verscheuchen konnte, verdrängt.

Der Graf von Vizenza hatte seit einigen Jahren schon die größte Theilnahme für die schöne Victoria gezeigt, und dieses unschuldsvolle Geschöpf, weit entfernt die Absichten des lasterhaften Mannes zu ahnen, begegnete seiner Aufmerksamkeit und seinem scheinbaren Wohlwollen mit der Dankbarkeit und Achtung, die sie dem Gemale ihrer Tante, und natürlichen Beschützerin schuldig zu sein glaubte. Jeden Tag erfand er neue Belustigungen, Feste und Vergnügungen, ihren Hang zur Einsamkeit und Schwermuth zu zerstreuen, und Victoria, von den reinen Gefühlen der Erkenntlichkeit und des kindlichen Gehorsams durchdrungen, war nicht unempfindlich bei diesen Beweisen der Fürsorge ihres Onkels, in dessen Betragen sie die Freundschaft für ihren verstorbenen Vater zu erkennen glaubte; da nun zu gleicher Zeit häufige Briefe ihres geliebten Bruders, sie über den Zustand seiner Gesundheit und seiner brüderlichen Gesinnungen beruhigten, so kehrte allmälig ihre frühere Gemüthsruhe zurück, und sie überließ sich sorglos, aber mit Mäßigkeit und weiser Auswahl den ihr dargebotenen Zerstreuungen; als plötzlich die Maske, unter welcher Polidor seine strafbaren Absichten verbarg, ihm, als sie es am wenigsten vermuthete entfiel, und er sich in den Augen der arglosen Waise, als den lasterhaftesten und verderbtesten aller Menschen verrieth. Fast alle Weiber, in deren Umgang der Graf gelebt hatte, und selbst das Weib mit dem ihn eheliche Bande vereinigten, waren nicht geschaffen gewesen, ihm von dem ganzen Geschlechte eine vortheilhafte Meinung einzuflößen, er wagte es daher eines Tages, durch das Geständniß einer strafbaren Neigung, und die Entdeckung seiner schamlosen Begierden, die sie in ihm erweckt hatte, die jungfräuliche Tugend der keuschen Victoria zu beleidigen. Erstaunen, Entsetzen, Verachtung und Scham verhinderten die Tochter des Grafen Ariosto, diese Kränkung verdientermaßen zu beantworten. Verwirrt, kaum ihren Ohren trauend und ausser sich eilte sie hinweg, warf sich der theuren Erziehern in die Arme, entdeckte ihr eines Onkels verbrecherische Zumuthungen und als sie die tiefste Verachtung für Vizenza ausgedrückt hatte, war ihr erster Gedanke ein Gefühl von Mitleid für ihre Tante, die das Schicksal an einen Gatten fesselte, dessen freche Sittenlosigkeit und trügerischer Sinn ihren häuslichen Frieden untergraben mußten.

Bei dieser unerwarteten Entdeckung von Abscheu und Schauder ergriffen, und über die ihrem Zöglinge drohenden Gefahren mit Recht erschrocken, besaß die kluge Farinelli doch Geistesgegenwart genug ihrem Gefühle zu gebieten, und mit anscheinender Ruhe die weinende Victoria zu trösten, doch entschloß sie sich, nach reiflichem Erwägen der Sache, der Herzogin das lasterhafte Benehmen ihres Gemals, den selbst die Bande der Verwandschaft nicht zurückschreckten, zu offenbaren.

Elwire war selbst mit dem Laster zu nahe verwandt, um die ihr und ihrer Nichte widerfahrene Schmach so wie des Gatten Treulosigkeit zu empfinden, indeß wußte sie leicht die gute Signora durch erkünsteltes Erstaunen und zorniges Benehmen zu hintergehen, und durch das Versprechen zu beruhigen, schnell die erforderlichen Maasregeln zu ergreifen, um die Ehre ihrer Nichte gegen einen neuen Angriff vollkommen zu sichern, aber dieser Vorfall war für sie nichts weniger als unangenehm, denn er begünstigte ihre längst gehegten Absichten, und lieh ihr auf die natürlichste Weise einen Vorwand, ihre Nichte zu entfernen, deshalb rieth sie der Signora Farinelli auf einige Zeit Victoria auf die Bewohnung ihrer Zimmer zu beschränken, und ihre Abwesenheit aus dem Zirkel der Gesellschaft mit einer Unpäßlichkeit zu entschuldigen.

Es geschah; mehrere Wochen lebte Victoria mit ihrer Erzieherin einsam in ihren Gemächern, die sie nur in der Frühe des Morgens verließ, um sich nach dem Gesundheitszustande ihrer Tante zu erkundigen, als eines Tages, wo sie in Begleitung ihrer treuen Farinelli Elwiren besuchte, diese ein Billet erhielt, sich nach dem Lesen desselben schnell entfernte, und sie ersuchte, bis zu ihrer Rückkehr zu verweilen. Ihre Abwesenheit währte mehrere Stunden, endlich trat Elwire ins Zimmer, aber bleich, mit rollendem Auge, zitternden Lippen und allen Merkmalen der heftigsten Bewegung.

Großer Gott, rief Victoria und eilte ihr mit der zärtlichsten Unruhe entgegen, was ist Euch wiederfahren, wer kann auf diese Art meine theure Tante beunruhigen?

Verlaß mich, sprach diese und stieß sie zurück, begieb Dich auf Dein Zimmer, und Ihr Ursula, dürft nie wieder vor meinen Augen erscheinen.

Die Erstaunten zögerten zu gehorchen, doch der Befehl ward ihnen auf eine so gebieterische Weise wiederholt, daß sie sich in Verwirrung, sprachlos und aufs höchste erstaunt, zurückzogen. Endlich auf ihrem Zimmer brach Victoria zuerst das Stillschweigen:

Was bedeutet alles dieses? sprach sie mit Spannung, in peinlicher Ungewißheit.

Gott mag es wissen, antwortete Ursula, ich erflehe seine Gnade für meine theure Tochter.

Aber Signora, ich glaubte in dem Benehmen meiner Tante eher Entsetzen und Beängstigung als Zorn zu bemerken.

Auch mir erschien es also, erwiederte Ursula.

In der That, theure Mutter, welche Veranlassung könnte meine Tante haben, sich über uns zu beklagen, und auch wenn sie dergleichen hätte, so ist sie doch zu gerecht, um sich nicht gegen uns zu erklären, und uns zuhören, bevor sie über uns richtet.

In diesem Augenblicke trat Bianka, die Kammerfrau mit einer Geldbörse ins Zimmer, reichte solche Ursula, und sprach mit verächtlicher Stimme: Nehmt; hier schickt Euch die Herzogin den Betrag Eures Gehalts. Auch hat sie mich beauftragt, Euch in ihrem Namen zu befehlen noch vor Ablauf einer Stunde das Schloß zu verlassen, und wird, im Falle Ihr etwa nicht gutwillig Euch zu fügen wissen solltet, Euch durch ihre Leute von hier entfernen.

Trotz dieser beleidigenden Anrede, beobachtete Ursula fortwärend die Ruhe, welche ihrer Würde und ihrer Gesinnungen stete Begleiterin war, doch Victoria blieb ihres Erstaunens und ihrer Verachtung nicht mächtig, sie warf einen Blick voll Misbilligung auf die thörigte Ueberbringerin dieses Befehls, und eilte der Thür zu, um sich zu ihrer Tante zu begeben und eine Erklärung zu fordern, allein Bianka vertrat ihr den Weg, und verkündigte ihr, daß sie den Befehl habe, Niemanden aus dem Zimmer zu lassen, dann entfernte sie sich, und verschloß von Aussen das Gemach, in welchem sich Victoria und Ursula befanden.

Die liebenswürdige Waise achtete und liebte die Signora Farinelli wie ihre Mutter, und die gute Erzieherin hing an ihr mit der zärtlichsten Besorgniß; kaum befanden sie sich daher allein, als Victoria in ihre Arme sank, und ihre Thränen sich vermischten, der Schmerz, die Besorgniß, und alle Empfindungen, mit denen ihre Herzen angefüllt waren, konnten nur durch Schluchzen sich verständlich machen, denn ein Wort hervorzubringen war Beiden in diesem Augenblicke unmöglich.

Bald nachher öffnete sich die Thür, und Bianka ließ Victorias Dienerinnen hereintreten, um Ursulas Sachen zur schleunigen Abreise, einzupacken. Die beiden Betrübten erzwangen ein ruhiges Aeußere, aber fast alle die jungen Mädchen, die mit der Befolgung dieses strengen Befehls beauftragt waren, und vornehmlich die junge Rosalie, jene mit Victorien erzogene Italienerin, befeuchteten mit ihren Thränen, die Effecten, mit deren Einpacken sie beschäftigt waren. Nur Bianka allein, ihr ungeziemendes boshaftes Benehmen auch jetzt noch behauptend, schien über diese allgemeine Verwirrung zu frohlocken.

Kaum war die bestimmte Frist vorüber, so ward der Signora Farinelli angedeutet, daß der Wagen bereit stehe; über diese Nachricht gerieth Victoria in einen Zustand, der an Verzweiflung grenzte, sie umklammerte ihre geliebte Erzieherin mit ihren zarten Armen, und rief, daß man sie ihr nicht entreißen solle, und nur der Tod ihre zweite Mutter von ihr trennen könne. Höhnisch lächelnd verließ Bianka bei dieser Erklärung das Zimmer, kehrte aber augenblicklich von mehrern männlichen Dienern begleitet, zurück, und befahl der Signora Ursula sich gutwillig zur Abreise zu bequemen, widrigenfalls man Gewalt brauchen müsse. Dieser Anblick reizte die unglückliche Victoria zur höchsten Verzweiflung, und raubte ihr alle Besinnung, leblos sank sie an die Brust der trauernden ehrwürdigen Erzieherin, welche diesen Augenblick benutzte, und nach unzähligen Abschiedsküssen der Gewalt wich, mit Standhaftigkeit in den Wagen stieg und das Schloß verließ.

Bei dem Erwachen aus ihrer Ohnmacht suchten Victoriens Augen die gute Farinelli, überzeugt, daß die grausame Trennung vollzogen sei, wünschte sie sich ungestört ihrem Schmerze überlassen, und den Beistand des Himmels erbitten zu können; sie befahl daher Bianka und den übrigen sie umgebenden Dienerinnen sie allein zu lassen.

Das kann nicht sein, Fräulein, antwortete geschäftig Bianka, auch Eure Koffer müssen gepackt werden, und kaum bleibt uns Zeit übrig, unsere Aufträge zu erfüllen.

Wie, fragte Victoria verwundert, soll auch ich dieses Schloß verlassen, werde ich vielleicht derjenigen folgen, von welcher man mich gewaltsam trennte.

Nicht doch, erwiederte lieblos Bianka, Ihr werdet so wenig die Signora Farinelli, wie die kleine Rosalie, noch eine von den übrigen Frauen wiedersehen; sie sind alle verabschiedet.

Ich will mit meiner Tante reden, rief in Besorgniß Victoria aus.

Auch das ist unmöglich, entgegnete die unverschämte Bianka, die Frau Herzogin hat Euch meiner Aufsicht anvertrauet, und auf's strengste befohlen, daß ihr in Eurem Gemache verweilen sollt. Sie ist entschlossen, Euch nicht wiederzusehen, wir erwarten nur die Signora Bernini, meine Schwester, um Euch nach dem Orte Eurer Bestimmung abzuführen.

O mein Bruder, mein theurer Alfons, wo verweilst Du? rief Victoria mit gefalteten Händen, und zum Himmel gerichteten, nassen Augen aus. Was würdest Du sagen, sähest Du Deine unglückliche, unschuldige Schwester, gleich einer Verbrecherin von derjenigen behandelt, die ihr feierlich ihren Schutz versprach?

Ihren Schutz! wiederholte mit halblauter, schnöder Stimme und zu den übrigen Dirnen gewendet Bianka, so lange Ihr ihn verdientet, habt Ihr ihn genossen.

Bianka, sprach mit stolzer Verachtung und erhobenem Tone Victoria, und zeigte mit ihrer Hand gegen die Thür, entfernt Euch, Ihr vergeßt, daß Ihr vor der Tochter des Grafen Ariosto Euch befindet; benachrichtige mich, sobald meine Begleitung bereit sein wird, ich bin entschlossen, aller Orten zu folgen, wohin mich die Befehle meiner Tante senden werden.

Wie viel Frechheit auch die entartete Bianka in ihrem Betragen bisher gezeigt hatte, so wagte sie es doch nicht, der edlen Würde, die diesen Befehl Victoriens begleitete, Trotz zu bieten; beschämt, der Niedrigkeit ihres Standes bewußt, verbeugte sie sich, und verließ ohne Widerrede das Gemach. Wenige Augenblicke darauf benachrichtigte man die Tochter des Grafen Ariosto, daß alles zu ihrer Abreise bereit sei.

Jetzt bedurfte Victoria ihrer ganzen Standhaftigkeit und Seelengröße, stillschweigend, ohne eine Thräne zu vergießen, ohne Seufzer, nur mit der Ruhe, die der gekränkten Unschuld so herrlich kleidet, folgte sie der Dirne, ging durch die prächtigen Zimmer, wo sie oft in froher Laune Augenblicke der stillen Glückseligkeit genossen hatte, stieg eine schmale Treppe, die in den Garten führte, hinab, und gelangte auf diesem Wege an eine Thür des Parks, wo der Wagen sie erwartete. Neben dieser Thür erblickte sie einen Myrtenbaum, den sie und Alfons in der Jugend glücklichen Zeiten hieher gepflanzt hatten, und welcher jetzt in voller Blüthe stand. Dieser Anblick erweckte in Victorien so traurige Erinnerungen, daß ihre Standhaftigkeit sie eine Weile verließ; sie eilte auf das Bäumchen zu, entriß ihm einen Zweig, benäßte ihn mit ihren Thränen, dann steckte sie ihn an ihren Busen, und warf sich in den Wagen, der schnell das von fuhr, und sich vom Schlosse entfernte.

 


Drittes Kapitel.

In dem Wagen befanden sich noch zwei weibliche Begleiterinnen, allein Victoriens tiefe Betrübniß gestattete ihr nicht, sie genau zu betrachten, und mehrere Meilen waren gegen das mittägliche Frankreich bereits zurückgelegt, als noch Niemand die Stille unterbrochen hatte.

Endlich ließ sich eine sanfte, gefühlvolle Stimme hören, und entriß Victorien aus ihrer schwermüthigen Träumerei.

Mit Besorgniß sehe ich, sprach sie, daß Euer Schmerz, Signora, sich nicht mindert; die Trennung von der Frau Herzogin kann nicht von langer Dauer sein, und der Ort, wohin wir uns begeben, hat nichts Unangenehmes. Wahr ist es, der Weg von hier nach Sanct Yago in Catalonien, ist weit und beschwerlich, vorzüglich möchte der Uebergang über die Pyrenäen mit einiger Unbequemlichkeit verknüpft sein; sobald wir aber den Ort unserer Bestimmung erreicht haben, finden wir selbst im Kloster sehr angenehme Gesellschaft, denn ich weiß, daß die Priorin obgleich Spanierin eine der sanftesten, und liebenswürdigsten Nonnen ist, die man nur finden kann.

Es herrschte in dem Ausdrucke, der Sprecherin ein gewisses Anziehendes, das Herzensgüte verrieth, und Zutrauen einflößte, deshalb fühlte sich Victoria gleich für ihre Begleiterin eingenommen, und diese verdiente solchen Vorzug, denn war sie gleich die Schwester der boßhaften Bianka, so galt sie doch allgemein für eine würdige, theilnehmende Frau.

Die Signora Octavia, war in Italien gebohren, und nach dem Tode ihrer Eltern, ihrer Schwester nach Frankreich, wo in dieser Zeit die Herzogin ihren Aufenthalt gewählt hatte, gefolgt. Seit dem hatte sie einen Neapolitaner, einen ganz geschickten Musiklehrer, und der sein Talent sehr gut anzuwenden wußte, geheirathet, da aber ihre Familie bald mit zahlreichen Mitgliedern gesegnet, die Tonkunst aber oft vernachlässigt wurde, so sah sich Octavia, die durch ihre Heirath den Namen Bernini angenommen hatte, genöthigt, den Vorschlag ihrer Schwester Bianka anzunehmen, und Victorien nach Spanien zu begleiten; und, obgleich diese so schnell unternommene, unvorbereitete Abreise, in ihren häuslichen Verhältnissen manche Zerrüttung hervorbringen mußte, so war sie doch der anziehenden Hoffnung gewichen, durch diesen Dienst die Protection der Herzogin von Manfredonia zu gewinnen, und ihrem Gatten wie ihren Kindern, für deren Wohl kein Opfer ihr zu groß schien, nützlich zu werden. Octavia, war ungefähr neun und dreißig Jahre alt, und besaß in ihrem Aeußern eine Mischung von Herzensgüte und Verständigkeit, einen Zug von Sanftmuth und Lebensklugheit, die sie auf eine seltsame Art anziehend machten.

Wenn wir zusammen bleiben können, sprach Victoria mit einem Blicke voll Liebreiz, so glaube ich meinem Gefühle nach, nicht ganz unglücklich zu sein.

Octavia verbeugte sich mit Bescheidenheit ihren Dank auszudrücken, und erwiederte: Mir ist befohlen, einen Monat lang die Signora Victoria im Kloster von St. Yago zu bedienen, und ihr Gesellschaft zu leisten.

Der Anfang der Unterhaltung ermunterte Victoriens zweite Begleiterin, in der sie Hero, eine der jüngsten Dienerinnen der Herzogin erkannte, und welche fast vor Sehnsucht sprechen zu dürfen, erstickte.

Was das Kloster anbetrifft, fing sie zu Octavien gewendet an, so mag es wol ein ganz angenehmer Aufenthalt für die armen Nonnen sein, welche auf ihre Lebenszeit dort zu schmachten verurtheilt sind, aber für das Fräulein und ihre ergebenen Dienerinnen, denke ich, mögte es wol gleichgültig sein, wie man in diesem häßlichen Kirchhofe der Lebendigen sich die Zeit vertreibt. Verzeiht, Signora, wenn ich mich so ausdrücke, aber ein Kloster gehört mit zu den Sachen, vor welchen ich den größten Abscheu, seit ich auf der Welt bin, habe. Auch würde ich nicht so ruhig sein, wie ich wirklich bin, wenn ich nicht das feste Vertrauen hegte, daß uns in kurzer Zeit der Graf Urbino einholen, und nach dem Schlosse zurückführen wird.

Die verwunderte Victoria verstand den Sinn dieser Aeußerung nicht, eben so wenig Octavia, welche deshalb Gelegenheit nahm zu fragen, wer der Graf Urbino sei?

In Wahrheit, erwiederte Hero, es ist ein Neffe unsers Grafen, ein Sohn seiner Schwester, und ob er gleich sehr schön, ungewöhnlich schön ist, so ist er doch auch ganz arm, denn er besitzt durchaus nichts, als was ihm der Herr Graf giebt, und demungeachtet bin ich fest überzeugt, daß er dieses Wenige, den Herrn Grafen, ja die ganze Welt verlassen würde, bloß um dem Fräulein Victoria dienen zu können.

Mir, was willst Du damit sagen, Hero?

Nun, gnädiges Fräulein, Ihr werdet doch nicht ungehalten darüber werden? Aber wir dienendes Personal, wir sehen alles deutlich, was im Hause vorgeht, und wenn auch der Herr Graf seinen Neffen erst seit kurzer Zeit zu sich genommen hat, so haben wir doch wohl bemerkt, wie sehr ihn die Frau Herzogin liebt, und es ist bei uns daraus die Vermuthung entstanden, daß sie die Absicht habe, ihn um so eher mit Euch, Fräulein, zu vermälen, als er in Euch leidenschaftlich verliebt ist.

Du träumst, arme Hero, ich habe den Grafen Urbino nie gesehen, und auch er sah mich nicht, denn seit seiner Anwesenheit im Schlosse habe ich fast nie mein Zimmer verlassen, auch fand die Herzogin jederzeit einen paßlichen Vorwand mich zu entfernen, sobald sich der Graf näherte, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen.

O die Veranlassung hierzu ist uns wol bekannt, bei seinen Besuchen begleitete den jungen Grafen stets der Graf von Montfort, und dieser macht ja kein Geheimniß aus seiner Liebe für Fräulein Victoria, ungeachtet ihm sehr bestimmt erklärt worden, daß er ungehört schmachten wird. Da nun die Frau Herzogin den Grafen von Montfort für sich allein behalten will, so …

Hero, fiel Victoria ernst verweisend ein, erlaubt Euch nicht auf die entfernteste Weise den guten Ruf meiner Tante zu schmälern, seid versichert, ich werde es nicht dulden.

Ich bin gar nicht willens etwas Nachtheiliges von der Frau Herzogin, meiner gnädigen Gebieterin zu äußern, aber Euch selbst Fräulein, wird ja der Gebrauch in Italien, wo jede verheirathete Dame ihren Anbeter hat, nicht unbekannt sein, und in der Voraussetzung, daß die Frau Herzogin in Frankreich die Gebräuche ihres Vaterlandes beibehalten habe, so konnte sie sicher keinen liebenswürdigern Anbeter wählen, als den Grafen von Montfort.

Dieser Gebrauch, sprach die Signora Bernini, ist an sich selbst unverantwortlich, und höchstens kann die allgemeine Anwendung in einem Lande, wo er einmal eingeführt ist, ihn allenfalls dulden, und doch habe ich auch selbst in Italien Frauen von sehr hohem Range gekannt, die diese unsittliche Mode verabscheuten.

Und ich behaupte, unterbrach sie Hero mit schneidendem Tone, daß es in Italien keine schöne Frau giebt, die nicht außer ihrem Gemale, noch einen Cicisbeo besitzt.

Das ist eine Verläumdung, erwiederte Octavia lächlend, die Ihr mir wol zu widerlegen erlauben werdet. So jung Ihr auch noch sein mogtet, Signora Hero, als Ihr Italien verlassen habt, so habt Ihr doch gewiß von der ungewöhnlichen Schönheit der Gräfin Ariosto reden gehört, und diese Dame hing mit so viel Liebe an ihrem Gemale, und war den Grundsätzen des Anstandes und der Ehre, die jede achtungswerthe Frau streng beobachten sollte, zu ergeben, um einem Gebrauche zu folgen, der wenigstens einen sprechenden Beweis von Unanständigkeit mit sich führt, und jede zartfühlende Seele empören muß.

Ihr habt also meine Mutter gekannt? fragte Victoria mit einem himmlischen Lächlen, während eine Thräne, die sie dem Andenken der früh verlohrnen Mutter zollte, in ihrem Auge bei diesem wohlverdienten Lobe, schwamm.

Ich war so glücklich, diese würdige junge Dame oft zu sehen, antwortete Octavia, zur Zeit als ich mehrere Wochen mit meiner Schwester Bianka, vor der Vermälung Elwirens mit dem Herzoge von Manfredonia, auf dem Schlosse des Grafen Ariosto, bei Toskana, zubrachte.

Ganz sicher, fiel die geschwätzige Hero ein, erinnere ich mich, oft von der bezaubernden Schönheit der Gräfin Ariosto gehört zu haben, man erhob sie noch über die Schönheit unserer Frau Herzogin; auch, erzählt man, sei dieser Vorzug die Ursache gewesen, weshalb die Frau Herzogin ihre Schwägerin nie habe leiden, und selbst bei dem Tode dieser liebenswürdigen Dame ihre Freude nicht hat ganz verbergen können.

Was ich da sage, mein Fräulein, mag Euch wol befremden und schmerzen, ich glaube es, das ist ein ganz natürliches Gefühl, und dennoch ist alles, was ich erzähle, streng der Wahrheit angemessen. Es giebt aber auch Leute, die jene Abneigung der Frau Herzogin aus einer andern Ursache herleiten; man spricht, daß sie ihren Grund in der wunderbaren, fast unglaublichen Aehnlichkeit der Gräfin Ariosto mit der ersten Gemalin des Herzogs von Manfredonia gehabt habe. Ueberdem ist ja allbekannt, daß man weder den Namen dieser Letztern, noch etwas das an sie erinnern könnte, in Gegenwart der Frau Herzogin aussprechen darf, ohne daß diese in seltsame, convulsivische Zuckungen verfällt, und eine gewisse ängstliche Unbehaglichkeit vverräth, die sie mit aller Anstrengung nicht verbergen kann.

Victoria ward bei dieser Erzählung von Erstaunen und Wehmuth gleich stark ergriffen, noch nie hatte sie von ihrer Tante so frei urtheilen gehört, und was sie jetzt vernahm, schien ein schreckliches Licht, auf einzelne Umstände und Vorfälle, von denen sie selbst Zeuge gewesen war, die sie jedoch nicht zu deuten vermochte, auch jetzt nicht zu erklären wagte, zu werfen. Ihre Betrachtungen hierüber versenkten sie in tiefes Nachdenken, und verhinderten sie, der geschwätzigen Hero Stillschweigen zu gebieten. Allein von dem Grundsatze, in zweifelhaften Fällen stets das Beste zu denken, geleitet, glaubte sie, daß Hero nur das Echo der, von den Feinden der Herzogin gesäeten Verläumdungen sein könnte, und zwang sich diese Meinung durch eigne Auslegungen bei sich zu begründen, als die Signora Bernini, welche die Unterhaltung von diesem unangenehmen Gegenstande abzuwenden wünschte, lächlend die Frage aufwarf, wie es wol zugehn mögte, daß der Graf Urbino sich so heftig in das Fräulein Victoria verliebt habe, da sie doch von ihm nicht gesehn sei?

Fragt vielmehr, erwiederte Hero, wie es der Graf angefangen hat, das Fräulein zu sehen, denn dieses hat er mehr als hundert, hundert Mal, und ohne daß Fräulein Victoria es vermuthete.

Das ist denn wirklich sehr sonderbar! sprach Octavia.

Und doch wahr, Signora. Mein Bruder Hugo, der den jungen Grafen bedient, hat mir oft lachend erzählt, welche listige Erfindungen er und sein Gebieter mehrere Male ausgebrütet haben, um dem Grafen Gelegenheit zu verschaffen, das Fräulein zu sehn, indeß mußten sie sehr auf ihrer Huth sein, damit sie nicht von dem Grafen von Vizenza, der wahrscheinlich andre Absichten mit seinem Neffen hegt, entdeckt wurden, denn schon der Gedanke, Urbino und das Fräulein könnten sich begegnen, brachte den Grafen von Vizenza außer sich. Aber der junge Graf Urbino war so darauf erpicht in Eurer Nähe zu sein, daß er sich eines Abends, als Ihr von der Signora Farinelli begleitet, und mit mehreren jungen Damen einem Tanze bei der Frau von Harcourt beiwohntet, mit Hugo in der Verkleidung von Leierspielern, unter die Spielleute mischte, und den ganzen Abend, während Ihr tanztet, dort verblieb. Ein andermal, bei einer zum Vergnügen der Kinder angestellten maskirten Spielerei, wobei keine Herren zugegen sein sollten, und Ihr ebenfalls gegenwärtig waret, fand der Graf Urbino Gelegenheit, als Amazone maskirt sich einzuschleichen, und war so glücklich, sich lange Zeit mit Euch zu unterhalten. Auch an jenem Abende, den Ihr bei der Frau von Lambert zubrachtet, und wo diese ihre Kinder mit den Bildern einer Zauberlaterne belustigte, war der Savoyarde, der das Schattenspiel ihnen zeigte und Euch so viel Vergnügen verursachte, kein anderer als der Graf Urbino.

Victoria war aus ihrer Träumerei erwacht, hörte mit Verwunderung von einer, Ihr ganz unbekannten Leidenschaft des jungen Urbino, und erinnerte sich jetzt eines jeden Umstandes bei den Begebenheiten, die Hero erzählungsweise berührte. Mittlerweile fuhr die Signora Octavia fragend fort:

Aber was veranlaßt Euch denn zu glauben, daß der Graf Urbino durch seine Darzwischenkunft uns verhindern werde, das Kloster von St. Yago zu erreichen?

Die Veranlassung ist klar, Signora, antwortete Hero, er liebt Fräulein Victoria zu heftig, um sie in ein Kloster begraben sehen zu können, auch würde diese unglückliche Abreise gar nicht statt gefunden haben, wäre nicht der Graf an jenem Tage mit dem Grafen von Montfort auf der Jagd befindlich gewesen, aber Hugo hat alles genau ausgekundschaftet, und wird seinem Herrn, sobald er zurückkehrt, über den Hergang der Sache genügende Auskunft geben. Noch vor unserer Abreise sprach er mit mir, und sagte, er zweifle gar nicht, daß der Graf, dem diese Nachricht das Herz durchbohren würde, sich der Herzogin, bei welcher er viel, sehr viel gelten soll, zu Füßen werfen, und die Erlaubniß erhalten werde, uns einzuholen, und ins Schloß zurückzuführen.

Ach, seufzte Victoria, warum muß ich bei meiner Tante eines Fürsprechers bedürfen, da ich doch diesen in ihrer Anhänglichkeit, Liebe und Gerechtigkeit hätte finden sollen? Der Graf Urbino ist, wie man mir gesagt hat, sehr liebenswürdig und mit den herrlichsten Eigenschaften begabt, mag daher das ihm von meiner Tante geschenkte Wohlwollen in ganzem Maaße verdienen; und doch ist kaum ein Monat verstrichen, daß ihn der Graf von Vizenza, sein Onkel bei ihr einführte. Ich bin zur Eifersucht wenig geneigt, demungeachtet fühle ich wider meinen Willen meine Eigenliebe schmerzhaft gekränkt, wenn dieser Jüngling in so kurzer Zeit so viel Gewalt über das Herz meiner Tante gewinnen kann, um durch eine einfache Bitte etwas zu erlangen, was sie sicher meinem Schmerze und meinen Thränen verweigert haben würde. Ach, sehr gut fühle ich, daß es hinreichend ist, die Stimme meines eignen Herzens anzuhören, um meiner Tante die Härte ihres Verfahrens zu verzeihen, und ihr Benehmen zu entschuldigen.

Bei diesen Worten brach Victoria in Thränen aus, umsonst suchte sie Octavia durch Mitwirkung der Vernunft und Religion zu trösten, umsonst versprach ihr Hero die unausbleibliche, nahe Ankunft des jungen Urbino und Hugo's; nichts war in diesen bittern Augenblicken vermögend, die Traurigkeit, in welcher ihr gefühlvolles Herz schwamm, zu mildern. Den herrlichen Gegenden, welche sich, je tiefer sie in das Innere des mittäglichen Frankreichs eindrangen, vor ihren Augen mit tausend angenehmen Abwechslungen ausbreiteten, und dem für sie neuen Anblicke der Pyrenäen, die sie bald erstiegen, gelang es endlich, sie wenigstens in einzelnen Augenblicken zu zerstreuen, und ihr die Pein der unverdienten Verbannung leichter ertragen zu lassen.

 


Viertes Kapitel.

Ohne Unfall gelangten unsere Reisenden auf den Bergrücken der Pyrenäen, und in dem Augenblicke als der Wagen über Frankreichs Grenze fuhr, und den spanischen Boden berührte, drängte sich ein tiefer Seufzer bei dem Gedanken aus Victoriens Brust, daß sie sich jetzt zwar in dem Lande, wo ihr theurer Alfons weile, aber leider ohne Hoffnung befände, ihn von ihren traurigen Verhältnissen zu unterrichten; da dieser in dem Hafen von Cadix nur auf günstigen Wind wartete, um sich zu einer gegen die britischen Besitzungen in Westindien gerichteten Expedition einzuschiffen, auch Victoria keine Gelegenheit wußte ihm zu schreiben.

Beim Hinabsteigen der Pyrenäen fing das wilde, unfruchtbare Ansehn des Landes an, ihnen eine vorübergehende Aengstlichkeit, die sie in Frankreichs lachenden Gefilden nicht gefühlt hatten, einzuflößen; doch ihre männlichen Begleiter, welche solches bemerkten, zeigten ihnen zu ihrer Beruhigung an, daß sie gut bewaffnet, und im Stande wären, sie gegen jeden Anfall von Räubern mit Nachdruck zu vertheidigen.

Längst schon war die Sonne zur Ruhe gegangen, und die Nacht begann unmerklich den letzten Schein der Abenddämmerung zu verdrängen, als mitten in einem langen Thale, das sich am Fuße des Gebirges ausdehnte, der Wagen plötzlich die Heerstraße verließ, um einem sich schlängelnden Wege zu folgen, welcher in eine dichte, dicke Waldung führte. Victoriens und Heros Aengstlichkeit verdoppelte der Anblick des rabenschwarzen Waldes, aber die schon an Reisen gewöhnte Octavia schien vollkommen ruhig, bis sie beim Scheine des Mondes, der von Zeit zu Zeit des Gehölzes Finsterniß durchdrang, und ihre junge Gebieterin nebst Hero um vieles ermunterte, mit lebhafter Unruhe gewahrte, daß der Felsenweg, den man eingeschlagen hatte, nicht gebahnt zu sein schien, und keine Spur von den Furchen der Wagenräder zeigte. Diese Entdeckung brachte Octavia auf die Vermuthung, daß die Fuhrleute den rechten Weg verfehlt haben müßten, sie benachrichtigte diese daher eiligst von ihrem Irrthume; da aber dieselben mit Beharrlichkeit darauf bestanden, daß ihnen die Gegend sehr wohl bekannt sei, und sie auf dem Wege nach Figueras sich befänden, so glaubte Victoria, es sei unnütz, sich mit ihnen in Weitläuftigkeiten einzulassen, und rieth ihrer Begleiterin, von ihrer Behauptung abzustehn, und sich ihrer Führung zu überlassen; doch die vorsichtige und erfahrene Octavia, welche ein Einverständniß der Postillons mit einer in der Gegend versteckten Räuberhorde zu fürchten begann, waffnete sich mit aller Entschlossenheit, die sie erzwingen konnte, und erklärte sehr nachdrücklich, daß sie Erfahrung genug habe, ungebahnte Feldwege von Heerstraßen zu unterscheiden, und sich nicht hintergehen lasse; zu gleicher Zeit befahl sie den zur Begleitung des Wagens mitgereiseten Dienern, die Postillons zur Rückkehr nach dem letzten, am Fuße der Gebirgskette belegenen Wirthshause zu zwingen, damit man dort übernachten könne.

Die Postillons, den dieser Befehl so ungelegen kam, als widersinnig schien, was wandten den Wagen mit der ihnen so eignen Umständlichkeit und Saumseligkeit, und fingen langsam die Rückfahrt an; da ertönte plötzlich in einiger Entfernung ein Geräusch von trabenden Pferden. Victoria erschrack heftig, Octavia verrieth lebhafte Unruhe, aber Hero war fast vor Freude närrisch, und rief jubelnd, dies sei sicher der Graf Urbino mit seiner Begleitung, der sie nach Frankreich zurückzugeleiten käme. Wärend dem waren ihnen die Reiter in der Finsterniß so nahe gekommen, daß die verwirrten Postillons die Gefahr unterscheiden konnten, und den Dienern zuriefen, man sei von zahlreichen Räubern umringt, und müsse an Vertheidigung denken. Im Augenblicke war der Wagen von berittenen, gut bewaffneten Banditen eingeschlossen, und jetzt benahm das Geklirre der Säbel und Knallen der Gewehre und Pistolen, den unglücklichen Reisenden jeden Zweifel über die Größe der Gefahr, die ihnen drohete; zitternd, halb tod vor Schrecken, verbargen sie sich in den Ecken des Wagens, und behielten kaum Zeit übrig, sich dem Beistande der Vorsehung zu empfehlen, als die Räuber, für welche sich der Sieg bald erklärte, die Wagenthüren aufrissen, sich der drei unglücklichen Opfer bemächtigten, sie aus dem Wagen hoben, und jedes einzeln auf Pferde festzubinden begannen.

Der Anblick dieser Banditen zeigte so viel Rohes und Wildes, daß selbst die Unerschrockenheit in ihren Händen gezittert haben würde. Vorzüglich ward Hero von ihrer Angst hingerissen, und stieß unaufhörlich ein durchdringendes Zetergeschrei aus, bis der sie bewachende Räuber ihr kaltblütig ein Pistol mit der Drohung zeigte, daß er ihr den Hirnschädel zerschmettern würde, so bald sie sich nicht ruhig verhalte. Victoria und ihre andere Begleiterin fühlten, daß nur ein Gedanke an Widerstand hier so thörigt als unnütz sein werde, ergaben sich stillschweigend in ihr grausames Geschick, und fleheten in ihrem Herzen zum Himmel, dem Beschützer der Unschuld.

Kaum hatten die Banditen sich ihres Raubes durch starke Bande versichert, so schwangen sie sich auf ihre Pferde, ein Theil nahm die Gefangenen in seine Mitte, und sprengte mit ihnen in das Dickigt des Waldes, wärend der Ueberrest der Bande sich mit der Plünderung des Wagens beschäftigte.

Der Mond hatte sich seit einigen Augenblicken verborgen, und die armen Gefangenen in undurchdringliche Finsterniß eingehüllt, kaum bemerkten sie an dem Trabe der Pferde daß ihre Führer sie durch lange, enge Waldwege, die nur diesen bekannt sein konnten und sich in mannigfache Krümmungen schlängelten, mit sich fortzogen; nach einer Stunde fühlten sie, daß man langsam und mit Vorsicht einen hohen, steilen Abhang hinabstieg, der einen reißenden schäumenden Waldstrom berührte, auf welchen sich ein mit andern Räubern angefüllter Kahn, die ihre Kameraden erwarteten, bewegte. Hier befreiete man die Gefangenen von ihren Banden, hob sie behutsam von den Pferden, und ließ sie in den Kahn einsteigen, der sodann mit Hülfe dreier baumstarker Ruderer pfeilschnell die Wogen durchschnitt.

Nun trat der Mond wieder hervor und sein mit voller Pracht glänzendes Licht entfaltete vor den Augen der Aengstlichen das schauderhafte der Felsenmauern, zwischen denen sie schwammen. Der Strom, der die Barke trug, war von der einen Seite durch hohe, schroffe Felsen, und von der andern durch eine dem Tageslichte undurchdringliche Waldung, die sich bis in die Wolken zu erheben schien, eingezwängt. Diese enge Schlucht dehnte sich weit über eine viertel Meile aus, wo die Waldung verschwand. An diesen Stellen bog sich der Fels in Form eines Gewölbes über den Strom, und diese schrecklichen, von der Zeit geschwärzten Steinmassen, die gleichsam in der Luft zu hängen schienen, droheten mit dem Zorne des Himmels jedem Verwegenen, der Tollkühnheit genug besaß, sich in diesen Abgrund zu wagen.

Des Stromes beide Ufer drängten sich an vielen Stellen so dicht zusammen, daß kein Lichtstrahl von oben, auch am Tage, in die Tiefe dringen konnte, und nur die in der Barke hängende bleiche Laterne die Gegenstände beschien; auch bedurfte der Führer des Kahns einer bewunderungswürdigen Geschicklichkeit, um diesen in den steten Krümmungen durchzuwenden, und die hervorstehenden Felsenstücke, welche oft seinen Lauf unterbrachen, zu vermeiden.

Endlich nach einer langen, schwierigen und gefahrvollen Fahrt gelangte man an den Eingang einer weiten, fürchterlichen Höhle, deren entsetzlicher Anblick der Seele des Anschauenden nur den Gedanken an eine gewisse, unausbleibliche Zerstörung entpreßte. Die unerschrockenen Ruderer stürzten von den matten Schimmer ihrer Laterne geleitet, den Kahn in diesen rabenschwarzen Schlund, und verdoppelten die Bewegung ihrer Ruder. Das Geräusch derselben mit dem Brausen und Schlagen des Wassers vereint, und von dem in den Wölbungen der Höhle nistenden Echo wiederholt, vergrößerte die Angst der armen Gefangenen, und machte ihre Herzen mit neuer Heftigkeit klopfen.

Inzwischen setzte der Kahn seine Fahrt in diesem Abgrunde wärend einer halben Stunde ungefähr fort; dann erblickte man auf dem Wasser einen langen Streif eines röthlichen Lichts, der aus weiter Ferne zu kommen schien, und da er sich allmälig vergrößerte, und einen lebhaftern Glanz zeigte, im Hintergrunde der Höhle das Bild einer Feueresse darstellte, und dem unruhigen Gewässer das Ansehn eines Flammenstromes lieh. Mit Hülfe dieser Schrecken erregenden Helligkeit unterschieden die Zitternden in der Tiefe der Felsenschlucht eine Menge Schatten von menschlichen Gestalten, deren lärmende Bewegungen mit den Schaukeln, der Barke und der blendenden Helligkeit verbunden, in treffender Nachbildung die Hölle mit ihren, in vielfachen schauderlichen Formen umherirrenden Geistern und Furien zeigte.

Von dem Lichtglanze begünstigt, leiteten die Matrosen mit schneller Vorsicht die schwankende Barke in eine eng zusammen laufende Stelle des Felsengewölbes, die hier eine Art von Bucht bildete, wo die Höhle sich endete. Eine in den Felsen gehauene Treppe, deren Stufen die Wellen bespülten, führte in eine schwarze Tiefe; auf der Treppe harrten einige Banditen mit brennenden Harzfackeln, ergriffen die ihnen aus dem Kahne zugeworfene Kette, und zogen den Erstern, bis dicht an der Treppe Stufen. Die räuberischen Schiffer sprangen hinauf, und erwarteten ein Gleiches von den beklagungswerthen Gefangenen, allein diesen war es unmöglich ihnen zu folgen, sie konnten sich nicht aufrecht erhalten, und die Matrosen waren genöthigt, sie die Treppe hinauf, durch mehrere enge, gewölbte Gänge, Fallthüren und eiserne Gitterthüren, von der seltsamsten Form, bis in die Mitte einer großen Küche zu tragen, deren Bauart die Zeiten der Gothen oder Sarazenen ins Gedächtniß zurückrief; ein altes, ungestaltetes Weib war hier mit dem Wegwaschen einer Menge Blut, das den Tisch und Fußboden färbte, und seit Kurzem erst vergossen zu sein schien, beschäftigt.

Die Räuber trugen Victoria und Octavia bis an diesen Ort, wo sie beide auf Armsessel niederließen, Hero aber, die ohne Besinnung in den Armen eines rohen Matrosen ruhete, ward von ihm ohne Schonung auf den Tisch gelegt.

Juan, sprach die Alte keifend, und ohne sich von ihrer Arbeit zu erheben, ist das hier der Platz, wo Ihr Eure todten Menschen niederlegen könnt?

Alles, was heute Abend umgekommen ist, haben wir im Walde gelassen, sprach einer der Männer, setzt Eure Brillen auf, Frau Therese, so werdet Ihr Euch überzeugen, daß diese hier nicht tod ist.

Es würde besser für sie sein, wenn sie es wäre, antwortete Therese und blickte Hero ins Angesicht, armes Geschöpf, wärest Du meine Tochter, ich würde Gott bitten, daß er Dir die Augen auf immer schließen mögte.

Ein schöner Wunsch zum Willkommen! lachte der Bandit. Ich glaube, wenn sie reden könnte, sie würde kein Amen zu Eurem frommen Oremus hinzufügen.

Die beiden Begleiterinnen der ohnmächtigen Hero befanden sich in einem Zustande der gänzlichen Erschöpfung, der es ihnen unmöglich machte, ihr so viel Hülfe zu leisten, als die bloße Menschlichkeit erforderte; aber die Banditen bekümmerten sich wenig um ihre angstvollen, bleichen Gefangenen, lärmend verließen sie die Küche, bis auf Juan, den die Alte, als auch er sich entfernen wollte, am Arme zurück hielt und ihr zu helfen aufforderte.

O wahrlich nicht, antwortete dieser trotzig, die Arbeit heute Abend war angreifend genug, es wird mir keiner verargen, neue Kräfte zu sammeln.

Ja wol, sprach Therese, Arbeit oder Müßiggang, das ist Euch gleich, zur Schwelgerei seid Ihr immer aufgelegt. Aber ich sage Euch Juan, Don Manuel hat befohlen, daß Ihr und Diego mit mir, heute die Arbeit im Schlosse verrichten sollt.

Juan murmelte zwischen den Zähnen, war aber gezwungen zurückzubleiben, er riß einige Federn aus dem Flügel eines Rebhuhns, zündete sie beim Lichte an und hielt sie unter Heros Nase, wärend Therese ihr Gesicht mit kaltem Wasser wusch; diese beiden Mittel wirkten, Hero schlug die Augen auf, erhob sich langsam, und erleichterte nun ihr Herz durch einen Thränenstrom.

Hierauf widmete Therese ihre Aufmerksamkeit den beiden andern Geraubten, und vorzüglich Victorien, die sie mit Blicken betrachtete, in denen Theilnahme und Mitleid unverkennbar waren, und die auf ihrem hageren, mit Runzeln bedecktem Gesichte eine ungewöhnliche Gutmüthigkeit hervorbrachten.

Liebe, junge Sennora, sprach sie bittend, zittert nur nicht so heftig, seid nicht so ängstlich. Obschon vor einer Stunde kaum, hier grade an dem Orte, wo Ihr Euch befindet, ein abscheulicher Mord begangen ist, so wette ich doch, daß Euch wenigstens für jetzt, nichts Uebles begegnen werde. Flink, Juan, reicht diesen armen Kindern ein Glas Wein, das wird sie ein wenig ermuntern.

Auf dieses Geheiß zog Juan aus einem Wandschranke eine volle Flasche hervor, füllte jeder Gefangenen ein Glas, und verschluckte mit einem Zuge den Rest, welcher seine mürrische Laune verscheuchte, und ihn Gefallen daran finden ließ, sich über die Alte lustig zu machen. Beide sprachen Spanisch, Catalonisch mit Castilianisch vermischt, und Victoria, welche diese Sprache vollkommen verstand, verlohr kein Wort von ihrer Unterredung; auch Octavia und Hero waren vermöge ihrer Kenntniß der italienischen und französischen Sprache im Stande das Spanische einigermaßen zu verstehen und sich verständlich zu machen. Therese bemerkte, daß es Zeit sei, ins Schloß hinaufzugehen, und das Gemach der Frauenzimmer einzurichten.

Ich bin verdammt, wenn ich mit Euch gehe! erwiederte Juan übermüthig.

Und doch werdet Ihr mich begleiten müssen, sagte Therese, denn Don Manuel, der wol fürchten mag, daß ich Gelegenheit suchen würde, davon zu laufen, hat mir verboten, allein dorthin zu gehen.

Weglaufen, fiel Juan lachend ein, das mögte Euch doch schwer werden. Nein, Don Manuel hat hierbei andere Ursachen, er weiß, daß Ihr ein Weib, und neugierig wie der Teufel seid. Wenn's also nicht anders sein kann, Marsch, alte Hexe, ich folge Euch.

Sobald sich Beide entfernt hatten, sah Victoria, die bisher ihre Augen zu erheben nicht gewagt hatte, Octavien mit einem Blicke an, der die Angst ihrer Seele genugsam ausdrückte, diese brach endlich das Stillschweigen, und flüsterte mit leiser, zitternder Stimme:

Ach, Signora, wir sind in schreckliche Hände gefallen!

Statt der Antwort seufzte Victoria, und Hero fing von neuem laut zu schluchzen an. In diesem Augenblicke drang das Getöse von vielen, sich lärmend nähernden Männertritten und Stimmen, die durcheinander laut sprachen, in ihre Ohren. Dieses Geräusch schien aus einem naheliegenden Zimmer herzuschallen, ihm folgte lautes, anhaltendes Lachen, und dann vereintes, tobendes im Chor wiederholtes Singen, von dem das Gemäuer erzitterte, und welches den Anfang des zügellosesten, rohesten Bachanals verkündete. Die unschuldige, keusche Victoria schauderte vor Angst und Entsetzen bei diesem gräßlichen Tumult, und ergriff, als es ihr unmöglich war, mit gelähmter Zunge ihre schreckenvollen Ahnungen der Unglücksgefährtin mitzutheilen, Octaviens Hand, die sie ausdrucksvoll, aber krampfhaft drückte.

Bewahre uns der Himmel vor einer solchen Gesellschaft! rief Bernini, welche den Sinn dieses rührenden, schutzsuchenden Händedrucks wol verstand, seufzend aus: Lasset uns hoffen, theure Gebieterin, daß uns dies schreckliche Schicksal nicht bestimmt sei; lasset uns auf den Beistand der göttlichen Vorsehung vertrauen.

» Sie allein ist die Beschützerin der Unschuld in dieser höllischen Wohnung!«

sprach plötzlich eine starke, wohlklingende Stimme, deren Ton den ganzen Umfang der geräumigen Küche ausfüllte, so daß es auch dem feinsten Gehör unmöglich gewesen sein würde, den Ort zu bestimmen, wo sie erschallte.

Erschrocken und sprachlos blickten die drei Gefangenen nach allen Seiten mit ängstlichen Augen umher, konnten aber die Entstehung dieses tröstlichen Zurufes nicht entdecken. Nach langem Stillschweigen sprach Octavia mit bebender Stimme.

Heilige Jungfrau, beschütze uns, was mag dieses bedeuten?

Diese Worte, sagte Victoria mit erzwungener Ruhe, aus wessen Munde sie auch kommen mögen, müssen uns Muth einflößen, und unser Vertrauen auf Gott vermehren.

Ach, fiel Hero schluchzend ein, was haben wir verbrochen, daß uns der Himmel in diese Teufelshöhle stößt, wo die Luft redet, und die Mauern Ohren haben. Ach gewiß ist es meine Strafe, weil ich den Klöstern Uebles nachgeredet habe, und wie glücklich würde ich mich jetzt fühlen, wäre ich auch in dem traurigsten und engsten eingeschlossen.

Nun brach die weinende Dirne in Wehklagen aus, bis die Rückkehr Theresens und Juans, die das Abendessen zubereiteten, der Furchtsamen den Mund schloß.

 


Fünftes Kapitel.

Unser Herr, begann Therese, muß in Wahrheit ein weites Gewissen und einen sehr guten Magen haben, wenn er nach dem, was er hier vollbracht hat, zu Abend essen kann. Er hat sich hinlänglich mit Blut gesättigt, um noch Neigung zum Essen zu haben.

Narrenpossen, fiel Juan, ein, Ihr sprecht wie eine alte Betschwester; sind Leute unseres Schlages nicht an Blut gewöhnt? Ich für meinen Theil, werde mein Abendessen mit gutem Appetit verzehren, und habe doch heute Abend auch Einige in die andere Welt spedirt. Beim heiligen Nicolo, es ging heiß im Walde her, Eure Diener, Sennores, hatten guten Widerstand geleistet, und ließen sich als brave Leute tödten.

Bei diesen Worten, eines für das Verbrechen abgehärteten Mörders, glaubte die arme Hero schon das Messer in ihrer Brust zu fühlen, außer sich stürzte sie zu Juans Füßen auf ihre Knie, und bat um Gnade für ihr Leben.

Was will die Kleine, fragte Juan verwundert, ist sie närrisch geworden? Sei ruhig, mein Engel, fuhr er lachend fort, und streichelte ihr vertraulich die nassen Wangen, wenn wir so hübsche Dirnen fangen, wie Du bist, so hüthen wir uns wol, sie zu tödten, so etwas begegnet uns nicht alle Tage, wir wissen es zu schätzen.

Victoria schauderte, der kleine Rest von Standhaftigkeit verließ sie, und sie sank auf dem Lehnsessel in eine tiefe Ohnmacht, ohne daß ihr Zustand von den Andern bemerkt wurde. Bei Hero hingegen brachten die Worte Juans eine entgegengesetzte Wirkung hervor; als sie ihr Leben gesichert wußte, fühlte sie sich vollkommen beruhigt; und ihre gewöhnliche leichtsinnige Schwatzhaftigkeit fand sich wieder ein.

Ihr wollt mir schmeicheln, mein werther Herr, sprach sie zu Juan, wenn Ihr mich hübsch nennt, denn in diesem Augenblicke bin ich des Anschauens gar nicht werth; ich habe so viel geweint, und bin so angst gewesen, daß ich ganz unkenntlich sein muß.

Therese sah sie verächtlich an, und zuckte kopfschüttelnd die Achseln.

In demselben Augenblicke trat ein wie Juan und die übrigen von der Bande gekleideter Mann in die Küche. Er schien ungefähr dreißig Jahr alt zu sein, und war groß und gut gewachsen. Seine auf der Stirn gescheitelten schwarzen Haare waren mit einiger Sorgfalt geordnet, und eigneten sich vortheilhaft zu einem regelmäßigen, nicht unangenehmen Gesichte, auf dem jedoch die Anstrengung und Gefahren seines Handwerks tiefe Spuren eingedrückt hatten, und welches von der Sonne braun gebrannt war. Beim ersten Anblick zeigte seine Gesichtsbildung einiges rohes und sogar wildes, aber ein wenig Menschenkenntniß entdeckte bald, daß dieser Anschein nur die Frucht der Gewohnheit war, und seinen natürlichen Anlagen und innerm Gefühle zu widersprechen schien.

Ach, endlich kommt Ihr, Diego! redete ihn die Alte an.

Nun, was giebts denn? fragte dieser.

Eine närrische Dirne, erwiederte Therese, die noch vor wenigen Augenblicken aus Angst, man mögte ihr den Hals abschneiden, fast starb, und die nun so zahm ist, daß sie schon mit Juan liebäugelt und kokettirt.

Diego blickte Hero kaum an, denn seine ganze Aufmerksamkeit wendete sich Victorien zu, deren Zustand schnelle Hülfe verlangte. Von Octavien, Theresen und Juan unterstützt, gelang es ihm, sie ins Leben zurückzurufen, worüber er seine Freude deutlich verrieth. Ein Beweiß von der Unwiderstehlichkeit der mit Unschuld vereinigten Schönheit, die auch bei diesem Banditen ihre Allgewalt nicht verfehlte. Auf Diego's Zureden verließ Juan mit ihm die Küche, und nun bemühete sich Therese, die sich mit den Gefangenen allein befand, sie aufs Beste zu trösten.

Dieses Schloß, sprach sie, ist ein sehr großes schönes Gebäude, wenn gleich ein trauriger und schrecklicher Aufenthaltsort. Es ist so alt wie die Welt, und wie man erzählt, von einem unserer catalonischen Prinzen erbaut, um ihm in den Zeiten des Einfalls der Sarazenen, zum Sicherheitsorte zu dienen. In der Absicht, seine Leute und Schätze zu verbergen, versah er dieses Fort mit, ich weiß nicht, wie viel unterirrdischen, versteckten Gängen, geheimen Thüren, Verließen und seltsamen Maschinen, obschon die natürliche Lage desselben von Felsen und Wasser eingeschlossen, es von Außen unsichtbar machen. So lange dieser Prinz lebte, blieb es den Heiden unmöglich, das Schloß zu entdecken und zu erobern, und vielen Geistlichen und andern frommen Rittern diente es zum Zufluchtsorte in den Zeiten der argen Bedrückung; aber nach seinem Tode, als die Mauren das ganze Land unterjochten, fiel auch dieses Fort durch Verrath in ihre gottlosen Hände, und alle gute Christen starben unter den schrecklichsten Martern, die ihnen diese Barbaren ausstehen ließen. Seht nun besitzen es andere Leute, die unter uns gesagt, auch nicht viel besser als Heiden sind. Die Seelen der armen Ritter, Mönche und Nonnen, die hier so grausam ermordet wurden, erscheinen in schreckhaften Gestalten, um die Lebendigen zu schrecken und zum Gebete zu zwingen, oft hört man Geschrei, Gepolter und Kettengeklirre, man könnte vor Furcht sterben; ja und ich mag Euch nicht verhehlen, daß sogar in dem Zimmer, wo ihr schlafen sollt, sich Gespenster sehen lassen. O, in diesem Zimmer fallen unbegreifliche Dinge vor, man findet dort oft ganze frische Blutflecken, die, man mag sie noch so lange waschen, am andern Tage wieder sichtbar sind, ohne daß man errathen kann, woher sie entstehen. -- Doch das gehört nicht hieher, so viel kann ich Euch aber sagen, ich hatte eine entsetzliche Angst, als man mich hieher brachte, und obgleich ich nun schon seit vielen Jahren hier lebe, so kann ich mich doch nicht daran gewöhnen. Ich habe so viel gräßliche Dinge gesehen, daß mir bei dem bloßen Gedanken daran, schon das Blut zu Eis gefriert. Bei dem Allen muß ich Euch sagen, Don Manuel ist ein guter Gebieter, er läßt es uns an nichts fehlen, aber, was die Freiheit anbetrifft, damit ist's vorbei. Ist man einmal hier, so ist solches für die ganze Lebenszeit, man hat selbst nicht einmal Mittel an Flucht zu denken. Das Schloß ist von hohen Felsen, tiefen Abgründen, Höhlen, Strömen, und dichten Waldungen umringt, ich weiß es von dem armen Gago, den mein Herr hier vor ungefähr drei Stunden um's Leben brachte.

Durch einen unglücklichen Zufall, ohne Zweifel? fragte Victoria schaudernd.

Ja wol, Zufall, hier bringt man Niemand durch Zufall ums Leben, meine schöne Sennora. Seit vier und siebenzig Jahren war dieser unglückliche Gago im Schlosse, als Kind war er hier von dessen vorigen Besitzer aufgezogen, Don Manuel hatte keinen treuern Diener oder vielmehr Sclaven, und doch, heute Abend, da grade wo Ihr jetzt sitzt, entstand einiger dem armen Greise entschlüpften Worte halber, die von großer Wichtigkeit sein sollen, zwischen ihm und Don Manuel ein heftiger Wortwechsel, und blutige Vorwürfe von beiden Seiten, die damit endeten, daß Don Manuel in einem Anfalle von Wuth ein Pistol aus seinem Gürtel zog, und dem unglücklichen Neger den Kopf zerschmetterte, ohne daß ich es verhindern konnte.

Der Eintritt Diego's unterbrach die Erzählung. Es muß noch für drei Personen gedeckt werden, sprach er zu Theresen, Don Manuel wünscht mit seinen neuen Gästen zu Abend zu essen.

Victoria, noch von Schauder über den Mord erfüllt, konnte einen Schrei des Entsetzens nicht zurückhalten.

Warum schreiet ihr denn so, fragte Diego, meine schöne Dame. Wenn ich sage, dass Don Manuel mit Euch essen will, so heißt das, Ihr sollt ihm bei Tische Gesellschaft leisten, aber Euch wird er nicht speisen.

Seid nicht so barsch, Diego, sagte Therese, es ist ja ganz natürlich, daß dieses junge Frauenzimmer ängstlich sein muß, aber Ihr, mit Eurem sonst so guten Herzen, Euch ziemt es nicht, dergleichen boshaften Scherz zu treiben.

Es ziemt mir, meinem Gebieter zu gehorchen, und seine Befehle pünktlich zu erfüllen.

Als wir Beide, fuhr die Alte fort, Ihr und ich hier ins Schloß kamen, stimmten unsere Gesinnungen ganz überein, wir hielten es für unsere erste Pflicht, menschlich und theilnehmend zu sein.

Larifari! rief Diego, drehete sich auf dem Absatze schnell um, und eilte hinweg.

Ach, seufzte Therese, so können schlechte Gesellschaften und böser Umgang die besten Anlagen verderben. Als ich hier ankam, war Diego kaum funfzehn Jahre alt, und wenn gleich bereits in das Handwerk eingeweiht, war er weit entfernt Gefallen daran zu finden. Ich sah ihn oft Stunden lang weinen, so oft er gezwungen gewesen, an irgend einer gottlosen Handlung Theil zu nehmen. Im Augenblicke des Angriffs war er stets der Erste im Feuer, und der Herzhafteste von der ganzen Bande, aber nach gelungener That, lief er gleich einem Verzweifelten in allen Winkeln des Schlosses umher, aß nicht, trank nicht, und hätte für keinen Preis der Welt, seinen Antheil von der Beute genommen. Jetzt ist er ein ganz anderer Mensch, und zwar seit einem grausamen Vorfalle, der ihm das Herz brach, und mir allen meinen wenigen Trost raubte.

Thränen brachen aus Theresens Augen, sie weinte, und fuhr dann fort:

Sehet nun, wie das Unglück bei verschiedenen Gemüthern, auf verschiedene Weise einwirkt. Ich bin so schwach geworden, so elend, daß ich wie ein Kind weine, und dieselbe Ursache hat Diego's Herz zu Stein gehärtet, denn von diesem unglücklichen Zeitpunkte ist er einer der schlimmsten von der Bande geworden. -- Aber, meine gute junge Sennora, laßt Euch nur nicht von der Traurigkeit gar zu sehr niederdrücken, so unmenschlich auch Don Manuel zuweilen ist, so bin ich doch überzeugt, daß er Euch kein Leides zufügen werde. Man sagt, er sei früher ein sehr braver Herr gewesen, und Liebesgram allein soll seine Gesinnungen so seltsam, und ungünstig geändert haben; vielleicht bedürfte es nur einer andern Liebe, um ihn auf den guten Weg zurückzubringen.

Die Art wie Therese bei diesen Worten Victorien anblickte, ließ dieser über deren Sinn, und der Alten innerlichen Wunsch keinen Zweifel übrig; sie seufzte und die Zukunft, welche sich ihrem beängstigten Geiste zeigte, machte ihr Blut erstarren.

Endlich war das Abendessen bereit, Diego nahete sich mit ungewöhnlicher Höflichkeit, Victorien anzukündigen, daß Don Manuel auf die Ehre rechne, sie mit ihren Begleiterinnen an seinem Tische zu bewirthen. Eine Weigerung hatte wenig genutzt, Victoria fühlte die Nothwendigkeit zu gehorchen, doch ihr Zustand außerordentlicher Schwäche, verbot ihr ohne Führer zu gehen, und sie sah sich genöthigt, Diego's Arm als Stütze anzunehmen. Mit wankenden Schritten folgte Octavia, und nach dieser Hero, die noch auf dem Wege ihren Anzug bestmöglichst zu ordnen sich bestrebte.

Diego führte seine ängstliche Begleiterinnen durch einen langen, engen, von einer Lampe erleuchteten Gang, eine Treppe hinauf, in einen hohen, großen Saal von gothischer Gestalt, an dessen beiden Seiten alte, von der Zeit und dem Roste zerfressene Waffen und Rüstungen aufgestellt waren, über welchen an Lanzenschaften einzelne Stücke von Fahnen und Panieren hingen, auf denen man verschiedentlich noch den halben Mond und andere Wappen und Feldzeichen der Mauren erkannte. Von der hohen Decke des weiten Saales herab, hing eine einzige Lampe, die mit ihrem schwachen, flackernden Lichte nur dürftige Helligkeit verbreitete, und in den Winkeln und Nischen der Halle völlige Finsterniß zurückließ. Stillschweigend folgte der Zug dem Führer durch diese schauerliche Dämmerung, als Diego die Flügel einer hohen Thür aufriß, und den Erstaunten einen schönen, geschmackvoll eingerichteten und erleuchteten Saal zeigte, wo das Abendessen bereit stand und Don Manuel, mit seinen beiden Gefährten Garzias und Alonzo ihrer wartete.

Don Manuel empfing Victorien mit ausgezeichneter Achtung und Höflichkeit, führte sie an der Tafel Ehrenplatz zu seiner Seite, wärend Garzias Octavia einlud sich neben ihm zu setzen, und Hero eine gleiche Aufmerksamkeit von Seiten Alonzos widerfuhr.

Victoria fürchtete in Don Manuels Person das rohe, abschreckende Aeußere eines gemeinen raubgierigen Räuberhauptmanns zu finden, sie war daher nicht wenig erstaunt, als sie im Gegentheile ein angenehmes und edles Gesicht, verbunden mit einer schönen, hohen Gestalt erblickte. Don Manuel schien acht und dreißig bis vierzig Jahr alt zu sein, obgleich er zehn Jahr mehr zählte, so sehr verjüngte ihn die Anmuth seiner Gestalt und blühenden Gesichtsbildung. Seine Augen, voll Feuer und Ausdruck, verriethen keine Grausamkeit, sein stolzer aber gefälliger Blick zeigte Spuren von unverkennbarer Sanftmuth, und sobald sich sein Mund zum Lächlen bewegte, gewannen seine Züge einen seltsam hohen Liebreiz. Alle diese Vorzüge erhöheten ein einnehmendes, ungezwungenes Betragen, auffallende Artigkeit, ein gebildeter, heller Verstand, und sein unterhaltendes witziges und mannigfaltiges Gespräch.

Garzias hingegen war in allen Stücken das Gegentheil dieser Skizze. Sein fast kolossalischer Wuchs war unregelmäßig und vernachlässigt, die Boßheit seiner Seele lag auf seiner Stirn ausgedrückt, und umsonst suchte man in seinem Gesichte einen Zug aufzufinden, der nicht den, für jedes Verbrechen abgehärteten, schwarzen Bösewicht verrathen hätte.

Viel jünger als die beiden andern, besaß Alonzo eine von jenen Gesichtsbildungen, die regelmäßig schön sind ohne zu gefallen, und sanft scheinen ohne Zutrauen einzuflößen. Bei näherer Beobachtung erkannte man in dieser scheinbaren Sanftmuth keine Herzensgüte, sondern einen Mangel an Kraft und Wildheit, die natürliche Folge der Ausschweifung, welche seinen Körper entnervt, und der Verführung, die seiner Seele spärliche guten Blüthen verwelkt hatten.

Sobald Victoria erschien, war Don Manuels Auge, seine ganze Aufmerksamkeit nur auf sie gerichtet, er sparte keine Worte, keine Mühe sie zu beruhigen, und ihr zu gefallen, und benahm sich mit so viel Wohlanständigkeit und Hochachtung, daß wenn es ihm auch nicht gelang, ihr den Zustand der schrecklichen Gefangenschaft, in welcher sie sich befand, vergessend zu machen, so erleichterte doch sein ehrerbietiges Benehmen ihr Herz von der Furcht, Gewaltthätigkeiten erleiden zu müssen, und mit der Rohheit verworfener Banditen behandelt zu werden.

Nachdem das Abendessen eingenommen war, und sich die Diener entfernt hatten, beeiferte sich Alonzo, der Victorien mit glühenden und vom Weine erhitzten Augen, in denen sich der Drang der Begierden malte, durchbohrte, der Unterhaltung eine freiere, weniger anständige Wendung zu geben, und einige Zweideutigkeiten mit einfließen zu lassen; doch führte ihn Don Manuel mit eben so viel Gewandheit als Ernst, stets in die geziemenden Schranken zurück, bis sich endlich Alonzo so weit vergaß, daß ihm in der Berauschung ein plumper, gemeiner Scherz entfuhr, der die sittsamen Ohren der unschuldigen Victoria schwer beleidigt haben würde, wenn ihr, der Unerfahrenen, nicht glücklicherweise der Sinn von Alonzos zweideutigen Worten völlig unverständlich gewesen wäre; Octaviens Gesicht färbte sich dagegen hochroth, und Hero senkte gleich der verschmitzten Kokette die Augen, und verbiß ein Lächeln auf ihren Lippen. Aber Don Manuel, der aus unverkennbarer Achtung für Victorien seinen Zorn zurückhielt, warf auf den schamlosen Spötter einen sprechenden, drohenden Blick, der diesem die Sprache benahm, und ihm für die übrige Abendzeit den Mund schloß. Dieser schreckliche Blick war Victorien nicht entgangen, er machte sie beben, und mit der Ursache unbekannt, anstatt in ihrem Innern ihm für seine Schonung zu danken, schloß sie hieraus, daß Don Manuel unter einem gelassenen, anscheinend sanften und gefälligen Aeußern, einen bösartigen, wilden Character verberge, und sich auf künstliche Weise seiner natürlichen Vorzüge und der Hülfsquellen einer sorgfältigen Erziehung bediene, um die Heftigkeit seiner Leidenschaften zu verleugnen. Victoria's frühere Aengstlichkeit kehrte mit erneuerter Gewalt zurück, und das Schrecklichste fürchtend, wuchs ihre Unruhe mit jedem Augenblicke.

Das Zeichen der Misbilligung auf Don Manuels Stirn war bald verschwunden, mit Lebhaftigkeit knüpfte er den Faden der Unterhaltung wieder an, als die Schloßuhr sich hören ließ und mit langsamen, schauerlichen Tönen die Mitternachtsstunde anzeigte. In demselben Augenblicke entstand ein schreckliches Getöse; ein Rollen, wie von hundert vereinigten Donnerschlägen, das die Ohren betäubte, und die Brust beengte, schien sich aus dem Schooße der Erde zu erheben und unter den Gewölben zu toben. Das ganze Schloß erzitterte wie von einem Erdbeben geschüttelt, die Bogenfenster klirrten, der getafelte Fußboden drohete zu bersten, und in jedem Augenblicke erwartete die bleiche, halbohnmächtige Victoria mit ihren angstvollen Begleiterinnen, daß die Räuberfeste sammt den hohen schrecklichen Felsenmassen, an die sich ihre Mauern lehnten in Trümmern zusammen stürzen, und die Strafbaren gleich den Unschuldigen in dem verschlingenden Abgrunde begraben würde.

Bestürzt sprangen Don Manuel, Garzias und Alonzo auf, schoben die erschrockenen Gefangenen in das angrenzende Gemach, und übergaben sie den Händen Theresens, Diego's und Juans, welche von Entsetzen ergriffen, herbeigeeilt waren.

Therese, sprach Don Manuel mit erzwungener Ruhe, und unterdrückter Bestürzung, führt unsere neuen Gäste auf ihr Zimmer, habt Sorge, daß es ihnen an nichts fehle, und betragt Euch gegen sie, mit der Achtung, die sie verdienen. Was die Sennora betrifft, fuhr er auf Victoria, deren Hand er hielt, zeigend fort, so soll sie hier mit der größten Ehrerbietung behandelt werden, und will ich in ihr die zukünftige Gebieterin dieses Schlosses geehrt wissen. Du, Diego, kennst meine Absichten, ich brauche Dir weiter nichts zu sagen.

Hierauf übergab er die kalte, zitternde Hand der armen Victoria Theresen, verbeugte sich tief und mit dem Anstande eines gebildeten Weltmannes, ging rasch in den großen Saal, wohin ihn seine beiden Gefährten begleiteten, zurück, und verschwand aus den Augen der Bestürzten.

 


Sechstes Kapitel.

Die drei Gefangenen und selbst Therese folgten in einem schwer zu beschreibenden Zustande des Schreckens ihren Führern, vor ihnen ging Juan mit einer Wachskerze und Diego beschloß den Zug. Aus dem Zimmer, in welchem sie sich befanden, gelangten sie durch einen schmalen Gang in einen zweiten Saal, an welchen eine Treppe stieß, die man hinaufstieg, und nun eine lange Gallerie vor sich sah, welche mit einer alten mit Figuren in Lebensgröße bemalten Tapete ausstaffirt war, die ihrer von der Zeit geschwärzten Gesichter halber, der armen Hero lauter entsetzliche Gespenster zu sein schienen.

Juan und Diego, welche Hero's und Theresens Furchtsamkeit belustigte, suchten boßhafterweise ihre ungegründete Angst noch durch eine Menge Geistergeschichten, die ihr Erfindungsgeist ersann, zu vermehren, welches ihnen vollkommen gelang.

Die lange Gallerie endigte sich mit zwei Gängen rechts und links, in deren Mitte und der Gallerie gegenüber sich eine ungeheure concave Thür befand, die mit der vor ihr befindlichen schönen Colonade einen Zirkel bildete. Im Innern dieses Säulen Bogens sah man die kolossalische Bildsäule des Neptuns, mit dem Dreizack, und an einer der drei Spitzen desselben hing ein sehr gut erhaltenes, blendendweißes menschliches Gerippe. Bei diesem Anblicke fuhr Victoria wie ihre Begleiterin Bernini vor Entsetzen zurück, und Hero stieß einen lauten Schrei aus.

Warum schreit Ihr denn so heftig? fragte Juan spöttelnd, das ist hier unser Zergliederungssaal.

Ach! schrie Therese, möge Euch der Himmel dafür bewahren, je einen Fuß in diesen schrecklichen Saal zu setzen. Laßt uns schnell vorübergehen, fügte sie hinzu, und zog Victorien mit aller Gewalt beim Arme, wenn ich an Alles dasjenige denke, was ich von diesem schrecklichen Orte weiß, so stehen mir die Haare zu Berge.

Drohend blickte sie Diego an, zog ein Pistol aus seinem Gürtel, hielt es ihr unter die Nase und sprach:

Therese, Ihr wißt, es giebt Dinge, von denen zu reden verboten ist, wenn man nun doch nicht schweigen will, so wißt Ihr ebenfalls, was daraus entsteht.

Ohne ein Wort zu erwiedern, eilte Therese in den zur Rechten liegenden Gang, wobei sie noch immer Victoria hinter sich her zog, bis am Ende dieses Saals eine halbgeöffnete Thür ihre Schritte hemmte, welche sich bei ihrer Annäherung mit Ungestüm schloß, ohne daß es den Anstrengungen Theresens gelingen wollte, sie wieder zu öffnen.

Diego, rief diese in einer Art von Verzweiflung, ob wir heute oder Morgen sterben, gilt gleich, die Geister der Unterwelt sind gegen uns losgelassen, ihnen zu widerstehen ist vergeblich.

Das wollen wir gleich sehen, antwortete dieser; trat zur Thür, und stemmte sich mit aller Gewalt gegen dieselbe; aber sie schien von innen so fest gehalten zu werden, daß weder seine nicht gewöhnliche Körperstärke, noch Juans Hülfeleistung sie zum weichen bringen konnten.

Das ist in der That wunderbar, bemerkte Diego mit etwas bestürzter Stimme, und nach einer Pause sprach er zu Theresen; es kann nicht anders sein, Therese, Ihr müßt diese Thür verschlossen haben, als Ihr das Zimmer aufgeräumt habt.

Mein Gott, nein, antwortete die Alte in Verwirrung, ganz sicher nicht, Juan ist Zeuge, und der beste Beweis, daß ich sie nicht verschloß, ist der, als wir uns der Thür näherten, war sie beinahe halb offen, wie Ihr gesehen haben müßt.

Das ist wahr, fügte Victoria hinzu, ich sah es deutlich, wie auch daß sie sich mit Gewalt schloß, als wir im Begriff waren einzutreten.

Und noch mehr, unterbrach Therese, beim Anfassen des Drückers am Schlosse, fühlte ich innerhalb ein Widerstreben, als ob Jemand ihn gehalten hätte, zwar wich die Thür auf einen Augenblick, und schien sich öffnen zu wollen, gleich darauf aber drängte sie mir eine übermenschliche Gewalt, mit der ich nicht streiten kann, wieder entgegen, und die Thür schloß sich von neuem.

Das ist ein unbegreiflicher Zufall! sagte Diego mit Nachdenken, ich glaube nicht an Gespenster, und doch bin ich zu überzeugt, daß Niemand im Innern sein kann. Aber nur Geduld, ich werde Werkzeug suchen, um diese Thür, welche sich auf eine so seltsame, geheimnißvolle Art schließt, aufzubrechen.

Dazu werdet Ihr wahrscheinlich das Licht mitnehmen wollen? fragte die ängstliche Therese.

Ohne Zweifel, kann ich im Dunkel wol das Nöthige finden?

In diesem Falle gehe ich mit Euch, denn für nichts in der Welt bliebe ich hier ohne Licht zurück.

Nach diesen Worten lief Therese hinter Diego, der die Wachskerze aus Juans Händen genommen hatte, her, auch Hero faßte ängstlich den Rockschooß Diego's, und wollte ihn nicht verlassen, und Octavia folgte ebenfalls mechanisch den Uebrigen, zu denen nun auch Juan, dessen Herzhaftigkeit nicht unverwundbar zu sein schien, sich gesellte; die einzige Victoria, in diesem Augenblicke der allgemeinen Spannung, von Jedermann vergessen, blieb von Finsterniß umgeben, zurück, denn von den Ereignissen der Nacht erschöpft, wankten ihre Knie, sie konnte ihren Führern nicht folgen, die Vorboten einer Ohnmacht fühlend, lehnte sie sich an die widerspenstige Thür und ergriff anklammernd das gewaltige Schloß, aber diese Stütze war für ihres Körpers Gewicht zu schwach, ihre Schwäche zu groß, sie sank, die Thür öffnete sich jetzt von selbst, und die arme Victoria, auch dieser Hülfe beraubt, fiel in das Innere des geheimnißvollen Zimmers, mit dem Gesichte zur Erde. Der Schreck, so wie die Gefahr eines harten Falles, gab ihr die Besinnung wieder, sie streckte die Hände aus sich zu sichern, da berührte ihr Arm eine sanfte glatte, aber brennendheiße Oberfläche, die an demselben hinaus gleitete, und ihr einen schmerzhaften Brand verursachte, zu gleicher Zeit hörte sie ein Geräusch, wie das Rauschen der von Winde bewegten Baumblätter.

Auf Victoriens durchdringendes Schreien kehrte Diego von den Andern gefolgt, zu ihrer Hülfe eilig zurück, und fand sie zu seiner Verwunderung ohne Besinnung auf dem Fußboden des Gemaches, dessen Thür ihre vereinigten Kräfte nicht hatten öffnen können. Bestürzt und für ihre Gesundheit besorgt, hob sie Diego sanft empor, und legte sie auf ein nahestehendes Bett, die Merkmale des Brandes und einige Blutflecken an ihrem Arme, beunruhigten ihn anfangs, aber nach genauer Untersuchung fand sich keine Spur von einer Wunde, aus der das Blut geflossen, sein konnte, auch erholte sich Victoria nun, und erzählte was ihr begegnet sei.

Therese und Hero sahen in diesem unbegreiflichen Vorfall eine Weissagung des Himmels, der Victorien das unglücklichste Schicksal verkündete, und selbst Diego, für den das Brandmaal und die Blutflecken unerklärbare Dinge blieben, konnte eine Anwandlung von Furcht nicht unterdrücken; nichts desto weniger durchsuchte er mit Juan jeden Winkel, um den Ursprung des Vorgefallenen zu entdecken, aber alle ihre Bemühungen blieben vergebens. Das Gemach hatte nur eine Thür, die Fenster waren mit Laden verschlossen, und kein Ausgang sichtbar, wodurch Jemand hätte entweichen können, der verwirrte Diego vermuthete daher, daß ein im Gemache versteckt gewesener Bewohner des Schlosses, die Ohnmacht Victoriens benutzt haben müsse, um bei ihr vorbei, den Gang entlängs zu entfliehen.

Alle Eure Sachen sind in diesem Schranke geordnet, sprach Therese, das Nachtkleid liegt auf diesem Lehnstuhle, das große Bett ist für Euch, Sennora, jenes zur rechten Seite für Eure ältere, und das dort im Winkel für Eure junge Begleiterin bestimmt.

Hierauf näherte sich Diego ehrfurchtsvoll Victorien, und betheuerte, daß sie ruhig schlafen könne, und er mit seiner Ehre und seinem Leben in dieser Nacht für jeden Unfall hafte. Bei diesen Worten waren seine Augen auf Victorien fest gerichtet, eine sonderbare Mischung von Verwunderung und Theilnahme sprach aus seinen Blicken, plötzlich überzog sich sein Gesicht mit einer schnell verschwindenden Todtenblässe, er seufzte, zündete dann eine Lampe an, stellte sie auf den Rand des Kamins, wünschte Victorien und ihren Begleiterinnen wohl zu ruhen, und ging hierauf mit Theresen und Juan davon.

Als sich Victoria mit Octavia und Hero allein sah, verschloß sie des Gemaches Thür sorgfältig, und nun war ihr erstes Geschäft im heißen Gebete zu Gott zu flehen, um aus der wahren Quelle aller Tugenden den Muth und die Geduld zu schöpfen, deren sie in ihrer gegenwärtigen Lage so sehr bedurfte. Octavia, nicht weniger fromm als ihre Gebieterin, that dasselbe, auch Hero folgte ihrem Beispiele, und fand in dieser heiligen Beschäftigung ein wirksames Mittel zur Minderung der tödtlichen Angst, die sie peinigte.

Die ganze Nacht schlich den Unglücklichen in Thränen, Seufzern und Wehklagen vorüber, es war ihnen unmöglich zu schlafen, nur als der Sonne erste Strahlen durch die Oeffnungen in den Fensterladen ins Zimmer drangen, und ihnen mehr Schutz zu versprechen schienen, warfen sie sich noch angekleidet auf ihre Betten, und genossen für einige Augenblicke der Ruhe. Um acht Uhr ließ sich Therese an der Thüre hören, die ihr von Hero sogleich geöffnet ward.

Arme Kinder, sprach die gute Alte, Ihr seid schon angekleidet. Mich dünkt, Ihr habt wenig geschlafen, ich sehe es wol an Euren Augen, aber wundere mich nicht darüber, man muß an dieses häßliche Schloß gewöhnt sein, um darin schlafen zu können. Lange Zeit ging es mir eben so, aber auch Ihr werdet bald mir nachahmen, und eben so ruhig schlafen wie ich. Aber, fügte sie hinzu, und blickte unruhig im Gemache umher, ist Euch in dieser Nacht nichts vorgekommen?

Niemand hat uns gestört, antwortete Victoria.

Dafür danke ich dem guten Gotte. Ich habe wegen Eurer erschreckliche Angst ausgestanden. Nun kommt zum Frühstück. Mein Herr ist noch nicht wieder zurück, so wenig wie Garzias und Alonzo, ihr werdet also nur den Sennor Sebastian unten finden. Der wird Euch nicht angst machen, es ist ein braver Herr, dessen Herz gebrochen ist, aber er macht es wie ich, verheimlicht seinen Gram, und hüthet sich davon zu reden.

Wer ist dieser Sennor Sebastian? fragte Victoria.

Ach, wer weiß das! antwortete Therese. Er war schon im Schlosse als ich hier ankam, und wird es wahrscheinlich noch nach mir bewohnen, wenn ihn seine Leiden nicht etwa früher tödten.

So werden wir doch wenigstens einen Unglücksgefährten finden, sprach Victoria. Aber gute Therese, sagt mir doch, in so fern ihr dürft, wodurch entstand das furchtbare unterirrdische Getöse gestern um Mitternacht?

Mein Gott! erwiederte diese, ich weiß davon nicht mehr wie Ihr. Leider hörte ich es schon viele Male, und weiß auch, daß es meine Gebieter in große Unruhe versetzt; denn so bald es sich hören läßt, verlassen sie auf kurze oder lange Zeit das Schloß, zuweilen kehren sie schon am andern Tage zurück, oft auch dauert ihre Abwesenheit mehrere Monate. Mir scheint es, als ob es eine Benachrichtigung der bösen Geister, mit denen sie in Verbindung stehen, ist, um sie von einer ihnen drohenden Gefahr in Kenntniß zu setzen; doch habe ich auch Beispiele, daß zuweilen das ganze Schloß von diesem Getöse erzitterte, sobald irgend eine große Grausamkeit oder Uebelthat hier begangen werden sollte, und dann war die Erschütterung hinreichend, die Ausübung zu verhindern. Was wollt Ihr sagen, meine gute Sennora, alles ist geheimnißvoll in diesem Felsenneste, ich sehe zwar wenig, aber auch das Wenige -- wenn ich es entdecken dürfte? -- aber -- doch kommt zum Frühstück.

 


Siebentes Kapitel.

Therese führte die Gefangenen in den Saal wo sie zu Abend gegessen hatten, und das Frühstück bereitet stand, zurück. Hier fanden sie einen ältlichen Mann, von ernstem, ehrwürdigen Ansehn, mit dem Ellenbogen auf den Tisch gestützt, den Kopf auf der Hand ruhend, in tiefes trauriges Nachdenken versunken. Bei ihrem Eintritte erhob er sich, und ließ ihnen ein Gesicht voll Sanftmuth und Würde sehen, auf welchem noch Spuren von männlicher Schönheit, zwar von einer mit Falten bedeckten Stirn beschattet, bemerkbar waren. Beim ersten Anblick schien er sehr alt zu sein, allein nach reiflicher Prüfung seiner Züge, erkannte man in denselben mehr das Gepräge des Unglücks als des Alters, und konnte ihn nicht betrachten, ohne eine lebhafte Theilnahme und sogar Rührung zu fühlen; sein Aeußeres war ganz dazu geschaffen, Hochachtung Zutrauen und Zuneigung einzuflößen, auch empfand Victoriens empfängliches Herz eine Regung von theilnehmender Freundschaft für diesen Greis, dessen Leiden sie durch Vermehrung der ihrigen willig gemildert haben würde.

Don Sebastian richtete seine Blicke vorzüglich auf Victorien, er betrachtete sie mit bescheidener, aber ungewöhnlicher Aufmerksamkeit, sein Antlitz verrieth Erstaunen und Schmerz, und das Gemälde seiner eignen Leiden schien sich bei ihrem Anblicke zu erneuern.

Großer Gott! rief er mit gefalteten Händen, und zum Himmel gewendeten Augen unwillig aus: Also diese ist ihr Opfer! Dann fügte er, um den Schreck, den dieser Ausruf auf Victoriens bleichem Gesichte erzeugt hatte, zu verwischen, gemildert hinzu: Ich hoffe, daß Ihr für jetzt ausser dem Verluste Eurer Freiheit, nichts zu fürchten haben werdet. Auch ich bin hier ein Gefangener, und wenn ich gleich die Quelle Eurer Thränen nicht zu trocknen vermag, so werde ich doch alles, was in meiner Macht steht, anwenden, ihnen ihre Bitterkeit zu benehmen.

Sennor, sprach Victoria, auch Ihr scheint mit harten Leiden zu kämpfen, wenn nun freundschaftliche Theilnahme --

Beim Tone von Victoriens Stimme bebte Sebastian, seine Bewegung war heftig, er starrte die Sprechende an, dann sank er von seinem Schmerze überwältigt, auf seinen Stuhl zurück.

Lasset ihn zufrieden, sagte Therese, er hat oft so Anfälle von Melankolie, das Beste, was man dann für ihn thun kann, ist, ihn in Ruhe zu lassen, und nicht Acht darauf zu geben, er ist standhaft und voll Frömmigkeit, es wird schon von selbst vergehn. Aber Ihr, meine beste Sennora, seid Ihr nur nicht so niedergeschlagen, trinkt einige Tassen Chocolade, Ihr müßt ihrer bedürfen, denn Diego hat mir gesagt, daß Ihr gestern Abend keinen Bissen angerührt habt.

Don Sebastian, der sich gesammelt hatte, vereinigte seine Bitten mit Theresens Einladung, und es gelang diesen, so wie seinem Beispiele Victoria zu vermögen, einige Nahrung zu sich zu nehmen. Mit sichtbarer Freude bediente sie der gute Greis, und schien auf eine Weile seines eignen Misgeschickes nicht zu gedenken, aber plötzlich starrte er Victoria wie vorhin mit unverwandten Augen an, erhob sich dann, und verließ ohne ein Wort zu sagen den Saal.

Der arme Herr! seufzte Therese, mögte der Himmel denjenigen verzeihen, die ihm so viel Leides zugefügt haben.

Bei diesen Worten brachen ihre Thränen im Ueberfluße hervor, dieses gewahrte der eintretende Diego, und fragte mit strengem Tone des Vorwurfs um deren Ursache?

Bei Gott und seinen Heiligen! sprach Therese; ich habe nichts gesagt, was den Befehlen unsers Gebieters entgegen sein könnte, aber die Traurigkeit des Sennor Sebastian hat mich angesteckt, ich dachte an unsern Gram, und mußte weinen.

Diego's Gesicht verlohr schnell das harte Ansehn, er schien gerührt, eine Thräne drang wider seinen Willen in sein Auge, und er sprach mit gedämpfter Stimme, indem er einen Seufzer erstickte: Therese, diese Thränen dienen zu nichts, sie werden uns das, was wir verlohren haben, nicht wiedergeben, aber sie können uns schwere Strafen zuziehen. -- Ihr habt in der Küche zu thun, geht an Eure Geschäfte, bedarf Eurer hier Jemand, so wird man Euch rufen.

Therese trocknete ihre Augen und ging, nach einer Weile öffnete Diego eine mit Glasfenstern versehene Gitterthür und sprach mit Ehrerbietung zu Victorien:

Diese Halle, Sennora, führt in einen Garten, der sehr schön, obgleich etwas vernachlässigt ist, vielleicht könnte es Euch lieb sein, ihn zu besuchen, in welchem Falle ich Euer Begleiter sein würde, denn ich muß euch benachrichtigen, daß den Befehlen zufolge, ausser diesem Saale, und der daran grenzenden Bibliothek Ihr keinen andern Ort dieses Schlosses ohne Begleitung betreten dürft.

Victoria zögerte einzuwilligen, und Diego fuhr fort:

Wenn Ihr indeß einigen Widerwillen zeigt, so --

Nein, unterbrach ihn Victoria mit Sanftmuth, warum sollte ich Anstand nehmen, mein Herz sagt mir, daß ich in Eurer Gesellschaft nichts zu fürchten brauche.

Ein Schein von Selbstzufriedenheit überzog bei diesen Worten Diego's Gesicht, und seine Züge nahmen auf einige Augenblicke ungeachtet der Macht einer langen Gewohnheit, den Ausdruck von Offenherzigkeit und natürlicher Güte an. Ich hoffe, sprach er, diese günstige Meinung nicht zu verscherzen, denn wenn ich mir schmeicheln darf, eine gute Eigenschaft zu besitzen, so ist es wenigstens die, noch niemals das Zutrauen eines Menschen verrathen zu haben.

Was auch Therese von der Unmöglichkeit einer Flucht Victorien bereits erzählt hatte, so konnte doch diese einige schwache Hoffnung aus ihrem Geiste nicht verdrängen, und war daher begierig sich durch eignen Augenschein zu überzeugen, ob die an das Schloß grenzenden Gärten nicht einen Ausweg zum Entkommen darbieten könnten. In dieser Absicht entschloß sie sich Diego's Anerbieten anzunehmen, und sich seiner Führung anzuvertrauen. In Octavia und Hero's Begleitung folgte sie diesem durch eine große mit Statüen, die in Nischen standen, aber von der Zeit größtentheils beschädigt und oft gänzlich zerstört waren, ausgeschmückte Halle. Unterschiedliche dieser Bildsäulen schienen in spätern Zeiten wiederhergestellt, wieder andere neu verfertigt zu sein, auch bemerkte Victoria die Statüe eines Apolls von weißem Marmor, welche nur halb vollendet war. Sie verweilte bei dem Marmorblocke und fragte Diego, der schnell vorüber gehen wollte, um die Ursache dieser Nichtvollendung, und den Namen des seltsamen Künstlers, der sein Werk nicht vollbracht habe?

Fragt mich deshalb nicht, antwortete Diego mit erstickter Stimme und Rührung, alles was ich ohne die Pflicht zu verletzen, Euch von diesem Gegenstande sagen kann, ist, daß diese nur halb vollendete Statüe die Arbeit eines lieben Jünglings zeigt, der viele Jahre hindurch dieses Schloß bewohnt hat, sich gewöhnlich mit der Malerei und Bildhauerkunst beschäftigte, und es in Allem, was er unternahm, zu einer seltnen Vollkommenheit brachte. Glücklicherweise ist die arme Therese nicht gegenwärtig, sie würde beim Anblicke dieses kalten Steins vergehen, denn Alles was sie an diesen liebenswürdigen Jüngling erinnert, ist ein Dolchstich für ihr Herz. Er war grade beschäftigt diese Arbeit zu vollenden, als man --

Hier ward Diego's Stimme von Schluchzen erstickt, und es ihm unmöglich fortzufahren.

Ist er etwa gestorben? fragte Victoria sehr gerührt.

Lassen wir das, Sennora, antwortete Diego mit Selbstbeherrschung, und erlaubt mir Euch zu bitten, diesen Gegenstand nie wieder zu erwähnen. -- Hier sind wir im Garten.

Victoria fühlte daß es grausam gewesen sein würde, länger in Diego zu dringen, sie schwieg also. Diego schloß nun eine Gitterthür auf, und führte seine Gesellschaft in einen unermeßlichen, wirklich prächtigen, in große, regelmäßige und geschmackvolle Parthien eingetheilten Park, welcher aber so sehr vernachlässigt worden, daß die mit Gras und Unkraut angefüllten Alleen, und seit langen Jahren nicht ausgehauenen Bäumen kaum das Umherwandeln gestatten wollten. Nach langem Gehen erreichte man das Ende der Terrasse, welche hier den Garten beschloß, und woselbst Victoria und Octavia zu ihrem Leidwesen erkannten, daß von dieser Seite an Flucht zu denken thörigt sein würde. Den Garten umzog eine Art von Wall, der, wenn gleich bedeutend hoch, doch von den daran liegenden Felsenspitzen der schroffen Pyrenäen, welche in dieser Gegend unersteigbar zu sein schienen, noch beschattet wurde. Rings umher erblickten die Erstaunten nichts als die schwarze Kette des Gebirges, mit Ausnahme einiger Spitzen von Schiffsmasten, die in einer Felsenschlucht über den Bergen hervorragten, und Fahrzeugen angehören mußten, welche in einer nahen Felsenbucht vor Anker lagen.

Victoria bemerkte in einem Winkel der höchsten Bastion des Walles, wo ein Thürmchen angebracht war, eine Schildwache.

Der Mann, sprach sie zu Diego, den ich dort oben sehe, muß die Aussicht auf das Mittelländische Meer haben, und die Lage der Gegend zum Bewundern sein.

Sehr schön, in der That, erwiederte Diego, obschon die Aussicht von dort eine schiefe Richtung seitwärts annimmt. In der Ferne entdeckt man sogar die Küsten Frankreichs.

Würde es uns nicht erlaubt sein, fragte Victoria mit anscheinender Gleichgültigkeit, auf einige Augenblicke der schönen Aussicht zu genießen?

Nein, gewiß nicht, erwiederte Diego lebhaft, das würde schnurgrade den mir ertheilten Befehlen entgegen stehn, und für nichts in der Welt mögte ich diese übertreten.

Diego verweigerte Victoriens Bitte mit so viel Bestimmtheit, daß jeder Funke von Hoffnung in dem Herzen der Unglücklichen erlosch, und sie nach einem kurzen Umherwandern in den Eßsaal zurückkehrte, wo sie das Mittagsessen, Don Sebastian und Garzias erwarteten.

Der abschreckende Anblick dieses Letztern machte sie um so mehr zittern, als seine Gegenwart ihr die Rückkehr Don Manuels vorhersagte, sie auch Don Sebastian eben so traurig als am Morgen, aber weit verschlossener fand. Wärend des Gespräches, das dieser nur an sie oder die Signora Bernini richtete, hatte Victoria Gelegenheit sich zu überzeugen, daß der Greis einen äußerst gebildeten Verstand besitze, und mit der Höflichkeit und den guten Eigenschaften eines Mannes von Lebensart, alle Kenntnisse verbinde, welche man durch eine vortreffliche Erziehung gewinnen, und lange Studien vervollkommnen kann.

Nach dem Essen kam Victorien die Einladung Sebastians, des Gartens frische Luft abermals einzuathmen, sehr gelegen, sie hoffte der widrigen Gesellschaft des finstern Garzias dadurch überhoben zu werden, aber leider trog sie sich in ihrer Hoffnung, denn unaufgefordert schloß sich dieser an sie an, verlohr die drei Gefangenen nicht aus den Augen, horchte auf ihre Gespräche ohne ein Wort zu reden, und schien an der Verlegenheit die seine verhaßte Gegenwart veranlaßte, Gefallen zu finden.

Mit dem Sinken des Tages kehrten sie ins Schloß zurück, und, begaben sich in den gewöhnlichen Saal, wo nach einer Weile das Geläute einer kleinen Glocke die Aufmerksamkeit Don Sebastians erregte. Er stand vom Sessel auf, drückte bedeutend Victoriens Hand, empfahl sich, wandte sich dann zu Garzias, und sagte mit fester, warnender Stimme:

Ihr würdet wohl thun, Sennor, zu bedenken, daß Franzisco gegenwärtig ist, und Euer Vorhaben misbilligt!

Dann begab er sich in die Bibliothek, verschwand, und nahm die Ruhe der zitternden Victoria mit sich.

Nichts war den unglücklichen Gefangenen peinigender, als mit Garzias allein sein und die schirmende Gegenwart des sanftmüthigen Greises entbehren zu müssen. Dem arglistigen Garzias entging die zunehmende Aengstlichkeit seiner Tischgenossen nicht, sein von falschen Tücken und Boßheit verzerrtes Gesicht, hatte noch nie ein so grelles Gemälde aller Leidenschaften dargestellt, als in diesen unerträglichen Augenblicken, er fühlte, daß er Schrecken einflößte, und bestrebte sich solchen durch seltsame Gebärden und unverständliche, geheimnisvolle Worte noch zu vermehren. Umsonst hofften die beklommenen Armen mit jedem Augenblicke auf die Rückkehr Sebastians, er erschien nicht; als aber die gewöhnliche Stunde zum Abendessen herannahete, trat Diego herein den Tisch zu decken, und da er auf Victoriens Gesicht bemerkte, wie sehr seine Gegenwart sie erleichterte, so blieb er unter verschiedenen Vorwänden im Saale bis nach geendigtem Abendessen, wo ihn sein Dienst im untern Theile des Schlosses beschäftigte. Bald darauf schlug die Glocke zwölf Uhr Mitternacht. Victoria und ihre Begleiterinnen, denen das entsetzliche Getöse der verwichenen Nacht noch in den Ohren tönte, schauderten beim Schalle der wimmernden Glocke, und erwarteten in steigender Aengstlichkeit den Anfang der donnernden Erschütterung; aber dieses Mal war ihre Furcht ungegründet, und nach einer Weile kam Therese, um sie in Begleitung Diego's auf ihr Schlafzimmer zu führen, wo dieser, nachdem er die Lampe angezündet hatte, mit der Versicherung schied, daß sie vollkommen ruhig schlafen könnten.

Bei genauer Durchsicht ihrer mitgenommenen Kleidungen und andern Gegenstände, bemerkten die Eingekerkerten zu ihrem Erstaunen, daß ihnen nichts fehle, und selbst ihre Kostbarkeiten und ihr Geld ihnen gelassen sei. Welche Absichten konnten die Räuber wol mit ihnen hegen? Sie hatten ihr Leben gewagt, und sie nicht beraubt! -- Diese Betrachtungen beschäftigten Victorien einen Theil der Nacht, endlich aber besiegte das Bedürfniß die Furcht, und von Angst und Erschöpfung entkräftet, fiel sie, gleich ihren Dienerinnen, in einen tiefen Schlaf, aus dem sie erst am andern Morgen Therese erweckte, die ihre Freude hierüber bezeigte.

 


Achtes Kapitel.

Victoriens erstes Geschäft war, sich nach Sebastian zu erkundigen?

Er ist im Saale, antwortete Therese, und voll Ungeduld Euch wiederzusehn, Sennora.

Er verließ uns Gestern ungewöhnlich früh, sagte Victoria, mich dünkt das Geläute einer Glocke rief ihn ab.

So ist's, erwiederte Therese, es war Franzisco's Glocke.

Franzisco! wiederholte Victoria, indem sie sich der bedeutungsvollen Worte, die Sebastian an Garzias gerichtet, erinnerte. Wer ist dieser Franzisco, ich glaube ihn noch nicht gesehn zu haben?

Nein, Sennora, und wahrscheinlich werdet Ihr ihn auch nicht sehn. Es ist das geheimnißvollste Wesen im ganzen Schlosse, und wenn Franzisco gleich kein großes Aufsehn macht, so ist er doch hier sehr gefürchtet, ohne daß ich die Ursache davon weiß. Don Manuel, der im Schlosse Allen gebietet, fürchtet ihn ebenfalls, und hat uns befohlen, ihm in allen Stücken zu gehorchen. Der Sennor Sebastian hegt für Franzisco eine so große Achtung, daß es um so mehr auffällt, als er sie nicht gegen Don Manuel, dessen Gefangener er doch ist, bezeigt. Dieser seltsame Mann, den sie Franzisco nennen, kommt nur zu Zeiten ins Schloß, obgleich er hier seine Wohnung hat, und nimmt auch hier keine Nahrung.

Ist auch Garzias ihm unterwürfig? fragte die Signora Bernini.

Mehr als jeder Andere. Auch ist Garzias stets gegen ihn so höflich, daß man deutlich sieht, wie sehr er ihn fürchtet.

Ich bemerkte bereits, sprach Octavia, daß Garzias nicht zu Euren Freunden gehört, Therese?

Das Ungeheuer! rief diese aus. Es hat meinem armen Herzen einen Stoß versetzt, von welchem dieses nie geheilt werden kann.

Ich bin wirklich neugierig, fiel Victoria ein, die Geschichte zu hören, mit welcher Euer Geist so oft beschäftigt ist.

Ach, antwortete Therese, wie gern würde ich sie Euch entdecken, aber das ist mir streng verboten, und mein Kopf der Preis einer Schwätzerei.

In diesem Falle seid Ihr wirklich sehr unvorsichtig, bemerkte Victoria, in jedem Augenblicke Euch an eine Sache zu erinnern, von der zu reden, Euch verboten ist.

Wärend dieses kurzen Gesprächs, das jedoch mit leiser Stimme geführt wurde, hatten Victoria und ihre Begleitung das Schlafzimmer verlassen, und sich in den Gesellschaftssaal begeben, wo sie Don Sebastian antrafen, der Victorien mit der Zärtlichkeit eines Vaters empfing, wenn schon ihr Anblick jedes Mal seine Schwermuth zu vermehren schien. Auch Garzias trat bald darauf herein das Frühstück zu theilen, sein Betragen war wie gewöhnlich barsch, und sein Gespräch einsilbig und sarkastisch, doch entfernte er sich kurz darauf, wie ebenfalls Sebastian, welcher Victorien beim Scheiden benachrichtigte, daß ihm seine Pflicht, sie zu verlassen, gebiete, er aber beim Abendessen sich wieder einfinden werde.

Als nun Victoria mit ihren beiden Unglücksgefährtinnen allein war, und die Unterhaltung zu stocken begann, konnte Hero einer Anwandlung von Schlaf nicht widerstehen, und Octavia, die mit einem reifern Alter einen schwächlichen Körper verband, überdem seit ihrer Gefangenschaft eine unbesiegbare Mattigkeit verspürte, bat um die Erlaubniß, der Dienerin Beispiel zu folgen. Sobald Beide fest entschlafen waren, gerieth Victoria auf den Einfall, von der erhaltenen Erlaubniß Gebrauch zu machen, die angrenzende Bibliothek zu besuchen, um ihre Schwermuth durch neue Gegenstände zu zerstreuen.

Die Bibliothek, unstreitig der schönste und größte Saal im Schlosse, glich dem untern Theile einer geräumigen Domkirche, deren Plafond von einer Reihe Säulen getragen ward, zwischen denen abwechselnd Bücherschränke, und Bildsäulen von Helden und Weltweisen des Alterthums aufgestellt prangten. Auf der einen Seite der Bibliothek befanden sich vier hohe Bogenfenster mit bemalten Scheiben, durch welche man in die, zum Garten führende Vorhalle sah, auf der andern hingen an der Wand große geographische Charten, und unter diesen waren Sophas angebracht, vor denen Tische von schwarzem Marmor standen.

Die Bücher waren zum Theil in alten, Victorien unverständlichen Sprachen geschrieben, und für sie ohne Nutzen, dagegen zog eine im Winkel stehende Harfe ihre Aufmerksamkeit um so mehr an sich, als sie dieses Instrument mit Leidenschaft liebte, und es als ein Mittel betrachtete sich zu zerstreuen. Bei dem ersten Griffe in die Saiten erschrack sie über ihre Kühnheit, und den vom Echo verdoppelten Klang in dem weiten gewölbten Saale, allmälich aber gewöhnte sie sich an dieses seltsame Rauschen, und wagte es ihr Spiel mit einer schwermüthigen Romanze zu beginnen, die sich zu ihrer traurigen Lage vollkommen eignete; auf diese Weise überließ sie sich dem wohlthuenden Reize, den Kummer ihres Herzens in schmelzenden rührenden Accorden auszudrücken, als das Geräusch eines unerwarteten Zuhörers, der sich hinter ihr schleichend näherte, sie erschreckte und ihr Spiel verstummen machte. Angstvoll blickte Victoria um sich und erkannte Theresen.

Ach vergebt mir, meine schöne Sennora, bat diese mit von Thränen erstickter Stimme, wenn ich Euch erschreckte, aber der Ton dieser Harfe zog mich wider meinen Willen hieher; sonst hörte ich sie mit wahrem Vergnügen, aber jetzt zerreißt sie mein arme Herz.

Wenn das ist, sprach Victoria und schob das Instrument von sich, so werde ich mich hüthen sie wieder zu berühren.

O nein, nein, theure Sennora, fahret fort, wenn es mir auch weh thut, so ist mir doch die Erinnerung so theuer, es scheint mir, als ob ich ihn höre.

Victoria willfahrte der Alten, da sie aber bemerkte, wie sehr die Musik die schwachen Nerven Theresens angriff, so hörte sie zu spielen auf und sagte: Arme Therese, ich will Euch nicht noch trauriger machen, es bekümmert mich, Euch leiden zu sehen.

Ach, erwiederte Jene schluchzend, könnte ich Euch nur mein Herz öffnen, dürfte ich nur reden, ich würde gewiß weniger unglücklich sein, aber leider ist es mir bei Todesstrafe untersagt.

Warum aber führt Ihr das Gespräch immer wieder auf diesen, für Euch eben so erschütternden, als gefährlichen Gegenstand zurück?

Ich kann nicht anders, und wenn ich wüßte, daß ihr Mitleid genug hättet mich anzuhören, so würde ich mich sehr erleichtert fühlen, mögte auch daraus entstehen, was da wollte. Aber, wo ist denn die ältliche Sennora und Eure junge Dienerin?

Sie schlafen Beide im Saale.

Das ist mir lieb, es ist mir nichts daran gelegen, daß sie meine Erzählung hören, nur Eure Theilnahme allein kann mich beglücken.

Aber Therese, seid vorsichtig, man könnte uns behorchen, und fände man uns hier beisammen, so würde leicht Verdacht entstehen. Wahrlich, Ihr thätet besser, Euer Geheimniß bei Euch zu behalten.

Nein, liebenswürdige Sennora, stoßt meine gute Absicht nicht von Euch, die Vorsehung wird über uns wachen, nehmt nur die Harfe wieder zur Hand, damit Ihr beim ersten Geräusch darauf spielen könnt, überdem ist in diesem Augenblicke nichts zu fürchten, Garzias, Diego und Juan sind zur Musterung auf dem Walle, und können sobald nicht wiederkehren.

Wohlan, so sprecht, aber leise und faßt Euch so kurz als möglich.

 


Neuntes Kapitel.

Ich werde Euch bereits erzählt haben, liebe Sennora, daß ich schon beinahe an achtzehn Jahre dieses Schloß bewohne. Gleich nach meiner Ankunft übergab mir Franzisco einen kleinen Knaben von ungefähr zwei oder drei Jahren, und befahl mir, die größte Sorgfalt für ihn zu haben. Wenn ich nun zwar mich in diesem Gefängnisse sehr, unglücklich fühlte, so zog mich doch dieses Kind seit dem ersten Augenblicke an sich; sein schönes Gesicht, seine Artigkeit und sein drolliges Geplauder gewannen ihm mein Herz, und ich liebte es bald wie meinen eignen Sohn, ja ich sah in ihm einen Engel des Trostes, den mir der Himmel zugeschickt hatte. Ich hegte und pflegte den Knaben, bis er das zehnte Jahr erreicht hatte, da zog man aus einem der Gefängnisse des Schlosses den Sennor Don Sebastian hervor, und übertrug ihm die Erziehung desselben, denn dazu paßte sich dieser, als ein Mann von großem Verstande und vielen Kenntnissen, vollkommen. Don Sebastian liebte seinen Zögling bald mit der Zärtlichkeit eines Vaters, nicht sowohl weil er ihm größere Freiheit im Schlosse verschafft hatte, sondern mehr noch der liebenswürdigen Eigenschaften wegen, die bei ihm aufkeimten; das gute Kind war dagegen von seiner Seite, seinem Lehrer sehr zugethan, und dankbar für alle die Sorgfalt und Pflege die Jener an ihn verschwendete. In kurzer Zeit hatte daher Don Sebastian seinen Geist mit wer weiß wie vielen Kenntnissen und Wissenschaften ausgeschmückt, und keine Mühe gespart, ihn in allem Nützlichen und Angenehmen zu unterrichten, was aber die Herzensgüte anbetraf, so bedurfte er darin keines Lehrers, gut war er zur Welt gekommen, und gut ist er zum Himmel zurückgekehrt.

Wie, rief Victoria, er ist also todt?

Nur durch ein trauriges bejahendes Kopfnicken beantwortete Therese diese Frage, und fuhr, als sie ihre Thränen getrocknet hatte, fort:

Seit das Kind dem Sennor Sebastian anvertrauet war, sah ich es seltener, aber sein vortreffliches, zärtliches und erkenntliches Herz hatte mich deshalb nicht vergessen. Der arme Gago, der Neger, liebte es zum närrisch werden, und Diego, ja Diego, der sein Gefährte bei allen seinen Spielen und Uebungen war, den hättet Ihr sehen müssen, wie er an seinem kleinen Gesellschafter hing, er betete ihn fast an. Kurzum, Alle die nur einen Funken von Rechtlichkeit in ihrer Brust bewahrten, hatten ihn lieb, selbst Don Manuel war gezwungen ihn zu lieben und zu bewundern, bis zu dem Augenblicke, wo er ihn nicht mehr sehen wollte, weil, so vermuthe ich, dieses Kind ihn zu oft an die Dame erinnerte, die er vormals geliebt hatte, und welche die Ursache seines Unglücks war. Seit jenem Augenblicke wurde mein Herr so traurig, tiefsinnig und unglücklich, daß sein Zustand bei seinen Feinden sogar Mitleid erregt haben würde. Ich glaube auch wol, daß bei der Betrachtung des schönen Knabens der Gedanke bei ihm entstand, daß wenn die Dame, die seine Liebe verschmähete, seine Gattin hätte werden wollen, er nun auch einen so schönen Sohn, wie mein Theodor war, haben könne; dieser Gedanke schien ihm Abscheu und Eckel für die Lebensweise die er führt, beizubringen, und es gab Stunden, wo er wie ein Wahnsinniger umherging.

Theodor wurde inzwischen in Allem, was man ihm lehrte, vollkommen; im Ringen und Fechten war er der Stärkste im ganzen Schlosse. Sanft wie ein Schaaf, leicht, lebhaft und munter wie ein junger Dammhirsch auf einer Seite, aber stolz und muthig gleich einem Löwen auf der andern, konnte den Jüngling nichts in Furcht setzen, und dieser rohe Garzias wagte es nicht in seiner Gegenwart den Herrn zu spielen.

Ach, an jenem unglücklichen Tage, wo ich ihn zum letzten Male sah, den Tag, welchen ich zu beweinen nie aufhören werde, war Theodor, weil ich kränkelte, bei mir, und pflegte mich mit kindlicher Liebe; da stürzte der Verräther Garzias an der Spitze einer Bande Bösewichter, wie er ist, herein, sie fielen über den guten unschuldigen Jüngling, der sich dessen nicht versah, und keine Waffen zu seiner Vertheidigung bei sich führte, her, ergriffen, banden ihn, und schleppten ihn, Gott mag wissen wohin, ihre Schandthat zu vollbringen. Ich hatte meinen unglücklichen Theodor umklammert, wollte nicht von ihm lassen, aber der elende Garzias versetzte mir einen so heftigen Faustschlag auf den Kopf, daß ich die Besinnung verlohr, und als ich wieder zu mir selbst gekommen war, befand ich mich allein, für immer allein. Der Tiger fand Vergnügen daran mir anzukündigen, daß sie meinen Liebling ermordet hatten, und der Zustand des edlen Sennor Don Sebastian bestätigte nur zu sehr diese schreckliche Nachricht. Die Verzweiflung in welche uns, den alten Neger, Diego und mich, diese unmenschliche Handlung versetzte, misfiel unserm Gebieter sehr, er ließ uns alle drei vor sich kommen, und verbot uns bei Lebensstrafe, je von dieser Begebenheit zu reden. -- Aber was schadet mir seine Drohung, wäre es nicht besser für mich zu sterben, als so elendiglich zu leben?

Guter Gott! sprach Victoria, wer kann aber diese Unglücklichen zu solch einer abscheulichen That verleitet haben?

Kein anderer als Garzias, meine theure Sennora, er war es, der Don Manuel vermogt hat, diese schreckliche Ermordung geschehen zu lassen.

O fluchwürdiges, blutgieriges Ungeheuer! rief Victoria empört aus: Doch welcher schändliche Bewegungsgrund reizte ihn gegen diesen liebenswürdigen Jüngling?

Neid, Haß und Rache! Garzias Laster ließen ihn in des Jünglings Augen so verächtlich und hassenswerth erscheinen, daß ihm dieser seine Verachtung oft merklich fühlen ließ, und seiner natürlichen Sanftmuth und Herzensgüte ungeachtet im Umgange mit ihm, seinen Abscheu unverholen an den Tag legte. Dieses und die Tugenden, so wie alle liebenswürdigen Eigenschaften des Jünglings erfüllten Garzias böses Herz mit schwarzem Neide, zu ihm gesellte sich die Rache, bei Gelegenheit eines Vorfalls: wo Theodor nur den Eingebungen seines Edelmuths und Muthes folgte:

Unter den Schiffleuten Don Manuels befindet sich ein englischer Matrose, von einem erbeuteten Kaperschiffe, mit Namen Thomas, der dem Anscheine nach wie die Uebrigen, ein Erzräuber ist, obgleich er bei näherer Bekanntschaft das beste Herz verräth. Im Gefechte gegen Männer, die ihm widerstehen, ist er ein wahrer Tiger, aber gegen Weiber, Kinder, Greise und Wehrlose, giebt es keinen bessern und sanftern Menschen, und für meinen Theodor, den alten Gago und mich wäre Thomas durchs Feuer gelaufen. Wie oft wagte er es, sich dem Zorne Don Manuels preis zu stellen, um nur den armen Neger vor Schlägen zu sichern. Doch zur Sache. Dieser brave Thomas, welcher in unserer Teufelshöhle sich stets als einen Beschützer des Schwachen und Unschuldigen zeigte, unterstand sich einst der Wuth des schrecklichen Garzias ein Weib und ihr Kind, die dieser Wüthrich ermorden wollte, zu entziehen. Rasend vor Zorn, und schäumend ließ er alsbald den guten Matrosen in den dunkelsten, ungesundesten Kerker des Schlosses werfen, und ihn am Boden festketten, mit dem Befehl ihm keine Nahrung zu reichen. Kaum erfuhr der dankbare, edelmüthige Theodor diese unmenschliche Handlung, so wallte sein Blut von gerechter Misbilligung auf, und ohne Don Sebastian von seinem Vorhaben zu benachrichtigen, eilte er zu Garzias und warf ihm seine Grausamkeit mit harten Worten vor. Aufs heftigste gereizt stürzte dieser mit einem vergifteten Stilet, das der Elende immer bei sich trägt, über den Jüngling her und riß, als ihm derselbe solches mit Gewandtheit aus den Händen rang, ein Pistol vom Gürtel des eintretenden Alonzo, brannte es auf seinen Gegner los, aber traf nur die Mauer. Schnell reichte der feige Alonzo seinem Spießgesellen ein zweites Feuergewehr, das ihm jedoch Theodor entrang, und mit dem Vorhaben Niemanden zu tödten, aus dem offenen Fenster warf. Das Mislingen seiner Angriffe brachte Garzias zur wüthendsten Verzweiflung, er griff nun den Jüngling mit seinem Säbel an, und der schändliche Alonzo, der meines edlen Theodors seltne Tugenden haßte, wenn auch nicht im Streite mit verwickelt, leistete seinem würdigen Genossen unaufgefordert Beistand. Jetzt war meines jungen Helden Leben in Gefahr, er mußte an Vertheidigung denken; Besonnenheit, Geschick und die gerechte Sache leiteten seinen Arm, und ließen ihn die beiden Schurken entwaffnen, Alonzo entfloh, aber Garzias beugte seine Riesengestalt, warf sich vor dem Sieger zur Erde, und sah sich gezwungen um Schonung zu bitten.

Dein Leben, sprach der edle Jüngling, sei des unglücklichen Thomas Lösegeld.

Der Zufall hatte Don Manuel in die Nähe des Kampfplatzes geführt, und ihn Zeuge von dem ganzen Auftritte sein lassen; er trat hervor, verspottete den hinterlistigen, feigherzigen Garzias, und wandte sich dann zu Theodor:

Mein tapferer, edler Theodor, redete er ihn an, Thomas gehört Dir, Du hast seine Freiheit wie ein wahrer Rittersmann erkauft.

Garzias verbiß seine Wuth und Schaam, aber seine niederträchtige Seele lechzte vom Durste nach Rache, und leider zeigte sich gar bald Gelegenheit ihn zu stillen.

Unglücklicher, bedaurungswerther Jüngling! rief Victoria aus. Welch ein Verbrechen, so früh ein Leben verkürzt zu haben, das so viel Tugenden und Ruhm zu versprechen schien. Aber sagt mir, gute Therese, wißt Ihr weiter nichts von dem Schicksale dieses interessanten Geschöpfes, hattet Ihr nie Veranlassung, etwas Näheres über dessen Geburt und seine Eltern zu vermuthen?

Ich weiß über diesen Gegenstand nicht mehr als Ihr, meine theure Dame, zwar habe ich einmal Theodors Mutter gesehen.

Ist es möglich! Therese, wann, und an welchem Orte habt Ihr sie denn gesehen? Erzählt mir dieses, ich bitte Euch.

Hier, in diesem Aufenthalte der Ruchlosigkeit, und obgleich seitdem schon viele, viele Jahre verflossen sind, so erinnere ich mich doch ihrer, als wäre es heute.

Eines Morgens kam Franzisco sehr unruhig zu mir, und befahl mir das Kind in die Bibliothek zu tragen. Ich gehorchte und fand dort zu meiner nicht geringen Verwundrung einen Herrn und eine Dame, die ich noch nie gesehen hatte, und die eben so unruhig wie Franzisco zu sein schienen.

Dieses ist also mein Sohn? schrie die Unbekannte, als ich mit meinem kleinen Schatze eintrat.

Er ist's! antwortete Franzisco bleich und beinahe mit Zittern.

Gott, es ist ein Engel! wiederholte Jene mehrere Male, bedeckte das Kind mit unzähligen Küssen, drückte es an ihren Busen, hielt es dann in der Entfernung von sich, um es besser betrachten zu können, und als sie es lange, und mit Aufmerksamkeit beschauet hatte, erblaßte sie und war einer Ohnmacht nahe.

Was habt Ihr denn? fragte der sie begleitende Herr.

Wie könnt Ihr mich fragen, erwiederte sie, sehet Ihr nicht, wem das Kind sprechend gleicht?

Auch der Unbekannte richtete nun seine Augen auf den kleinen Engel, schien aber erschreckt, und sprach einige Worte mit leiser Stimme zu seiner Begleiterin.

Wärend dieser Zeit war Franzisco, den ich betrachtete, noch unruhiger geworden, als zuvor, er näherte sich mir, konnte aber beinahe kein Wort hervorbringen, und kaum verstand ich, daß er mir befahl, mich wegzubegeben, mit dem Hinzufügen, daß man mich rufen würde, um das Kind abzuholen. Dieser Befehl war ein Donnerschlag für mich, ich zweifelte nicht, mein kostbares Pfand zu verlieren und es nie wiederzusehen, auch bestärkte mich Gago in meiner Furcht, indem er mir vertrauete, daß seiner Meinung nach die Anwesenheit dieser Fremden ein Geheimniß verberge, welches ihm nicht gefallen könnte. Sie waren nicht wie Gefangene ins Schloß eingeführt, und ehe man mich mit dem Kinde rief, hatte eine lange und sehr lebhafte Unterredung zwischen dem Fremden und Garzias Statt gefunden, wärend welcher sich die Dame mit Franzisco unterhielt.

Zu meiner großen Freude rief man mich indeß nach dem Abendessen in den Saal zurück, um das Kind, welches laut schrie und nach seiner guten Amme verlangte, zu beruhigen. Don Manuel, Garzias und der Unbekannte waren bei meinem Eintritte im eifrigen Gespräche begriffen. Die Dame ließ mich näher treten, legte mir tausend Fragen über das Kind vor, und wollte mich dann mit einer schweren Geldbörse beschenken. Aber ich verweigerte die Annahme, und sagte ihr, daß mir in dem Schlosse, wo man für meine Bedürfnisse hinreichend sorgte, das Geld von keinem Nutzen sein könne; wollte sie mir aber einen Beweis ihrer Güte und Freigebigkeit zukommen lassen, so würde ich Zeitlebens dankbar sein, wenn sie das Geschenk in die Hände meiner armen Familie gelangen und ihr wissen lassen wollte, daß ich noch am Leben sei, und weiter keine Entbehrungen zu erdulden hätte, als von den Meinigen getrennt zu leben. Dem horchenden Ohr des heimtückischen Garzias entging meine Bitte nicht, er warf mir einen drohenden Blick zu, der mich zittern machte, und dessen Bedeutung von der Fremden errathen wurde. Sie war so gütig meine Vertheidigung zu übernehmen, und versicherte, wenn die Herren ihr erlauben wollten mein Verlangen zu erfüllen, so verpflichte sie sich mit ihrem Leben, diese Angelegenheit auf eine solche Art auszugleichen, daß jede nachtheilige Folgen vermieden werden müßten. Garzias blieb unerbittlich, aber Don Manuel, menschlicher als er, ließ sich bewegen und gab seine Einwilligung mit dem Bemerken, daß er zu viele Beweise von der vorsichtigen Aufführung der Sennora habe, um sich ohne Furcht auf sie und ihr Versprechen verlassen zu können.

Hierauf zeichnete die Unbekannte den Namen und Aufenthalt meiner Familie in ihrer Brieftafel auf, und versprach mir, ihr jährlich zwanzig Dukaten auf Lebenszeit, als eine Belohnung für die Sorgfalt, mit der ich ihr Kind warte, auszahlen zu lassen, wofür ich ihr im voraus mit Thränen dankte; dann fing sie wieder von dem Kinde zu reden an, wiederholte, daß sie sich nicht von ihm trennen könne, ihr der Gedanke es hier zurückzulassen, das Herz zerreiße, und sie einen unwiderstehlichen Drang verspüre, das liebenswürdige Kleinod bei sich zu behalten.

Kaum hörte der Unbekannte diese Aeußerung, so rief er mit Heftigkeit aus:

Welche Thorheit, wie kann ein so unsinniger Gedanke in Eurem Kopfe entstehen, Ihr wißt ja doch besser als ich, daß die Sache unausführbar bleibt.

Leider! erwiederte die Dame mit Erröthen und sichtbarem Unwillen. Wohl weiß ich, daß mein Wunsch nie erfüllt werden kann, indeß ist es wol natürlich, daß er in meinem Herzen sich entfaltet, und könnt Ihr darin keine Veranlassung finden, Sennor, Euch zu erzürnen. Uebrigens ist es nicht zu verwundern, daß einer Mutter Schwächen bei demjenigen keine Entschuldigung finden, dessen Herz nie die Gefühle eines Vaters empfunden hat.

O warlich, entgegnete der Unbekannte mit einem bittern, hämischen Lächlen, was die Gefühle anbetrifft, so werde ich mich nie unterfangen, mit einer Dame darüber zu streiten, die sich so gut darauf versteht wie Ihr, und die so merkwürdige Beweise von kindlicher Liebe an den Tag gelegt hat.

Die Sennora antwortete mit einem verächtlichen Blicke, obgleich sie den Sinn dieser Worte, die ohne Zweifel eine bittere Kränkung enthielten, wol zu verstehen schien, denn sie ward bleich wie eine Leiche, und wärend einiger Augenblicke zeigte ihr Gesicht die Farbe eines Gespenstes.

Inzwischen war mein Theodor eingeschlafen, und man befahl mir, ihn in sein Zimmer zu tragen; mit ruhigem Herzen legte ich das liebenswürdige Wesen in sein kleines Bett, denn die Unterredung war mir Bürge, daß man es mir zu entführen nicht willens sei, zu gleicher Zeit war es für mich eine große Beruhigung, aus den Worten der Sennora die Gefühle eines Vaters zu urtheilen, daß mein Theodor nicht der Sohn des Unbekannten sein müsse, wenn auch dieser ganz gewiß der Gemal der Dame war.

Könnte man diese Worte aber nicht auf eine andere Weise auslegen, gute Therese? fiel Victoria ein, könnte man in ihnen nicht einen Vorwurf für den Vater finden, dessen Herz die natürlichen Gefühle gegen sein Kind verleugnet?

O ich beschwöre Euch, theure Sennora, erwiederte Therese, raubt mir meine trostreiche Vermuthung nicht, deutet die Worte der Unbekannten nicht auf eine Art, die meinen Wahn zerstören müßte. Es würde mir schmerzhaft sein zu denken, mein Theodor, mein tugendhafter Liebling könne von einem lasterhaften Vater entsprossen sein, denn dieser Unbekannte besitzt nach Allem, was ich gesehn, sicherlich ein bösartiges Herz, wenn auch gleich sein Benehmen und sein Aeußeres einen Mann von Stande verriethen, auch sein Gesicht schön genannt zu werden verdiente.

Ich kann mich ja irren, liebe Therese, sprach Victoria, fahret fort.

Zwei Stunden später, das Kind schlief, trat Franzisco in Begleitung seiner Mutter herein, sie weinte und kam, von dem Kleinen Abschied zu nehmen, wollte mir zwar nicht erlauben ihn zu wecken, bedeckte ihn aber mit so vielen Küssen und Thränen, drückte ihn so oft und so fest an ihre Brust, daß ich bis heute noch nicht begreifen kann, wie der Schlummer des armen Kindes nicht hat gestört werden können. Nach einer Weile erschienen der Unbekannte mit Don Manuel und Garzias, und der erstere erklärte der Dame in bestimmtem Tone, daß man sogleich abreisen müsse. Umsonst bat sie mit Thränen noch um eine Stunde Verzug, umsonst gerieth sie bei der barschen Weigerung des Andern in eine Art von Verzweiflung; ohne Umstände ergriffen sie drei Räuber, achteten ihres Widerstandes und Geschreies nicht, schleppten sie mit Gewalt aus dem Zimmer, und ich sah sie nicht wieder; ich glaube auch, daß von diesem Augenblicke an keine Rede weiter von ihr gewesen sein wird.

Heilige Jungfrau! schrie Victoria entsetzt, sie werden sie doch nicht gemordet haben?

Ach, das ist nur zu wahrscheinlich. Gago hat mir erzählt, sie hätten die Dame in den Saal, über dessen Thür, wie Ihr wißt, ein scheußliches Gerippe hängt, geschleppt, und nach einer Stunde hat man die drei Henker zurückkehren sehen, ohne daß ihrer weiter gedacht worden. Sie hätte, so erzählt Gago, anfangs laut, dann mit erstickter Stimme geschrien, hierauf habe er ein dumpfes anhaltendes Gewimmer gehört, dem bald darauf Todtenstille gefolgt sei.

Unglückliches Weib! rief Victoria schaudernd aus.

Ja wol, sehr unglücklich, denn ich bin versichert, daß ihre Gebeine nicht in heiliger Erde ruhen, obschon ich nicht weiß, was sie mit ihr gemacht haben. Könnt Ihr es glauben, beste Sennora, daß ich Muth genug gehabt habe, (und viel Muth gehört dazu, aber es war ja die Mutter meines Theodors), mich in diesen schrecklichen Saal hineinzuschleichen, um etwa ihren Leichnam zu entdecken, und Gott für ihr Seelenheil zu bitten. Aber wenn Ihr wüßtet! -- Guter, heiliger Jacob! In meinem Leben vergesse ich den schrecklichen Anblick nicht, der sich meinen Augen darbot. Es wäre unnütz und unbesonnen, Euch es zu entdecken, es würde nur Eure, ohnehin nicht geringe Angst an diesen schauerlichen Orten vermehren; alles was ich Euch sagen mag, ist, daß ich vor Erschrecken ohne Besinnung auf dem Platze liegen blieb; so fand mich Don Manuel, und diese meine große Furcht rettete mir das Leben, obschon Garzias darauf bestand, daß ich für meine Verwegenheit büßen müßte, aber Don Manuel erklärte, ich sei durch meinen Schrecken für meine Neugierde genugsam bestraft.

Machtet Ihr vielleicht einige Entdeckungen in Beziehung auf den Leichnam, den Ihr suchtet?

Mein Gott nein! Ich vermuthe daß sie eher über ihn bestimmt hatten, als ich den schrecklichen Saal betrat. O mein gutes Kind, was für Herzen haben diese Leute, solch ein schönes Geschöpf ermordet zu haben!

Sie war also sehr schön!

Die größte Schönheit, die ich je gesehn habe, bevor ich Euch Sennora sah. Aber Ihr gleicht ihr nicht, nur dieses Ansehn von Würde, das eine hohe Geburt anzeigt, habt Ihr mit ihr gemein. Sie mogte ungefähr funfzehn Jahre älter sein als Ihr, ihr ganzes Benehmen zeigte einen stolzen und entschlossenen Charakter, in ihrer Gesichtsbildung lag so viel edles und Ehrfurcht gebietendes, daß sie zum Befehlen geboren zu sein schien, aber ungeachtet ihr Gesicht regelmäßig schön war, so fand man doch kein großes Behagen in ihrem Anblicke, sie gefiel weniger als sie Bewunderung erregte. Mit Euch verhält es sich ganz anders, meine theure Sennora, je mehr ich Euch ansehe, je öfter mögte ich Euch sehen, ich muß mich oft zwingen meine Augen von Euch abzuwenden, und wenn Ihr lächelt, so viel Traurigkeit auch in Euren Blicken liegt, so ist's mir, als schauete ich in den offenen Himmel.

 


Zehntes Kapitel.

Aber, unterbrach erröthend Victoria die Lobrednerin ihrer Schönheit, es scheint mir doch ungewöhnlich und unbegreiflich, daß ein Kind von guter Herkunft von seinen Eltern konnte auf diese Art verlassen und den Händen einer Anzahl Leute, die ein so strafbares Gewerbe treiben, wie Don Manuel und seine Gefährten, anvertrauet werden, wärend auf der andern Seite durch einen nicht weniger seltsamen Widerspruch dessen Erziehung einem Manne von Ehre und Verdiensten übertragen war?

Sennora, antwortete Therese, nur äußerst selten und zufälligerweise sah Theodor Don Manuel, so wie seine Genossen Garzias und Alonzo. Bevor man ihn mir übergab, war er schon in sehr guten Händen gewesen, wie man leicht bemerken konnte, obgleich ich nie erfahren habe, woher er kam. Er stammelte einige Worte einer mir unverständlichen Sprache, welche Thomas Englisch nannte, verließ mich nie, und bewohnte ein vom übrigen Theile des Schlosses entfernt liegendes Gemach, an welches ein kleiner Garten stieß. Den ersten, seinem Alter angemessenen Unterricht erhielt er von mir, denn ich bin so glücklich gewesen, eine meinem Stande weit übersteigende Erziehung zu genießen. Mein Vater war ein armer Schäfer in Arragonien, und weil ich, wie Ihr sehet, ein wenig verwachsen bin, so nahm die Frau des dortigen Gutsbesitzers mich aus Mitleid zu sich, und verbesserte das mir von der Natur widerfahrene Unrecht dadurch, daß sie meinen Verstand mit vielen nützlichen Kenntnissen bereicherte, und Schulen und Lehrer aus ihren Mitteln bezahlte. Sie hatte die Absicht, mich zum klösterlichen Stande zu erziehen, aber ihr frühzeitiger Tod veränderte meine Lage, und zwang mich nach einer Abwesenheit von sechs Jahren in die väterliche Hütte zurückzukehren. Bald darauf verheirathete mich mein Vater mit einem Jünglinge, der ihm seine Heerde hüthen half; er war ein guter, aber unwissender Mann, dem ich Lesen und Schreiben lehrte. Der Himmel schenkte uns nur eine Tochter, die einen Schäfer in der Nachbarschaft heirathete, und in kurzer Zeit eine zahlreiche Familie um sich her versammelte, uns aber hiedurch in die Nothwendigkeit versetzte, sie nach Möglichkeit in ihrer Dürftigkeit zu unterstützen. Der Ertrag unserer ländlichen Arbeiten und Heerden wollte nun nicht hinreichende Mittel herleihen, einer jährlich sich mehrenden Familie zur Befriedigung der nothwendigsten Bedürfnisse hülfreiche Hand zu bieten, deshalb gerieth ich auf den Einfall in unserm Orte eine kleine Schule für Kinder, die bisher der Faulheit und Unwissenheit überlassen gewesen, einzurichten, und der Himmel segnete mein frommes Vorhaben. Bald waren wir und unsere Kinder mit den ihrigen nicht allein vor Mangel geschützt, sondern wir sahen sogar einigen Ueberfluß in unsern Haushaltungen entstehen, und uns in den Stand versetzt, das Angenehme mit dem Nothwendigen zu verbinden. Da ich mich nun nicht bloß darauf beschränkte, meinen Schülern und Schülerinnen Lesen und Schreiben zu lehren, sondern sie auch in den Grundsätzen der Moral und Religion unterrichtete, so kam mir diese Uebung bei der Erziehung meines guten Theodors sehr zu statten, der überdem mit den glücklichsten Anlagen zur Welt gekommen war.

Nach seinem sechsten Jahre nahm ihn der Herr Sebastian zu sich, den er auch nicht wieder verließ, und erzog ihn in dieser Bibliothek und den daran stoßenden Gemächern, wo die Thür dort hinführt, und aus welchen die besondere Wohnung des alten Sebastian besteht. Dort aßen sie nur in Franzisco's Gesellschaft, der, so oft er hier ist, noch entfernter ein Zimmer bewohnt, wohin aber Niemand kommen darf. Was den gewöhnlichen Aufenthaltsort Don Sebastians und seines Zöglings anbetraf, so durfte denselben weder einer von Don Manuels Gefährten, noch seinen Dienern betreten, mit Ausnahme Diego's, des alten Negers und meiner; ich ging jeden Tag zu Don Sebastian, mein geliebtes Kind zu sehen, aber ich hüthete mich wohl, der geheimnißvollen Gegend des Schlosses, wo Franzisco sein Wesen trieb, zu nahe zu kommen.

Mit den Jahren vergrößerte sich auch Theodors Freiheit, man verstattete ihm unter den Hallen und in den Garten zu spielen und sich Bewegung zu machen, als er aber zum Jünglinge gereift war, hatte er die Erlaubniß, im ganzen Schlosse umher zu gehen, nur zu wenigen Gemächern, die immer verschlossen blieben, war ihm der Zutritt streng untersagt, dennoch speißte er nie an Don Manuels Tische, obschon dieser von Zeit zu Zeit in seiner Gesellschaft bei Franzisco aß.

Therese war im Begriffe in ihrer Erzählung fortzufahren, als Victoria, welche ein Geräusch zu hören glaubte, schnell in der Harfe Saiten griff, ein Lied zu beginnen, doch die verhaßte Gestalt des riesenhaften Garzias, der unverhofft vor ihr stand, verhinderte sie daran.

Unglückliche! fuhr dieser mit drohender Stimme, Theresen an, wer hat Euch erlaubt hieher zu kommen?

Das verwogene, schonungslose Betragen empörte die erschreckte Victoria und vermehrte das Entsetzen und den Abscheu, welchen das frische Andenken an Garzias Verbrechen in ihrer Seele erregt hatte, sie antwortete mit fester Stimme und im Gefühle der gekränkten Unschuld: Ich!

Ihr? wiederholte Jener mit einiger Verlegenheit. Dürfte ich Euch denn wol fragen, Sennora, in welcher Absicht Ihr sie hieher gerufen habt?

Wenn mein unglückliches Schicksal mich so tief erniedrigt, antwortete Victoria, Euch Rechnung über meine Handlungen abzulegen, so sage ich Euch, daß, da die Genossen meines Unglücks im Saale entschlafen waren, ich Zerstreuung suchend, mich hieher begab. Der Anblick dieser Harfe erweckte meine Neigung zu spielen, um aber nicht allein zu sein, war mir die Gegenwart Theresens um so angenehmer, als mir Diego versichert hatte, daß ich sie zu jeder Zeit und ganz nach meinem Gefallen zu mir rufen könne.

Sehr schön, Sennora, da ich nun aber hier bin, so werdet Ihr dieses holden Schutzengels nicht weiter bedürfen. Entfernt Euch, sprach er, die Thüre zeigend.

Therese, ich beschwöre Euch, verlaßt mich nicht! rief Victoria mit wachsender Angst.

Wirst Du gehen! schrie Garzias mit wüthender Stimme, und stampfte mit dem Fuße den Boden, da aber Therese noch immer zögerte, legte er die Hand an ein Pistol in seinem Gürtel und sagte drohend: Wenn Du noch einigen Werth auf den letzten Faden Deines elenden Lebens legst, so -- --

Zitternd gehorchte Therese.

Victorien flößte ihr Abscheu Muth ein, sie war im Begriffe Theresen zu folgen, aber der Räuber vertrat ihr den Weg, ergriff mit seinen ungeheuern Händen die zarten Arme des unschuldigen Schlachtopfers, und hielt es unbeweglich. Jetzt blieb Victorien keine Hülfe als ihr Geschrei übrig, umsonst ertönte die Bibliothek von ihrem Beistandrufen, Niemand erschien, und hohnlachend hielt sie Garzias gefesselt. Einige Augenblicke währte dieses ungleiche Ringen, da erhob die zitternde Gefangene ihre ängstlichen Blicke, einen Rettungsengel zu erspähen, und gewahrte plötzlich vor sich ein schreckliches Gespenst von übernatürlicher Höhe, dessen graues Todtengesicht und hagerer Leib mit einem schwarzen Leichentuche umhüllt waren. Garzias schauderte beim Anblicke der schreckhaften Gestalt, die ihn drohend anstarrte; erblassend ließ er seine Arme sinken und nahm ächzend die Flucht. Das Gespenst richtete seine hohlen Augen auf Victorien, stieß einen Schrei des Entsetzens und Mitleids aus, trat einige Schritte zurück und verschwand.

Alles dieses ereignete sich so schnell, daß die erschreckte Victoria die Erscheinung für eine Geburt ihrer regen Fantasie gehalten haben würde, hätte Garzias Flucht sie nicht vom Gegentheile überzeugt; so gräßlich der Anblick der Gestalt auch für sie war, so dankte sie derselben doch ihre Befreiung aus seinen Händen, und eilte noch immer zitternd nun der Thür zu, wo sie in Octaviens Arme sank, die ihr Geschrei herbeigerufen hatte.

Den übrigen Theil des Tages brachten die Gefangenen allein zu, weil Don Sebastian von Franzisco zurückgehalten wurde, und die übrigen Bewohner des Schlosses außerhalb desselben beschäftigt waren, deswegen benutzte Victoria diese Einsamkeit, ihren Gefährtinnen das sonderbare Abentheuer in der Bibliothek zu entdecken, worüber Beide auf verschiedene Weise ihr Erstaunen und Entsetzen äußerten.

Am Mittage des folgenden Tages ward ihnen Alonzo's Gesellschaft zu Theil, der in Abwesenheit Don Manuels sich das Ansehn des Herrn vom Schlosse gab, den ersten Platz einnahm, und seine weiblichen Gäste mit studirter Höflichkeit behandelte. Victoriens seltene Schönheit hatte seine Sinnlichkeit aufgeregt, da er aber Don Manuels Absicht kannte, und es nicht wagen durfte, ihr seine Neigung zu entdecken, so gerieth er auf den Einfall, um seine Absichten zu verbergen, seine ganze Aufmerksamkeit auf Hero zu richten, und sich das Ansehn zu geben, als sei er von den wenig verführerischen Reizen der leichtgläubigen Dirne entzückt und gefesselt. Sein Plan gelang ihm vollkommen; der Dienerin Eitelkeit und Einfalt fand sich mächtig geschmeichelt, und mit sichtbarer Freude empfing sie die Huldigungen ihres neuen Anbeters.

Wärend des Mittagsessens trat ein junger wie Diego und Juan gekleideter Neger, mit einigen Flaschen Wein in den Saal. Er schien nach der Regelmäßigkeit seiner schwarzen Züge zu urtheilen, von mauritanischer Abkunft zu sein, und erregte sowohl durch seine vortheilhafte Gestalt und sein gebildetes, einnehmendes und bescheidenes Betragen, als auch durch die Anmuth seiner Stimme, Bewunderung. Nachdem er Diego den Wein übergeben hatte, war er im Begriff sich wieder zu entfernen, aber Alonzo befahl ihm zu bleiben, und sie zu bedienen, weil er bestimmt sei, Juan, welchem ein anders Geschäft übertragen, zu ersetzen.

Jedes neue Gesicht fesselte die Aufmerksamkeit Victoriens, welche jederzeit in den Zügen ihrer Umgebungen dasjenige zu lesen suchte, was sie von ihnen zu fürchten, oder zu hoffen haben konnte. Sie blickte daher den jungen Neger verstohlen an, und bemerkte daß er selbst sie mit Aufmerksamkeit betrachtete. Erhob sie ihre Augen, so begegnete sie stets den seinigen, und diese Augen verriethen so deutlich Merkmale von Mitleid und Theilnahme, daß es der Prüfung eines Menschenkenners nicht bedurfte, Aufrichtigkeit und Herzensgüte aus ihnen herzuleiten; auch hielt sie Victoria für eine günstige Vorbedeutung, und wenn gleich das dienende Amt ihr misfiel, so erinnerte sie sich doch, in Erzählungen oftmalen die Treue, den Muth und die Gewandheit der Neger erwähnt gehört zu haben, daß sie sich der Hoffnung überließ, vielleicht in dem schwarzen Jünglinge einen Freund zu finden, der ihr einst wesentliche Dienste leisten könnte.

 


Eilftes Kapitel.

Nach dem Essen führte Alonzo seine Gesellschaft im Garten umher, unterhielt sich aber vorzugsweise mit Hero, die sich brüstend nicht von seiner Seite wich, und deren abgeschmacktes Gespräch Jener mit eiserner Geduld so lange anhörte, bis der sinkende Tag den Spaziergang endigte.

Indem Victoria, welche bei der Rückkehr ins Schloß gedankenvoll den Andern vorausgegangen war, die Halle betrat, hörte sie ein verwirrtes Geräusch von Stimmen, welche unter ihren Füßen zu sprechen schienen, und erblickte, als sie am Boden umhersah, mit Hülfe einer Oeffnung zwischen zwei nicht dicht zusammengefügten Steinplatten ein helles Licht in einem untern Gewölbe, und einen Haufen Räuber, von denen einige Fackeln hielten, Andere aber beschäftigt waren, einen Sarg in die Grube hinabzulassen und mit Erde zu bedecken. Stillschweigend winkte Victoria der ihr folgenden Octavia, und zeigte mit dem Finger auf den schauderhaften Gegenstand, den sie so eben entdeckt hatte, wobei sie ihr mit den Augen zu verstehen gab, nicht zu reden, um Alonzo und Hero, welche noch zurück waren, nicht aufmerksam zu machen. Sprachlos und unbeweglich betrachteten Beide einige Augenblicke das unterirrdische Leichenbegängniß, und schreckliche Vermuthungen regten sich in ihrer beklommenen Brust, aber plötzlich erschallte der Donner von Kanonenschüssen, die nicht fern von Osten, wo das mittelländische Meer die Küsten bespülte, herzudröhnen schienen, in ihren Ohren, und am düstern Horizonte blitzte das Feuer des Geschützes. Alonzo stand sogleich horchend still, blickte unruhig nach den abwechselnd erhellten Felsenspitzen hin, eilte aber, als auf die Kanonade ein lebhaftes Gewehrfeuer jenseits des Walles folgte, mit raschen Schritten durch den Garten, verschloß die Thür hinter sich, und verschwand aus den Augen seiner ängstlichen weiblichen Begleitung, die sich schüchtern versammelt hatte.

Bald darauf wurde alles still, die Dunkelheit hatte zugenommen, auch der Fackelschein war verschwunden, da hob sich in einiger Entfernung von den Gefangenen eine der breiten Steinplatten, die den Fußboden pflasterten, und es kroch aus der Oeffnung ein Bewaffneter hervor, dem ein zweiter, dritter und auf diese Weise bis ungefähr zwanzig Andere folgten, die mit stürmischer Eile ihren Weg durch den Garten den Wall hinauf nahmen.

Die Erscheinung dieser aus der Erde emporgestiegenen Banditen, welche Geistern der Unterwelt glichen, erfüllte Victoria und ihre Gefährtinnen mit tödtlicher Angst, in der Absicht einen Zufluchtsort zu suchen, das ihnen auferlegte Verbot vergessend, eilten sie in den Hintergrund der weiten Halle, wo diese sich in verschiedene Flügel theilte, und geriethen in einen gegen Norden liegenden gewölbten Gang. Flüchtiger und behender als ihre Gefährtinnen, war Victoria weit voraus geeilt, ihre gewöhnliche Behutsamkeit und Geistesgegenwart hatte sie in diesem Augenblicke verlassen, immer fliehend, ohne zu wissen wohin, sah sie ihren Weg durch ein hohes Eisengitter, das die Halle umgab, gesperrt, bemerkte indeß nach ängstlichem Spähen eine kleine Pforte in der Mauer, und da sie den Schall der eiligen Tritte ihrer Dienerinnen für die Vorboten nahender Verfolgung raubgieriger und blutdürstiger Banditen hielt, so schlüpfte sie in denselben, dann durch einen langen Corridor, auf dessen beiden Seiten Thüren, wie im Kloster die Zellen sich befanden, bis zu einer Thür, die verschlossen zu sein schien. Mit klopfendem Herzen ergriff sie den Riegel, horchte und fand ringsum tiefe Stille, die sie beruhigt haben würde, wenn nicht in diesem Augenblicke ein lauter Schrei der unglücklichen Hero, die Victoria jetzt unter den Dolchen der Räuber blutend glaubte, ihr alle Fassung geraubt und abermals zur Flucht angetrieben hätte. Die Furcht ermordet zu werden verzehnfachte ihre Kräfte, sie stieß die Thür auf, sah sich außerhalb des Schlosses in einem dichten, waldigen Gebüsche, und verbarg sich im dicken Gestrippe. Aber auch hier drang klagendes, schmerzliches Gewimmer und tiefe Seufzer, von unzähligen Hieben begleitet, in ihr Ohr, und schreckte sie von neuem aus ihrem vermeinten sichern Hinterhalte auf. In angstvoller Verwirrung, die eiskalten Schweiß aus ihrer belockten Stirn erpreßte, drang sie immer tiefer in das Gebüsch, wählte, die Gegend des Klagegeschreies zu vermeiden, die unwegsamsten Pfade, suchte umsonst einen Ausweg, kehrte mehr als zehnmal zur verlassenen Stelle zurück, aber statt sich von dem Orte ihres Schreckens zu entfernen, zog sie sowohl die Verwirrung ihrer Sinne, als auch des Gehölzes labyrinthischer Umkreis stets wieder zu demselben hin, und ließ sie mitten im wildbewachsenen Gebüsche einen freien viereckigten Platz finden, auf dem sich in Form einer Pyramide ein hohes Grabmal erhob. Hier gewahrte die erschöpfte Victoria mit Schaudern eine lange menschliche, blutige und mit Wunden bedeckte Gestalt, die sich mit einer härenen Geißel den Leib zerfleischte, mit unbegreiflicher Schnelligkeit und den Gebärden eines Rasenden im Zirkel das Grabmal umlief, und heulendes Gewimmer, auch zuweilen die Worte: Gerechtigkeit, Gerechtigkeit! ausstieß.

Beim Scheine des Mondes, der am Himmel glänzte, entging der beängstigten Zuschauerin keine Bewegung des scheußlichen Fantoms, daß jetzt plötzlich die Geißel von sich warf, mit den Händen die von Blut triefende Brust bedeckte, beim Fußgestelle des Mausoleums niederstürzte, in kläglichem Tone und zu verschiedenen Malen: Unglückliches Geschlecht der Ariosto's! ausrief, und dann aus Victoriens Augen gänzlich verschwand.

Von Schrecken gefesselt hatte Victoria den herabhängenden Zweig eines Baumes zur Stütze ergriffen; sie glich einer Schlafenden, die aus einem schweren Traume erwacht, und suchte ihre aufgereihten Sinne zu sammeln, da hörte sie Rauschen im Gebüsche und die Schritte eines Nahenden.

Sennora Victoria, hörte sie eine Stimme ängstlich rufen, wo seid Ihr, antwortet mir, ich beschwöre Euch im Namen unsers Heilandes, wo finde ich Euch?

Die Stimme war ihr unbekannt, doch verrieth ihr Ausdruck so viel Theilnahme und Besorgniß, daß sie Zutrauen einflößte; ihr zu antworten, war Victorien unmöglich, sie stieß einen schwachen Schrei aus und sank kraftlos zu Boden. In demselben Augenblicke eilte eine männliche Gestalt aus dem Gebüsche herbei, fing sie in ihren Armen auf, hob sie empor, und beim Scheine des Mondes erkannten der Erschreckten matte Augen den jungen Neger, dessen schwarzes Gesicht sie sogleich beruhigte.

Sennora, sprach er besorgt, erholt Euch aus dieser schrecklichen Verwirrung, faßt Euch, nicht ein Schein von Gefahr droht Euch in diesem Augenblicke, und wenn Ihr etwas fürchten könntet, so nehmt mich als Euren treuen und ergebenen Sclaven an, der sich glücklich preisen wird, tausend Mal sein Leben für Eure Vertheidigung zu opfern.

Victoriens Schwachheit verhinderte sie zu reden, aber Thränen der Rührung und der Erkenntlichkeit erleichterten ihr seit langer Zeit gepreßtes Herz; es war ja seit dem Tage ihrer unglücklichen Gefangenschaft das erste Mal, daß eines Freundes, eines Beschützers Stimme ihr Ohr erquickte. Ruhiger geworden, fragte sie mit bebender Stimme:

Darf ich den Namen meines großmüthigen Vertheidigers wissen?

Hippolit von Rosario ist's, antwortete der schwarze Jüngling, der um die Erlaubniß bittet, Euch zu Euren Begleiterinnen zurückzuführen.

Wo sind diese?

Nicht fern von hier ohne allen Unfall, aber voll Unruhe über Euer Schicksal. Auch sie hatte ein blinder Lerm geschreckt, und als ich zu ihrem Beistande herbei eilte, hielten sie mich für einen Mörder, und ihr lautes Geschrei muß Euch wol geängstigt haben. Ihr könnt mit völliger Sicherheit ins Schloß zurückkehren, weder Alonzo noch einer der andern Anführer sind gegenwärtig, nur der gute Sennor Don Sebastian ist daheim.

Hippolit, sprach Victoria, Ihr habt Euch mein ganzes Zutrauen erworben, und, obgleich Ihr zu Don Manuels Dienern gehört, so verräth doch Euer Aeußeres, Euer Benehmen und Eure Sprache, daß nur des Mißgeschickes böse Tücke Euch zu einem Stande erniedrigen konnten, der sich so wenig mit Eurer Geburt und Eurem Herzen verträgt.

Ja, Sennora, nicht zum Sclavenstande bin ich geboren, Glückswechsel und die unglücklichsten Begebenheiten führten mich hieher, mehr zu sagen ist mir nicht erlaubt, aber welches Loos mir auch bestimmt werden konnte, so kenne ich doch keines, welches mir dem vorzuziehen scheint, das mir in dieser Stunde zu Theil wird.

Inzwischen war Victoria von dem Neger unterstützt auf verschiedenen, unbekannten dunkeln Wegen, und durch lange Gänge wieder in die Halle zurückgegangen, wo sie Octavien und Hero ängstlich ihrer wartend antraf. In dem gewöhnlichen Versammlungssaale fanden sie außer dem einsilbigen, ungewöhnlich traurigen Don Sebastian Niemanden, weil indeß dieser seinem Tiefsinne sich zu sehr überließ, so war der kraftlosen Victoria die Stunde zum Schlafengehen sehr willkommen.

Von Neugierde gefoltert, benutzte sie die erste paßliche Gelegenheit, durch Theresen einigen Aufschluß über den frühern Stand, die Familienverhältnisse und Schicksale des jungen Negers zu erhalten, aber die gute Alte wußte selbst nur wenig. Ihrer Aussage nach war der Jüngling von hoher Geburt, aus dem südlichen Amerika gebürtig, und auf seiner Ueberfahrt nach Europa von einer der Brigantinen Don Manuels gefangen worden. Seit jener Zeit war er außerhalb des Schlosses an einem unbekannten Orte untergebracht, und vor weniger Zeit erst wieder hieher zurückgekommen, um den Dienst des alten, von Don Manuel in einem Anfalle von Wuth ermordeten Mohren zu versehen.

 

Mehrere Tage verstrichen den Gefangenen ohne irgend ein der Erzählung werthes Ereigniß. Täglich mehrte sich Victoriens und Octaviens Traurigkeit bei der nur zu gewissen Wahrscheinlichkeit, nie ihre Freiheit wieder zu erlangen; Hero hingegen schien völlig mit ihrem Schicksale ausgesöhnt, denn Alonzo's Aufmerksamkeit und seine Schmeicheleien machten ihr die Gefangenschaft vergessen, und schon fing sie, von diesem Vorzuge verleitet, an, ihre Gebieterin mit weniger Achtung zu behandeln und den Dienst der Zofe zu vernachlässigen.

Mit väterlicher Liebe gesellte sich der gute Sebastian, so oft es die Umstände und die Zeit ihm vergönnten, zu Victorien und der Signora Bernini, nichts ließ er unversucht ihre Schwermuth zu zerstreuen, und mit einer bessern Zukunft sie zu trösten, auch Hippolit und Diego verbanden sich mit ihm, und beeiferten sich ihnen den Aufenthalt im düstern Felsenschlosse erträglicher zu machen, und die von einer unverdienten Einkerkerung unzertrennlichen Schrecknisse und Widerwärtigkeiten zu mildern.

Am Abende des vierzehnten Tages erschien Diego nicht, statt seiner begleitete Juan die Gefangenen in ihr Schlafzimmer, und Victoria, hierüber beunruhigt, erhielt auf ihre desfalsige Frage an Theresen zur Antwort, daß er mehrere nothwendige Ankäufe für das Schloß zu besorgen, verschickt sei. Diese Erklärung schien Victorien wahrscheinlich, und da sie keine Ursache hatte, für Diego etwas Unangenehmes zu fürchten, so suchte sie in den Armen des Schlafes Lethes Wunderkraft

 


Zwölftes Kapitel.

Früh am Morgen erwachte Victoria von den Sonnenstrahlen geblendet, die durch ihres Gemaches Fensterladen drangen, und ihre Augen trafen. Im ersten Augenblicke sah sie mit dem gewöhnlichen unwillkührlichen Erstaunen, und jener Geistesverworrenheit, die stets auf eine unruhige von ängstlichen Träumen gefolterte Nacht folgen, um sich her, doch schienen ihr die Gegenstände nicht mehr die frühere Ordnung zu beobachten, und sie zwang sich den letzten Rest des Schlafes zu verscheuchen, ihre Beurtheilungskraft zu Hülfe zu rufen, und des Gemaches sonderbare Verwandlung zu erklären. Kaum hatte sie aber mit ruhigerer Fassung die Umgebungen geprüft, die durch eine seltsame Umstaltung herbeigeführten Vergleichungen angestellt, und schreckliche Gewißheit erlangt, so sprang sie mit Entsetzen aus ihrem Bette, und ihr heftiges Angstgeschrei erweckte die schlafende Dienerin.

Was giebts denn? fragte Hero erstaunt.

Wache ich, oder ist es ein Traum, rief Victoria zweifelhaft, wo ist Octavia, wo ist ihr Bett geblieben?

Fest blickte auch Hero nach der leeren Stelle, und gewahrte mit Schrecken, daß sowol Octavia, als das Lager, auf welches sie sich am Abende zur Ruhe gelegt hatte, verschwunden waren, ohne daß die kleinste Spur von ihnen übrig blieb.

Hero's von Entsetzen verzerrtes Gesicht überzeugte Victoria daß kein Spiel ihrer Fantasie sie täusche, nicht ohne Schauder untersuchte sie den Ort, wo Octaviens Bett gestanden, stampfte sie mit den Füßen auf den Boden, um dessen Festigkeit zu prüfen, aber nichts ließ hier auf die entfernteste Weise eine natürliche Veranlassung vermuthen. Der Fußboden war fest, eng verfügt und gab keinen hohlen Laut von sich, er zeigte auch keine Spur von einer versteckten Fallthür; die Fensterladen waren geschlossen, die Decke des Zimmers ohne heimliche Oeffnung, und des Gemaches Thür von innen noch sorgfältig wie am Abende verriegelt. Mit jedem Augenblicke ward ihr das geheimnißvolle Verschwinden der Freundin unerklärbarer.

Jetzt als sie die Absicht dieses Raubes ahnete, fand sie ihre Lage gefahrvoller als je, ihre theure, innigverehrte Vertraute war ihr wie durch Zauberei entrissen, ihres Trostes, ihres Beistandes beraubt, wie sollte sie den Angriffen des Lasters und Verraths ohne der Freundin Rath widerstehn, wie der Macht des bösen Geistes der unsichtbarlich durch verschlossene Thüren dringen konnte, ihre frühere von gegenseitigen Aufmunterungen beseelte Standhaftigkeit entgegenstellen? Die Arme fand sich allein, und nur der feste Glaube an Gottes Gerechtigkeit und die Macht eines unschuldigen Gewissens hielt sie ab, in lauten Klagen die Stunde ihrer Geburt zu verwünschen.

Inzwischen hatte der heftige Schreck der furchtsamen Hero epileptische Zuckungen, welche schnelle Hülfe heischten, zugezogen, die theilnehmende Victoria entschloß sich daher, was sie ohne diesen mächtigen Bewegungsgrund nie gewagt haben würde, ihr Schlafzimmer zu verlassen, und die Bewohner des Schlosses, welche ihr Geschrei und Rufen von dort aus füglich nicht hören konnten, zum Beistande Hero's, deren Crisis sich mit jedem Augenblicke gefährlicher zeigte, herbei zu rufen. Selbst die Ueberzeugung, daß sie in dieser geheimnisvollen Felsenburg keinen Schritt thun konnte, ohne Unbegreiflichkeiten und Gefahren zu begegnen, hielt sie nicht ab, ihrem Vorsatze zu folgen, und nach der Bibliothek zu gehen, wo sie Don Sebastians Zimmer, die an selbige grenzten, zu finden hoffte. Noch war es nicht fünf Uhr, sie schmeichelte sich also, ohne gesehen zu werden, ihren Vorsatz ausführen zu können, warf einen spähenden Blick den Gang hinab, sah kein Hinderniß, und schlich nun mit möglichster Vorsicht der Bibliothek zu. Ohne Unfall gelangte sie an die nischenförmige Thür des Saales, vor welcher die Bildsäule Neptuns aufgestellt war, schaudernd, blickte sie um sich her, um sich zu überzeugen, daß auch hier noch Niemand wandere, gewahrte aber mit Erschrecken in einiger Entfernung eine männliche Gestalt von fürchterlichem Ansehn, die in einer Hand einen Dolch, in der andern eine Laterne hielt, und unter dem Arme einen bedeckten Korb trug. Zurückkehren konnte Victoria nicht, der Räuber war ihr zu nahe, und würde sie unfehlbar entdeckt haben, es blieb ihr daher weiter kein Mittel seinem Auge zu entgehen übrig, als durch die Colonnade vor der bewußten Thür zu schlüpfen, und sich hinter dem Fußgestelle der Statüe zu verbergen; doch auch hier drohete der Angstvollen Entdeckung, denn der Räuber schritt zwischen den Säulen der Colonnade durch, hart an ihr vorüber, und öffnete die ungeheure Flügelthür des schrecklichen Saales, den Therese ihr einst mit Entsetzen gezeigt hatte. Er hatte sie nicht bemerkt, ein Flügel der Thür war halb geöffnet geblieben, und von einer unbezwingbaren Neugierde getrieben, richtete Victoria ihr e schüchternen Blicke in den großen, düstern Saal, die Schritte und Handlungen des Vorübergegangenen zu verfolgen.

Im Hintergrunde des Saales zeigte sich ihr eine weibliche Gestalt von riesenhafter Größe, vor welcher der Räuber stehen geblieben war; plötzlich näherte sich ihm die Gestalt mit einem mit einem anhaltenden dumpfen Gewimmer, breitete ihre gewaltigen Arme aus, ergriff ihn, drückte ihn an ihre Brust, und verschwand im Augenblicke in der Erde Tiefe. Diese schauderhafte Erscheinung raubte Victorien fast die Besinnung, nur das ferne Geschrei der leidenden Hero mahnte sie an ihre Pflicht und stärkt ihren Muth, sie empfahl sich dem Schutze des Allgewaltigen, verließ ihren Hinterhalt, eilte den Gang und die Treppe hinab, erreichte die Thür der Bibliothek und -- fand sie fest verschlossen. Jetzt erst wirkte die Angst auf ihren zarten Körper, umsonst versuchte sie die Thüre aufzustoßen, ihre Lebensgeister schwanden und mit einem von der Verzweiflung ausgepreßten Schrei, stürzte sie besinnungslos zur Erde.

Bei ihrem Wiedererwachen befand sie sich in der Bibliothek und in den Armen Hippolits, der sie in einen Sessel getragen, wärend Don Sebastian ihre Stirn mit stärkendem Wasser wusch. Die Gegenwart der theilnehmenden Freunde beruhigte sie, mit schwacher Stimme erzählte sie die Veranlassung zu ihrer Ohnmacht, die Folge der unerklärbaren Entführung ihrer Freundin Octavia, und beschwor hierauf Beide der armen Hero, die sie dem Tode nahe glaubte, Beistand zu leisten.

Octaviens Verschwinden und die geheimnißvolle Art, mit welcher dasselbe bewerkstelligt worden, verursachten auf Don Sebastians Gesicht Merkmale des Erstaunens und der Unruhe; da inzwischen der Zustand Hero's schnelle Hülfe verlangte, so sandte er den jungen Neger fort, der aber bald darauf mit einem Victorien unbekannten Manne, welcher mehrere Arzneigläser trug, zurückkehrte. Dieser schien ungefähr sechs und dreißig Jahre alt zu sein, sein Ansehn war lebhaft, geistreich und Zutrauen einflößend, er nannte sich Pedro, und war als Wundarzt im Dienste des Herrn vom Schlosse. In seiner Begleitung kehrten sie in Victoriens Schlafzimmer zurück, wo sie Hero noch mit den heftigsten Convulsionen kämpfen fanden, welche jedoch der Arzt durch die Kraft eines niederschlagenden Trankes bald hemmte, und in kurzer Zeit die von der Furcht Erkrankte, wieder herstellte.

Sobald der Arzt die gute Wirkung seiner Arznei und Hero außer Gefahr sah, entfernte er sich schnell, aus Furcht bemerkt zu werden, weil es ihm nicht erlaubt war, ohne Befehl seiner Obern, an Jemandem von den Gefangenen im Schlosse sein Amt auszuüben; auch Don Sebastian und Hippolit folgten seinem Beispiele, in der Absicht, dem boßhaften Garzias Victoriens Unfall und ihre Hülfeleistungen zu verheimlichen, und ihm keinen Vorwand zu liefern, in Ansehung der Gefangenschaft neue Einschränkungen vorzunehmen. Victoria blieb allein bei dem Bette Hero's, die in einen tiefen Schlaf, die gewöhnliche Folge der Crisis, gefallen war, zurück, hing ihren niederschlagenden Betrachtungen nach, heftete ohne Unterlaß ihre Augen auf die Stelle, wo das Lager ihrer verschwundenen Freundin gestanden, und seufzte. An mehreren Orten, und namentlich hinter dem Bette Octaviens, war die Tapete zerrissen und durchlöchert, aus einem der Löcher hing eine feine glänzende Kette herab, die Victoria jetzt erst bemerkte, für das Eigenthum ihrer unglücklichen Begleiterin hielt, und mit dem Wunsche, wenigstens ein Andenken von derselben zu behalten, hervorzog. Aber wie sehr erstaunte sie, als an der Kette eine ovale Kapsel hing, und diese beim Oeffnen ihr das Gemälde eines Jünglings zeigte, der schön genannt zu werden verdiente, und in dessen Zügen Hoheit der Seele, Herzensgüte, Entschlossenheit und Sanftmuth in vollkommenen Einverständniß lagen. Der Ausdruck in dem Gesichte des Jünglings fesselte Victoriens Auge und bezauberte ihr Herz, sie war ganz im Anschauen versunken, und vergaß wärend dieser Augenblicke ihr unverdientes Misgeschick und ihren herben Verlust. Wer aber ist das Original dieses Gemäldes, wem mag es zugehören und wie kam es hieher? Diese Fragen führten zu Vermuthungen. Die kostbaren Steine, mit denen es eingefaßt war, bewiesen, daß es kein Eigenthum der dürftigen Bernini gewesen sei; sollte es vielleicht einem Unglücklichen zugehört haben, der dieses Zimmer früher bewohnte, und den die Banditen ermordeten? Diese die Wahrscheinlichkeit so sehr berührende, traurige Muthmaßung erinnerte Victoria an so manche die Grausamkeit und Rohheit ihrer Umgebung aussprechenden Vorfälle, daß sie für ihr eigenes Leben zu fürchten begann, und bei jedem Geräusche zitterte. Das Portrait verbarg sie mit dem Vorsatze in ihrem Busen, den alten Sebastian um den etwa ihm bekannten Eigenthümer zu befragen.

Zur gewöhnlichen Stunde erschien Therese, die Damen zum Frühstücke abzuholen; mit Erschrecken und Bestürzung erfuhr sie daß nächtliche Ereigniß, da sie aber an die unbegreiflichen Auftritte im Schlosse schon gewöhnt war, und dem Aberglauben huldigte, so erklärte sie das Verschwinden Octaviens durch die Macht der höllischen Geister und Gespenster, die in allen Winkeln hausend, nur um den Bewohnern Schaden zuzufügen, ihre versteckte Gegenwart beurkundeten; die erwachte Hero theilte ihre Meinung, und betheuerte, daß sie sich stark genug fühle, Victorien in den Eßsaal zu begleiten, auch nichts sie vermögen könne, in dem schrecklichen Gemache allein zurückzubleiben. Don Sebastian und Alonzo erwarteten sie bereits, der Letztere, der angenommenen Rolle getreu, erkundigte sich mit besonderer Theilnahme nach dem Befinden Hero's, schien, als er ihre Unpäßlichkeit und das seltsame Verschwinden Octaviens erfahren hatte, aufs höchste verwundert, schwur, daß eine sorgfältige strenge Untersuchung das Unbegreifliche bald enthüllen müsse, und befahl für Victorien und ihre Dienerin ein Zimmer in der Nähe der Wohnung der Dienerschaft einzurichten, damit sie für die Zukunft gegen alle schreckhafte Abentheuer der Art gesichert sein könnten.

Wärend er sich mit Hero in einiger Entfernung vertraulich unterhielt, benutzte Victoria die Gelegenheit Don Sebastian ihre Hoffnung mitzutheilen, die sie aus der Neigung Alonzo's zu ihrer Dienerin schöpfte, nämlich, daß er auch an ihrem Schicksale wesentlichen Antheil nehmen, und ihr zur Befreiung aus ihrer Gefangenschaft einst noch behülflich sein könnte.

Nährt ums Himmels Willen diese trügerische Hoffnung nicht, sprach Sebastian wehmüthig, von allen Vertrauten Don Manuels ist dieser Alonzo der lasterhafteste, verschmitzteste, und zugleich der gefährlichste. In diesem Augenblicke misbraucht er die Leichtgläubigkeit dieser jungen Dirne, um sie zu seinen mir noch unbekannten Absichten, zu benutzen. Glaubt mir, meine gute Tochter, es wird ihm gelingen, sie zu verführen, von Euch abzulenken, nach seinem Willen zu leiten, und zu einem geheimen Beobachter Eurer Worte und Handlungen zu gebrauchen. Hüthet Euch in ihrer Gegenwart ein Merkmal des Einverständnisses mit den wenigen Bewohnern dieses Schlosses, welche an Eurem Schicksale Theil nehmen, zu verrathen, es würde Euch und ihnen schaden.

Victoria dankte dem Greise für seinen weisen Rath und versprach, ihn pünktlich zu befolgen, obgleich der Zwang sich mit Mistrauen zu umhüllen, und zur Verstellung ihre Zuflucht zu nehmen, ihre Leiden und ihre Trauer um den Verlust der getreuen Bernini vermehrte.

Nach dem Essen erschien zu ihrer Beruhigung der heimgekehrte Diego, bald darauf verließ Don Sebastian, dem gewöhnlichen Glockenschalle folgend, den Saal, und als Victoria gedankenvoll und tiefsinnig die schroffen Felsenwände durch das Fenster betrachtete, und den Flug der auf unzugänglichen Spitzen nistenden Adler beneidete, entfernte sich auch, von ihr unbemerkt, Alonzo, mit der jetzt völlig genesenen Hero. Ein dumpfes Geschrei unter ihren Füßen rief ihre abwesenden Gedanken, die bei dem fernen Bruder verweilten, in die Einöde zurück, sie erschrack, sah sich allein, und begab sich schnell fort aus dem unheimlichen Saale in die Bibliothek, wo sie durch die Nähe der Wohnung des guten Sebastian sich ruhiger fühlte. Zwar schwebte ihr noch die jüngst gehabte, schreckliche Erscheinung vor den Augen, da inzwischen die Gestalt dem Anscheine nach, nur zu ihrem Schutze, und um sie von dem rohen Garzias zu befreien, erschienen, sie überdem nicht geneigt war, das Unbegreifliche mit dem Uebernatürlichen zu verwechseln, so bewirkte die Erinnerung an diesen Vorfall bei ihr eher Beruhigung als Angst. Sie setzte sich daher in eines Fensters Vertiefung, betrachtete wiewol nicht ohne Aengstlichkeit die hohen Säulen des Bibliotheksaales, der einst zu einer Kirche gedient haben mochte, und da ihr die an den Wänden herabhängenden großen Landcharten in die Augen fielen, so entstand der natürliche Wunsch in ihrem Herzen, auf dem todten Papiere die heimathliche Gegend, die Stadt Toskana, wo sie glücklich gelebt hatte, aufzusuchen. Der Umfang der Charte nöthigte sie, auf einen Stuhl zu steigen, beim Suchen des geliebten Vaterlandes aber bemerkte Victoria in der Mauer zwischen dem hölzernen Rahmen, der die Charte umfaßte, und jener, eine Ritze, breit, tief und durchsichtig genug, um in des Schlosses angrenzenden Theil zu schauen. Als nun Victoria von der in solchen Fällen leicht zu entschuldigenden Neugierde angezogen, ihr Auge der Ritze näherte, sah sie mit Verwunderung nicht fern von sich eine schlanke, weibliche weiß gekleidete Gestalt, in der Stellung einer Knieenden betend vor einem Grabmale von schwarzem Marmor.

Für Victoria war jede Handlung der Trauer und Frömmigkeit eine heilige Verrichtung, sie erröthete, und zog sich aus Furcht die Betende in der Ausübung ihrer religiösen Pflichten zu stören, eilig und ohne Geräusch zurück. Kaum hatte sie aber sich von der Charte entfernt, so bot sich ein anderer ungleich sonderbarer und schauderhafter Anblick ihren Augen dar. Es war ein vom Kopfe bis zur Fußzehe schwarz Geharnischter, dessen Helm ein großer diamantner halber Mond, und eine hohe schwarze Feder, die aus demselben hervor stieg, schmückte; seine Lanze und Schild waren an der linken Schulter durch die Schärpe befestigt, und das Visir des Helms geschlossen. Mit über der Brust kreuzweis liegenden Händen ging er langsamen Schrittes durch die Bibliothek, stieg die Stufen zum Ausgange hinauf und verschwand. Das Wunderbare bei dieser seltsamen Erscheinung lag vornehmlich in dem Umstande, daß dieser in schweres Eisen eingehüllte Ritter sich fort zu bewegen schien, ohne dabei die Erde zu berühren, denn auch nicht das entfernteste Geräusch verrieth dem Ohre den Schall seiner festen, sichern Schritte, da hingegen die leichten Füße der zarten Victoria kaum ihren Standpunkt verändern konnten, ohne aus dem Marmorpflaster einen Schall hervorzulocken, den das Echo in allen Vertiefungen wiederholte.

Obgleich Victoria anfänglich beim Anblicke dieser wundersamen Gestalt erschrack, so beruhigte sie sich doch bald mit dem Bewußtsein ihres reinen Gewissens, und wenn gleich ihre Vernunft oftmalen das Unerklärbare nicht zergliedern konnte, so war sie doch überzeugt, daß des Allmächtigen unsichtbare Hand sie beschütze, und er sich nur durch gütige und gerechte Werke offenbare. Von diesem stärkenden Gedanken durchdrungen, kehrte sie nach Verlauf mehrerer Stunden in den Eßsaal zurück, wo sie Alonzo und Hero im traulichen Gespräche begriffen fand. Diese schienen nicht auf Victorien zu achten, des Ersteren Betragen gegen sie war eher gleichgültig und nachlässig als gefällig oder zuvorkommend, und die verblendete Zofe verrieth durch ihr Benehmen, daß sie in der Banditenhöhle den Unterschied des Standes nicht ferner zu beachten gedenke. Still und in sich zurückgezogen wählte Victoria einen entfernten Sessel, Alonzos verändertes Betragen machte keinen Eindruck auf sie, es that ihrem Herzen wohl, nicht mit Schmeicheleien belästigt zu werden, über ihr Schicksal nachzusinnen, war ihr Bedürfniß geworden, und ungestört konnte sie es auf diese Art befriedigen.

Beim Abendessen sah sie nicht einen von denen, die sie ihr zugethan glaubte, weder Don Sebastian, noch Hippolit oder Diego, ihre Schwermuth nahm mit jedem Augenblicke überhand, der letzte Schein von Hoffnung erstarb allmälig in ihrem Busen, und nur Thränen allein, die Alonzo nicht zu bemerken schien, blieben ihr als Mittel zur Erleichterung ihres Herzens übrig. Endlich, nach langen Stunden erschien Therese in Begleitung Diego's, die Gefangenen in ihr neues Schlafzimmer zu führen.

 


Dreizehntes Kapitel.

Diego ging von den drei Frauenzimmern gefolgt durch den Rüstsaal, mehrere enge Gänge, und eine versteckte, schmale Treppe hinab, die an einen Vorsaal in sechseckigter Form, stieß, wo sich in jeder Abtheilung eine mit dicken, eisernen Barren verschlossene Thür befand, an welcher eine Kette mit einem gewaltigen Vorhängeschlosse hing. Diego öffnete die gegen der Treppe über befindliche Thür, und beruhigte Victorien, die beim Anblicke der breiten Eisenriegel erschrack, durch die Versicherung, daß auch Theresens Schlafgemach in der Nähe sei. Sie traten nun hinein, das Zimmer war ganz im uralten Geschmacke ausstaffirt, eine verwitterte mit Figuren in Lebensgröße gezierte Tapete bedeckte die Wände, die Betten waren von grünem Sammt, mit goldenen Franzen besetzt, welche aber Zeit und die feuchte Luft geschwärzt hatten. Uebrigens schien es, als ob man es sich hätte angelegen sein lassen, das Zimmer zu Victoriens Wohnung bequem und reinlich einzurichten.

Sennora, sprach ehrerbietig Diego, ich habe nichts versäumt, für alle Eure Bedürfnisse zu sorgen, indeß mögte es schwer sein, aus diesem Gemache eine, Eurem Range angemessene Wohnung zu machen.

Mein Rang, erwiederte Victoria in schmerzlicher Erinnerung, ist unter den Töchtern des Unglücks, Ruhe ist die einzige Wohlthat, nach der ich verlange, ach und die ärmlichste Hütte, wo ich frei und in Sicherheit leben könnte, würde in meinen Augen zum reichsten Pallaste werden.

Ich hoffe, antwortete Diego, daß Ihr in dieser Nacht nichts zu fürchten haben werdet, und wenn ja irgend ein böser Geist auf den Einfall kommen könnte, Euch Eure Begleiterin zu rauben, so mögte er meiner Ansicht nach, Euch damit wol keinen üblen Dienst leisten.

Bei diesen Worten sah er Hero verächtlich an, zündete die Lampe an und entfernte sich mit Theresen; Victoria konnte beim Rasseln der Riegel und Vorhängeschlösser ein ängstliches Beben nicht unterdrücken. Dieses schauerliche Gerassel, dachte sie, ist entweder Bürge für meine Sicherheit, oder weissagt mir den nahen Untergang. -- Zwar waren Diego's Versicherungen und sein Benehmen von der Art, daß sie ihre Unruhe einigermaßen minderten, aber dieser Räuber war ja doch Don Manuel völlig ergeben, der gewissenhafte Vollstrecker seiner Befehle, und Victoria vermogte Angst und Mistrauen aus ihrem Herzen nicht zu verbannen. Ihre Augen betrachteten Hero, die mit der größten Gleichgültigkeit sich vor einem Spiegel entkleidete, der es nicht einfiel, ihrer Gebieterin hülfreiche Hand zu leisten, und die sich sorglos, ohne mit ihrem Schicksale zu hadern oder zu Gott zu beten, gähnend schlafen legte. Diese auffallende Sorglosigkeit bei einer Dirne, die vor wenigen Stunden lächerliche Furchtsamkeit gezeigt hatte, bestätigten bei ihr Don Sebastians geäußerten Verdacht, und erfüllten Victoriens Herz mit Mistrauen und Verachtung. In steter, ängstlicher Erwartung schreckliche Auftritte zu sehen, ein Opfer des Lasters zu werden, wandelte keine Müdigkeit sie an, traf kein tröstlicher Strahl von Hoffnung ihre Seele, ja sie fürchtete, sich dem Schlafe zu überlassen, denn daß in diesem geheimnißvollen Schlosse, welches von unterirrdischem Donner zitterte, und scheußlichen Fantomen zur Wohnung diente, auch dicht verwahrte und verriegelte Thüren der Armen keinen Schutz gewährten, dies bewieß das unbegreifliche Verschwinden einer tugendhaften Frau, die durch die Harmonie der Gefühle und Grundsätze mit den ihrigen, Victorien in kurzer Zeit theuer und unentbehrlich geworden war. Der Gedanke an sie, die Ungewißheit über ihr Schicksal, die Undankbarkeit der ehrlosen, verächtlichen Zofe, Don Sebastians und Hippolits Abwesenheit, die Zurückhaltung, welche sie seit Kurzem in dem Benehmen Diego's, und Theresens, selbst bei der Theilnahme an ihren Leiden, bemerkt zu haben glaubte, alles dieses ließ sie die Nähe ihres Verderbens ahnen, und enthüllte vor ihren Augen eine Menge von eingebildeter Gefahren, die mit jedem Augenblicke wuchsen.

Seit zwei Stunden schon schlief Hero mit beneidungswürdiger Ruhe, als Victoria noch immer in einem weiten Lehnsessel am Kamin sitzend, mit ihren niederschlagenden Betrachtungen kämpfte, und sich bestrebte den Angriffen der Muthlosigkeit ein unerschütterliches Vertrauen auf die unendliche Güte der Vorsehung entgegen zu stellen. Mitternacht war vorüber, Victoria fühlte eine unbehagliche aus den sie umgebenden dicken Steinmassen ausdünstenden Kälte, und entschloß sich, ihrer Schlaflosigkeit ungeachtet, sich zu Bette zu legen. Kaum hatte sie sich aber dem vormals fürstlichen Lager genähert, so schreckte sie das Geräusch eines Riegels, welcher, wie es ihr schien, unter dem Fußboden in der Mitte des Gemaches zurückgeschoben wurde, zurück, und raubte die vor wenigen Augenblicken vom Himmel erflehete Standhaftigkeit. Schnell verbarg sie sich hinter dem großen Lehnsessel, obgleich nach ihrer Ueberzeugung dieser Zufluchtsort ihr keine Sicherheit gewähren konnte, die Gefahr war inzwischen zu nahe, um eine zögernde Berathung zu gestatten. Da wo die Lehne mit dem Stuhlsitze vereinigt ist, war ein leerer, unbedeckter Zwischenraum, durch welchen Victoria das Gemach übersah, und jetzt mit Grausen ein unterirrdisches Gepolter hörte. Nach einigen Augenblicken erhob sich eine Fallthür, der Kopf eines scheußlichen Banditen, der eine lodernde Fackel in der Hand hielt, stieg langsam empor, seine Augen waren in die Tiefe gerichtet, er bückte sich mehrere Male um seinen Nachfolgern Hülfe zu leisten, bis er endlich ganz hervor kroch. Ihm folgten zwei andere Räuber, die ein vor Schrecken halb ohnmächtiges Frauenzimmer hinter sich her zogen.

Anfänglich glaubte die zitternde Victoria ihre verschwundene Freundin zu erkennen, aber diese Hoffnung, daß man sie ihr wieder zu schenken komme, war von kurzer Dauer, denn ein zweiter Hinblick überzeugte sie, daß die Unglückliche größer, zarter gebaut und sehr jung sei. Die Räuber waren mit ihrem Raube zu sehr beschäftigt, auch der Fackelschein zu blendend, um die von der Lampe im Zimmer verbreitete matte Helligkeit zu bemerken, sie schleppten ihr Opfer zum leer stehenden Bette, zogen einen Strick hervor und banden dessen beide Hände an einen der Pfosten desselben.

Unmenschen, rief die Unbekannte seufzend und angstvoll aus, warum bindet ihr mich wie eine Verbrecherin, Ihr wißt ja, daß ich Euch nicht entfliehen kann!

Binde nur fest, sprach einer der Banditen, und ein Zweiter fügte hinzu: Ihr habt uns Mühe und Arbeit genug verursacht, jetzt da wir Euch in unserer Gewalt haben, müssen wir uns Eurer versichern.

Und so fuhren sie gelassen in ihrer Arbeit fort, stiegen hierauf eilig wieder durch die Fallthür hinab, schlossen diese, und Victoria hörte deutlich das Vorschieben der Riegels. Sie athmete jetzt freier, und betrachtete die junge Unbekannte mit mehr Aufmerksamkeit. Diese war fast wie eine spanische Nonne gekleidet, der Schleier war ihr entfallen, und nur das schönste Haar bedeckte ihren Kopf, und fiel in langen Locken wild und verstört auf den Nacken und die Schultern herab. Ihr Gesicht, von welchem Victoria nur das Profil sehen konnte, zeigte jugendliches Alter, und obschon die Angst, die Thränen und Verzweiflung dasselbe entstellten, so war doch Sanftmuth und Liebenswürdigkeit in ihm unverkennbar, und ihre über einander unbarmherzig an des Bettes harten Pfosten festgebundenen Hände übertrafen an Schönheit und blendender Weiße alle Beschreibung.

Von Theilnahme und Mitleid bewegt, hatte Victoria in diesen Augenblicken ihre eignen Leiden vergessen, und zitterte vor Sehnsucht, der Unglücklichen beizustehen und sie zu trösten, nur fürchtete sie, solche durch ihre plötzliche Erscheinung zu erschrecken, deshalb zögerte sie eine Weile, stützte sich auf die Rücklehne des Sessels, und erdachte ein Mittel, der gefährlichen Ueberraschung vorzubeugen, als ihr Ohr ein neues Geräusch vernahm, das hinter der Wand den Betten gegenüber zu entstehen schien, und dem Schnellen eines gespannten Federwerks glich; zu gleicher Zeit sah Victoria mit Entsetzen eine von den auf der Tapete befindlichen Figuren, die einen völlig gerüsteten Krieger vorstellte, sich bewegen, einige Zolle vorspringen, dann an der Wand hingleiten, und an ihrer Stelle eine Oeffnung entstehen, durch welche ein ehrwürdiger Greis mit Besorgniß in den Zügen hereindrang, und auf die Unbekannte zueilte.

Euer Geschrei, meine geliebte Tochter, stammelte er, hat mich Eure Spur finden lassen, und zu Eurer Rettung herbeigeführt.

Gütige Vorsehung! rief die Ueberraschte mit Entzücken aus, hob die dankbaren Hände zum Himmel und sank in des Greises Arme. Dieser zerschnitt hastig die Stricke, umschlang die Errettete mit Jünglingskraft und trug sie durch die Oeffnung, die sich sogleich unter demselben Geräusch schloß und von dem Krieger in der Tapete bedeckt wurde.

Als Victoriens Bestürzung und ihr Erstaunen sich etwas gemäßigt hatten, und sie mit ruhiger Ueberlegung diese sonderbare Begebenheit beurtheilen konnte, überzeugte sie sich, daß sie von allen diesen unsichtbaren Fallthüren und geheimen Eingängen umgeben, sich nicht schmeicheln dürfe, einen Augenblick in Ruhe zu leben, weshalb denn auch an keinen Schlaf zu denken war, und der übrige Theil der armen Victoria; in steter peinvoller Spannung und Angst schleichend vorüber strich.

Zur gewöhnlichen Stunde am Morgen öffnete Diego Theresen die Schlösser der Thür und ließ sie eintreten, mit fragenden Blicken sah sie in Victoriens matte Augen, und erwartete neue Entdeckungen aus ihrem Munde zu hören, aber Victoria hüthete sich das nächtliche Abentheuer zu erzählen, aus Furcht dem Greise und seiner Tochter zu schaden, und erklärte der besorgten Alten ihr bleiches Ansehn durch den Mangel an Freiheit, und die Pein der schrecklichen Ungewißheit über ihr Schicksal. Ihr Gespräch erweckte Hero, sie stand auf, kleidete sich ruhig und wohlgemuth an, bekümmerte sich um ihre Gebieterin wenig, und behandelte die gute Therese wie eine zu ihrem Dienste bestimmte Magd. Aber diese ließ bei jeder Gelegenheit der Thörin ihre Verachtung merklich fühlen, und wenn sie auf der einen Seite ihre Aufmerksamkeit und Gefälligkeit gegen Victoria verdoppelte, so würdigte sie auf der Andern Hero keines Wortes, und nur zuweilen drohete ihr Unmuth über deren Benehmen hervorbrechen zu wollen.

Nach dem Frühstücke, wobei Don Sebastian mit Alonzo gegenwärtig war, und sich Letzterer wie gewöhnlich nur mit Hero beschäftigte, fand Victoria Gelegenheit, ihrem würdigen Freunde, jedoch unter Verschweigung des Vorgefallenen, ihre, mit jedem Augenblicke zunehmende Unruhe zu schildern, und sich seine Meinung über die Absicht ihrer Räuber zu erbitten. Don Sebastian betheuerte, daß er keine Gemeinschaft mit den Bewohnern des Schlosses habe, auch in Don Manuels Geheimnisse nicht eingeweiht sei, und fügte tröstend hinzu:

Ich hoffe, meine liebe Tochter, daß Eure Besorgniß für jetzt wenigstens ungegründet sein wird, denn meines Wissens hat Don Manuel sehr gemessene Befehle zur Sicherstellung Eurer Person hinterlassen, mithin droht Euch keine erhebliche Gefahr, zum wenigsten bis zu seiner Rückkehr, und alsdann werden wir sehen, was zu thun ist. -- Hofft Alles von dem Beistande der Vorsehung, die den Tugendhaften nicht verläßt.

Ach, mein Herz giebt keiner Hoffnung Raum, erwiederte Victoria, nicht allein mein Schicksal erfüllt mich mit Furcht, sondern ich glaube Veranlassung zu haben, auch für diejenigen welche von meinen Leiden gerührt, mir ihre Theilnahme nicht versagen, das Aergste zu besorgen. Warum sehe ich den guten, mitleidigen Hippolit nicht mehr, könnte ihm ein Unglück widerfahren sein?

Das möge der Himmel verhüthen! sprach Sebastian, wahrscheinlich hat ihn ein Auftrag von Wichtigkeit sich zu entfernen gestern gezwungen, und noch bis jetzt zurückgehalten. -- Indeß mag ich Euch nicht verhehlen, daß eine längere Abwesenheit mich unruhig machen könnte.

Möge die himmlische Gnade es verhüthen, fiel Victoria bestürzt ein, sie wird nicht zulassen, daß ein so gutes, liebenswürdiges Geschöpf ein Opfer der Bosheit werde.

Ach meine Tochter, sprach Don Sebastian seufzend, wer will die Fügungen des Himmels deuten? Nur zu oft duldet der Gerechte den Triumph des Lasters und das Verderben der Unschuld; der Himmel scheint zuweilen selbst diejenigen von sich zu stoßen, und von seinem Schutze auszuschließen, die er mit den herrlichsten Eigenschaften begabte.

Nach dieser auf eigne Erfahrung gegründeten weisen Bemerkung, versank Sebastian in düstere Schwermuth. Victoria errieth, daß seine Seele mit dem von ihm erzogenen unglücklichen Jünglinge, der ihm entrissen worden, und dessen Schicksal sie sich augenblicklich erinnerte, beschäftigt sein müsse. In Folge dieser Muthmaßung fiel ihr das gefundene Bildniß ein, und in der Hoffnung über das Original, welches vielleicht der unglückliche Theodor selbst sein konnte, Aufschluß zu erhalten, zog sie es hervor, erzählte ihrem Freunde, wie und wo sie es gefunden, und erkundigte sich: ob er etwa, den Eigenthümer dieses kostbaren Kleinods kenne?

Don Sebastian betrachtete das Portrait mit flüchtigem Blicke, und gab es dann Victorien mit dem Bescheide zurück, daß es ihm unbekannt sei.

Es kann nicht fehlen, fügte er hinzu, daß, ein Kleinod von so hohem Werthe bald vermißt und zurückgefordert werden wird, bis dahin, dünkt mich, würdet Ihr weise handeln, mit Niemanden davon zu reden, um keinem Unschuldigen Verdacht zuzuziehen und ihm zu schaden. Die Art, wie dieses Bildniß sich in Euer Schlafzimmer verlohren hat, verhüllt ein Geheimniß, das ich nicht zu erklären vermag; ob es lange schon in der zerrissenen Tapete verborgen gewesen, oder erst bei dem Verschwinden des Bettes Eurer Begleiterin dahin gerathen ist, bleibt zweifelhaft, jedoch möchte ich nach der Lebhaftigkeit der Farben zu urtheilen, fast behaupten, daß es erst seit Kurzem gemalt sein müsse.

Ganz gewiß, sprach Victoria mit theilnehmender eifriger Bestimmung, das Frische der Malerei so wie die geschmackvolle Einfassung und Kapsel beweisen, daß die Arbeit nicht alt sein könne, folglich ist eine Veranlassung vorhanden, zu vermuthen, daß auch das Original zu diesem liebenswürdigen Bilde noch lebe.

Man darf es muthmaßen, und muß es wünschen, fiel Don Sebastian ein, denn man entdeckt in diesen Zügen Schönheit der Seele und des Gesichtes in unverkennbarer Bereinigung.

Ja, ja, diese Augen, diese Stirn, alles verräth ein edles Herz und eine seltne Festigkeit des Characters, es ist unmöglich alle diese herrlichen Eigenschaften zu verkennen -- --

Victoria sprach diese Worte mit einer Wärme, einer Art von Begeisterung, über die sie selbst erstaunte, und schwieg daher plötzlich in vergeblich zu verbergender Verwirrung, wärend Sebastian sie mit Aufmerksamkeit betrachtete, und die Fortsetzung ihres Urtheils zum Lobe des Portraits zu erwarten schien. Seine fragenden Blicke vermehrten ihre Verwirrung, lebhafte Röthe überzog ihr Gesicht, endlich aber gelang es ihren Bemühungen die steigende Verlegenheit zu unterdrücken und fortzufahren:

Verzeiht, Signor, diese Anwandlung eines zu warmen Beifalls, ich liebe die Malerei und in den glücklichen Zeiten meines Lebens war sie meine angenehmste Beschäftigung, deshalb ward ich von der Schönheit dieses Portraits hingerissen.

Das Model muß gewiß sehr schön sein, bemerkte Don Sebastian schalkhaft lächelnd, und es wäre ein Verlust für die Menschheit, wenn dieser Jüngling in der Blüthe seiner Jahre hätte die Welt verlassen müssen.

Hier rief Franzisco's Glocke den guten Alten ab, er entfernte sich und Victoria welche nach der schlaflos durchwachten Nacht eine überwältigende Müdigkeit verspürte, kehrte auf ihr Zimmer zurück, indeß Alonzo mit Hero Arm in Arm in dem weiten Park lustwandelte, und dieser Victoriens Abwesenheit benutzte, das seiner Verführung vorgesetzte Ziel zu erreichen.

Victoria warf sich unentkleidet auf ihr Lager, sie wünschte durch einige Stunden Schlaf die in der Nacht verlohrene Ruhe zu ersetzen, und hoffte, daß die daraus entstandene matte Unbehaglichkeit sich verlieren würde, kaum aber befand sie sich in ihrem Zimmer allein, so stand auch die schauderhafte nächtliche Begebenheit mit so lebhaften Farben vor ihrer Einbildung, daß jede Spur von Müdigkeit verschwand, und sie eine Bangigkeit anwandelte, die alle Einwürfe der Vernunft überwog, und Victorien in jeder Gestalt auf der Tapete einen laurenden Mörder erblicken ließ. Sie war daher im Begriffe sich in die Bibliothek zu begeben, zuvor aber Theresen aufzusuchen, deren Gegenwart sie beruhigen konnte, fand indeß zu ihrem unbeschreiblichen Schrecken, daß sie sich selbst eingeschlossen hatte, da ohne den Schlüssel, der ausserhalb im Schlosse stecken geblieben, die Thür nicht zu öffnen war. Alle ihre Versuche, dieses auch ohne Schlüssel zu bewerkstelligen, oder durch Klopfen ihre zufällige Einkerkerung zu verkündigen, war vergebens, zwar horchte sie lange Zeit auf die Tritte eines etwa sich Nähernden, weil aber Alles still blieb, und sie aus Erfahrung wußte, wie selten einer der Bewohner sich den Tag über hieher verirrte, auch Therese bis zum Abend in dem untern Theile des Schlosses beschäftigt war, so verzweifelte sie an ihrer Erlösung aus dieser peinlichen Lage, waffnete sich mit der so nöthigen Geduld und Standhaftigkeit, zog den schweren Lehnsessel dicht an die Thür, um jedes Geräusch zu hören, und erwartete nun in gänzlicher Erschöpfung, und zu Gott um Schutz betend, die Stunde der Befreiung. Aber leider war die Zeit der Prüfung noch nicht vorüber, der in den Keller Gewölben des Schlosses hausende böse Geist war es noch nicht müde geworden, die Unschuld zu verfolgen, und seine Tücke an ihr zu üben, denn noch hatte Victoria ihr heißes Gebet nicht beendet, als ein dumpfes Geräusch unter der Fallthür, die sie vergeblich früher gesucht hatte, dasselbe unterbrach. Der Schreck raubte ihr fast die Besinnung, sie wollte entfliehn, wohin? Die Thür war verschlossen, sie erinnerte sich des verborgenen und von der Tapete bedeckten Einganges in der Mauer, eilte der muthmaßlichen Stelle zu und suchte mit zitternden Händen ein Merkmal der geheimen Thür, aber nichts verrieth ihr die Mittel, deren Anwendung dem Greise die harte Mauer geöffnet hatten. Jetzt hörte die unglückliche Victoria deutlich das Zurückschieben des Riegels unter der Fallthür, nie war ihre Angst größer gewesen, in Verzweiflung hob sie die Hände bittend zum Himmel, stemmte sie hierauf mit einer Gewalt, die dem schwachen Geschlechte nur die äußerste Gefahr entpressen kann, wider das Schild des auf der Tapete in Malerei dargestellten Ritters, und prallte mit Schaudern zurück. Der Rittersmann bewegte sich, Victoria vernahm den Schlag der Feder, der Geharnischte gleitete an der Mauer hin, und zeigte in seinem Rücken die rettende Oeffnung, welche Victoria ohne weiteres entschlossen benutzte, und auf diese Art ihr schreckenvolles Schlafgemach verließ; dem versteckten Mechanismus gehorchend nahm der Ritter seinen Platz wieder ein, die heimliche Thür schloß sich hinter der Geflohenen, und umgab diese mit undurchdringlicher Finsterniß. Einige Zeit verharrte sie ruhig auf derselben Stelle, aus Furcht in einen nahen Abgrund hinabzustürzen, oder auch durch eine Bewegung ihre Gegenwart zu verrathen, und von denjenigen entdeckt zu werden, welche sich in ihrem Zimmer befanden, und deren Stimmen sie undeutlich hörte.

Als sich die von dem schnellen Uebergange aus dem hellen Tageslichte, in die Finsterniß für ihre Augen verursachte Wirkung aber verlohren hatte, unterschied sie allmälig die Gegenstande um sich her, und bemerkte vor ihren Füßen eine schmale, steinerne Windeltreppe, die in einen engen runden Thurm hinabführte, und nur von dem spärlich durch verschiedene Risse in der Mauer eindringendem Tageslichte erhellt wurde. Victoria wagte es, die zahlreichen Stufen behutsam hinabzusteigen, und befand sich am Ende derselben auf einem zirkelrunden Absatze, wo aber nirgends ein Ausgang sichtbar war. Von der Unmöglichkeit hier eine Thür zu finden überzeugt, setzte sich Victoria erschöpft auf der Treppe unterste Stufe, und überdachte das Mißliche ihrer Lage. Der Gedanke, den furchtbaren Männern, vor den sie geflohen war, in die Hände zu fallen, hielt sie von der Rückkehr nach ihrem Zimmer ab, überdem war es ungewiß, ob es ihr gelingen werde, die verborgene Thür in der Mauer zu öffnen? Zu diesen Betrachtungen gesellte sich die Erinnerung an den Alten in der verflossenen Nacht, der seine Tochter auf keinem andern Wege gerettet haben konnte, und dessen Abwesenheit an diesem Orte klar bewieß, daß die Treppe zu einem, wenn auch noch so verborgenen Ausgange führen mußte.

Diese von allen Umständen gerechtfertigte Vermuthung vermogte Victorien nochmals des Thurmes Mauer, und den gepflasterten Boden am Fuße der Treppe sorgfältig zu untersuchen, in der Absicht, vielleicht auch hier eine Fallthür zu entdecken, aber leider führten sie alle ihre eifrigen Bemühungen nur zu der unbegreiflichen Gewißheit, daß nirgends die kleinste Oeffnung, um so weniger eine Thür in der Wand, oder unter ihren Füßen angebracht sei, und der Greis mit seiner Tochter hier verschwunden sein müsse. In Verwirrung, erschöpft und voll Unruhe über ihr ferneres Beginnen, sank sie wieder auf die Treppenstufe hin, und marterte sich mit Entwürfen, deren Ausführung mehrentheils auf Schwierigkeiten und Gefahren stieß, die Victorien von dem Versuche ablenkten, und neue Entschlüsse hervorbrachten, welche sich, reiflich erwogen, eben so wenig zur Anwendung eigneten. Nach langer Selbst-Berathung hielt es die Geduldige für das Beste, die Abendzeit und Hero's Ankunft im gemeinschaftlichen Schlafzimmer abzuwarten, wo sie dann durch Rufen ihren Aufenthalt zu entdecken, und mit Hülfe der Dienerin aus ihrer Gefangenschaft erlößt zu werden hoffte.

In dieser Erwartung verstrich ihr eine traurige, langsame Stunde von den vielen, die sie an diesem einsamen düstern Orte noch verweilen mußte, ehe an eine günstige Aenderung ihrer peinlichen Lage zu denken war, als sie zufällig die Bemerkung machte, daß die unterste ihr zum Sitz dienende Stufe der Treppe von Holz gearbeitet sei, obgleich die übrigen alle aus Stein gehauen waren. Diese sonderbare Abweichung schien ihr nicht ohne Grund statt zu finden, und die Vermuthung, daß auch hier ein Geheimniß verborgen liege, wie denn das ganze Schloß von mystörischen Eigenschaften wimmelte, trieb sie an, mit Hülfe des Auges und ihrer Hände die seltsame Stufe näher kennen zu lernen. Bald entdeckte sie auch an der Stelle, wo diese an ihre steinerne Nachbarin sich anschloß, eine Art von Gelenk, und bemerkte, daß der Staub, welcher alle Gegenstande dick bedeckte, hier vor Kurzem verwischt war. Dieser Umstand, die Gestalt der Stufe, ihr hohler Klang, ihre Aehnlichkeit mit dem Deckel eines halbrunden Kastens, und der Mangel eines anderweitigen Ausgangs, verriethen die Bestimmung derselben. Mit bebender Hand versuchte Victoria die Klappe zu heben, noch mit dem Erfolge unbekannt, empfand sie schon im Voraus das Unangenehme des Mislingens, doch war ihr diesesmal der Zufall hold, denn mit leichter Mühe hob ihre Hand den Deckel, und sie erblickte unter demselben eine vom Tageslichte matt erhellte enge abwärts laufende Treppe, die sie zu betreten wagte, nachdem sie hinter sich den Deckel behutsam geschlossen hatte. Die Treppe war nicht lang, aber sehr steil, und berührte eine nur angelehnte Thür, an welche abermals eine Treppe von sechs marmornen Stufen stieß, auf welcher sich ein hohes eisernes Gitterwerk befand, dessen Thür bei der Berührung sich knarrend öffnete.

 


Vierzehntes Kapitel.

Mit erstauntem Auge blickte Victoria schüchtern umher, denn sie sah sich jetzt in der Vorhalle einer großen Kirche von gothischer Arbeit, umgeben von Grabmälern und Monumenten, die an beiden Seiten aufgerichtet standen, und ihr das Zeitalter der Bildhauerkunst vergegenwärtigten. Diese ehrwürdigen Gegenstände verwandelten ihre Furchtsamkeit in stille Andacht und fromme Begeisterung, die gewöhnliche Wirkung des Ehrfurcht einflößenden Anblicks eines dem unsterblichen Gotte geweiheten Tempels, und der von Frömmigkeit und Trauer dem Andenken der Verblichenen errichteten Alterthümer, die in treffenden Nachahmungen das Bild des Todes zur Schau trugen. Victoria fühlte sich von Schwermuth ergriffen, es schien ihr, daß keines Mörders Dolch in diesem Heiligthume sie verletzen könne, und zu Gott leise betend, seinen Beistand erflehend, ging sie langsam weiter, hoffend einen Ausweg zu finden. Wirklich gewahrte sie nach einigen Augenblicken in der Entfernung eine hohe Pforte, die jedoch bei näherer Betrachtung mit starken Schlössern, und ungeheuren Eisenstangen so fest verschlossen war, daß Victoria in ihrer Erwartung getäuscht, ein längeres Verweilen für unnütz hielt.

Sie wandte sich nun nach der entgegengesetzten Seite der Halle, wo kurz darauf ein erhabenes, prachtvolles Werk der Bildhauerkunst ihre Aufmerksamkeit und Bewunderung fesselte. Zwar war dasselbe größtentheils der Zerstörung preißgegeben, die wenigen der vernichtenden Zeit, und der Vernachlässigung gefühlloser Menschen entgangenen Fragmente aber bürgten noch jetzt für den Fleiß und den hohen Styl des Künstlers, dessen bildende Hände dieses Meisterstück schufen. Zu den noch leidlich erhaltenen Stücken gehörte das Fundament des Grabmals, ein Sarcophag von schwarzem Marmor, vor welchem knieend die Gestalt einer Betenden aus weißem Marmor kunstreich zusammengesetzt lag. Victoria erinnerte sich sogleich der weiblichen Gestalt, die sie durch die Mauerspalte in der Bibliothek vor einigen Tagen gesehn, und für ein lebendes Wesen gehalten hatte, und würde bei einer andern Gelegenheit ihren Irrthum belächelt haben, aber von steter Angst gepeinigt, und von unvermeidlichen Gefahren umringt, verzieh sie es ihrer geängstigten Fantasie, wenn sie die einfachsten Gegenstände in schauderhafte Formen hüllte. In dem Umstande, daß der Theil der Kirche, wo sich Victoria befand, so nahe an die Bibliothek grenzte, schien der Beweiß zu liegen, diese müsse entweder zu Don Manuels Schlosse gehören, oder auch dem geheimnißvollen Wesen, Franzisco genannt, mit zum Aufenthaltsorte dienen; war ersteres der Fall, so blieb es Victorien unbegreiflich, warum der Greis, als er seine Tochter aus den Händen der Banditen Don Manuels rettete, sich hieher flüchtete? Konnte er an diesen Orten Schutz finden, so entstand die natürliche Folge, daß dieser Theil des Schlosses für Don Manuels Macht gesichert, vielleicht gar seinen Räubern unbekannt sein müsse.

Victoria fand Beruhigung in dieser scheinbaren Hoffnung, ihr Busen fühlte sich von einer drückenden Last befreit, nicht mehr so ängstlich pochte ihr Herz, die Anwesenheit der Todten, deren Asche sie umgab, deren Schatten unsichtbar die Tugendhafte umschwebten, wirkte nicht mit schauderhaften Eindrücken auf die Tochter des edlen Grafen Ariosto, die der Vater schon in früher Jugend warnte, den nachtheiligen Folgen des Aberglaubens und der kindischen Furcht auszuweichen, und schon die Heiligkeit des Orts schien ihr gegen jeden Unfall Schirm und Schutz zu gewähren. Der Zufall oder die gütige Vorsehung hatte sie begünstigt, und bis an diesen stillen Ort geführt, sie hoffte auch ferner an ihrer Hand einen Ausgang zu entdecken, und entschloß sich zu diesem Ende die Kirche genau zu untersuchen, und das Verschwinden der jungen Unbekannten und ihres Befreiers zu ergründen.

Zur rechten Seite gelangte sie durch ein hohes Gewölbe in das Schiff der Kirche bis ans Ende desselben, wo aber ein eisernes Gitter ohne Thür sie nöthigte eine andere Richtung zu wählen, und an demselben hinunter drei Stufen aufwärts durch einen Seitengang, den sie noch nicht kannte, den Rückweg anzutreten. Gewohnt vorsichtig zu handeln, ein Grundsatz, den sie seit ihrer Ankunft in dem geheimnißvollen Schlosse zu jeder Stunde anzuwenden und zu schärfen Gelegenheit fand, lauschte sie nach allen Seiten umher und erschrack auf's heftigste, als sie in einiger Entfernung eine männliche Gestalt in spanischer Kleidung, die mit dem Rücken gegen sie gekehrt, in der Stellung eines im Nachdenken Vertieften erblickte. Erschrocken wich Victoria zurück, aber die Hoffnung, daß es der Greis, den sie nicht fürchtete, sondern sogar lieb gewonnen hatte, sein könnte, ließ sie einen zweiten Hinblick wagen, und sich leider vom Gegentheile überzeugen. Der Unbekannte war jung, groß und von schlankem Wuchse; nun fürchtete die Aengstliche, in ihm Don Manuel zu erkennen, doch eine Seitenbewegung, die ihr einen Theil seines Gesichts sehen ließ, zeigte einen Jüngling in der Blüthe seiner Jahre. Noch schwankte Victoria ob sie sich verbergen, oder des Unbekannten Beistand erbitten sollte, als sich dieser plötzlich gegen sie kehrte, und mit gesenktem Auge, immer noch mit seinem Tiefsinne beschäftigt, auf sie zuschritt.

In Bestürzung eilte Victoria, der zu frühen Entdeckung vorzubeugen, sich zu verbergen, vergaß unglücklicherweise die drei Stufen, that einen Fehltritt und fiel; der Schrecken und der Schmerz preßten ihr einen unwillkürlichen Schrei aus, kaum aber hatte sie den Marmor berührt, so fühlte sie sich auch schon von dem Unbekannten aufgehoben, und obgleich ihr die Angst fast die Besinnung raubte, so vernahm sie doch deutlich des besorgten Jünglings Worte, der theilnehmend ihren Unfall beklagte und sie zu beruhigen sich bemühte.

Seine Stimme hatte so viel einnehmendes, entfaltete so viel Besorgniß und Aufrichtigkeit, daß sie wohlthätigen Balsam in Victoriens Herz goß, und es schnell von aller Furcht und Mistrauen befreiete; noch hatte sie das Gesicht des hilfreichen Unbekannten, dessen Worte so lieblich in ihr Ohr drängen, nicht gesehn, sie erhob jetzt schüchtern ihre Augen und erblickte mit Verwunderung und Entzücken das Original zu dem Bildnisse, das sie seit drei Tagen besaß, und dessen reizende Züge bereits so tief in ihrer Seele eingegraben waren. Als sich ihre Blicke begegneten, war beider Erstaunen, Verlegenheit und Unruhe gleich groß und sichtbar, so wie ihr beiderseitiges Bemühen ihre Empfindungen zu verbergen, was ihnen jedoch nur unvollkommen gelang. Zwar bot der Unbekannte seine ganze Ueberredungskunst auf, die schöne Flüchtige zu überzeugen, daß sie nichts zu fürchten habe, indeß verriethen seine Blicke bei allen Versicherungen, doch eine gewisse Aengstlichkeit, und vorzüglich einen hohen Grad von Erstaunen, sie an diesem Orte zu finden. Victoria hatte sich bereits von ihrer Bestürzung erholt, sie entzog sich sanft den Armen des Unbekannten, stützte sich auf einen Pfeiler der Arkade, und erzählte dem Jünglinge in kurzen Worten, den an ihr von Don Manuel verübten Raub, die seltsamen Ereignisse im Schlosse und die Art, wie der Zufall ihr die versteckte Thür hinter der Tapete, und die Oeffnung am Fuße der Treppe entdeckt habe. Die Erscheinung des Greises und seiner Tochter verschwieg sie absichtlich, aus Furcht, daß auf irgend eine Weise die mindeste Unbedachtsamkeit von ihrer Seite leicht jenen Unschuldigen zum Verderben gereichen, und ihre Verfolger auf deren Spur leiten könnte.

Mit lebhafter Theilnahme hatte der Unbekannte Victoriens einfache, freimüthige Mittheilung angehört, und in seinen Blicken der Verfolgten das schuldige Mitleid gezollt; seufzend ergriff er ihre Hand, führte sie zu den Stufen eines zerfallenen Monuments im zweiten Flügel der Halle, bat sie, sich niederzulassen, und sprach dann mit Wärme und Nachdruck, obgleich vorsätzlich leiser Stimme:

Wollte der Himmel, daß es schon jetzt in meiner Macht stände, Euch den Schrecknissen einer Gefangenschaft, deren Gefahren ich nur zu gut kenne, zu entreißen. Dieses mit tausend Verwünschungen beladene Schloß, und die Ungeheuer, welche in ihm ungestraft herrschen, haßt mein Herz, wie das Eurige sie verabscheuet. Alles was ich in der Welt am heißesten liebe, was mir theurer ist als mein eignes Leben, befindet sich in der Gewalt dieser Barbaren, von Fallstricken eingeengt, welche die gewissenloseste Schändlichkeit erdachte, und eines Teufels Kunst zum Verderben der Unschuld flocht. Ich kam hieher, die verfolgte Unschuld zu vertheidigen, sie vor den Abgründen, die verborgen unter ihren Füßen lauern und gähnend sich zu öffnen drohen, zu sichern, sie mit Aufopferung meines Lebens, wenn es beschlossen ist, den Gefahren, die sie umlagern, zu entreißen. Mit heißer Sehnsucht, in der schrecklichsten Spannung erwarte ich den Augenblick, wo ich mein Vorhaben werde ausführen können; aber leider gefällt es dem Schicksale, mich Zeitumständen und Verhältnissen zu unterwerfen, die mich gebieterisch zur Geduld verweisen, weil ich sie weder aus dem Wege räumen, noch ihr Eintreffen beschleunigen kann. In stiller Erwartung gründet sich meine Hoffnung auf langsame, geheime Maasregeln und Machinationen, die Freunde leiten, welche von meiner Pflicht und Dankbarkeit Unterwerfung und Gehorsam heischen. Stillschweigend unterdrücke ich den Unwillen, von dem mein Herz angefüllt ist, und mein Arm, der vor Begierde, die Schuldigen zu bestrafen, bebt, bleibt aufgehoben gefesselt. Noch ist mir vom Himmel nicht vergönnt, zu handeln; zu schwach, mit eignen Kräften die obwaltenden Hindernisse zu übersteigen, muß ich dem Drange meines Geistes Ruhe gebieten, um nicht durch unüberlegte Hitze Alles zu verderben. Hoffentlich aber ist die Stunde nicht mehr fern, wo ich den theuren, kostbaren Gegenstand, dessen Glücke ich mein ganzes Leben geweiht habe, der schändlichen Unterdrückung werde entziehen können, und eben dieser Augenblick, Sennora, wird auch der peinlichen Gefangenschaft, in der Ihr schmachtet, ein Ende machen.

Nur mit Thränen der Rührung konnte Victoria ihren stillen Dank bezeigen, der Jüngling fuhr fort:

Die Qualen welche ich hier in Unthätigkeit empfinden muß, die sonderbare Verwirrung, in der ich mich unaufhörlich befinde, die geheimnißvollen Bande, welche mich an diese verhaßten Orte gefesselt halten, und die hülfreichen, schützenden Verbindungen in denen ich mit Unbekannten stehe, auf deren Beistand ich mit vieler Zuversicht rechne, alles dieses Unerklärliche darf ich Euch nicht erläutern. Ein heiliger Schwur verpflichtet mich, mein Geheimniß Keinem, der in Don Manuels Gewalt sich befindet, zu entdecken, und dieser Schwur ist unverletzbar, ich legte ihn in die Hände dessen, der aus Liebe und Zuneigung zu mir, keine Gefahr scheuete mir zu dienen. So unendlich glücklich es mich auch machen könnte, Euer Zutrauen zu erwerben; so großes Verlangen mich auch drängt, Euch mein Herz ganz zu öffnen, so kann ich doch meinen Schwur nicht brechen. Ich fühle, dieses Betragen wird Euch sonderbar dünken, es könnte Euch ein Recht geben, an meiner Aufrichtigkeit zu zweifeln, mich sogar in Euren Augen verdächtig machen; aber es ist mir nicht vergönnt, Euren Argwohn zu vermeiden, leider will das Verhängniß, daß ich mich Eurem, durch mein seltsames, geheimnißvolles, Schweigen bewirkten Urtheile unterwerfe, ohne mir Mittel anzuweisen, alles Mistrauen zu entfernen, das in Eurer reinen, arglosen aber von nie empfundenen Widerwärtigkeiten beängstigten Brust gegen einen Unbekannten, der zur Zahl der Bewohner dieses Schlosses gehört, aufkeimen muß. Es bleibt mir nichts übrig, als bei meiner Ehre zu schwören, daß ich die Wahrheit rede, und daß ich mich verabscheuen würde, wenn ich die Absicht hegen könnte, Euch, Sennora, durch die kleinste Lüge zu hintergehn.

Einige Augenblicke zögerte Victoria mit ihrer Antwort, dann erwiederte sie:

Ich wünsche, Sennor, daß Ihr aufrichtig sein mögtet, mein Herz sagt mir sogar daß Ihr es seid, doch weiß ich ebenfalls, daß nicht der Wunsch, noch des Herzens innere Stimme allein ein Urtheil begründen können. Bis zu meiner Entführung leiteten meines Geistes Kräfte erfahrene Freunde, die mit liebevoller Sorgsamkeit über meine Erziehung wachten, und durch weisen Rath, was mir an Menschenkenntniß gebrach, ersetzten; an ihrer Hand trübten selten leichte Wolken den Himmel meiner Glückseligkeit, sorgenfrei und fröhlich durchwandelte ich des Lebens Bahn, und ahnete nicht den mir bevorstehenden schrecklichen Wechsel. Doch plötzlich mit einer Kette von namenlosen Gefahren umschlossen, schwebend am Rande eines Abgrundes, der mich jeden Augenblick zu verschlingen droht, meiner Freunde, Rathgeber und Beschützer beraubt, kann ich nur mit ängstlichem, mißtrauischen Auge um mich blicken, nur den Beistand theilnehmender, hülfreicher Seelen erflehn, und vor den Untiefen, über denen mein Fuß wandelt, zittern.

Ach erlaubt mir dieser Freund zu sein, unterbrach sie der Unbekannte mit Wärme, aber gedämpfter Stimme. Seht in mir den Beschützer, den Ihr erbittet, ich will der Tugend meinen Arm leihen, will die Unschuld rächen. Mag der Himmel mich mit allen, den Boshaften zuerkannten Qualen peinigend strafen, wenn ich es je wagen könnte, nach der unglücklichen, schutzlosen Unschuld eine verrätherische Hand auszustrecken.

Victoria schwieg, ein unwiderstehlicher Reiz zog ihr Herz hin zu dem schönen Jünglinge, doch verließ sie ihre Vorsicht nicht, und in ihrem Busen kämpften tausend Zweifel. Je mehr Zutrauen ihr die Blicke, die Sprache und die anscheinende Aufrichtigkeit des Unbekannten einflößten, desto eifriger rief sie die Vernunft zu ihrem Beistände herbei. Hatte ihr nicht die Erfahrung gelehrt, daß Don Manuel unter den liebenswürdigsten Gesichtszügen, und einer verführerischen Außenseite die größte Verdorbenheit der Seele verbarg; wer bürgte ihr, daß dieser einnehmende Jüngling, dem sie mit Entzücken zuhörte, nicht auch in dieser gefährlichen Schule gebildet sei? -- Wäre er aber doch aufrichtig und bieder, was sie so sehr wünschte, besäße er jenen Edelsinn, den ihr Herz längst an ihm entdeckt zu haben glaubte, o wie sehr mußte ihn dann nicht schon jeder Schimmer von Argwohn kränken, wie viel Undankbarkeit lag nicht schon in der Kälte, mit der sie des Jünglings großmüthige Anerbietungen empfing. Victoria befand sich in einer peinlichen Lage, sie richtete ihre nassen Augen, den Spiegel ihrer innern Gefühle und ihrer Seele Unruhe auf den Unbekannten, dann zu der Kirche Kuppel hinauf, als ob sie vom Himmel einen Lichtstrahl erflehen wollte, der sie erleuchten und ihr Urtheil leiten konnte.

Der Unbekannte verstand ihre Blicke, betrübt senkte er die seinigen zur Erde, die Verzweiflung, Victoriens argwöhnische Zurückhaltung nicht besiegen, ihr Vertrauen nicht gewinnen zu können, sich von der Reizenden verkannt zu sehn, preßte sein Herz und seiner Brust einen Seufzer aus, der des Argwohns schwankendes Gebäude zertrümmerte, und der Ueberzeugung die Bahn brach. Victoria konnte den Gedanken nicht länger ertragen, denjenigen zu betrüben, der so viel Ansprüche auf ihre Achtung und Bewunderung zu haben, schien, und schnell von allen Zweifel befreit rief sie aus:

Nein, der Himmel kann eine Unglückliche, die um seinen Beistand bittet, nicht täuschen, er befiehlt mir, Euren Worten zu vertrauen, nicht länger will ich es verschweigen, mein Herz sagt mir, daß ich in Euch den Freund, den Bruder gefunden habe, dem ich meine Leiden klagen, von dem ich Theilnahme, Trost und Hülfe erwarten darf. Ich kann nicht ferner an Eurer Aufrichtigkeit zweifeln, ohne ein Verbrechen zu begehn, ich würde der Wahrheit und Ehre Hohn sprechen.

Bei diesen Worten verbreitete sich der Glanz einer reinen, himmlischen Freude über das Antlitz des Jünglings, dankbar drückte er Victoriens Hand, und sein Entzücken sprach sich beredter in seinen Zügen als seine Worte aus, sein Auge strahlte, er hatte gesiegt, denn Victoria nannte ihn ihren Freund, und nach ihren beiderseitigen Begriffen von der Freundschaft, war nun jede Spur von Mistrauen vertilgt, und jede Verstellung Gotteslästerung.

 


Funfzehntes Kapitel.

In diesem Augenblicke verkündigte die Glocke ein Uhr, und eine Weile später erschallte ein dumpfes Geläute, das jedoch gleich darauf wieder schwieg. Der Unbekannte sprang von den Stufen des Grabmals, wo er vertraulich neben der neuen Freundin gesessen hatte, auf. Ach, sprach er mit Bestürzung, ich muß Euch betrüben, Sennora, aber die Pflicht und meine Freundschaft gebieten es. Ihr dürft nun hier ohne Gefahr nicht länger verweilen, es ist nothwendig, daß ihr unverzüglich ins Schloß: zurückkehrt.

Zurückkehren ins Schloß? fragte Victoria mit Erschrecken, giebt es denn keinen Ausweg, kann nichts diese schreckliche Bestimmung ändern?

Nein, antwortete der Jüngling mit einer Thräne im Auge. Wenn Don Manuels Untergebene Eure Abwesenheit bemerkten, wenn diejenigen, welche das Geläute dieser Glocke ruft, Euch hier entdeckten, so würde Euer Verderben unvermeidlich sein. Mit Geduld und Standhaftigkeit müßt Ihr den zu Eurer Befreiung bestimmten Augenblick erwarten, und Euch bis dahin in Euer Schicksal fügen; denn früher kann keine List, keine menschliche Gewalt aus diesem festen Kerker Euch einen Ausweg bahnen, der leiseste Versuch wäre ein unwiderrufliches Signal zu unserm Untergange.

Ich unterziehe mich dem Willen des Geschicks, sprach Victoria, doch würde die Versicherung, daß Don Manuel vor dem Tage, wo ich an Eurer Hand aus seinen Ketten zu entfliehen hoffe, ins Schloß nicht heimkehren werde, mein Herz von einem großen Theile seiner Angst erleichtern.

Don Manuel, erwiederte der Jüngling, und bei diesem Namen überzog sich sein Gesicht mit der Röthe des Unwillens, Don Manuel fesselt weit von hier eine strafbare Unternehmung, auf deren Verfolgung er hartnäckig beharrt. Größere Schwierigkeiten als er erwartet, Hindernisse, die er nicht vorhergesehn hat, durchkreuzen seine nichtswürdigen Pläne, und stellen sich ihm wehrend entgegen, aber er wird dennoch von der Ausführung derselben nicht ablassen wollen. Hieraus schließe ich, daß es ihm nicht möglich sein wird, vor dem Zeitpunkte, der Euch dem Bereiche seiner Macht entführen soll, hieher zurückzukehren.

Wärend dieser Unterredung hatten sich Beide in den entgegengesetzten Theil der Kirche, wo sich das Mausoleum von schwarzem Marmor, mit der vor demselben knieenden weiblichen Figur befand, begeben.

Hier, sprach der Unbekannte mit sehr leiser Stimme, hier ist der Ort, wo Ihr ohne Furcht entdeckt zu werden, ins Innere des Schlosses zurückgelangen könnt. Ich werde Euch einen geheimen Ausgang zeigen, den ich selbst erst seit kurzer Zeit kenne.

Hierauf stieg der Jüngling einige Stufen hinter der Marmorgestalt hinauf, drückte eine kleine Messingplatte, die in den Zierräthen einer großen an der Wand aufgerichteten Mamortafel angebracht war, und schob diese mit leichter Mühe zurück; als er nun durch die Oeffnung spähend umhergeschaut, und sich überzeugt hatte, daß Niemand anwesend sei, winkte er Victorien ohne ein Wort zu reden, reichte ihr die Hand, ließ sie hinauf steigen, zeigte ihr den Mechanismus der versteckten Feder, die von Aussen und Innen gleichförmig wirkte, und die Oeffnung in der Mauer wie durch Zauberei hervorbrachte, und flüsterte dann in Victoriens Ohr:

Dieses Geheimniß, so unglaublich es Euch auch scheinen könnte, ist Don Manuel und seinen Gefährten gänzlich unbekannt, es giebt uns Mittel einander zu sehen und zu sprechen; denn ich darf von Euch das Versprechen erwarten, daß Ihr Euch täglich hier einfinden werdet, doch muß ich Euch bitten, nur zwischen zwölf und ein Uhr von dieser geheimen Oeffnung Gebrauch zu machen, dies allein ist die Stunde wo Ihr nicht Gefahr lauft, von der einen oder der andern Seite bemerkt zu werden; doch dürft Ihr nicht versäumen, jederzeit sorgfältig die Marmorplatte mit Hülfe der Feder vorzuschieben. Verweigert mir diese Bitte nicht, die zu Eurer Befreiung günstige Stunde kann jeden Augenblick schlagen, sie kann vielleicht zu einer Zeit erscheinen, wo ich sie am wenigsten erwarte, und dann kein Mittel besitze, Euch davon zu benachrichtigen; dieserhalb ist es durchaus erforderlich, daß ich Euch regelmäßig jeden Tag spreche. -- Gewährt mir meine Bitte, fügte der Jüngling dringend hinzu, das Glück, Euch jeden Tag zu sehen, darf mich zu ihr nicht allein veranlassen, nur Eure Wohlfahrt zwingt mich, um diese hohe Gunst Euch anzusprechen.

Ich verspreche zu kommen, antwortete Victoria, mein Vertrauen soll unbegrenzt sein.

Zwar fühlte sie erröthend, indem sie dieses Versprechen gab, daß es unter andern Umständen die Wohlanständigkeit verwunden würde, aber die Lage, in der sie sich befand, erlaubte ihr nicht nur, sie machte es ihr zur Pflicht, über die gewöhnlichen Vorschriften des weiblichen Verhaltens hinauszuschreiten, und der Nothwendigkeit aus der Gefangenschaft erlößt zu werden, einige, wenn auch von ihrem Herzen, doch von ihrem Verstande nicht gebilligte Opfer zu bringen.

Der Jüngling ließ nun vermittelst der Feder, die er durch einen Druck von Neuem in Bewegung setzte, zum Durchschlüpfen für Victorien eine zulängliche Oeffnung in der Mauer entstehen, drückte ihr zum Abschiede ehrerbietig, doch mit einiger Zärtlichkeit die Hand, und zog sich zurück. -- Victoria aber erstaunte, als sie sich in der Bibliothek des Schlosses befand, wo eine an der Wand hängende große Landcharte jede Spur des geheimen Durchganges, den sie vor wenigen Augenblicken kennen gelernt hatte, verbarg. Sie warf sich auf den unter der Charte stehenden Sopha, und überdachte jetzt in ungestörter Ruhe alle die ungewöhnlichen Begebenheiten, welche so rasch auf einander folgend in wenigen Stunden ihr begegnet waren; aber von allen beschäftigte ihren Geist vorzüglich die Gestalt des liebenswürdigen edelmüthigen Unbekannten, der durch den wunderbarsten Zufall grade das Original des von ihr gefundenen, und mit Entzücken betrachteten schönen Gemäldes war, und den nicht des Zufalls blinder Wurf, sondern des Himmels weise Fügung zu ihrem aufrichtigsten, treuesten und zärtlichsten Freunde bestimmt hatte.

Dieser Gedanke wirkte mit angenehmem, wohlthätigem Einflusse auf ihre Seele, mit ihm verband sie die Hoffnung einer vielleicht nahen Befreiung, und sie überließ sich mit frohem Muthe dem Wahne, daß ihr Misgeschick, müde sie zu verfolgen, zu sinken beginne, als Diego's Stimme, der sich ihr ehrfurchtsvoll aber in sichtbarer Spannung näherte, sie aus ihrer behaglichen. Geistesvertiefung aufstörte.

Wollt Ihr mir wol die Frage erlauben, Sennora, sprach er, an welchem Orte dieses Schlosses Ihr Euch seit einigen Stunden befunden habt?

Diese unerwartete Frage, so wie die Unruhe und der forschende Blick Diego's verwirrten Victoria; sie zitterte, daß man vielleicht vermuthe und argwöhne, sie habe Mittel gefunden, in die Kirche zu gelangen, und die Folgen dieser Entdeckung machten sie beben. Ungewohnt zum Lügen ihre Zuflucht zu nehmen, dachte sie nicht einmal sogleich an diese Aushülfe, aber die Erinnerung an die schreckliche Abhängigkeit, in der sie lebte, an den Zwang, der auf jeder ihrer Handlungen und jedem Schritte lastend ruhete, und die Warnungen des Jünglings, dessen Mund ihr beiderseitiges Verderben weissagte, sobald ihre Verfolger ihren Besuch in der Kirche und Zusammentreffen mit ihm ahnen könnten, versetzte sie in die traurige Nothwendigkeit, der Verstellungskunst zu huldigen, obgleich ihre Denkungsart sich dagegen sträubte. Verschwunden war die noch vor wenigen Augenblicken sie so beglückende Ruhe, zerstoben der Traum eines mildern Schicksals, nur die Erwartung, noch größere Leiden erdulden zu müssen, blieb der unglücklichen Victoria übrig, und füllte ihre Augen mit herben Thränen.

Ach, fürchtet Ihr vielleicht, antwortete sie dem erwartungsvollen Diego, daß Eure unglückliche Gefangene Euch entrinne?

O nein, gewiß nicht, entgegnete dieser, die Versuchung dazu wäre zu thörigt, und selbst zu gefährlich, aber, fuhr er gemildert fort, wie geht es zu, daß eine so einfache Frage, zu der mich lediglich die Theilnahme veranlaßt, Euch so betrüben kann. Die Furcht Eure Ruhe könnte auf irgend eine Weise gefährdet sein, ist allein Ursache, daß ich Eure Abwesenheit bemerkte. Als ich sah, daß Eure Dienerin Euch verließ um Alonzo zu folgen, rief ich Therese, Euch Gesellschaft zu leisten, und führte sie in die Bibliothek, wo ich Euch indeß nicht fand. Die Unruhe trieb mich in die Halle, den Garten, den Vorsaal, überall suchte ich Euch vergebens, Euer Verschwinden blieb mir unerklärbar.

Wärend Diego sprach, hatte Victoria Zeit gehabt sich zu sammeln, und ihre Antwort einzurichten.

Ich war in meinem Zimmer, sagte sie, um dort unter meinen Sachen etwas aufzufinden, dessen ich bedurfte, doch bald ward ich genöthigt es wieder zu verlassen, und einen andern Zufluchtsort zu suchen, wenn es ja noch einen für mich in diesem geheimnißvollen Schlosse geben kann. Ihr Diego, der die Heimlichkeiten in allen Gemächern hier kennt, Ihr hattet Euch für die Sicherheit meines Schlafzimmers verbürgt, und wußtet doch, daß ich in demselben mich der Ruhe nicht überlassen konnte.

Wie, Sennora, fragte Diego mit Erstaunen, wäre in der verwichenen Nacht Eure Ruhe vielleicht gestört? Sagt mir, ich bitte Euch, alles was sich ereignet hat, Ihr könnt mir den Schlüssel zu einem Geheimnisse geben, von welchem ich nichts begreifen kann, das aber von der größten Wichtigkeit für mich ist. Habt die Gnade und erzählt mir in der genauesten Wiederholung die Ursache und Art der Störung, über die Ihr Euch beklagt.

Bei diesen Worten betrachtete Diego Victorien mit aufmerksamen Augen, um in den Veränderungen ihres Gesichts, die Absicht ihm etwas zu verschweigen, zu entdecken, da aber diese schon früher fest entschlossen war, das Abentheuer mit dem unbekannten Greise und seiner Tochter zu verheimlichen und allem auszuweichen, was deren Verfolgern die Art der Errettung jener jungen Nonne hätte verrathen können, wenn auch ihr eignes Leben der Preis Ihrer Verschwiegenheit sein mußte, so war sie in Hinsicht einer paßlichen Antwort um so weniger verlegen, da die Stimme ihres Herzens sie überzeugte, daß hier die Unwahrheit oder auch nur das Umgehen der Wahrheit lobenswürdig sei.

Noch hatte ich mich nicht schlafen gelegt, sprach sie zu dem gespannten Diego, als ich mit Schrecken ein Geräusch wie das Zurückschieben von Riegeln, unter dem Fußboden meines Zimmers hörte, dicht vor mir eine Art von Fallthür sich öffnen, und einen Mann von entsetzlichem Ansehn, hervor steigen sah. Dieser schreckliche Anblick erstarrte das Blut in meinen Adern, was weiter geschah, sah meine Auge nicht, denn ohne Besinnung sank ich auf mein Lager und erwachte erst nach mehreren Stunden. Mit ängstlicher Verwunderung bemerkte ich nicht die geringste Veränderung in meinem Gemache, ruhig schlief Hero in ihrem Bette, keine Spur einer Fallthür wollte sich meinen Augen, die Alles sorgfältig untersuchten, zeigen, und ich würde schon geneigt gewesen sein, die Erscheinung durch ein lebhaftes Erzeugniß meiner gereitzten, unruhigen Fantasie zu erklären, oder einem Traume zuzuschreiben, wenn nicht heute Morgen, nach dem Frühstücke, als ich, wie erwähnt, mich um etwas zu suchen in meinem Zimmer befand, dasselbe unterirrdische Geräusch mich von neuem erschreckt und zur schnellsten Flucht gezwungen hätte.

Sennora, fing Diego, als Victoria schwieg, an, Ihr sehet mich eben so erstaunt als betrübt, daß Ihr auf diese Weise habt beunruhigt werden müssen, aber ich konnte dasjenige, was sich zugetragen hat, unmöglich voraussehen, und erst seit heute Morgen bin ich von dem Vorgefallenen unterrichtet. Die durch die Fallthür in Euer Zimmer hinaufgestiegenen Männer wußten nicht, daß es bewohnt war, und hatten durchaus weder die Absicht Euch zu schaden, noch Eure Ruhe zu unterbrechen. Ich habe es mir angelegen sein lassen, für Eure Sicherheit auf alle nur erdenkliche Art zu sorgen, daß indeß der Zufall und ein Versehen hier ins Spiel kommen sollten, konnte ich nicht errathen. Dem sei jedoch wie ihm wolle, vertraut auf mein Wort, und seid versichert, diese heillose Fallthür, die Euch so sehr in Schrecken gesetzt hat, soll sich, so lange Ihr das Zimmer bewohnt, nicht wieder öffnen. -- Aber außer dem, was Ihr mir mitzutheilen die Güte gehabt, hat sich diese Nacht in eben dem Zimmer etwas ganz Ungewöhnliches zugetragen, eine Begebenheit, die mich in Verwirrung und zur Verzweiflung bringt, mit einem Worte ein Geheimniß, das für mich unbegreiflich ist; da inzwischen dieses Abentheuer Euch gleichgültig sein kann, zumal es mit Eurer Person nichts gemein hat, und Euch nicht betrifft, so hoffte ich von Euch einige Aufklärungen zu erhalten, die mir bei meinen Nachforschungen von einigem Nutzen sein könnten. Es ist also wahr, fügte Diego mit einem durchdringenden Blicke hinzu, daß Ihr weiter nichts gesehn habt, als was Ihr mir mittheiltet?

Der Bewegungsgrund zu dieser Frage war Victorien wohl bekannt, sie fühlte, daß der beiden Unglücklichen Schicksal von ihrer Antwort abginge, dieser halb erwiederte sie im festen Tone der Versicherung:

Ich habe Euch die Wahrheit gesagt, und kann Euch weiter nichts entdecken.

Diego schien überzeugt, schwieg und versank in Nachdenken, doch Victoria, der sehr daran gelegen war, weitern Fragen auszuweichen, fuhr fort:

Ihr versprecht mir also, daß diese schreckliche Fallthür verschlossen bleiben soll?

Ich verspreche es, solltet Ihr indeß noch immer einige Zweifel oder Furcht hegen, so bin ich erbötig, für Euch sogleich ein anderes Gemach zubereiten zu lassen.

Dieses Anerbieten stimmte nicht mit Victoriens Wünschen überein, sie hatte sehr wesentliche Ursachen, ein Gemach zu bewohnen, das ihr im Falle der Gefahr auf einem dem Anscheine nach Don Manuel und seinen Vertrauten unbekannten Wege ein Mittel zur Flucht sicherte, zudem vermuthete sie nicht ohne Grund, daß auch die übrigen Zimmer im Schlosse ihr nicht mehr Schutz gewähren würden.

Nein, Diego, antwortete sie zu dem Ende, ich verlange keine Veränderung des Zimmers, ich vertraue Eurem Worte, und eine Versicherung aus Eurem Munde ist mir Bürge, daß ich nicht weiter beunruhigt werde, also ohne Furcht schlafen darf.

Nichts war wol mehr geeignet, Diego's Eigenliebe zu schmeicheln, als diese Antwort, sein von Natur offenes, aufrichtiges Gesicht erheiterte sich merklich, und verrieth das Bewußtsein der Redlichkeit.

Mögte ich wie ein feiger Schurke verderben, rief er heftig aus, wenn ich Euch je betrügen könnte! Aber hört, Sennora, ich verspreche nicht mehr, als ich halten kann; ich hafte für Eure Sicherheit nur wärend der Nacht allein, und so lange die Abwesenheit Don Manuels dauert, am Tage aber ist's etwas anderes, am Tage kann ich Euch keinen andern Beistand als den meines Armes anbieten, weil Alonzo von meinem Gebieter beauftragt ist, für Eure Sicherheit den Tag über zu sorgen, und wahrhaftig, fügte er mit leiser Stimme hinzu, er hätte nicht übler wählen können. Ich will offen mit Euch reden, denn mit jeder Stunde vermehrt sich meine Anhänglichkeit zu Euch, und mit Ausnahme desjenigen, was die Pflichten gegen meinen Herrn berührt, bin ich bereit Euch jeden Dienst zu leisten. Ich will Euch also nicht verhehlen, daß mich dieser Alonzo für Euch zittern macht; unter uns, er ist ein Elender ohne Ehre und Gewissen, der gar keinen Anstand nehmen würde, seinen Herrn und Meister zu verrathen, wenn er dabei seine Rechnung fände. Ich bin überzeugt, es spuckt irgend ein arglistiger Plan in seinem Kopfe, deshalb zieht er auch stets dieses einfältige Geschöpf, Eure Zofe, die er verführt hat, um sie zu seinen Verräthereien zu benutzen, mit sich herum. Hüthet Euch vor diesen Beiden, Sennora, ich kann Euch nicht genug vor ihnen warnen, geht niemals mit ihnen allein, wohin es auch sein kann, außer in Begleitung des Sennor Sebastian oder Hippolits, oder wenn ich bei Euch bin. Hippolit war der erste, der bei mir Verdacht gegen Alonzo erregt hat, und wir haben uns fest entschlossen ihn nicht aus den Augen zu verlieren, um sein böses Spiel zu hintertreiben.

Mögte der Himmel Eure edle Absicht belohnen, sprach Victoria, ich bin eine Unglückliche, die Euch nur mit Thränen danken kann.

Ach, meine schöne Sennora, wir können leider nur wenig zu Eurem Vortheile thun, wären wir aber so glücklich, Euch nur einige Ruhe und Zufriedenheit zu verschaffen, so würden wir hinlänglich belohnt sein.

Mein lieber Diego, sprach Victoria und zog einen Ring von ihrem Finger, erlaubt mir, Euch diesen Stein als einen Beweis meines Vertrauens auf Eure Versicherungen anzubieten.

Nur in dieser Beziehung kann ich ihn annehmen, antwortete Diego mit einer dankenden Verbeugung; aber erwägt wohl, wie weit sich meine Versprechungen erstrecken. Pflicht und Dankbarkeit fesseln mich an Don Manuel, und nichts auf Erden kann mich vermögen, an ihm zum Verräther zu werden, oder auch nur seine Befehle zu übertreten; rechnet also nicht darauf, daß ich jemals Eure Flucht, wenn es möglich wäre, daß Ihr daran denken könntet, begünstigen werde, glaubt vielmehr, daß ich mich ihrer Ausführung nach allen Kräften widersetzen würde. Dagegen schwöre ich Euch, daß ich in dem mir von Don Manuel auferlegten Amte für Eure Sicherheit zu wachen, mit Freuden mein Blut vergießen, für Euer Wohl gern sterben will.

Ich fühle, sagte Victoria niedergeschlagen, daß ich nicht mehr verlangen kann. Wie aber soll ich mich vor Alonzo's Boßheit und seinen hinterlistigen Entwürfen sichern, da ich doch leider genöthigt bin, oft den ganzen Tag ohne männlichen Schutz zuzubringen?

Diego schien sich zu bedenken, ehe er antwortete.

Wißt Ihr vielleicht ein Pistol zu gebrauchen, fragte er darauf, und hättet Ihr wol Muth genug es abzudrücken, im Fall Ihr auf's Aeußerste getrieben würdet?

Ich glaube daß ich fähig sein könnte, antwortete Victoria, Alles zu wagen, was die Vertheidigung der Ehre und des Lebens gestattet; die Anwendung der Feuergewehre ist mir nicht fremd, oft fand mein theurer Bruder Vergnügen daran, meine Herzhaftigkeit zu prüfen.

Diego zog nun ein Pistol aus seinem Gürtel und überreichte es ihr mit den Worten:

Nehmt, und verbergt es sorgfältig in den Falten Eures Kleides, doch so, daß Ihr bei vorkommender Gelegenheit es schnell ergreifen könnt. Es bedarf gewiß nur des Anblickes dieses Instrumentes, um Alonzo zu verscheuchen, denn er ist unbezweifelt der feigste Gesell, der je die Zunft der Räuber entehrte.

 


Sechszehntes Kapitel.

Victoria nahm das Pistol aus Diego's Hans den, und verbarg es sorgfältig, wärend dieser zufrieden mit dem Hülfsmittel, daß er zur Selbstvertheidigung seiner verehrten Gefangenen ausgedacht hatte, sich entfernte. Kaum befand sich Victoria allein, so bemühte sie sich, den durch Diego's Dazwischenkunft zerrissenen Faden ihrer Betrachtungen wieder anzuknüpfen; ihre Einbildung führte sie zu dem jungen Unbekannten in die Kirche zurück, und ihr treues Gedächtniß wiederholte ihr pünktlich jedes Wort, was in dieser bedeutungsvollen Unterhaltung geredet worden. Von alle diesen Erinnerungen war ihr ein durch sie herbei geführter Gedanke vorzüglich drückend, und dieser Gedanke verdrängte in ihrer Seele alle andere. Der liebenswürdige Unbekannte war über tausend Hindernisse, von Gefahren umringt in das Innere eines fast von Felsenmassen bedeckten und Abgründen eingekreißten Raubschlosses mit dem unerschütterlichen Vorsatze gedrungen, einen theuren, kostbaren Gegenstand, den er mehr als sein Leben liebte, dem er sein Dasein geweiht hatte, aus der Gewalt der Räuber zu retten. Dieses waren seine eignen Worte, und seine Augen glänzten, als er sprach, vom Feuer rührender Theilnahme und dem Vorgefühle der gelungenen That. -- Aber die Theilnahme, welche ihm Victoria einflößen konnte, war nach ihrer Ansicht von ganz anderer Art. Dem Zufalle allein verdankte sie seine Bekanntschaft; da sich die Gelegenheit darbot, so war er bereitwillig auch sie zu befreien, wenn nun das von ihm beabsichtigte edle Unternehmen sich auch auf sie bezog, so war dies doch nur zufällig, sie selbst nur Nebensache. Er nahm sie in seinen Schutz, denn er war gefühlvoll und großmüthig, sie aber unglücklich; die verletzten Rechte der Menschheit waren für den Tugendhaften, den Muthigen ein hinreichender Antrieb, dem Unterdrückten beizustehen. Diese Gedanken entwickelten sich in Victoriens Kopfe, und erweckten in ihrer Brust ein drückendes seltsames Gefühl, das sie früher nicht gekannt hatte, und welches sich später in eine Art von Unzufriedenheit mit sich selbst, die in Schwermuth überging, auflößte. Bald entstand die Frage, wer kann der beneidenswerthe Gegenstand sein, dessen Glück mit seiner eignen Ruhe so nahe verwandt zu sein schien, der den Jüngling vermögen konnte, die Möglichkeit zu versuchen, alle Hindernisse zu beseitigen und den Gefahren zu trotzen um der Freundschaft -- warum nicht der Liebe -- ein glänzendes Opfer zu bringen? Dieses kühne Wagstück verlangte mehr als gewöhnliche Theilnahme, und Tollkühnheit, Verachtung des Lebens lag nicht in des Unbekannten Blicken, der mit zärtlicher Ungeduld nach dem Augenblicke der Errettung schmachtete, der sich gewiß den süßesten Lohn versprach. Er hatte Victorien Freundschaft und Beistand gelobt, mit einer Begeisterung, die das Herz der Verlassenen rührte, diese Begeisterung entsprang aber aus einer andern Quelle, das Geschenk der Freundschaft mindert nicht der Liebe Feuer, ein edles Herz hat Raum für Beide. -- --

Victoria erinnerte sich der jungen, schönen Unbekannten in der vergangenen Nacht. Es schien ihr unbezweifelt, sie war das unschuldige Schlachtopfer, das der treueste aller Freunde aus der Verfolger Händen befreien wollte. Je mehr sie alle Umstände vereinte, je sorgfältiger sie die Wahrscheinlichkeit prüfte, und des Jünglings Worte, so wie seine Schwermuth deutete, je mehr schien ihr ihre Vermuthung gegründet, noch einen umfassenden Rückblick auf die Begebenheiten der Nacht und ihre Folgen, eine nochmalige Wiederholung seiner Versicherungen, Hoffnungen und sein geheimnißvolles Schweigen, seinen fesselnden Schwur, und ihre Ahnung wich der Gewißheit.

Ja, rief sie bewegt aus, ich täusche mich nicht, sie sind für einander geschaffen, nie sah man bei beiden Theilen eine vollkommnere Vereinigung von Reizen, nie mehr herrliche Eigenschaften und Anmuth, die Auge und Herz beim ersten Anblick fesseln!

Victoria beneidete ihre Liebe nicht, sie nahm den wärmsten Antheil an ihrem Schicksale und der Erfüllung ihrer Wünsche, sie gönnte ihnen ein ungetrübtes Glück, aber in ihrer Brust fühlte sie, daß sie selbst nie glücklich werden könnte, daß, wenn auch die Thür ihres Gefängnisses sich zu neuer Freiheit öffnen würde, die Zukunft doch keine Reize mehr für sie habe, das Leben ihr weder innere Ruhe noch Zufriedenheit gewähren werde. Fremd und unerklärbar blieb ihr der Zustand ihrer Seele, nie hatte sie sich in einer ähnlichen, so schwermüthigen, so bittern Stimmung befunden, und nur ein heißes Gebet zu dem Geber alles Guten, konnte ihr Tröstung bringen.

Beruhigter und gefaßter fand sie der eintretende Don Sebastian, der ihre fromme Beschäftigung, im Eingange des Saals harrend, bemerkt hatte.

So recht, meine gute Tochter, sprach er, selten bittet man den Himmel vergeblich, auch wenn er uns nur Kraft und Ausdauer im Unglücke verleiht. Ihr hattet mit Diego eine lange Unterredung, was sagte er Euch?

Victoria wiederholte genau den Inhalt ihres Gespräches.

Diego, fuhr Sebastian fort, ist seines ehrlosen Handwerks ungeachtet, nicht von allem Ehrgefühl und guten Grundsätzen entblößt; die Gewohnheit hat ihn mit dem Morde und Raube vertraut gemacht, und die Gefahren, die er bestehen, der Tod, den er verachten lernen muß, haben den Stand der Räuber in seinen Augen dermaßen veredelt, daß er sich im Kriegszustande mit allen unter dem Schutze der Gesetze lebenden Menschen betrachtet. Aber sein Gemüth ist angebohren aufrichtig und bieder, das Banditenleben und ihre Gesellschaft haben diese natürlichen Tugenden nicht untergraben. Diese guten Eigenschaften machen ihn jedoch gefährlich, denn er ist, Allem, was er als seine Pflicht ansieht, wohin vorzüglich Don Manuels Befehle gehören, so ergeben, daß er zu allen Zeiten bereit sein wird, jeden Auftrag Don Manuels pünctlich, wenn auch auf Kosten seines guten Gewissens, und mit der Ueberzeugung des Unrechts zu erfüllen. Hievon abgesehen, darf man ihm vertrauen.

Er nimmt so warmen Antheil an meinem Mißgeschicke, sprach Victoria, daß ich es der Vorsehung danke, die ihm ohne Zweifel diesen Edelmuth eingeflößt hat.

Ja, die Vorsehung waltet über Euch, aber auch Eure ruhige, edle Ergebung hat ihn sicher zur Bewunderung hingerissen, und die Schönheit der gekränkten Unschuld zu ihrem Sclaven gemacht.

Warum, Sennor, wollt Ihr ein Verdienst in meiner Ergebung finden, zu was hülfe es, wenn ich murrte, und mein Unglück verwünschte? Ich würde nur meine Leiden vermehren. Wissen wir nicht, daß der stets gütige und gnädige Gott, in seiner undurchdringlichen Weisheit alles zu unserm Wohl lenkt, auch wenn unser begrenztes Urtheil den Weg nicht kennt, den er erkoren hat, seine Anordnungen zu erfüllen. Zwar leidet mein Herz, das schwache Geschöpf fürchtet und zittert, aber Religion und Vernunft vereinigen sich, mich mit der Hoffnung zu stärken, daß mein Schicksal von der Allmacht des Herrn bestimmt ist, und der Beschluß für die Guten nur gut sein kann, wenn auch hier auf Erden nicht, doch in jener bessern Welt dort.

So viel Seelengröße und richtiges Urtheil in dem Munde eines so jungen Mädchens erregten Sebastians Bewunderung, dessen Frömmigkeit nicht sowol ungeheuchelt war, als auf richtigen Begriffen ruhete; er wünschte seiner jungen Freundin zu ihrer seltnen Standhaftigkeit Glück, und stärkte sie in den Vertrauen auf Gott, der so viel Bescheidenheit und seltene Tugenden zu einer ungewöhnlichen Schönheit gesellt, unmöglich konnte geschaffen haben, um noch vor ihrer völligen Entfaltung in den Händen des Lasters und des Verbrechens ihren Untergang zu finden, wenn gleich auch harte Prüfungen oft der Tugendhaften Glauben an des Allmächtigen Gerechtigkeit zu erschüttern drohen. Diese Ermahnungen führten den Greis auf sein eignes unglückseliges Schicksal zurück, und da er es gern vermeiden wollte, seine weisen Lehren auf sich selbst, den Jahre langen Dulder anzuwenden, der auf ein irrdisches Glück längst verzichtet hatte, so führte er das Gespräch auf einen andern Gegenstand, und wählte hiezu das von Victorien gefundene Bildniß, welches nochmals zu beschauen, er Verlangen äußerte.

Stillschweigend zog Victoria es hervor und reichte es dem Greise, der bewundernd anhub:

Es ist gewiß in jeder Hinsicht ein vollkommnes Bildniß, sowol in Ansehung der Ausführung, als auch des Gegenstandes.

Da Victoria noch immer schwieg, so fuhr er fort:

Entweder verstehe ich mich auf Gesichtsbildung wenig, oder das Original dieses Portraits vereinigte alle Geschenke des Geistes und Herzens, wie es die der Anmuth besitzt. Was denkt Ihr davon Sennora, seid Ihr etwa anderer Meinung?

Ich stimme Eurem Urtheile vollkommen bei, antwortete Victoria, ihre Verlegenheit verbergend.

Und doch, fing Sebastian von neuem wieder an, liegt in diesen Zügen sichtliche Schwermuth, die ungeachtet der Mischung von Sanftmuth und Entschlossenheit durchdringt; es ist schmerzhaft den Gedanken zu hegen, dieser liebenswürdige Jüngling hätte auch schon die Leiden des Lebens kennen gelernt; wenn ich nach meiner Vermuthung diesen Zug von Schwermuth und Traurigkeit erklären sollte, so würde ich in ihm unglückliche, vielleicht verschmähte Liebe als Veranlassung suchen.

Victoria, welche Beweise vom Gegentheile zu haben glaubte, seufzte statt der Antwort.

Don Sebastian fuhr fort:

Könnt es ein weibliches Geschöpf geben, das von ihm geliebt, für so viele Reitze, so viele Mittel zu gefallen, unempfindlich bliebe, so muß sie ein Felsenherz besitzen.

Eben so dachte Victoria, doch schwieg sie noch immer.

Doch vielleicht ist das, was wir so sehr bewundern, nur ein bloßes Ideal; eines großen Künstlers reiche Einbildungskraft und vorzügliches Geschick haben vielleicht aus eigner schmeichlerischer Composition dasjenige gebildet, was uns in diesem Gesichte so bezaubert, indeß das Original nur eine gewöhnliche Physiognomie zur Schau trägt, oder doch wenigstens dem Ausdrucke in diesen Zügen, den man ihm angedichtet, um vieles nachsteht.

Ach, nein nein, im Gegentheile, fiel Victoria von ihrem Gefühle hingerissen ein, aber schnell ihre Uebereilung empfindend, setzte sie mit unterdrückter Betroffenheit hinzu: Das Original, dünkt mich, muß diesem Bilde gleichen, wenn ich mich sonst auf Malerei verstehe; welch ein schwieriges und undankbares Geschäft für den Künstler, seiner Fanstasie hohen Schwung auf diesem kleinem Raume zu üben, sein seltenes Talent in einem Miniatur Gemälde zur Schau auszustellen, das doch Niemand für ein Original, für ein Meisterstück der Composition halten, und an welchem man höchstens die Schönheit der Malerei und die Aehnlichkeit bewundern wird; und welche niedrige Schmeichelei müßte der sonst nicht gewöhnliche Künstler besitzen, wenn er solche vortreffliche Züge einem alltäglichen Gesichte andichten wollte: er würde seine Kunst herabwürdigen. Nein, Sennor ich kann mein Herz unmöglich überreden, daß der Gegenstand dieses Gemäldes nicht in treffender Aehnlichkeit, ohne Uebertreibung dargestellt sein sollte, es wäre ein Betrug, der den Maler nicht empfehlen, nur seine Heuchelei entfalten müßte.

Euer Schluß, Sennora, ist warlich tief durchdacht, und verdient Beifall, sprach Don Sebastian, und sah Victorien mit einem Blicke an, der sie zum Fortfahren aufzumuntern schien, diese verbarg indeß mit Mühe ihre Verlegenheit, und um der Besorgniß, ihr Geheimniß unwillkührlich verrathen zu können, überhoben zu sein, wich sie dem Lobe des Greises sorgfältig aus, und fragte, das Gespräch ändernd, ob er vielleicht Hero gesehn habe.

Als ich nach dem Frühstücke wie gewöhnlich im Garten umherging, antwortete dieser, bemerkte ich das leichtsinnige Geschöpf in Begleitung Alonzo's auf dem Walle des Schlosses, und zwar an Stellen, die ich seit meiner langen Gefangenschaft nie habe ersteigen dürfen. Wahr ist's, er hatte die Vorsicht gehabt, sie mit der gewöhnlichen Tracht der Räuber zu bekleiden, aber auch unter dieser Verkleidung konnte man ihr Geschlecht ohne Mühe entdecken, und hat sie der wachsame Diego bemerkt, so mögte Alonzo seine Verwegenheit theuer bezahlen, denn der Erstere wird eine so günstige Gelegenheit, Don Manuel die unvorsichtige und unwürdige Aufführung seines Günstlings vor Augen zu legen, nicht ungenutzt entweichen lassen. Diego ist dem Alonzo nicht gewogen, er haßt ihn sogar, denn wie ich Euch schon gesagt habe, dieser Diego ist von Lastern und Tugenden auf eine ungewöhnliche, wenn gleich nicht beispiellose Weise zusammengesetzt, und obschon er als einer der entschlossensten und gefährlichsten Räuber betrachtet werden kann, so verabscheut er doch gleich dem gewissenhaftesten Manne, die Laster der Boßheit und des Verraths.

Alle diese Menschen, sprach Victoria, müssen meinem Gefühle nach, sich gegenseitig fürchten, hassen und verachten, einige ihrer Laster, andre wieder der ihnen noch übrig gebliebenen guten Eigenschaften wegen, und doch sind sie in Ansehung eines Punktes vollkommen eins, nämlich die Gefangenschaft der unglücklichen Schlachtopfer, die in ihre Hände fallen, zu verlängern.

Die bösartigen Menschen, meine Tochter, sagte Sebastian mit leiser Stimme, können nicht lange verträglich mit einander umgehen; dieselbe Neigung, welche sie bewegt, mit der menschlichen Gesellschaft im Streite zu leben, zwingt sie früh oder spät, auch sich selbst unter einander zu bekriegen. Ihr gemeinschaftliches Wohl nöthigt sie, eine Zeitlang ihre Leidenschaften zu zügeln, allein vom langen Zwange nur noch mehr gereitzt, brechen sie endlich hervor und bereiten ihnen den Untergang. Die Unmenschen, die hier im Schlosse herrschen, sind mehrere Jahre hindurch mit einer, von dem Interesse ihres schändlichen Gewerbes geschmiedeten Kette fest verbunden gewesen, aber, ich müßte mich sehr irren, oder wir erleben in kurzer Zeit die gänzliche Auflösung, und den gräßlichen Sturz dieser höllischen Republick. Seit langer Zeit schon keimt der Zwietracht und des Hasses Aussaat in diesen Felsen, und da diese Laster in ihrem eigenthümlichen Boden verpflanzt sind, so wuchern sie mit verderblicher Kraft rasch empor. Im Geheim arbeiten Neid und Rache an der Vollendung versteckter Minen, die zwar nur gegen einzelne Individuen gerichtet sind, deren verheerende Wirkung jedoch der ganzen Horde Verderben droht, und sie verschlingen wird; erlaubt uns nun die Vorsehung in diesem Augenblicke der gefährlichen Crisis unser Leben zu retten, so dürfen wir uns schmeicheln, noch einmal das Glück der Freiheit und des geselligen Umganges mit unsers Gleichen zu genießen.

Don Sebastian hörte Jemanden gehen, er änderte sogleich die Unterredung, sprach von gleichgültigen Sachen, und schien Hero, die sich ihnen näherte, nicht zu bemerken. Diese war nach ihrer Art festtäglich geschmückt, und mit einigen Kostbarkeiten ohne Geschmack behangen, die sie schamlos bemerklich zu machen sich bestrebte, nicht achtend, daß solche ihre Schande und Entehrung deutlich verkündeten.

Nach einer Weile erschien Hippolit und benachrichtigte sie, daß das Mittagsessen bereit sei. Victoria konnte ihre Freude, den guten Neger wiederzusehn, nicht verbergen, und mit leiser Stimme flüsterte sie ihm zu, wie viel Besorgniß seine Abwesenheit ihr verursacht, und daß sie gefürchtet habe, durch sein Verschwinden die kleine Zahl ihrer Freunde noch geschmälert zu sehen; zum Zeichen seiner Erkenntlichkeit legte der schwarze Jüngling die Hand auf sein Herz, blickte dankbar zum Himmel, und küßte, von den Andern unbemerkt, den Saum ihres Kleides.

 


Achtzehntes Kapitel.

Alonzo war bereits im Saale gegenwärtig; wärend des Essens blieb die Unterredung einsilbig und gezwungen, kaum war man vom Tische aufgestanden, so entfernte sich Alonzo sogleich, ohne daß es sich Hero, wie gewöhnlich, angelegen sein ließ ihn zu begleiten, vielmehr blieb sie in einer nachlässigen Attitüde sitzen, stützte den Kopf auf ihren Arm, und belustigte sich, eine schöne goldene Repetiruhr, welche ohne Zweifel ein Geschenk Alonzo's war, wiederholt schlagen zu lassen. Die Schamlosigkeit, mit welcher die unglückliche, bethörte Dirne mit dem Pfande ihrer Verführung prahlte, erfüllte die Seelen Victoriens und Sebastians mit Verachtung und Mitleid, die aus ihren Blicken sprachen, und veranlaßte sie, entfernt von ihr, ein Gespräch anzuknüpfen, dessen Gegenstand der ungebildeten Zofe zu unbekannt war, um es wagen zu können, ihre Unwissenheit durch Einmischung zu verrathen, und sich lächerlich zu machen.

Nach Verlauf einer Stunde trat Diego ungewöhnlich schnell in den Saal, näherte sich Victorien mit Ehrerbietung und fragte, ob sie Gefallen fände, noch vor Abend den Garten zu besuchen?

Welche Frage, ohne Zweifel, antwortete Hero lebhaft.

Diego lächelte verächtlich statt der Antwort, ohne auf Hero's Bereitwilligkeit zu achten, und wiederholte zu Victorien gerichtet, seine Frage in einem fast bittenden Tone.

Ich würde mir gern einige nothwendige Bewegung machen, erwiederte diese, allein fast fürchte ich, die Luft könne zu kalt sein, und auf meine schwächliche Gesundheits-Umstände nachtheilig einwirken.

Seid unbesorgt, Sennora, sprach Diego, die Wirkung der freien Luft wird Euch stärken, und ein etwas warmer Anzug allen üblen Folgen vorbeugen. An dem Sennor Don Sebastian findet Ihr einen treuen Begleiter, und an mir einen eben so treuen Diener, der Euch im Nothfalle mit einem warmen Mantel folgen, und gegen die kühlen Gebirgswinde schützen wird.

Dem beobachtenden Auge Victoriens entging es nicht, daß irgend ein ihr unbekannter Grund die Veranlassung zu dieser Bitte sein mußte, die Art, wie Diego in sie drang, und die Betonung einiger Worte, überzeugten sie, daß der Spaziergang im Garten nothwendig sein müsse, und eine Weigerung ihr vielleicht verderblich sein könnte; sie willigte daher unbedenklich ein, begab sich in ihr Schlafzimmer, kleidete sich um und erschien nach wenigen Augenblicken wieder in dem Saale, wo Don Sebastian sie erwartete. Bald auch gesellten sich als Begleiter Diego, Hippolit und Thomas, jener englische Matrose, dessen Therese in ihrer Erzählung erwähnt hatte, zu ihnen, aber mit Verwunderung sah Victoria, daß alle drei mit Feuergewehren wohl bewaffnet waren.

In dieser zahlreichen Gesellschaft ging nun Victoria am Arme Don Sebastians und von Hero in einiger Entfernung gefolgt, in den weiten düstern Park, und von dem Erstern geführt, einer Gegend desselben zu, die sie noch nicht betreten hatte, und wo die dicken Bäume der Alleen ein dem Tageslichte fast undurchdringliches Gewölbe bildeten, wärend auf beiden Seiten dicke Boskets, die seit vielen Jahren nicht ausgehauen waren, die Wege begrenzten, und diesen Theil des Gartens in einen Wald verwandelten. Einige Zeit schlenderte Hero hinter den Uebrigen her, als sie aber sah, daß Niemand auf sie achtete, nur von Zeit zu Zeit Thomas nach Seemannsart mit spöttelndem Auge ihre Gestalt prüfte und belächelte, so schlug sie eine Seitenallee ein, und trennte sich von der Gesellschaft, indem sie bald darauf gänzlich im Gebüsche verschwand.

Nun näherte sich Diego Victorien und redete sie mit leiser Stimme an:

Meine wiederholte Bitte, Sennora, Euch Bewegung im Garten zu machen, schien Euch, dünkt mich, etwas zu befremden, und Ihr einen geheimen Bewegungsgrund zu ahnen. Ihr habt Euch nicht geirrt, ich bin Euch eine Erklärung schuldig:

Noch vor Mittage benachrichtigte mich Therese, daß sie Hero gesehn habe, wie diese dem Carlos, Alonzo's Diener und dem würdigen, Vertrauten eines solchen Herrn ein Bündel Zeug heimlich zusteckte. Eine Stunde später entdeckte mir Thomas, Alonzo hätte vier seit langer Zeit des Verdachts der Verrätherei wegen eingekerkerte Gefangene freigelassen, und mit ihrer Hülfe, so wie dem Beistande einiger andern schlechten Subjecte, denen ich nie recht getraut habe, in der verwichenen Nacht eine kleine, in einer unserer Buchten liegende unbrauchbare Barke, in seegelfertigen Zustand gesetzt.

Kaum war ich von diesen Umständen unterrichtet, so trat Carlos in die Küche und fragte mit anscheinender Gleichgültigkeit, ob Sennor Sebastian in seinem Zimmer sich aufhalte. Ich wußte bereits genug, um irgend ein beabsichtigtes Bubenstück zu ahnen, die Frage Carlos vermehrte meinen Verdacht, doch fühlte ich deutlich, daß meine Gegenwart ihm hinderlich sei, weitere Erkundigungen einzuziehn, dieserhalb verließ ich die Küche, verbarg mich indeß zurückkehrend an einem Orte, wo ich ungesehn, jedes Wort vernehmlich hören konnte.

Therese, fing nun Carlos an, als Beide allein waren, mich plagt die Neugierde, bis ich die junge, schöne gefangene Dame im Schlosse gesehn habe, was bis jetzt aus Mangel an Gelegenheit noch nicht der Fall gewesen ist, und ich weiß nicht, was ich drum gäbe, wenn ich meine Neugierde befriedigen könnte. Ich weiß wohl, Ihr genießt der jungen Dame Vertrauen, könntet Ihr nicht zu erfahren suchen, ob sie willens ist, heute gegen Abend im Parke zu lustwandeln, damit ich mich an irgend einer Stelle im Gebüsche verbergen, und so glücklich sein könnte, sie zu sehen?

Hierauf versprach Therese sich zu erkundigen und ihm Nachricht zu geben, und Carlos entfernte sich nach diesem Versprechen mit einer Zufriedenheit im Gesichte, die mir sogleich den Entwurf zu einem verborgenen boßhaften Complotte verrieth.

Furchtsam zu handeln wäre nur dem Zwecke entgegen wirken, deshalb bat ich Euch, den Garten zu besuchen, sorgte jedoch für bewaffnete Begleitung, damit Alonzo hieraus abnehmen kann, daß sein Project entdeckt ist. Sieht nun derselbe, daß er um solches auszuführen, etwas wagen muß, so wird er, der so feig als hinterlistig ist, wahrscheinlich seinen Vorsatz aufgeben.

Obgleich Victoria aus der Mittheilung Diego's entnehmen konnte, daß ihrer Sicherheit nahe Gefahr drohe, so beruhigte sie doch sein und der Uebrigen Beistand sehr, und sie bezeigte ihm ihren Dank, zu welchem Don Sebastian das Lob hinzufügte, daß er sehr klug gehandelt habe. So wenig Eigenliebe nun auch Diego besaß, so war ihm doch die Erkenntlichkeit der Einen und der Beifall des Andern nicht unangenehm, er fühlte sich geschmeichelt, und sein Vorsatz zum Nutzen der schönen, liebreichen Gefangenen Alles zu thun und zu wagen, was seinen Pflichten als Räuber nicht entgegen lief, gewann mit jedem dankenden Blicke aus Victoriens Auge an Stärke.

Bis es dunkel zu werden anfing, blieb Victoria mit ihrer wachsamen Begleitung im Parke, wo von Zeit zu Zeit reizende wiewol verwahrlosete Parthieen sie und Don Sebastian fesselten, und eine morsche Bank sie zum traulichen Gespräche einlud, wärend Diego mit Hippolit und Thomas in einem weiten Zirkel um sie her postirt mit wachsamen Augen einige dunkle Gestalten beobachteten, die zuweilen in den Gebüschen sichtbar wurden, und als sie bemerkten, daß sie und ihre Absicht verrathen waren, schnell verschwanden, zumal wenn Diego, der treffliche Schütze, seine Büchse zielend der Gegend zurichtete. Seiner Vorsicht verdankte es Victoria, daß sie ohne Unfall zum Schlosse zurückkehren konnte.

In der Halle, durch die sie bei der Rückkehr gehen mußten, verschloß Diego sorgfältig Thüren und Fenster, und sprach, als solches Sebastian lächelnd bemerkte:

Ich darf nichts versäumen, was zur Sicherheit der Sennora bis zu ihrem Schlafengehen beitragen kann. Ist sie einmal in ihrem Schlafzimmer, so kann sie alle Nachstellungen Alonzo's, und seiner elenden Gehülfen verlachen.

Nun erbot sich zwar Victoria, sogleich auf ihr Zimmer zu gehen, um ihren Freunden die Mühe, für ihre Sicherheit zu wachen, zu ersparen, da aber dieses Anerbieten durch triftige Gründe widerlegt ward, so war sie bereitwillig in Gesellschaft Don Sebastians bis zum Schlafengehen im Saale zu verweilen, wärend Hippolit und Thomas in der Bibliothek Wache hielten, und Diego sich zu ihnen zu gesellen versprach, sobald seine übrigen Geschäfte es ihm erlauben würden.

Als Victoria mit Sebastian allein war, bemerkte sie in einer Ecke des Saals eine Laute, und schnell entstand der Gedanke in ihrer Seele, ihren Mitgefangenen, der die Stunden seiner einsamen Beschäftigungen ihrer Gesellschaft opferte, und seine Lieblingsstudien unterbrach, durch Musik zu erheitern. Sie stimmte also das vernachlässigte Instrument, spielte mehrere Stücke, und begleitete sie auf Sebastians Bitten mit ihrem Gesange. Ihre sanfte, rührende Stimme mit den Tönen der Laute zu einer hinreißenden Harmonie verschmolzen, wirkte mit zauberischer Gewalt auf das gutmüthige Herz des horchenden, rauhen Seemannes, und riß ihn von dem ihm angewiesenen Posten weg. Mit offenem Munde schlich er näher, stellte sich bescheiden vor die verwunderte Sängerin, und dicke Thränen liefen an seinen mit Runzeln bedeckten, und von den tropischen Strahlen der Sonne verbrannten Backen herab.

Bei diesem Anblicke hielt Victoria inne. Schönste Miß, rief der gute Matrose in einem Gemische von bäuerischem Englisch und schlechten Spanisch, fahret fort, ach, fahrt ja fort, es ist lange her, daß ich nicht so herzlich geweint habe, meine Ohren nicht so ergötzt sind, es scheint mir als ob ich jenen braven Jüngling, den theuren Kammeraden höre, der mich so muthvoll aus den Händen Garzias, des Ungeheuers riß. Ach, nun ist er selbst in den Rachen des schrecklichen Haifisches gestürzt, der ihn verschlungen hat. Warum ist er nicht hier, dieser tapfere Jüngling, warum lebt er nicht mehr? O, beim heiligen Georg, er würde Euer Beschützer sein, und allein Euch gegen alle diese Schurken vertheidigen!

Der in diesem Augenblicke herbei geeilte Hippolit setzte der unvorsichtigen, überlauten Redseligkeit des gerührten Matrosen ein Ziel, ergriff ihn beim Arme, und zog ihn in die Bibliothek zurück. Thomas widerstrebte nicht, aber umschlang Hippolits schwarzen Hals und weinte bitterlich; auch Don Sebastian konnte seiner Rührung nicht gebieten, und die natürliche Schmerzäußerung des Matrosen entlockte auch der gefühlvollen Victoria Thränen.

Kurz nach diesem Auftritte klopften Alonzo und Hero an der Thür der Halle und verlangten Einlaß. Sebastian, der sich überzeugte, daß sie ohne Begleitung waren, öffnete ohne Weigerung.

Auf meine Ehre, Sennor Sebastian, redete diesen Alonzo höhnisch lächelnd an, es scheint als ob Ihr Eure Maaßregeln gut getroffen habt, um in Eurem traulichen Zwiegespräche nicht unterbrochen zu werden. Was fürchtetet Ihr denn eigentlich?

Ich fürchte nichts, antwortete Sebastian mit Kälte: Ich gebrauche nur die nöthige Vorsicht gegen Boßheit und Verrätherei, aber ich fürchte sie nicht!

Etwas verlegen erwiederte Alonzo auf diese Worte nur mit einem spöttischen Lächeln, indem er völlige Gleichgültigkeit erzwang, sich nachlässig auf einen Lehnsessel warf, gähnte, über Ermüdung klagte, und die Nothwendigkeit verwünschte, welche ihn zwinge, am Morgen sehr frühzeitig im Dienste Don Manuels aufzustehn.

Man brachte inzwischen das Abendessen; Alonzo aß ungewöhnlich viel, trank nach Maasgabe des Appetits, und ohne die übrigen Anwesenden der geringsten Aufmerksamkeit würdig zu halten, schien er, die bisher immer beobachteten Gesetze der Höflichkeit und des Anstandes gänzlich zu vernachlässigen. Noch war Niemand vom Tische aufgestanden, so sprang er schon auf, warf mit Geräusch den Stuhl zurück und rief aus:

Diese Mahlzeit muß für lange Zeit genügen, denn ich gehe nun bald nach einer verwünschten Gegend, wo es keine Lebensmittel giebt.

Hierauf stieß er noch einige unzusammenhängende Worte aus, um zu verstehen zu geben, daß der ihm von Don Manuel ertheilte Auftrag schwierig und höchst gefährlich sei, und als sich die Diener mit den Ueberresten des Abendessens hinwegbegeben, rief er dem aufmerksamen Juan tobend zu:

Bei Deinem Leben, Juan, vergiß nicht, mich Morgen noch vor Anbruch des Tages aufzuwecken!

Zur gewöhnlichen Stunde trat Therese mit Diego in den Saal, in der Absicht Victoria auf ihr Schlafzimmer zu geleiten. Alonzo, der dem Anscheine nach bis jetzt eine unwiderstehliche Anwandlung vom Schlafe bekämpft hatte, erhob sich nun plötzlich, ergriff ein Licht, wünschte Victorien und Sebastian höflich wohl zu schlafen, küßte Hero's Hand, indem er ihr einige fade Schmeicheleien sagte, und begab sich hinweg.

Diego, fragte hierauf Sebastian, kann ich nunmehr ohne Furcht, das mir anvertraute kostbare Pfand aus meinen Händen lassen?

Ohne alle Furcht, Sennor, antwortete Diego, denn die mislungene Ausführung des heute Abend angezettelten Komplotts, kann nur Morgen zu eben derselben Stunde wieder erneuert werden. Aber Morgen, mein werthes Fräulein, fügte er spöttisch zu Hero gewendet, hinzu, Ihr könnt ihn nur vorläufig davon benachrichtigen, wird Don Manuel zu seiner großen Verwunderung, von der schönen Aufführung seines lieben und getreuen Günstlings durch mich unterrichtet werden, und bei Gott, wenn er dann dieses Mal sein Vertrauen nicht verliert, und er ihm die Macht, von der er einen so würdigen Gebrauch macht, nicht zurückzieht, so werde auch ich, beim Himmel, nicht mehr Treue als ein Anderer ausüben, und nicht ferner mit meinem Gewissen im steten Kriege leben.

Diego schwieg, mit väterlicher Zärtlichkeit wünschte Don Sebastian Victorien wohl zu ruhen, und sie trennten sich.

 


Neunzehntes Kapitel.

Ungehindert erreichte Victoria, von Theresen, Hero und Diego begleitet, die Thür ihres Schlafgemachs, als aber Diego solche öffnen wollte, konnte es ihm aller angewandten Mühe und Kraft ungeachtet nicht gelingen, denn der Schlüssel blieb unbeweglich im Schlosse stecken, und Diego vermochte nicht ihn zu drehen. Dieser Umstand bewieß hinlänglich, daß man versucht haben müsse, das Schloß zu erbrechen; deshalb entschloß sich der beunruhigte Diego sogleich, dasselbe abzunehmen, und durch ein Anderes zu ersetzen. In seiner nahe angrenzenden Schlafkammer befanden sich die, zu diesem Behufe nothwendigen Geräthschaften, zu fürchten war in diesem Augenblicke nichts, also fand Diego kein Bedenken, aus seinem Zimmer die benöthigten Werkzeuge zu holen, nahm zu diesem Ende das Licht mit sich, ließ aber die Thür offen, damit Victoria und ihre Begleitung, die auf dem Korridor wartete, nicht ganz im Dunkel bleiben mögten.

Doch kaum befand sich Diego im Innern, als die Thür sich hinter ihm mit Krachen, und, wie von einer unsichtbaren Hand zugeschlagen, schloß, und ihm, der ohne den außerhalb stecken gebliebenen Schlüssel dieselbe nicht öffnen konnte, den Ausgang versperrte.

In demselben Augenblicke sprang die Thür des gegenüber belegenen Zimmers auf, und heraustrat mit einem langen feuerfarbenen Leichentuche umhüllt ein Gespenst von gigantischer Gestalt, aus dessen emporgesträubtem Haare bläuliche Funken sprüheten, welche die gräßlichen Züge des entsetzlichen Gesichts mit der Farbe der Verwesung bemalten. Bei dieser Erscheinung stieß Therese ein Zetergeschrei aus, und stürzte besinnungslos zur Erde, auch Victoria, die zwar an keine übernatürliche Erscheinungen glaubte, aber die Größe der ihr geltenden Gefahr schnell begriff, erschrack heftig, ohne jedoch weder den Gebrauch ihrer Sinne, noch ihre Geistesgegenwart zu verlieren.

Die scheußliche Gestalt näherte sich ihr, blickte sie mit Augen, aus denen Flammen zu sprühen schienen, starr an, und ohne zu reden, winkte sie ihr mit der Hand, sie zum Folgen einladend.

Nein, nein, schrie diese, ich folge Euch nicht, der Betrug ist zu grob erdacht.

Und schnell sprang sie zur Thür, an der Diego von Innen wie ein Rasender rüttelte, in der Absicht ihm zu öffnen, als sie sich von einem Unbekannten, den sie nicht bemerkt hatte, ergriffen und fortgetragen fühlte. Umsonst rief sie mit schreiender Stimme Diego, Hippolit und Sebastian zur Hülfe herbei, umsonst suchte sie sich den Armen des Räubers, dem bereits Mehrere folgten, zu entreißen; Alles war vergeblich, schon war sie bis zur Treppe fortgeschleppt, und ihr Entführer im Begriff hinabzusteigen, als plötzlich der kühne Hippolit sich ihm entgegen warf, ihn zwang seine Beute fahren zu lassen, und sich ihrer bemächtigte. Den linken Arm schlang der Neger um sie, und mit der Rechten vertheidigte er die Halbohnmächtige gegen die Banditen, welche jetzt mit vereinigter Stärke und blanken Säbeln auf ihn eindrangen. Nur einzig beschäftigt, seine kostbare Beute vor jeder mörderischen Verletzung zu schützen, konnte er sich nur auf seine Vertheidigung beschränken, sehr gelegen kam ihm daher der Beistand des unerschrockenen Matrosen, der wie ein Ungewitter dem Feinde in den Rücken fiel und sich einen Weg bis zu dem kämpfenden Jünglinge bahnte, welcher schon zwei von seinen Gegnern entwaffnet hatte, und von Thomas unterstützt, sicher die ganze Rotte zerstreut haben würde, wenn nicht sein Säbel von dem Schlage einer Büchsenkolbe zertrümmert wäre. Kaum sah das Gespenst, welches bis jetzt müßiger Zuschauer des Kampfes geblieben war, den Mohren ohne Waffen, so zog es ein Schwert unter dem Leichentuche hervor und fiel über den Wehrlosen her. In diesem Augenblicke, der dringendsten Gefahr, die Victoria theilte, erinnerte sie sich des Pistols, mit der sie Diego bewaffnet hatte, riß es hervor, drückte es in Hippolits Hand, und dieser feuerte es auf seinen Mörder ab, der von der Kugel in die Hüfte getroffen, mit schrecklichem Geschrei zur Erde stürzte und sich in seinem Blute wälzte.

Nun eilte auch Diego, dem es endlich gelungen war, seine Thür gewaltsam aufzubrechen, vom Kopfe bis zum Fuße bewaffnet, Wuth im Herzen und Feuer in den Augen, schnaubend herbei, aber der Kampfplatz war bereits leer, denn die Banditen ergriffen die Flucht und Victoriens Vertheidiger fanden keinen zu bekämpfenden Gegner mehr. Auf Diego folgte Don Sebastian, den entblößten Degen in der Hand

Die Corsaren haben das Weite gesucht! rief ihm Thomas jauchzend zu, sie haben die Segel gestrichen, unsere kostbare Beute ist frisch und gesund, und, hier zeigte er auf Hippolit, diesem braven Kumpan verdanken wir es, er hat des Feindes Feuer ausgehalten, und das Gefecht ganz allein geendet.

Großer Gott! rief Victoria erschreckt aus, armer Thomas, Ihr seid verwundet?

Ach, das ist eine wahre Kinderei, antwortete lächelnd der Matrose, ich wollte, die Ehre Euch zu vertheidigen, meine theure Miß, hätte mir einen Arm oder ein Bein gekostet.

Diese Antwort beruhigte die Aengstliche keinesweges, sie sah Thomas Blut am Arme hinunter fließen, und mit zitternden Händen nahm sie ihr Tuch seine Wunde zu verbinden.

Aber, sagte Hippolit, dort liegt einer von unsern Feinden auf dem Platze, dem wir doch Hülfe schuldig sind.

Ohne Zweifel, fiel Diego ein, lauf Juan und rufe Pedro den Wundarzt schnell herbei. Was zum Henker aber bedeutet denn diese Gespenster Mummerei?

Nun ich denke, der ist nicht schwer zu erkennen, sprach Thomas, es ist ja unser tapfere Eisenfresser, der berühmte Sennor Alonzo, der so ein gar großer Kriegesheld ist, jedesmal wenn er mit Zehn gegen Einen ficht.

Alonzo, sagst Du? fragte Hippolit mit Bestürzung, es sollte mir Leid thun, ihn, den mit Verbrechen Beladenen, unvorbereitet genöthigt zu haben, vor seinem Schöpfer zu erscheinen; so unglücklich kann ich nicht gewesen sein.

Mit diesen Worten riß er die scheußliche Larve von des Liegenden Gesicht, schlug das feuerfarbene Leichentuch zurück, und alle erkannten Alonzo, der zwar noch lebte, den jetzt doch seine Bestürzung und vorzüglich die Furcht sterben zu müssen, die Besinnung geraubt hatten. Hippolit bemühete sich, das aus der Wunde fließende Blut zu stillen, wärend Thomas die vor Schreck ohnmächtig liegende Therese, welche man anfänglich, wiewol irrigerweise, verwundet glaubte, in Diego's Zimmer auf's Bette trug, wo Victoria mit Hülfe eines Bechers voll frischem Wasser ihr das Gesicht wusch, bis Pedro die Verwundeten zu verbinden, anlangte, und auch sie aus ihrer Sinnlosigkeit erweckte.

Auf sein Geheiß trug man den Verwundeten in das nahe Gemach, wo er sein Geisterhabit angelegt, und in welches Hero sich beim Anfange des Tumultes versteckt hatte.

Nach einer genauen Besichtigung der Wunde erklärte sie Pedro für nicht tödtlich, und befreiete Alonzo von der Angst, die ihm die Gefahr des nahen Todes auspreßte. Kaum vernahm er daher diese tröstliche Aeußerung, so stellte sich sein gewöhnliches, übermüthiges, höhnisches Betragen wieder ein, und im Tone des Gebieters beklagte er sich über die an seiner Person verübten Gewaltthätigkeiten, und drohete denjenigen mit den härtesten Strafen, welche es gewagt hatten, sich in einem Augenblicke an ihm zu vergreifen, wo er Don Manuels Befehle vollstreckt habe.

Ihr lügt wie ein feiger, elender Betrüger, der Ihr seid! schrie Diego wüthend und sich selbst vergessend: Schäußliche Bubenstücke, die ihre Quelle nur in Eurem Herzen finden konnten, wolltet Ihr ausführen, und nun gedenkt Ihr den Namen Don Manuels zu misbrauchen, eines Mannes, der mit Eurer Art nichts gemein hat!

Nur mit Mühe brachten Sebastian und Pedro den brausenden Diego zum Schweigen, und entfernten ihn, weil sie mit Grund fürchteten, daß er Alonzo zum Zorn reizen und sein Wundfieber verstärken würde, wodurch sein Zustand gefährlich werden konnte. Dieser verlangte jetzt mit Ungestüm nach seinem Diener Carlos, eben demjenigen, welcher sich Victoriens im Getümmel bemächtigt, sie fortgetragen, und sich nachher durch die Flucht gerettet hatte. Als er erschien befahl ihm Alonzo sogleich den Gefangenwärter Gonsalvo zu rufen, und ihm zu sagen, daß er Ketten mitbringen solle.

Was soll dieser Auftrag? fragte Don Sebastian.

Gonsalvo wird die beiden Schurken, den Hippolit und den Thomas als Unruhestifter ins Gefängniß schleppen. Sie haben das Leben ihres Offiziers mörderisch angegriffen.

Das ist wahr, antwortete Sebastian, aber dieser Offizier übte selbst Verräth gegen seinen Chef.

Lügen, Verläumdung! schrie Alonzo tobend. Es wird mir nicht schwer fallen, Sennor, meine Aufführung zu rechtfertigen, und zu beweisen, daß ich meine Pflicht that. Uebrigens habe ich die Macht, diese beiden Meuter in den Kerker zu stecken, und bei Gott, ich werde mein Wort halten.

Ihr habt die Macht sie ins Gefängniß führen zu lassen, fiel Sebastian ruhig ein, ich widerstreite es nicht, aber sicher seid Ihr nicht befugt sie zu mishandeln, daran will ich wohlmeinentlich Euch nur erinnern.

Ich habe die Macht mich zu rächen! schrie vor Wuth bebend Alonzo, und ich will verdammt sein, wenn sie meine Rache nicht bis an die Pforten der Hölle verfolgen soll.

Ihr äußert da einen Entschluß, sprach Sebastian mit Gelassenheit, der Euch großer Gefahr aussetzt, und ein so vorsichtiger Mann wie Ihr, handelt nicht ohne Ueberlegung und Berücksichtigung der Folgen.

Nach diesen Worten verließ er ruhig das Zimmer, ihm folgte Pedro, um die andern Verwundeten zu verbinden.

Nach einer Weile trat Gonsalvo in Begleitung dreier Schließer mit Ketten herein, empfing Alonzo's Befehle, entfernte sich und war im Begriffe sie auszuführen, als Victoria, die in Diego's Schlafkammer noch immer mit der halbohnmächtigen Therese beschäftigt gewesen, das gräßliche Geklirre der Ketten gehört, die vier unbarmherzigen Männer vorübergehen gesehn, und mit Entsetzen die Absicht dieser Zubereitungen geahnet hatte, ihm entgegen trat, und um die Bestimmung der schweren Ketten fragte. Unverholen sagte ihr der alte Gefangenwärter, was ihm zu thun befohlen sei.

Victoria erblaßte, vom Uebermaße ihres Mitleids getrieben, nur der Stimme ihres gefühlvollen, dankbaren Herzens gehorchend, eilte sie, ehe es der herzugekommene Hippolit verhindern konnte, zu dem Bette Alonzo's, warf sich auf ihre Knie, und bat mit gefaltenen Händen um Gnade für ihre beiden Retter.

Hippolit war ihr gefolgt, er hob sie vom Boden auf, und rief misbilligend aus; Sennora, Ihr vergeßt Euch, erspart mir die uns erträgliche Qual, Euch in einem so wenig für Euch paßlichen Zustande vor einem solchen Elenden zu sehen.

Gonsalvo und seine Satelliten wollten ihn ergreifen, aber er stieß sie zurück, führte die Aengstliche in die Arme des nahenden Sebastians, ging dann mit Ruhe und Würde auf den Gefangenwärter zu, reichte ihm seine Hände, ließ sie mit den schwersten Ketten, die man hatte auffinden können, behangen, und folgte den Schließern standhaft und ohne ein Wort zu reden, aber mit einem dankbaren Blicke auf Victorien, der nur seinen Schmerz verrieth, nicht ferner für ihre Vertheidigung wachen zu können. Victoria konnte diesen Anblick nicht ertragen, seufzend bedeckte sie mit beiden Händen ihr Gesicht und brach in Thränen aus.

Beruhigt Euch, meine theure Tochter, redete sie Sebastian an, indem er Gonsalvo und seine Begleitung zurückrief, es wird ihm nichts Uebles widerfahren. -- Dann wandte er sich zu dem Gefangenwärter, und sprach mit halblauter aber nachdrucksvoller Stimme:

Vergeßt nicht, daß sich Hippolit unter dem besondern Schutze Franzisko's befindet.

Bei diesem Namen stutzte der grämliche Gefangenwärter, und schien ungewiß, was er thun sollte, aber Sebastian fuhr fort:

Ihr müßt Alonzo's Befehlen gehorchen, Hippolit ist Euer Gefangener, aber Ihr seid mit Eurem Kopfe für ihn verantwortlich, widerfährt ihm das geringste Leid, so wird Franzisko's Rache Euch treffen.

Sogleich ließ Gonsalvo Hippolit die Ketten abnehmen, und dem Matrosen Thomas leichtere anlegen, hierauf führte er Beide fort.

Nun erschien Diego, und benachrichtigte Victorien, daß ihr Zimmer eingerichtet, und die Thür mit einem festen Schlosse versehen sei, sie also für ihre Sicherheit unbesorgt sein könnte, doch erbot er sich, im Falle die Gegenwart Theresens zu ihrer Beruhigung beitragen könnte, dafür zu sorgen, daß dieselbe ihr wärend der Nacht Gesellschaft leisten dürfe.

Victoria war jetzt über das Schicksal der beiden Gefangenen mehr beruhigt, zumal der Sennor Sebastian sie in ihr Gefängniß begleitet hatte, um darnach zu sehen, daß man sie mit Menschlichkeit behandele, was aber ihre Besorgniß mehr noch als Sebastians Vorsorge minderte, war die auf Hippolit ruhende, schützende Hand Franzisko's, und der mächtige Einfluß dieses geheimnißvollen Wesens, dessen Name sogar den Ohren des entmenschten Gonsalvo fürchterlich klang.

 


Zwanzigstes Kapitel.

Sobald Victoria sich in ihr Schlafzimmer begeben hatte, verschloß Diego die Thür sorgfältig von Innen, rückte einen Lehnsessel für sie herbei, einen andern daneben für Theresen und zog sich in eine ehrerbietige Entfernung zurück.

Ihr werdet erlauben, Sennora, redete er Victorien hierauf an, sein Verweilen zu erklären, daß ich die Rückkehr des Sennor Sebastians hier abwarte, dann werde ich sogleich etwas guten Wein holen, um Euch und die arme Therese, die noch ganz erschöpft ist, zu stärken.

Wirklich, Diego, antwortete Victoria, Ihr überhäuft mich mit Gefälligkeiten und Wohlthaten, Euer menschliches, sanftes Betragen vergrößert mit jeder Stunde meine Achtung und Zuneigung zu Euch, und erwirbt Euch meinen wärmsten Dank. Aber, sagt mir, guter Diego, wie geht es zu, daß bei aller der Theilnahme, die Ihr zeither mir bewiesen, Ihr Euch nicht wie die Uebrigen die Rache des grausamen Alonzo zugezogen habt?

Der Feige wird es nicht wagen, mit mir anzubinden, erwiederte Diego verächtlich, er weiß, daß ich zu viel Einfluß im Schlosse habe, und mishandelt nur die Schwachen und Schutzlosen.

Und doch scheint es mir gehört zu haben, daß Hippolit nicht ganz beistandlos sei, sondern sich vielmehr unter Franzisko's besonderm Schutze befinde.

Das ist wahr, Sennora, nur dem Alonzo nicht bekannt. Er schmeichelt sich, daß Hippolit Franzisko's Beistand verlohren habe, weil ihn dieser zu Don Manuels Diener hergegeben hat; aber der Elende weiß nicht, welchen Gefahren er sich aussetzt, und seine Verblendung wird nur im Augenblicke verschwinden, wo Franzisko's Zorn ausbrechen, und er dessen gräßliche Wirkungen erfahren wird.

Aber wenn er früher einen Anschlag auf Hippolit's Leben wagte?

O, das ist gar nicht zu befürchten. Jene zwei Worte, welche Sebastian dem Kerkermeister zuflüsterte, und die Alonzo nicht gehört hat, sichern Hippolit vor aller Gefahr. Gonsalvo weiß sehr gut, wie viel einst dieser junge Neger bei Franzisko galt, er hat es nicht vergessen, daß Franzisko ihn aus Don Manuels Händen zu sich nahm, und ihn mit unserm theuren Theodor erzog. -- Und daß Franzisko's frühere Neigung nicht erloschen sei, ist Gonsalvo wohl bekannt.

Wenn aber diese Neigung noch fortdauert, fragte Victoria, wie erklärt es sich, daß Franzisko seine Einwilligung geben konnte, diesen sowohl erzogenen in seiner Art so vollkommnen Jüngling zum gemeinen Diener Don Manuels herabzuwürdigen, und von dem elenden Alonzo abhängig zu machen?

Dieses Verfahren, Sennora, ist ohne Zweifel seltsam und sogar unerklärbar, aber grade deshalb stimmt es ganz mit den Gesinnungen Franzisko's, dessen Leben ein fortwärendes Geheimniß, und dessen Handlungen unauflößbare Räthsel sind, überein. -- Ach, Sennora, wie soll man wol sein Verfahren gegen unsern Theodor erklären? -- Er hatte dieses Kind mit so viel Sorgfalt erzogen, liebte es mit der Zärtlichkeit eines Vaters und doch -- --

Diese schmerzliche Erinnerung griff in Theresens Herz, sie schluchzte, Diego aber, solches hörend, fuhr fort:

Vergebt, Therese, daß ich Euch betrübe, ich thue was ich nur kann, um das Andenken an jenen Vorfall zu vergessen, ich thue mir Gewalt an, aber wider meinen Willen zieht mich die Erinnerung zu jener Zeit gewaltsam zurück, und zerreißt mir dergestalt mein Herz, daß ich oft den Tag verfluchen möchte, wo ich in Don Manuels Hände fiel.

Diego schwieg, und nun folgte ein langes Stillschweigen, das Victoria, die Beider Betrübniß mit gerührter Theilnahme bemerkte, durch eine Wendung des Gesprächs brach:

Ihr sagt, daß Ihr in Don Manuels Hände gefallen seid, Diego, fragte sie, ich würde es auch in der That mit Verwunderung hören, wenn Ihr freiwillig in dessen Dienste getreten wäret?

Freiwillig! rief Diego aus, gottlob nein, wenn Ihr es mir erlaubtet, Sennora, Euch die Verhältnisse und Drangsale des Lebens, in denen ich mich befunden habe, zu erzählen, so würdet Ihr Euch überzeugen, daß ich mit keinen so schlechten Neigungen geboren bin.

Ach Diego, Ihr thut mir unrecht, ich habe ja Beweise genug, daß Euer Herz gut und theilnehmend ist, und es geziemt mir warlich nicht daran zu zweifeln.

Ja, ich darf behaupten, fuhr Diego fort, vom Himmel mit einem guten Herzen beschenkt zu sein, und meine Lebensgeschichte gehört zu denen, die zum Belege dienen können, wie sehr böse Beispiele natürlich gute Anlagen verderben können.

Hierauf bezeigte Victoria den Wunsch, Diego's Lebensgeschichte zu hören, und Jener fing sogleich an:

Ich bin in Italien geboren, meine Eltern gehörten beide zur vertrauten Dienerschaft eines vornehmen toskanischen Edelmanns, der eine reiche Erbin aus einem sehr alten spanischen Hause geheirathet hatte. Als ich größer wurde, nahmen mich meine Eltern oft mit aufs Schloß, wo ich die Erlaubniß erhielt, mit dem Sohne unsers Gebieters, der etwas älter als ich sein mochte, zu spielen. Dieses liebenswürdige Kind gewann mich bald in dem hohen Grade lieb, daß mir auf seine Bitten gestattet wurde, im Schlosse zu wohnen, und ihm zum steten Gesellschafter zu dienen. -- O glückliche Jugendzeit, wo meine Jahre in unschuldsvoller reiner Freude vorüberflogen! -- Alle Bewohner des Schlosses liebten mich, denn ich war der Liebling meines jungen Gebieters, auch beeiferte ich mich von meiner Seite Jedermann zu gefallen, und vornehmlich machte ich es mir zur Pflicht, dem jungen Grafen mit einer so treuen und zärtlichen Anhänglichkeit zu dienen, daß ich noch jetzt, mitten in diesem wüsten, unruhigen und sogar sträflichen Leben nicht ohne Rührung an jene Zeit denken kann. Mein junger Gebieter war ein Muster von Herzensgüte, Sanftmuth und allen liebenswürdigen Eigenschaften; nie trat ein zürnendes Wort über seine Lippen, nie ließ er mir den Gebieter fühlen, nein, er überschüttete mich mit Wohlthaten und Gunstbezeugungen, verheimlichte meine jugendlichen Unbesonnenheiten, und fand als ich älter geworden, es nicht unter seiner Würde, mich in dem Nützlichen zu unterrichten, was er von seinen Lehrern lernte. -- Mit welcher Aufmerksamkeit hörte ich ihm zu, wie gelehrig war ich, mein Leben hätte ich zehnmal für den Engel hingegeben. --

Ich war zwölf Jahre alt, als eine Veränderung meiner glücklichen Lage, und mit ihr ein Zeitpunkt eintrat, der eine Reihe von Widerwärtigkeiten und Unglücksfällen für mich bereitete. Familien-Verhältnisse zwangen die Eltern meines jungen Gebieters, auf eine lange Zeit nach Spanien zu verreisen, mein Vater und meine Mutter begleiteten sie; mich, der ihnen auf der langen Reise nur beschwerlich fallen mußte, ließen sie aber im Schlosse unter der Obhut der Frau des Kastellans, die mich bis zur Narrheit zu lieben schien, zurück.

Ach, nie werde ich den Abschied von meinem jungen Herrn, den Schmerz, dem er sich überließ, als er genöthigt war mich zurückzulassen, alle die Beweise seiner Theilnahme, Güte und Zuneigung, die er in diesem Augenblicke der Trennung gegen mich äußerte, vergessen. Eine dunkle Ahnung ließ mich in der Zukunft das Wiedersehen vergebens suchen, ich war in Verzweiflung. Er drückte mich, den Sohn des Dieners, mehrere Male mit Heftigkeit weinend in seine Arme, und als er in den Wagen stieg, eine schwere Börse in meine Hand, damit ich mir Bücher und Spielwerk kaufen und meine Traurigkeit vergessen könnte.

Ach, aber mein Glück, meine Ruhe, meine Unschuld, alles floh mit ihm, ein Vorgefühl von alle dem Unglücke, das mir bevorstand, beengte meine Brust, und die damals von mir in Strömen vergossenen Thränen waren die bittersten, die ich je geweint habe.

Diego schwieg einen Augenblick, fuhr mit der Hand über die nassen Augen, und sprach dann weiter:

Verzeiht, Sennora, die von der Vergangenheit in Anspruch genommene, vorübergehende Rührung, seit einiger Zeit verfolgen mich die Bilder jener Jahre, und es ist mir oft als ob der Gedanke, was aus mir hätte werden können, was aus mir geworden ist, mich zum Kampfe gegen mich selbst anreizen wollte. -- Doch ich fahre in meiner Erzählung fort:

Bald empfand ich den Verlust meines Gebieters und meiner Eltern. Das frühere zuvorkommende, liebreiche Betragen der Frau des Kastellans gegen mich war nur Verstellung und ein listiges Hülfsmittel gewesen, der gräflichen Familie zu gefallen, und in ihrer Gunst immer höher zu steigen. Kaum hatte sie jedoch die alleinige Herrschaft im Schlosse, so änderte sich ihr Benehmen, sie vernachlässigte mich anfänglich, wiederholte mir hundertmal des Tages, daß ich verzogen und der vielen Gnade des Grafen nicht werth sei, zankte und schmollte unaufhörlich, gab mir schlechte und spärliche Nahrung, strafte mich unverdienter Weise und behandelte mich zuletzt mit einer Härte, die ich, der Verwöhnte, nur kurze Zeit zu ertragen im Stande war. Drei lange Jahre hindurch seufzte ich unter dem Joche des bösen alten Weibes, und drei Jahre hindurch trug ich den Entschluß es abzuwerfen mit mir umher. Endlich war er zur Reife gediehen und eines Morgens führte ich ihn aus; früh vor Sonnenaufgang verließ ich mit meiner wohl verwahrt gewesenen Geldbörse und dem festen Vorsatze, das Schloß [zu verlassen], nach Spanien zu wandern und dort meinen jungen Gebieter in Alt-Castilien aufzusuchen, gelangte auch ohne Unfall nach Pisa, wo ich mich nach Tarragona einzuschiffen gedachte.

Hier lernte ich zufällig den Capitain eines Schiffes kennen, vertraute mich ihm an, zeigte ihm meine Börse und erhielt von ihm das Versprechen, mich nach Spanien überzuschiffen. Doch kaum war ich an Bord, und mein Gold in des Verräthers Händen, so sah ich zu meinem Entsetzen, daß meine Unerfahrenheit betrogen, und die Behandlung der Kastellanin im Vergleiche mit der, die ich nun erdulden mußte, sanft und liebreich gewesen sei. Man belastete mich mit ungewohnter schwerer Arbeit, der ich nicht gewachsen war, und die mir deshalb Drohungen und Mishandlungen zuzog. Durch den mir gespielten schändlichen Betrug erbittert, und mit einem wenig biegsamen Character begabt, weigerte ich mich die mir auferlegten Arbeiten zu verrichten, und überhäufte den nichtswürdigen Schiffscapitain mit Vorwürfen und Verwünschungen. Man strafte mich auf unbarmherzige Weise nach den Schiffsgesetzen, und warf mich mit Ketten behängt in den untersten Raum, wo verdorbener Schiffszwieback und Seewasser meine Nahrung ausmachten, und ich nur dann reine Luft einsog, so oft man mich auf's Verdeck schleppte, um mich durch körperliche Züchtigungen zu zerfleischen.

Lange Zeit duldete ich diese Mishandlungen und harte Gefangenschaft, bis es endlich einem algierischen Piraten gefiel auf unser Schiff Jagd zu machen, und mich an meinen Peinigern zu rächen. Man befreiete mich von meinen Fesseln, reichte mir Waffen, führte mich aufs Verdeck und befahl mir, für die gemeinschaftliche Rettung zu fechten. Jetzt zeigte sich mir zum ersten Male der Anblick eines Gefechts; anfänglich war meine Furcht groß, und vorzüglich erschreckte mich der Donner des Geschützes, bald aber gewöhnte ich mich daran, und da ich von früher Kindheit an Feigheit gehaßt habe, und mir die großen heidnischen Helden, von denen mir der junge Graf oft vorgelesen hatte und die ich vergötterte, einfielen, so schämte ich mich meiner Angst, und warf mich in das dichteste Getümmel den Säbeln der Muselmänner entgegen.

Unsere Schiffsmannschaft vertheidigte sich wie Verzweifelte, aber die Uebermacht war zu groß, wir mußten erliegen, und was nicht den Tod mit den Waffen in der Hand oder im Meere fand, gerieth in die Sclaverei des algierischen Seeräubers. Ich mag Euer Herz nicht durch die Erzählung alle der Leiden, die ich ausstehen mußte, rühren, Sennora, die Mehrsten meiner Unglücksgefährten wurden in Algier auf dem Markte für das höchste Gebot verkauft, ich aber und einige Wenige schmachteten drei schrecklich lange Jahre in den Fesseln Achmets, meines neuen Gebieters, der Gefallen daran fand, seine Grausamkeit auf alle nur ersinnliche Weise an mir auszuüben, und mich an die Bastonnade und andere heidnische Qualen zu gewöhnen. In seiner Schule lernte ich den Mord und Raub nach Grundsätzen kennen, und die schwachen Anfangsgründe der Religion wurden durch Lästerungen der Ungläubigen im Keime erstickt; meine Sinnesart nahm aber trotz der harten Behandlung an Unbiegsamkeit zu. Einst begegneten wir auf unsern Kreuzzügen im mittelländischen Meere einem spanischen Corsaren, der uns weit überlegen, unser Schiff zerschoß, mehr als die Hälfte der Algierer tödtete, und das Fahrzeug nach einem drei Stunden langen blutigen Kampfe nahm. Die Gefangenen ohne Unterschied des Ranges, warf man geknebelt in den untersten Raum, und wir, die wir uns schon frei glaubten, behielten unsere Bande, und wenn uns der Spanier gleich menschlich behandelte, so blieb doch bei dem Mangel eines bedeutenden Lösegeldes, stete Gefangenschaft unser Loos.

Bis zu diesem Augenblicke war der grausame Achmet für mich ein Gegenstand des Hasses und der Rache gewesen, jetzt aber war er ein unschädlicher, machtloser Feind, ein Gefangener wie ich, und wenn er es auch verdient haben mogte, daß ihn die übrigen Christen-Sclaven in seinem Unglücke verhöhnten, und sein Schicksal zu verschlimmern suchten, so hielt ich es doch für unedel ihrem Beispiele zu folgen; und als man um seine Qualen zu verstärken, unmenschlicherweise die ihm täglich zugeworfene Portion schlechter Lebensmittel auf die Hälfte herabsetzte, der stolze Türke nach langem Widerstreben endlich der Pein des Hungers unterlag, und oft mit Jammern die Hände bittend nach einem Stücke harten Schiffszwieback ausstreckte, da bemitleidete ich meinen Peiniger, und oft theilten wir, Thomas der englische Matrose, der heute sich so brav gezeigt hat, und ich, unsere tägliche Nahrung mit dem Hungrigen, der uns mit stillen Thränen und reuevollen Blicken dankte.

Wenn ich Euch aber diesen Umstand mittheile, Sennora, so bitte ich Euch ja dem, Gedanken nicht Raum zu geben, als sei es meine Absicht mein eigner Lobredner zu werden, nein, ich will nur bei dieser Gelegenheit Don Manuel Gerechtigkeit widerfahren lassen. Denn als dieser, (der spanische Corsar in dessen Gefangenschaft wir uns befanden) von unserm Betragen gegen Achmet gehört hatte, so befahl er, daß Thomas und mir die Ketten abgenommen wurden, ließ uns vor sich führen, und, so unbegreiflich und mit seinen Handlungen unvereinbar es Euch auch immerhin scheinen mag, daß sein Herz von einer guten That konnte gerührt werden, lobte uns in Gegenwart der ganzen Schiffsmannschaft wegen unserer Menschlichkeit gegen unsern frühern unbarmherzigen Herrn, nahm uns in seine Dienste, und hat uns seit diesem Augenblicke mit besonderer Auszeichnung behandelt, und fortwärende Beweise seines Zutrauens gegeben.

Von diesem Zeitpunkte an, beginnt meine Verbindung mit Don Manuel, die, so strafbar sie auch sein mag, doch wenigstens aus einer guten Quelle entsprang, denn sie war auf die Dankbarkeit gegründet, die Don Manuel mit vollem Rechte in Anspruch nehmen konnte. Ich verdanke ihm mein Leben und meine Freiheit aus der schrecklichen Sclaverei; nie werde ich die Sorgfalt vergessen, die er in meinem Jüngslingsalter an mir verwandte, nie die ängstliche Besorgniß, mit der er mich pflegte, als ich nach einer starken Verwundung am Rande des Todes schwebte und der Wundarzt an meiner Genesung zweifelte, nie die Vorzüge, welche ich genieße, und die besondere Duldsamkeit mit welcher er mir manche Voreiligkeit nachgesehn, die Andern Strafe zugezogen haben würde. -- Aber bei alle diesem will sich das Andenken an meine Eltern und an den jungen Grafen, meinen Wohlthäter, aus meinem Gedächtnisse nicht verwischen, und ich seufze nur nach dem Augenblicke, wo ich sie wiedersehn könnte. Doch dieses Wiedersehn ist nur ein Traum, wenn es eine andere Welt giebt, so kann es dort vielleicht der Himmel fügen; auf Erden mir mit der Hoffnung dieses Glückes zu schmeicheln, wäre Unsinn. -- Es hat mir nie gelingen wollen Nachricht von den Theuren zu erhalten, weder in der Zeit meiner Gefangenschaft, noch wärend der ersten Jahre meines Aufenthalts in diesem Schlosse, und seit dem, auch abgesehn von den fürchterlichen Schwüren, die mich binden, wie würde ich es gewagt haben, mit Verbrechen beladen, vor ihnen zu erscheinen? Ist es nicht besser, daß sie meinen muthmaßlichen Tod, als das Leben, was ich hier führe, beweinen? --

Ihr seht nun, Sennora, daß eine ununterbrochene Kette von Unglücksfällen und Drangsalen, die bis zu meiner frühen Kindheit sich zurückerstreckt, mich wider meinen Willen in den Abgrund der Verdorbenheit hin, abgezogen hat. Die Beispiele welche ich vor Augen hatte, haben dazu gedient mich zum Verbrecher zu bilden, und selbst die Dankbarkeit gegen meinen Gebieter hat mich verleiten müssen, böse Thaten zu verrichten, weil ich ihm nur auf diese Weise meine Anhänglichkeit und meinen Diensteifer bezeigen konnte. Umstände und die Alles besiegende Gewohnheit haben meine natürlichen guten Anlagen in der Aussaat vertilgt, und mich mit Mord und Raub verbrüdert. --

Aber zu einiger schwachen Rechtfertigung und um den Abscheu, den ich Euch einflößen muß, um ein Geringes zu schwächen, kann ich, Sennora, auf mein Gewissen betheuren, daß ich auch nicht ein einziges Mal in meinem Leben mit kaltem Blute oder mit überdachtem Vorsatze einen Mord begangen habe. So oft mich mein Schwur und die Pflichten des Handwerks nöthigten, mit tödtlicher Waffe das Leben meines Nächsten anzugreifen, was ungeachtet des innern Widerstrebens und der stets gefolgten Reue mehr als einmal leider der Fall gewesen, so geschah es doch nur im Gefechte, wo ich mit Gewißheit darauf rechnen konnte, mir gegenüber Männer zu finden, die im Stande waren, sich zu vertheidigen und mir zu schaden; der Wehrlose darf meinen Arm nicht fürchten. Noch eine Eigenschaft, in deren Besitze ich meinen Ruhm suche, ist, daß ich bei keiner Gelegenheit mein Wort gebrochen, noch weniger aber das Zutrauen eines Menschen verrathen habe. --

Wenn ich nun aber für meinen Theil nicht selbst darauf ausgegangen bin, den Schwachen und Unschuldigen zu peinigen, wie viele Male muß ich mir nicht den Vorwurf machen, Zeuge von dergleichen Verbrechen gewesen zu sein, ohne einen meinen Kräften angemessenen Versuch gewagt zu haben, sie zu verhindern; wie oft habe ich mich nicht mit wildem Ungestüme, ohne Gefühl des Unrechts vom Reize der Plünderung und des Raubes hinreißen lassen, wie oft mir nicht Gewalt angethan, den heilsamen Glauben an das Dasein eines höchsten Wesens, der mir in der Kindheit eingeprägt war, aus meinem Herzen loszureißen. Der Eindruck dieser ersten weisen Lehren hat sich dennoch nicht verwischen lassen, oft wachen sie in meinem Gedächtnisse auf, und hundert Mal hätten sie meiner strafbaren Handlungsweise ein Ziel gesetzt, wäre nicht ihre Wirksamkeit unaufhörlich von der Furcht, für feig gehalten zu werden, oder meinen Schwur zu brechen, und die Dankbarkeit gegen Don Manuel zu vernachlässigen, gelähmt worden.

Ach, wie oft hat nicht jener liebenswürdige Jüngling, von dem ich Euch erzählte, und den ich mein ganzes Leben hindurch beweinen werde, durch seine Beredsamkeit und seine verständigen Rathschläge meinen Entschluß erschüttert; wie oft trieb er mich nicht in steigender Angst bis an den Rand der Verzweiflung, wenn er mir zu beweisen suchte, daß ich heiligere Pflichten zu erfüllen habe, als diejenigen, welche mich an Don Manuel fesselten, daß ich auf diesem Wege des Lasters, wenn auch den weltlichen Strafen entgehen, doch der göttlichen nicht entrinnen könne, und ewige Verdammniß mein Lohn sein werde! -- Ach, hätten die Barbaren seines Lebens geschont, er würde mich zur Tugend zurückgeführt, er würde vielleicht das Joch zertrümmert haben, das ich allein nicht abzuschütteln wage. Aber leider hat es das Schicksal nicht gewollt, es entriß mir den geliebten Theodor, der Engel ist jetzt im Himmel, und ich -- habe mich aus Verzweiflung über seinen Verlust, und um meinen Schmerz zu betäuben, noch tiefer in den Schlund des Verderbens, aus dem er mich herausziehen wollte, versenkt.

Eure Ankunft im Schlosse, Sennora, hat in mir eine seltsame Veränderung erregt, Eure Sanftmuth im ersten Augenblicke mich lebhaft an meinen jungen Gebieter, den Beschützer meiner Kindheit, erinnert; diesem Rückblicke auf meine frühe Jugendzeit folgte bald ein Gefühl von Bewunderung, ich mögte es Ehrfurcht nennen, der himmlischen Sanftmuth und unbegreiflichen Engelsgeduld, die ich Euch stets Eurem Unglücke entgegen stellen sah. Von Mördern umringt, tausend schrecklichen Gefahren bloß gestellt, den grausamsten Prüfungen unterworfen, nur auf Eure Standhaftigkeit und die Macht Eurer Grundsätze gestützt, las man zwar die tiefe, schmerzliche Trauer, in der Euer Herz schwamm, auf Eurer Stirn, aber unverkennbar auch stand mit leßbaren Zügen und hohem Glanze neben jener rührenden Schwermuth ein herrlicher Verein von würdevoller Ausdauer, unerschütterlicher Ruhe und still duldender Ergebung. -- Ihr habt mich von dem mächtig wirkenden Einflusse der Lehre Gottes überzeugt, in Euch bewunderte ich ein lebendiges Beispiel jener heiligen Tugenden und christlichen Vollkommenheit, die man mir in den ersten Tagen meiner glücklichen Kindheit unaufhörlich rühmte, als ich noch in dem ehrwürdigen Schlosse von Palino --

Von Palino! -- unterbrach ihn Victoria mit der Heftigkeit des Erstaunens.

Ja, Sennora, antwortete Diego, indem er sie mit starrem verwunderten Auge anblickte. So hieß der Wohnsitz meines verehrten, geliebten Herrn.

Des Grafen Ariosto! rief Victoria in höchster Spannung mit bebenden Lippen aus. Des Grafen Ariosto! wiederholte Diego verwirrt.

Nun so vernehmt Diego, fuhr sie noch immer sehr bewegt fort, die Unglückliche, welche Ihr hier vor Euch seht, ist die Tochter des Grafen Altidoro Ariosto, und jener Graf, den Ihr verehrt, war mein Vater.

Aber Diego war unfähig zu antworten, Todtenblässe bedeckte sein Gesicht, seine Augen starrten unbeweglich auf einen Fleck, kalter Schweiß brach aus seiner Stirn, und sein ganzer Körper bebte von einem convulsivischen Zittern. Die erschrockene Victoria fand kein Mittel ihm zu helfen, auch die erstaunte Therese wußte keinen Rath, glücklicherweise klopfte in diesem gefährlichen Augenblicke Don Sebastian an der Thür, und Victoria eilte schnell ihm zu öffnen.

Großer Gott, rief er beim Anblicke Diego's, was ist ihm widerfahren?

Ach, sprach Therese, die sich von ihrem Erstaunen erholt hatte, der arme Diego hat so eben vernommen, daß der Sennora Vater der Herr des Orts gewesen, wo er geboren ist, und dem er viel zu danken haben will.

Sebastian beruhigte diese Erklärung, er wußte nun, daß ihm nichts Unglückliches begegnet war, fragte deshalb nicht weiter, sondern untersuchte Diego's Zustand, ließ ihn etwas von dem mitgebrachten Weine verschlucken, rieb ihm die Schläfe und Handflächen mit geistigem Wasser, und bewirkte durch seinen thätigen Beistand, daß Jener sich bald erholte. Seine Augen fingen wieder an sich zu bewegen, die zitternde Bewegung seines Körpers hörte auf, seine männliche Kraft fand sich wieder ein, er sah Victorien wärend einer langen Zeit aufmerksam an, erinnerte sich ihrer Worte, und rief dann mit halb erstickter Stimme aus:

Ja, ja, Ihr seid die Tochter meines guten jungen Gebieters; wie oft glaubte ich, seine Züge in Eurem Gesichte wieder zu finden, ach grade so sah er mich in dem schrecklichen Augenblicke, der uns auf immer trennte, an.

Nach diesen Worten ließ er den Kopf sinken, verhüllte ihn in seinen Mantel und schluchzte laut, nach einer Weile aber stand er wieder auf, blickte Victorien mit Augen, in denen Thränen schwammen, an und rief von Schmerz ergriffen, aus:

Was für ein Wohnort für die Tochter des Grafen Ariosto, und ich, ich elender, verächtlicher Undankbarer habe selbst daran gearbeitet, sie in diese Räuberhöhle zu schleppen. -- Sennora, fragte er nach langem Stillschweigen, wenn ich nicht irre, so sagtet Ihr vorhin, daß mein geliebter junger Graf Euer Vater war, dieses war durchstößt mein Herz, lebt er nicht mehr?

Der Himmel, antwortete Victoria, nahm mir meine Eltern, als ich noch ein zartes Kind und unfähig war, die Größe dieses Verlustes zu empfinden.

Und nach dieser Antwort weihete sie dem Andenken der Seeligen einige stille Thränen. Die Nachricht von dem Tode des Grafen Ariosto vermehrte Diego's innern Kampf und den Schmerz seiner Seele, er versank in dumpfes Hinbrüten, doch Sebastian, der schlimme Folgen von einem verlängerten Reize der Geistesstimmung für den Armen fürchtete, ließ ihn noch einen Becher Wein trinken, und verlangte dann, daß er sich zur Ruhe legen solle.

Ich werde gehen, sprach Diego sich ermannend, aber mich nicht schlafen legen, vorher habe ich noch eine Pflicht zu erfüllen.

Hierauf wandte er sich mit den Zeichen der aufrichtigsten Theilnahme und tiefsten Ehrerbietung gegen Victoria und sagte:

Sennora, Ihr könnt den übrigen Theil der Nacht ohne alle Furcht zubringen, ich habe alle zu Eurer Sicherheit dienlichen Vorkehrungen getroffen. Die Fallthür ist sorgfältig verschlossen, Eure Thür kann nur von Innen und nach Eurem Willen geöffnet werden; spürtet Ihr aber dennoch im Laufe der Nacht einige Unruhe, und begehrtet meine Gegenwart so wie meine geringen Dienste, so ist dort im Winkel Eures Bettes ein Schellenzug, den ich in meine Schlafkammer geleitet habe; es bedarf daher nur einer leisen Berührung, und ich werde sogleich erscheinen, um Eure Befehle zu vernehmen. Ueberdem will ich in diesem Theile des Schlosses einen Wächter aufstellen, der in den nächtlichen Stunden jeden Unberufenen entfernen soll, auch wird in Zukunft eine Wache unaufhörlich Eure Thür beobachten, und Ihr erlaubt es wol, daß ich diese Wache sei, so lange mir der Himmel Kraft giebt, diesem Amte vorzustehen.

Diego, erwiederte Victoria, bei der Anhänglichkeit, die Ihr für meinen Vater hegtet, bei dem Andenken an seine Tugenden, deren Erinnerung noch immer in Eurer Seele lebt, bitte ich Euch zur Ruhe zu gehen. Ihr habt alle zu meiner Sicherheit erforderlichen Maasregeln angewendet! ich bin für diese Nacht ohne alle Besorgnisse. Ihr habt für mich gewacht, als Ihr noch die sonderbare Wendung des Schicksals, das Euch an meine Familie knüpft, nicht kanntet, ich betrachte diese Entdeckung als einen untrüglichen Beweis von dem Beistande, den mir die Vorsehung bewilligt, widersetzt Euch also meiner Bitte nicht, thut was ich wünsche, guter Diego, geht zu Bette.

Für Diego war Victoriens Bitte ein Befehl, er versprach zu gehorchen, und entfernte sich in Begleitung Don Sebastians, verweilte aber noch an der Thür, bis er sich überzeugt hatte, daß solche von Innen fest verschlossen sei.

Als Victoria mit Theresen allein war, erinnerte sie sich mit Schrecken der geheimen Thür in der Tapete, blickte angstvoll auf den geharnischten Verräther, und glaubte mit jetzt dem Augenblicke, daß er sich bewegen, und den Raubgenossen Alonzo's zur Entführung seines Opfers den Weg zeigen würde. Was half nun alle Vorsicht Diego's, sie hatte diesen heimlichen Eingang in ihr Gemach, der ohne Mühe zu öffnen stand, nicht versperren können, denn Victoria fürchtete sich, ihn selbst Diego zu entdecken, aus Besorgniß den Zufluchtsort der beiden ihr theuren Flüchtlinge zu verrathen; doch besann sie sich bald, daß die gefürchtete Thür in der Tapete sogar Don Manuel und seinen Vertrauten unbekannt, mithin von dieser Seite für sie keine feindliche Ueberraschung zu besorgen sei; dieser Gedanke beruhigte Victorien um so mehr, da sie es für den strafbarsten Kleinmuth hielt, in den Schutz des Himmels, dessen Nähe sich ihr noch vor wenig Augenblicken so unverkennbar offenbarte, den leisesten Zweifel zu setzen.

Die alte eines regelmäßigen Schlafes gewöhnte Therese nahm, nachdem sie gebetet, Besitz von dem Bette der abwesenden Hero, und als nach einer Weile Victoria sie fragte: Ob auch Jener kein Unfall zugestoßen sei? schlief sie schon zu fest, um auf diese Erkundigung antworten zu können.

Vom Schlafe unangefochten, dem reichen Stoffe ihrer Betrachtungen überlassen, ließ Victoria die Begebenheiten des so seltsamen Tages in stiller Nacht zu einer ruhigen Prüfung vor ihrem Geiste vorübergehn. Alonzo's hinterlistige Nachstellungen machten sie zittern, obgleich sie deren Zweck nicht klar entwickeln konnte; die Art aber, wie sie der Gefahr entgangen, und die Entdeckung eines alten, so treuen Dieners ihres Vaters in Diego's Person, öffnete ihr Herz für die Hoffnung. Sie gedachte mit Bekümmerniß der Gefangenschaft jener beiden Opfer, die mit so vieler Kühnheit zu ihrer Vertheidigung herbeigeeilt waren, und wenn sie gleich für ihr Leben nichts fürchtete, so war doch der Verlust ihrer Freiheit schon hinreichend, das Schicksal der Unglücklichen, als Ursache ihrer Einkerkerung zu beweinen.

Victoriens Besorgniß fesselte besonders der schwarze Hippolit, sie fühlte, daß sie sein Benehmen wärend des nächtlichen Ueberfalles, den Muth, mit dem er zu ihrem Schutze herbei gestürzt war, seine Unerschrockenheit in der Gefahr, seine schüchterne, ehrfurchtsvolle Aufmerksamkeit für sie, seine Menschlichkeit gegen Theresen, seinen Edelmuth gegen die Besiegten; die Ruhe und Standhaftigkeit, mit welcher er sich ohne Widerstand den Händen Gonsalvo's überlieferte, als er Victorien in Sicherheit wußte, seine Aufopferung für ihr Wohl, nie vergessen würde. Allen diesen Handlungen und Characterzügen, welche ein edles Herz und die richtigsten Begriffe von Seelengröße und der Tugend verbürgten, zollte Victoria gerechte Bewunderung. Sie verglich Hippolit mit den am Morgen in der Kirche getroffenen Unbekannten. Dieser war von der Natur mit allen äußerlichen Reizen und Vollkommenheiten, welche die Einbildungskraft fesseln, begabt, Jener mit allen vortrefflichen Eigenschaften der Seele, die zur Vernunft reden und Hochachtung erzwingen, ausgestattet. Sie mußte sich es gestehn, ihr Gefühl sagte ihr, hätte sie den Unbekannten wie den Neger handeln, oder Hippolit in der Gestalt des Unbekannten gesehn, ihr Herz wäre auf immer verlohren gewesen. Sie wünschte und fürchtete zu gleicher Zeit den gefährlichen Unbekannten wieder zu sehen, ängstliche Besorgniß für die Ruhe ihrer Seele rieth ihr zuweilen seinen Anblick zu meiden, aber die Freundschaft Hippolits schien ihr ein unschuldiges, wünschenswerthes Gut, von dem sie sich eine Quelle glücklicher Einwirkungen auf ihr Schicksal versprach, die sie durch ihre Dankbarkeit verdienen wollte.

Nachdem solchergestalt ihre Gedanken lange Zeit umher geirrt waren, fand sich der Schlaf ein, zwar fuhr sie bald erschreckt empor, denn ihre rege Fantasie ließ durch die heimliche Tapetenthür Alonzo an der Spitze eines Haufens bewaffneter Räuber in ihr Schlafzimmer eindringen, als sie aber mit scheuem Blicke die Stelle an der Wand, wo der Gerüstete unbeweglich seinen Platz behauptete, so wie jeden Gegenstand um sich her, betrachtet, und sich nach einer Weile ihre Angst verlohren hatte, überzeugte sie sich, daß der schreckliche Auftritt nur das Werk eines Traumes gewesen sei, beruhigte sich, und entschlief bald so fest und ruhig, daß sie erst lange nach Auf gang der Sonne wieder erwachte.

 


Ein und zwanzigstes Kapitel.

Victoria war schon angekleidet, als Diego sich an der Thür hören ließ, und sie benachrichtigte, daß das Frühstück bereit stehe. Dieser war seit Gestern ein anderer Mensch in Victoriens Augen. Sie fand in ihm den ersten Jugendgefährten, einen alten Freund ihres geliebten, zu früh gestorbenen Vaters, den auch er noch mit rührender Erinnerung verehrte. Diese Ansicht vermehrte ihre Dankbarkeit gegen Diego; als er daher ins Zimmer trat, reichte sie ihm ihre Hand und wünschte ihm zu seiner Wiederherstellung Glück, aber bei dem Berühren dieser Hand, fand sie solche brennend heiß, mit Fiebergluth überzogen, und bei Betrachtung seines bleichen Gesichts und öfteren Wechsels der Farbe, erkannte sie alle Vorboten einer Krankheit.

Guter Diego, sprach sie besorgt, Ihr seid krank, warum habt Ihr das Zimmer verlassen?

Ich bin nicht wie gewöhnlich, Sennora, antwortete dieser, es wird indeß bald vorüber sein; das Verlangen aus Eurem Munde zu hören, daß meine Vorsichtsmaasregeln gewirkt haben, und Ihr nicht gestört seid, quält mich mehr als meine Unpäßlichkeit.

Mein lieber Diego, ich danke Euch für Eure seltene Theilnahme, aber um mir zu dienen, dürft Ihr Eure Gesundheit nicht preis geben; wollt Ihr durch Eure Unbesonnenheit mich eines so wesentlichen Beistandes berauben? Ihr seid krank, sehr krank, vernachlässigt Ihr Euch zu schonen, so leistet Ihr mir einen schlechten Dienst. Hat Euch der Sennor Don Sebastian schon in diesem Zustande gesehn? Geht, ich wünsche, daß Ihr Euch wieder auf Euer Lager begeben mögt und den Sennor Pedro rufen laßt.

Ich werde Euch begleiten, Sennora, antwortete Diego, und zu Don Sebastian führen; denkt dieser, daß ich mich ohne Gefahr von Euch entfernen könne, so will ich in mein Zimmer zurückkehren, denn ich muß es nur gestehen, ich fühle zum ersten Male in meinem Leben, daß die Krankheit stärker ist, als ich.

Da er bemerkte, daß sein Zustand Victorien bedenklich schien, so zwang er sich, das ihn wider seinen Willen überwältigende Uebel zu bekämpfen, verschloß Victoriens Zimmer Thür, um jedem Versuche sie zu öffnen, vorzubeugen, und folgte nun Victorien; aber die Heftigkeit des Fiebers hatte seinen Kopf so sehr betäubt, daß ihm schwindelte und seine Knie zitterten, er also gezwungen war, sich an der Gallerie zu halten, um nicht zu fallen. Victorien entging seine Schwäche nicht, sie verweilte und bot ihm ihre Stütze an.

Mein schwacher Arm, sprach sie mit ihrer gewöhnlichen Gutmüthigkeit, wird Euch zwar nur wenig nützen, inzwischen hoffe ich mit Theresens Beistand, Euch vor einem unglücklichen Falle zu sichern.

Das ist zu viel! rief Diego mit Thränen aus, so viel Güte bringt mich zur Verzweiflung, nur mein hochverehrter Graf, und Ihr, die würdige Erbin seiner Tugenden, könnt die Menschlichkeit und das Mitleid in einem so hohen Grade üben. Darf sich die Tochter des edlen Grafen Ariosto so tief herablassen, in eigner Person den Diener ihres Vaters zu führen, und was für einen Diener, einen Elenden, der ihr Verderben geschworen?

Diego, sprach Victoria mit sanfter aber ungeduldiger Stimme, gebt mir Euren Arm; und als Jener in Verwirrung gehorchte, fuhr sie fort: die Tochter des Grafen Ariosto erniedrigt sich nicht, sobald sie die heiligste der Pflichten, dem Leidenden beizustehn, übt. Der Mann, den mein Vater als Kind liebte, hat immer Anspruch auf meine Achtung und Zuneigung, auch kommt es mir nicht zu, denjenigen zu verdammen, dessen aufrichtige Reue Gnade findet vor dem höchsten Richter unserer Handlungen, überdem hab ich Euch viel zu danken, die Erkenntlichkeit sieht ihren Stolz darin sich zu zeigen; wer ihr mit regem Eifer und reiner Herzergießung huldigen will, darf keine Auswahl und keinen Unterschied des Standes geltend machen.

Diego war genöthigt sich führen zu lassen, in Victoriens und Theresens Mitte, und auf Beide gestützt, wankte er bis in den Saal, wo Don Sebastian bereits gegenwärtig war; Victoria ließ den Kranken sich niedersetzen, und sprach zu Jenem:

Sennor Sebastian wird Euch entschuldigen, Ihr seid ja krank, und er kennt die Pflichten der Menschlichkeit.

Krank? rief Don Sebastian verwundert aus, eilte auf Diego zu, ergriff seine Hand und untersuchte seinen Puls.

Ja, Sennor, sprach der Kranke, ich habe eine unglückliche Nacht durchwacht; das mit Gewissensbissen angefüllte Lager ist voll Dornen, man kann auf ihm keine Ruhe finden. Meine Seele ist zu krank, als daß mein Körper nicht leiden sollte; Schmerz, Reue, Verzweiflung nagen an mir und wollen mich aufreiben. -- Die Tochter meines geliebten Herrn, meines tugendhaften Wohlthäters schmachtet in Don Manuels Ketten! und Ihr, Herr, der Ihr alle die Geheimnisse dieses schrecklichen Schlosses nur zu gut kennt, werdet Euch nicht wundern, wenn mich das Schicksal dieser theuren Dame in die tödlichste Angst versetzt, weil ich leider so wenig im Stande bin, ihr so zu dienen, wie ich wünschte.

Laßt das, Diego, unterbrach ihn Victoria, wir werden von mir und meinem Schicksale sprechen, sobald es besser mit Euch geht, für jetzt bedürft Ihr der Ruhe und Pflege.

Sebastian befahl Theresen sogleich Pedro herbei zu rufen. Diego befindet sich nicht wohl, sprach er, indeß fürchte ich nicht, daß seine Krankheit gefährlich sein könne, sondern zweckdienliche Mittel hinreichen werden, ihn bald wieder herzustellen; aber um nichts zu verabsäumen ist es nothwendig, daß er sogleich zu Bette gehe, wo dann Pedro das Weitere über ihn bestimmen mag.

Nein, Sennor, rief Diego mit Anstrengung aus, nichts wird mich vermögen meine Kammer zu hüthen, so lange ich noch der Sennora Sicherheit gefährdet weiß.

Beruhigt Euch, mein Freund, entgegnete Don Sebastian, für jetzt hat die Sennora nichts zu fürchten, denn bis zur Rückkehr Don Manuels wird Franzisko sie beschützen.

Bei Anhörung dieser Worte leuchtete Freude aus den matten Augen des armen Diego's, Thränen liefen an seinem Gesichte herab, und dankend hob er seine zitternden Hände zum Himmel; auch Victoria bezeigte ihre Verwunderung über das ihr, von diesem mächtigen und geheimnißvollen Wesen plötzlich geschenkte Wohlwollen, worauf ihr Sebastian dieses Räthsel lößte:

Der überall gegenwärtige Franzisko ist, sprach er, was seine Macht im Schlosse betrifft, sehr eifersüchtig und empfindlich, als er daher erfuhr, daß Alonzo es gewagt habe, einen Jüngling den er seines besondern Schutzes würdigt, und den er selbst dem Don Manuel anvertraut hat, einkerkern zu lassen, weil er Euch, Sennora, seinen arglistigen Nachstellungen entzogen hatte, so erbot er sich sogleich, durch seine eigne kräftige Einwirkung allen strafbaren Unternehmungen Alonzo's ein Ziel zu setzen und Euch zu beschützen; mithin dürft Ihr Euch bis zur Rückkehr Don Manuels hier im Schlosse eben so sicher ansehn, als im Schooße Eurer Familie.

Also hat nun Franzisko den guten, edelmüthigen Hippolit in Freiheit setzen lassen? fragte Victoria mit gutmüthiger Hast.

Nein, meine theure Sennora; dieser Wunsch Eures dankbaren Herzens ist noch nicht erfüllt. Obgleich Franzisko über diese freche Gewaltthat sehr entrüstet wurde, so bindet er sich doch zu streng an die Formalitäten, um sich in die zwischen Don Manuel und seinen Untergebenen eingeführte Mannszucht zu mischen. Er hat ohne Zweifel die Macht, Hippolits Fesseln sogleich zu lösen, es würde nur eines Wortes aus seinem Munde, nur eines Winkes seiner Hand bedürfen, aber er hält es für angemessener, die Ehre seiner Befreiung Don Manuel allein zu überlassen. Nichtsdestoweniger hat er dieser Nachgiebigkeit unbeschadet, seine Befehle gegeben, daß Hippolit und sein kühner Mitgefangener, so milde behandelt werden, als ihr Aufenthalt im Kerker es erlaubt. In Ansehung Alonzo's hat er inzwischen weniger Rückhalt gezeigt, hier waren zur Verhütung von Misbräuchen der einstweiligen Gewalt, die Jenem übertragen ist, schnelle und kräftige Maasregeln nöthig; dem zufolge ließ ihn Franzisko ohne Aufschub ergreifen, und in den westlichen Thurm einsperren, wo man ihn scharf bewacht. Dem schändlichen Carlos, Eurer leichtsinnigen Zofe und allen Uebrigen, welche zu dem gescheiterten Komplotte die Hand geboten, ist ein ähnliches, nur härteres Schicksal zu Theil geworden; der Ueberrest der Bande hat gemessene Aufträge erhalten, Euch gegen Jeden, der es wagen könnte, Eurer Ruhe gefährlich zu werden, mit Blut und Leben zu vertheidigen.

In diesem Augenblicke trat Pedro, der Arzt, herein, prüfte Diego's Zustand, und erkannte bei ihm alle Vorboten eines Nervenfiebers, das vorzüglich eine vollkommene Ruhe des Gemüths und Körpers heischte. Er verordnete ihm, sich sogleich niederzulegen, und mit dem Beistande Sebastians, der Victorien jetzt ohne Besorgniß allein lassen konnte, führte er den Kranken in sein Gemach, wo Pedro bald, mit Anwendung zweckmäßiger Arzneimittel den Fortschritten des, nur aus zu großer Gemüthsbewegung entstandenen Uebels, entgegenwirkte, und mit der Hoffnung von ihm schied, es bald gänzlich zu heben.

Seit ihrem Eintritte ins Felsenschloß hatte Victoria sich noch nie so frei von Angst und Unruhe, als in diesen Augenblicken gefühlt; ihr Herz war erleichtert, sie athmete freier, sie bebte nicht bei jedem Geräusche; fast vergaß sie ihre frühern Leiden sammt der Zukunft und zum ersten Mal genoß sie in Gesellschaft des zurückgekehrten Don Sebastian das Frühstück mit einer Heiterkeit, die sich dem Greise mittheilte und ihn bewog, in seine belehrende Unterhaltung Scherze zu verweben, die Victorien überzeugten, daß auch selbst bei den Unglücklichen Augenblicke gezählt werden können, wo die schlafende, fast erstorbene frohe Laune zu erwachen scheint.

Einige Stunden verstrichen ihnen in angenehmer Unterhaltung, endlich erhob sich Don Sebastian und sprach zu seiner jungen Freundin:

Ich bin genöthigt, Euch auf einige Zeit zu verlassen. Habt Ihr mir etwa Aufträge an Hippolit mitzugeben, ich werde zu ihm gehen.

Ach ja, Sennor, sagt ihm von mir alles, was nur ein fühlendes dankbares Herz denkt. Ohne diesen edlen, großmüthigen Hippolit, welches Schicksal würde mich betroffen haben? Seiner Theilnahme und seinem Muthe verdanke ich meine gegenwärtige Ruhe, und für Alles, was er an mir gethan, lohnt man ihm mit dem Raube seiner Freiheit!

Thränen unterbrachen sie, dann fuhr sie fort:

Wahrlich, Sennor, ich muß Euch beneiden, Ihr dürft einen unglücklichen Freund in seinem Gefängnisse besuchen, mir aber, die ich doch die alleinige Ursache seines Unglücks bin, verbietet dagegen die strenge Beobachtung der Wohlanständigkeit, ihm den Trost zu bringen, den er von mir zu fordern berechtigt ist.

Also ohne diese strenge Wohlanständigkeit, fragte Sebastian, würdet Ihr in Hippolits Gefängniß gehen?

Ganz gewiß, ich halte es für meine Pflicht, sobald ich nur glauben könnte, durch meine Gegenwart auf einige Augenblicke die Langeweile der Einsamkeit im Kerker zu vermindern.

Wie, und regt sich nicht in Eures Herzens Tiefe ein gewisser Stolz, der sich gegen diesen Schritt sträubt; -- Die Tochter des Grafen Ariosto könnte einen Diener, einen Sclaven Don Manuels in seinem Gefängnisse besuchen? --

Die leidenden Freunde haben nur einen Rang, der ihnen auf die Theilnahme aller Menschen Anspruch giebt, sie sind unglücklich! Hippolit besitzt so manche achtungswerthe Eigenschaft, in welchem Stande er sich auch befinden mag. Die Verwahrlosung des Glücks kann das natürlich Große nicht erniedrigen. Die Natur und Erziehung schenkten Hippolit eine feine Bildung und ein edles Herz, in seinem Vaterlande war er vielleicht eines Fürsten Sohn, seine Tugenden erheben ihn über diesen.

Es ist wahr, sprach Sebastian, obgleich er unter einer Menschenrace gebohren wurde, die ein blindes Vorurtheil von uns entfernt, so ist er doch von hoher Geburt, und was noch mehr ist, ein vollkommnes Erzeugniß der schaffenden Natur. Er war zu etwas Großem bestimmt, doch einem andern Jünglinge, der wie er zum Ruhme und der Zierde der Welt gebohren wurde, gleich, durch Misgeschick und Unfälle in den Abgrund des Verderbens geschleudert. Beide glichen sich durch die Vereinigung seltner Vollkommenheiten, nur die Farbe allein unterschied sie. -- -- Doch, ich darf eines Gegenstandes nicht ferner erwähnen, der mir das Herz zerreißt, obgleich ich mich wider Willen an sein Andenken gefesselt fühle. -- -- Ich will in Hippolits Gefängniß gehen.

Ach, so bringt ihm, Sennor, der Freundschaft erquickenden Trost, und verbindet mit ihm von mir Alles, was nur die lebhafteste und innigst gefühlte Dankbarkeit dem Herzen eingeben kann.

Warum wollt Ihr mich nicht begleiten? fragte Sebastian mit erheiterter Stirn, die Wohlanständigkeit wird ja durch meine Begleitung beobachtet? Kommt, meine gute Tochter, zeigt Euch Hippolit in seinem Gefängnisse, die Erscheinung eines wohlthätigen, trostbringenden Engels, wird es ihm in ein Paradies verwandeln.

Victoria willigte nach einigem Bedenken ein, sie hing sich an Sebastians Arm, der sie über den großen Saal, durch einen langen, engen, düstern Gang bis ans Ende desselben, vor eine gewaltige eiserne Gitterthür führte. Er zog hier an einer neben dem Gitter hängenden Kette, eine dumpfe Glocke läutete, und bald erschien der grämliche Gonsalvo.

Wir wollen zu Hippolit, redete ihn Don Sebastian an, und überreichte ihm eine Karte mit dem Siegel Franzisko's. Sogleich öffnete der Kerkermeister das Gitter, holte aus seiner Wohnung eine Lampe, und ging vor beiden her, ihren Weg zu erleuchten. Er ließ sie durch eine nahe gelegene, ebenfalls eiserne Thür gehen, eine lange steinerne Treppe hinabsteigen, und geleitete sie durch einen langen Korridor, der auf beiden Seiten Nebengänge zeigte, in welchen man auf gleichen Entfernungen niedere, mit dicken Schlössern und eisernen Barren verschlossene Thüren bemerkte. Als Victoria alle diese Gefängnisse sah, konnte sie sich des peinlichen Gedankens nicht entwehren, daß jedes eine Anzahl von der Unterdrückung und den Leiden geweiheten Opfern verschließe, und die Angst, welche diese Vermuthung ihr auspreßte, ward durch ein dumpfes Gewimmer und schreckliches Kettengerassel, die aus diesen Kerkern bei ihrem Vorübergehn hervordrangen, noch so sehr vergrößert, daß ihre zitternden Knie sie kaum zu tragen vermogten.

Endlich erreichte man Hippolits Gefängniß, vor dem nur ein einfaches Schloß hing. Gonsalvo öffnete die Thür, trat zuerst hinein, und kündigte den Gefangenen den unerwarteten Besuch an.

Göttliche Vorsehung! rief Hippolit erstaunt und entzückt aus. Welch ein Uebermaas von Herablassung und Edelmuth!

Ich habe mit Freuden das Anerbieten des Sennor Sebastian mich hieher zu führen angenommen, sprach Victoria eintretend, in seiner Begleitung kann dieser Schritt gegen die Wohlanständigkeit nichts verstoßen; es ist billig, daß ich meine Befreier in dem Kerker, wohin sie ihre Anhänglichkeit an mein Schicksal verstoßen hat, besuche.

Erschöpft sank sie auf den ihr von Hippolit genäherten Schemmel, Gonsalvo verließ das Gefängniß, blieb jedoch als Wache im Corridor, und Thomas, der sich mit Hippolit eingeschlossen befand, und dessen Wunde sich täglich besserte, zog sich in einen Winkel im Hintergrunde des Kerkers zurück, wärend Sebastian und Hippolit sich bemüheten, die große Reizbarkeit Victoriens, welche ihre Thränen nicht zurückhalten konnte, zu beruhigen.

Ach Sennora, rief der Jüngling aus, Euer edles Mitleid erstreckt sich zu weit, es drückt mich nieder. -- Glaubt mir, unsere Gefangenschaft kann nicht lange dauern, auch würde sie wenig Drückendes für uns haben, wenn sie uns nicht das Glück raubte, Euch sehen und Euch dienen zu können.

Victoria wollte antworten, sie blickte den Neger mit nassen Augen, aus denen Theilnahme an seiner Gefangenschaft und Dankbarkeit hervorleuchteten, an, als sie aber plötzlich den Seinen begegnete, und in ihnen einen Ausdruck lebhafter unverkennbarer Zärtlichkeit bemerkte, so senkte sie ihre Blicke in Verwirrung zur Erde, und brennende Röthe überzog ihr Gesicht. Sebastian bemerkte ihre Verlegenheit so wie die Veränderung ihrer Gesichtsfarbe, schrieb sie der dumpfen Kerkerluft und der Unbekanntschaft mit dergleichen düstern Orten zu, und theilte, um ihre Gedanken auf andere Gegenstände hinzuleiten, Hippolit die von Franzisko genommenen Maasregeln zu ihrer Sicherheit mit, erfreuete zugleich denselben durch die Versicherung, daß Victoria von den Nachstellungen Alonzo's ferner nichts zu fürchten habe; gleicherweise erzählte er ihre Unterredung mit Diego, die zufällig daraus hervorgegangene Entdeckung eines alten Dieners ihrer Familie in demselben, und seine darauf erfolgte plötzliche Erkrankung.

Hippolit und der biedere Thomas bezeigten ihre Verwunderung über diese seltsame Fügung des Himmels, der Erstere aber wollte in ihr nicht des Zufalls Spiel, sondern die vorsorgende Gunst des höchsten Wesens, das zum Nutzen der Unschuld und Tugend dieses Zusammentreffen vorsätzlich eingeleitet hatte, erkennen; er gründete mit Zuversicht auf diese Entdeckung, und die Treue Diego's, dessen Anhänglichkeit von dem Vater auf die Tochter forterben werde, die Hoffnung auf einen ruhigern Aufenthalt in dem strengbewachten Schlosse, und nur die Krankheit seines Freundes Diego konnte seine Freude mäßigen.

Die Unterhaltung, zu der auch. Thomas, von Victoriens liebreichem Betragen ermuntert, nach seiner gewöhnlichen halb rohen, halb gutmüthigen Weise das Seinige beitrug, schien noch fern von ihrem Ende, Niemand dachte daran sie zu unterbrechen, als endlich Don Sebastian bemerkte, daß man sich trennen müsse. Hippolit erbleichte, er näherte sich Victorien, legte die Hand auf sein Herz und betheuerte, daß er dieses Uebermaas von unendlicher Güte und Herablassung nie vergessen werde, sein Gefängniß, das ihr Fuß betreten habe, ihn reizender dünke als eines Fürsten Pallast, und so lieb ihm auch immer seine Freiheit sei, er doch nur mit Betrübniß einen Ort verlassen könne, der Zeuge von der ihm zu Theil gewordenen hohen Gunst gewesen sei.

Er sprach mit einem Feuer, dessen Ursprung Victoria, obgleich es ihre gute Meinung von seinem Herzen nicht herabsetzte, doch nicht zu zergliedern wagte; sie empfand eine leise Anwandlung von Reue, Don Sebastian begleitet zu haben, sie fühlte, daß die Dankbarkeit ihre Vernunft bestochen, und sie weiter als die strengste Ausübung der Ersteren es heischte, geführt hatte; Hippolit war gut, edel und bescheiden, in einem Raubschlosse dessen Bewohner fast alle mehr oder weniger feindselig und arglistig gegen sie gesinnt waren, ward ihr jede theilnehmende Seele, so auch Hippolit theuer und unentbehrlich, gern vergaß sie den Zwischenraum der Stände; wenn aber ihr Mitleid, ihre Menschenliebe falsch gedeutet, die Aeußerungen ihrer Dankbarkeit misverstanden werden, und in eines Sclaven Blicken ein Schimmer von Zärtlichkeit sich entfalten konnte, so erwachte von gerechtem Unwillen gereiht der Stolz des uralten Geschlechts der Ariosto's in ihrem Busen, und über ihr ferneres Betragen belehrt, doch mit dem Vorsatze, nicht ungeprüft zu urtheilen, verließ Victoria das Gefängniß, dem Traurigen eine baldige Befreiung wünschend.

Gonsalvo führte Victorien und Sebastian bis außerhalb der eisernen Gitterthür, wo sich der unterirrdische Theil des Schlosses, welcher unter seiner finstern Herrschaft stand, endigte. Beide begaben sich sodann in die Bibliothek, und Sebastian verweilte hier bei seiner jungen Begleiterin, bis er glaubte, daß sich diese hinlänglich von dem unangenehmen Eindrucke ihres Besuches in den Gemächern des Jammers und der Verzweiflung, wieder erholt haben könnte.

Kaum war Victoria allein, über das Schicksal Hippolits beruhigt, und nur von den bildlichen Darstellungen ihres beschäftigten Geistes umfangen, so fühlte sie sich auch schon von einer neuen Unruhe anderer Art gepeinigt.

Die zur Zusammenkunft mit dem Unbekannten in der Kirche bestimmte Stunde war im Begriffe zu schlagen -- Darf sie der Einladung folgen, oder kann sie ihr gegebenes Wort brechen? Auf diese Ungewißheit gründet sich ihre Verwirrung. -- Sie hat Niemanden, dem sie in dieser Angelegenheit vertrauen, der sie leiten könnte; ihre Vernunft, ihre Neigung, dies sind ihre einzigen Rathgeber. -- Welchen Rath kann aber eine achtzehnjährige Vernunft, kann die leichtgefesselte Neigung einer wenn auch nicht unbesonnenen, doch unerfahrenen Jugend wol ertheilen? -- Ihre reine, menschenfreundliche Seele ist von Natur zur Vertraulichkeit und Leichtgläubigkeit geneigt, und noch hatten die Prüfungen des Lebens sie nicht hinreichend belehrt und mit den heilsamen Wirkungen der Vorsicht bekannt gemacht, noch hatten widerlegte Meinungen, getäuschte Hoffnung, und betrogene Freundschaft ihr Herz dem Verdachte und Mistrauen nicht geöffnet. -- Von Sanftmuth und Aufrichtigkeit beseelt, wie kann sie in einem Menschen Hinterlist, Boßheit und Verrath ahnen, der ihr zu helfen sich unaufgefordert erbot. Nur aus der Erfahrung steigt die Ueberzeugung hervor, und was ihr liebenswürdig und gut scheint, kann nichts Trügerisches und Arglistiges verbergen. -- Mithin kann auch dieser unbekannte Jüngling, den ihre, mit dem Zauber der Bewunderung umstrickte Fantasie ihr als das vortrefflichste Muster aller menschlichen Vollkommenheiten darstellte, ihr keine Furcht einflößen; der Gedanke, daß er falsch und treulos sein könnte, regte sich auch nicht ein einziges Mal in ihrer Seele. -- Doch eine andere Bedenklichkeit schien ihre Schritte fesseln zu wollen. -- Konnte sie ohne der Bescheidenheit, den Vorschriften der Wohlanständigkeit, welche ihr Geschlecht, ihr Alter und ihre Grundsätze ihr auferlegten, zu schaden, den Jüngling aufsuchen. -- Dieser Unbekannte hatte nicht wie Hippolit sein Leben für ihre Vertheidigung gewagt; Wünsche, Versprechungen, Bezeugungen von Theilnahme und Schwüre, dies nur waren seine Ansprüche auf ihre Dankbarkeit, und überhaupt fand sich kein Sennor Sebastian zu ihrer Begleitung, der durch seine Gegenwart bei einer solchen Zusammenkunft die enfernteste Unanständigkeit vermeiden konnte.

Ein von der Natur gebildetes, und durch die sorgfältigste Erziehung noch erhöhtes Zartgefühl, das sich so herrlich mit der Gründlichkeit ihres Urtheils und der Unschuld ihres Herzens vertrug, glänzte als wesentlichster Zug in Victoriens Character. Dieses Gefühl begleitete alle ihre Worte, beseelte alle ihre Gedanken. Ohne Beistand, ohne Beschützer, sich selbst und dem Misgeschicke überlassen, zitterte sie bei dem Gedanken an diese Zusammenkunft mit einem Manne, einem Jünglinge, einem Unbekannten, und doch flüsterte aller Zaghaftigkeit ungeachtet, eine früher nie gefühlte Empfindung, die sich seit Kurzem erst in ihr Herz eingeschlichen hatte, ihr zu, daß sie nur in eitlen, scheinbaren Bedenklichkeiten Hindernisse erblicke, und flößte ihr den Muth ein, sie mit schneller Besonnenheit und Zuversicht zu übersteigen.

Ende des ersten Bandes.

 


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