Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreißigstes Kapitel

Als Mark Jervis, freudig aufgeregt, herbeieilte, um Honor zum letzten Tanze vor dem Abendessen abzuholen, bemerkte er sofort, daß irgend etwas nicht in Ordnung war. Vergeblich suchte er nach dem reizenden Lächeln, das ihrem Gesicht einen so eigentümlichen Zauber verlieh. Ihre Miene war ernst und streng, sie sah ihn an, als sei er ein Fremder. Gewiß, sie wußte alles!

Ein forschender Blick auf ihren vorherigen Tänzer bestätigte seine Befürchtungen. Er erinnerte sich, den jungen Mann schon gesehen zu haben, nur wußte er nicht gleich, wo; aber die darauffolgende freundliche Begrüßung löste auch dies Rätsel.

»Guten Tag, Jervis; bin mit Ihnen in der ›Viktoria‹ 'rüber gekommen.«

»Ah, ich erinnere mich! Sehr erfreut, Sie hier zu sehen. Haben wohl seitdem ein gut Stück des Erdballs abgelaufen, wie wir andern auch?«

»Na, nach dem, was man hört, scheinen Sie in der letzten Zeit nicht mehr weit herumgekommen zu sein.«

»Nein, kann ich nicht behaupten,« entgegnete Mark etwas kurz, und fuhr dann, zu Honor gewendet, fort: »Dies ist unser Walzer.«

Einen Augenblick blickte sie ihn in stolzem Schweigen an.

»Ja, aber ich habe nicht die Absicht, ihn zu tanzen. Ich danke Ihnen.«

»O, bitte, lassen Sie uns nur noch diesen Walzer tanzen, dann mag meinetwegen die Sündflut hereinbrechen!« sagte Mark, nachdem der Fremde sich entfernt hatte. »Ich sehe, Sie wissen alles; aber wir können das später miteinander ausmachen; den Walzer lassen Sie uns deshalb nicht versäumen.«

Honor tanzte leidenschaftlich gern, und der glattgewichste Boden, die fortreißende Musik, der vorzügliche Tänzer waren zu verführerisch. »Ja,« sagte sie zu sich selbst, »diesen Walzer noch, und dann die Sündflut!«

Während der kurzen Ruhepausen wurde zwischen den beiden kein Wort gewechselt. Honor hielt ihr Gesicht abgewendet, als nehme sie nur Interesse an den andern Menschen, und drehten sie sich im Reigen, so schien es Mark, als tanze sie nicht mit der früheren Lust, Hingebung und Leichtherzigkeit, als scheue sie die Berührung des Millionärs.

Endlich war der Tanz zu Ende; die Ballgesellschaft strömte in den Garten und auf die Veranda hinaus, und Mark und Honor folgten dem Strome. Sie kamen an Tante Sally vorüber, die ihr Gähnen, wie sie meinte, hinter einem schwarzen, durchsichtigen Fächer verbarg, sowie an Frau Langrishe, die mehreren teilnehmenden älteren Damen Bericht über Sir Glosters Befinden abstattete. Arm in Arm durchschritten sie die Veranda, gingen die Stufen hinab und gelangten endlich zu der Barriere von Naturholz, von welcher aus man auf den Garten und die Tennisplätze hinabblickte. Es war eine warme Mondscheinnacht, hell wie am Tage, und kein Lüftchen regte sich. Eine Menge junger Paare schlenderte, stand oder saß draußen herum, und selbst die Ehrendamen waren herausgekommen, um die Reize einer Juninacht im Himalayagebirge zu genießen.

Vor ihren Augen lag in der Ferne die weiße Krone Indiens, die lange Reihe der Schneeberge des Himalaya, dicht unter ihnen im Garten ein wahres Dickicht von betauten Rosen, Lilien und mächtigen Heliotropbüschen.

»Ich sehe, es ist nun alles heraus!« begann Jervis nach dem Grundsatze, daß man die Schlacht halb gewonnen hat, wenn man den ersten Schlag führt. »Sie wissen alles!«

»Ja, Herr Jervis,« entgegnete Honor, indem sie ihm langsam das Gesicht zuwandte, »und ich kann Ihnen sagen, daß ich Ihnen für die Täuschung nicht eben dankbar bin.«

»Sie sind mir im Gegenteil sehr böse.«

»Nicht gerade böse,« gab sie mit bebender Stimme zur Antwort, »warum sollte ich das sein? Ich bin nur klüger als vorher. Es machte Ihnen Spaß, die Leute aufs Eis zu führen, und nach dem Erfolge, den Sie davongetragen, scheinen Sie ein großes Talent für dergleichen zu haben.«

»Sie sind sehr hart; aber ich gebe zu, daß ich's verdiene.«

»Ich aber bin ein einfaches Mädchen und kann Ihnen die Ueberraschung nicht mit gleicher Münze heimzahlen, ein einfaches Mädchen, das ein bißchen Talent zum Violinspielen hat und aus seiner Meinung unter keiner Bedingung ein Hehl macht.«

»Sie sind entrüstet, daß ich kein ›armer Verwandter‹ bin,« versetzte Mark ausweichend.

»Ja! Sie erinnern sich wohl, daß sich vor etwa zwei Monaten gerade hier an dieser Stelle Oberst Sladen mit seinem gewöhnlichen Zartgefühl über den Millionär, Ihren Vetter, aussprach. Sie lachten damals, ich besinne mich noch recht gut, und jetzt lächeln Sie wieder. Es muß doch ein besonderer Genuß sein, die Leute so hinters Licht zu führen.«

»Wollen Sie mir erlauben, Sie an eine Thatsache zu erinnern, Fräulein Gordon? Wissen Sie noch, daß Sie an jenem Abende sagten, wenn ich ein reicher Mann wäre, würden Sie nie wieder ein Wort mit mir sprechen? Sie setzten damals gewissermaßen eine Prämie auf die Armut.«

»Und ich wiederhole, was ich damals gesagt habe! Ich werde jetzt, nachdem Sie als reicher Mann vor mir stehen –« hier hielt sie einen Moment den Atem an – »nicht mehr mit Ihnen sprechen!«

»Das kann nicht Ihr Ernst sein, Fräulein Gordon. Wenigstens werden Sie hören, was ich zu meiner Verteidigung zu sagen habe. Seien Sie gerecht!«

Honor gab keine Antwort, sondern begann – zum vollständigen Ruin ihrer Handschuhe – kleine Stücke der Rinde von der Barriere abzuschälen.

»Nehmen wir an, ich wäre, um den Spitznamen beizubehalten, der Millionär, so bin doch nicht ich der reiche Mann, sondern mein Onkel. Er hat als Fabrikant der bekannten Pollittschen Perlgräupchen ein großes Vermögen erworben, und ich bin sein Adoptivsohn. Er hat mich an Kindes Statt angenommen, als ich zehn Jahre alt war, und ist immer sehr, sehr gut gegen mich gewesen.«

Honor machte eine ungeduldige Bewegung, als wolle sie fragen, was denn seines Onkels Güte sie anginge; und er fuhr schneller fort: »Nun wünschte ich, etwas von der Welt zu sehen; denn das englische Leben mit seinen Bällen, Jagden, Regatten und Theatern ekelte mich an; ich erhielt aber meines Onkels Zustimmung zu einem zwölfmonatlichen Aufenthalt in Indien nicht ohne Schwierigkeiten. Man schickte mich mit einem Kammerdiener, einer Unmasse von Gepäck, dem Rufe eines Millionärs und mit Waring als Begleiter und Ratgeber auf die Reise. Mein Verwandter ist Waring nicht; er ist nur der Bruder von meines Onkels Frau, und sie setzte es durch, daß er mit mir reiste.«

»Ohne zu ahnen, wie teuer Ihnen das zu stehen kommen sollte!« schob Honor spöttisch ein.

»Nein, das ließ sich wirklich nicht voraussehen,« fuhr Mark mit gezwungenem Auflachen fort. »Als ich in Indien landete, hielt man mich wenigstens für einen Rothschild, ich wurde in unerträglicher Weise belästigt und sah bald ein, daß ich nur in Frieden leben könnte, wenn ich mich des Dieners und alles überflüssigen Gepäckes entledigte. Waring war schon früher in Indien gewesen, sprach hindostanisch, kannte Sitten und Gewohnheiten des Landes und besorgte meine Geschäfte mit der Bank. Er führte die Kasse, und ich hielt den Mund, das war alles!«

Honor löste von neuem mit großer Mühe ein Stückchen Rinde von der Barrierenstange und warf es dann mit einer Miene tiefster Verachtung von sich.

»Diese Einrichtung bewährte sich denn auch als vortrefflich, so lange wir jagten und unterwegs waren; sobald wir hierher kamen und Bekanntschaften anknüpften, bemerkte ich indessen, daß die Sache ihre zwei Seiten hatte und daß wir zu weit gegangen waren. Ich sprach mit Waring darüber und schlug vor, das Publikum aufzuklären. Er nahm den Vorschlag als Scherz auf und fragte, ob wir die Geschichte nicht durch die Zeitungen veröffentlichen wollten. Ich sagte ihm, daß es mir vollständig genügen würde, zwei oder drei Personen unter dem Siegel tiefster Verschwiegenheit mit dem wahren Sachverhalt bekannt zu machen; er aber wollte weder im Scherz noch im Ernst etwas davon hören und arbeitete sich schließlich in eine solche Aufregung hinein, daß ich mich gezwungen sah, alles beim alten zu lassen.«

»Sie sahen sich gezwungen?« fragte Honor in kaltem, ungläubigem Tone.

»Ja, gezwungen,« lautete die Antwort. »Waring führte an, daß wir unsre Rollen nur noch kurze Zeit zu spielen hätten, daß ich ihn lächerlich machen würde, und, da er sich, nur um mir gefällig zu sein, zu dem Spiel hergegeben habe, ich ihm nun auch eine Gefälligkeit schulde. Genug, um Ihnen das Geheimnis zu verraten, er befand sich in Geldverlegenheiten und fürchtete, seine Gläubiger würden über ihn herfallen wie die Wölfe, wenn sie erführen, daß er kein reicher Mann sei. In zwei oder drei Monaten hoffte er indessen, seine Angelegenheiten zu ordnen, und diese drei Monate Zeit verlangte er. So gab ich denn nach, aber nur unter einer Bedingung, der Bedingung, daß ich einer Person, einer einzigen, die Wahrheit sagen dürfe.«

»Und wer war diese bevorzugte Person?« fragte Honor mit emporgezogenen Brauen.

»Sie, Fräulein Gordon!«

»Zu viel Ehre!« entgegnete Honor mit einer tiefen Verbeugung.

»Bitte, keinen Spott!« versetzte Mark in leisem, scharfem Tone. »Das eine Mal, als ich mit Ihnen sprechen wollte, wurde ich durch den Panther unterbrochen, das andere Mal durch jenes unausstehliche Kind – das übrigens damals die Wahrheit sagte. Ich liebe Sie, Honor!«

Die vier Worte wurden ohne Zögern und ohne das leiseste Beben der Stimme ausgesprochen; wohl aber zitterte die Hand, die, mit dem weichen Federfächer bewaffnet, auf der Barrierenstange ruhte, ziemlich heftig. Der Fächer, an solche unsichere Behandlung nicht gewöhnt, entglitt der Besitzerin und fiel, wie ein weißer, toter Vogel, hinunter in ein Lilienbeet. Aber niemand achtete darauf; denn die Sekunden und die Stimmung waren zu köstlich.

»Ja, ich liebe Sie, liebe Sie mehr als mein Leben; aber ich fürchtete mich, es Ihnen zu gestehen. Sie waren so sehr gegen Geld und Reichtum! Heute würde ich aber doch gesprochen haben, darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort. Da führt mein böser Stern den kleinen Wicht daher, und er kommt mir zuvor! Wenn Sie mir nun zürnen, so haben Sie, wie ich zugebe, ein gewisses Recht dazu, aber Sie dürfen doch nicht sagen, daß Sie mich aufgeben wollen,« bat Mark, und da Honor noch in hartnäckigem Schweigen verharrte, fuhr er im Tone ruhiger Entschlossenheit fort: »Ich hole jetzt Ihren Fächer herauf, und dann werden Sie mir antworten.«

Honors Unwille hatte sich, wie immer, schnell abgekühlt. Sie fing jetzt an, die Dinge von seinem Standpunkte aus anzusehen, und ihr Zorn richtete sich nun ausschließlich gegen Waring. Mark war nur das Werkzeug dieses leichtsinnigen, gewissenlosen Gesellen gewesen und hatte sich von ihm mißbrauchen lassen. Jetzt fiel ihr auch manches unbedachte, schnell verschluckte Wort des jungen Mannes, seine hin und wieder gebieterische Haltung, seine, wie sie damals gemeint hatte, unkluge Freigebigkeit wieder ein, und nun war die Lösung aller dieser Rätsel gefunden!

Inzwischen war Mark hinuntergelaufen, hatte den weißen Fächer aufgehoben, die Tautropfen davon abgeschüttelt und gab ihn nun der Eigentümerin zurück, indem er ihr fest dabei in die Augen sah.

»Honor,« fragte er in leisem, eindringlichem Tone: »Wollen Sie das Vergangene vergangen sein lassen und mir verzeihen?«

Honor zögerte; ihre Lippen zitterten, als schwanke sie noch zwischen Lachen und Weinen.

»Ich hoffe, Sie haben mich ein bißchen lieb!« sagte er in bittendem Tone.

Jetzt öffneten sich ihre Lippen zu einem leichten und unverkennbaren Lächeln.

»Sie sind das erste weibliche Wesen, das je einen Eindruck auf mich gemacht hat,« fuhr er fort. »Schon in jener Nacht, als wir an der Bahnlinie miteinander dahingingen, fühlte ich, daß Sie mir vom Schicksal bestimmt wären, und die alte Frau in dem Bahnwärterhäuschen hatte ein prophetisches Auge. Darf ich noch heute abend mit Ihrer Tante sprechen?«

»Was wollen Sie ihr sagen?«

»Daß ich hoffe, ihr Neffe zu werden.«

»Nein, nein, nein!« rief Honor, in ein halb krampfhaftes Lachen ausbrechend. »Nein, Sie müssen mir Zeit lassen, ich muß darüber erst einen Entschluß fassen.«

»Honor,« sagte er, ihr näher tretend und ihre zitternde Hand fassend, »können Sie das nicht gleich? Wollen Sie meine Frau werden?«

Die Hand, welche die ihrige umschlossen hielt, war so stark, so fest, eine Hand, welche die Kraft besaß, sie zu leiten und zu beschützen ihr Leben lang.

»Wollen Sie, Honor?«

Endlich öffnete sie den Mund, aber nur, um eine anscheinend ganz abseits liegende Bemerkung zu machen.

»Was werden die Leute sagen, wenn sie hören, wie Sie uns hinters Licht geführt haben! Was sie von mir sagen werden, weiß ich: sie werden sagen, die Wahrheit wäre mir längst bekannt gewesen, und ich hätte ein geschicktes Spiel gespielt! O, ich höre sie schon reden und spotten!«

Dabei entzog sie Mark hastig die Hand und sah ihn mit einem Gemisch von Unmut und Mißtrauen an.

»Sie denken mehr an das, was andre Leute sagen, als an mich, Honor!« rief Mark vorwurfsvoll.

»Nein, nein, das nicht!« entgegnete sie, so stark errötend, daß es selbst in der Mondscheinbeleuchtung sichtbar wurde. »Nein, Mark, ich gebe auf keinen Menschen so viel, als auf Sie!« Und als sei sie selbst über dies Geständnis erschrocken, fügte sie schnell hinzu: »Aber die Gesellschaft begibt sich jetzt wieder ins Haus, und da kommt mein Partner für den nächsten Tanz, um mich zu suchen.«

»Lassen Sie ihn immer suchen!« lautete die gewissenlose Antwort. »Wollen wir nicht hinunter auf den Tennisplatz gehen und uns auf die Bank unter dem Verbenenbaum setzen?«

»Aber ich habe ihm den Tanz versprochen!«

»Was thut's! Jetzt haben Sie sich mir versprochen; wir, Sie und ich, sind nun Partner fürs ganze Leben. Alles geht jetzt hinein,« fuhr er, die wieder dem Saale zueilenden Paare beobachtend, fort. »Wir haben den Platz jetzt allein für uns, kommen Sie.«

Damit führte er Honor die Stufen hinab zu der erwähnten Bank.

»Ich glaube, Sie haben sich oft gefragt, was mich an Shirani fesselte,« begann er, als sie den Platz erreicht hatten. »Die ursprüngliche Veranlassung war, daß ich hier mit meinem Vater zusammenzutreffen hoffte, der seit dreißig Jahren in Indien lebt. Er stand bei der Kavallerie und ließ sich, nachdem er den Dienst quittiert hatte, hier im Lande nieder. Der Onkel nahm mich an Kindes Statt an, und ich habe meinen wirklichen Vater seit meinem Knabenalter nicht wieder gesehen. Er lebt in geheimnisvoller Zurückgezogenheit hier in den Bergen und ist zum zweitenmal Witwer. Ich habe Woche auf Woche, Tag auf Tag gewartet, daß er nach mir schicken würde, und das war der eine Grund meines Hierbleibens; daß es nicht der alleinige war und ist, wissen Sie. Ja, ich habe den Vater in der letzten Zeit fast über meiner Liebe zu Ihnen vergessen.«

»Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich ihn aufsuchen, ohne auf eine Einladung zu warten,« sagte Honor. »Sie sind zu bedenklich. Aber da ist auch dieser Walzer zu Ende, er war sehr kurz, und nun muß ich wirklich hineingehen.«

»Wie unbequem ist's doch, wenn man ein Gewissen und ein allzustarkes Pflichtgefühl hat!« rief Mark. »Ich hatte ganz und gar vergessen, daß auch meine Tänzerinnen auf mich warten!« fügte er, sich widerwillig von seinem Platze erhebend, hinzu.

»Wir haben ja morgen den ganzen schönen Tag vor uns!« gab Honor mit glücklichem Lächeln zur Antwort.

»Ja, und so Gott will, noch viel tausend schöne Tage; aber dieser eine Moment, den du so ängstlich abzukürzen suchst, wird sich nie wiederholen, Honor; dieser Moment in dem grünen indischen Garten unter dem Kreuz des Südens! Wenn wir später als Philemon und Baucis im kalten, arbeitsamen England vor dem Kaminfeuer sitzen, werde ich dieser Stunde immer als einer heiligen, gesegneten gedenken.« Damit umfaßte er das junge Mädchen und küßte sie auf die Lippen.

*

Die Nachricht, daß Mark Jervis der eigentliche und einzige Millionär sei, ging von Mund zu Mund und verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Gesellschaft. Mama Brande hörte auf zu gähnen, bediente sich ihres Fächers in fieberhafter Aufregung und lehnte es kurz und bündig ab, ein Wort davon zu wissen. Frau Langrishe saß stumm und in sichtlicher Betretenheit da, Oberst Sladen sprudelte seinen ganzen Vorrat von Ausrufungen, Spöttereien und Späßen hervor, und Lalla Paskes Augenbrauen verschwanden fast unter ihren Stirnlöckchen. Es gab für diesen Abend keinen andern Gesprächsgegenstand mehr, und die Luft war förmlich erfüllt von der Sache, als Mark Jervis und Honor in den Ballsaal zurückkamen. Ihr Eintritt wirkte beinahe dramatisch. Wie vornehm er aussah, wie fein sein Profil geschnitten war, wie schön er den Kopf hielt, wie gut ihm seine Kleider, die offenbar von einem der ersten Schneider Londons gemacht waren, saßen! Das alles sahen jetzt die Leute, die ihn bis dahin kaum eines Blickes gewürdigt hatten. Honor Gordon war, wie immer, schön und bezaubernd; die beiden bildeten ein ungewöhnlich anziehendes Paar und sahen so strahlend aus, als sei ihr zukünftiges Glück eine ausgemachte Sache. Ja, man besann sich nun darauf, daß die zwei schon immer gute Freunde gewesen waren.

»Und betrug sein jährliches Einkommen wirklich dreißigtausend Pfund? War es mit Seife oder mit Schweinefleisch erworben? Jedenfalls war er eine glänzende Partie für ein ganz armes Mädchen.«

»Natürlich hat Mutter Brande das alles schon längst gewußt,« sagte Ida Langrishe zu einem Nachbar. »Sie ist viel schlauer, als man bis jetzt geglaubt hat. Was für ein feines Spiel sie gespielt hat, die alte Schlange!«


 << zurück weiter >>