James Fenimore Cooper
Lionel Lincoln oder die Belagerung von Boston
James Fenimore Cooper

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Vorrede zur neuesten Ausgabe des Originals.

Es gibt vielleicht kein anderes Land, dessen Geschichte so wenig für eine poetische Ausschmückung sich eignet, als die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Die Kunst des Bücherdrucks war schon seit den ersten Zeiten der Niederlassung in allgemeinem Gebrauch und es gehörte stets zu der Politik wie früher der Provinzen, so jetzt der Staaten, die Verbreitung gründlicher Kenntnisse zu ermuntern. So gibt es weder eine Periode gänzlicher Dunkelheit, noch selbst der Dämmerung in den amerikanischen Annalen. Alles ist nicht allein bekannt, sondern auch so wohl und allgemein bekannt, daß der Phantasie kein Spielraum mehr zur Verschönerung übrig gelassen ist. Zwar ist die Welt auch hier bei Beurtheilung des Charakters von Individuen in ihren gewöhnlichen Irrthum verfallen, indem sie die hervorragendsten und zugleich verständlichsten Seiten derselben als Führer benutzte, um eine Harmonie zu begründen, auf welcher sie fast immer bestehen zu wollen scheint, während doch Alle, welche die Menschennatur gründlich studirt haben, recht wohl wissen, daß oft gerade die entgegengesetztesten Eigenschaften in einer Brust beisammen wohnen. Doch ist es Pflicht für den Dichter, diesen Irrthümern zu willfahren; denn nicht leicht gibt es einen Fehler, der seiner Strafe sicherer wäre, als der ist, welchen ein Schriftsteller begeht, wenn er seine Leser zu belehren sucht, während sie nur unterhalten seyn wollen. Dem Verfasser haben sich diese Wahrheiten durch Erfahrung und zwar noch selten deutlicher aufgedrängt, als in den Schwierigkeiten, auf welche er bei Abfassung dieser seiner einzigen historischen Erzählung stieß – sowie in der Aufnahme, welche sie bei der Lesewelt gefunden. Daß er die Meinung der Letzteren nicht unbeachtet gelassen, hat er dadurch bewiesen, daß er alle ähnlichen Versuche unterließ, auf deren Nutzlosigkeit er mit eben so viel Bestimmtheit als Schonung aufmerksam gemacht wurde.

Wenn einem Romanschreiber erlaubt ist, die Zeitfolge zu ändern und Ereignisse und Gebräuche aus verschiedenen Zeitaltern als die ihm gebührenden Hülfsmittel zusammenzuwählen, so hat er dagegen im Falle des Mißglückens auch kein Recht, den Tadel irgend einem andern Umstande als seiner eigenen Unfähigkeit zuzuschreiben; wenn aber besondere Umstände seinem Erfolg sich entgegenstellten, so muß ihm – und dieß besonders, wenn er seinen Fehler durch Widerruf eingesteht – zu seiner eigenen Rechtfertigung zu sagen erlaubt seyn, daß sein Hauptirrthum darin bestand, sich in ein Unternehmen einzulassen, das überhaupt und unter keinen Verhältnissen gut durchgeführt werden konnte.

Muß der Verfasser auch ohne Rückhalt bekennen, dass Lionel Lincoln nicht geworden ist, was er sich von ihm versprochen hatte, als er seine Arbeit begann – so ist er doch der Meinung, daß der Roman nicht aller Ansprüche an des Lesers Aufmerksamkeit ermangele. Die Schlachten von Lexington und Bunker's Hill, sowie das Manöver auf Prospect Hill sind, wie er überzeugt ist, mit so viel geschichtlicher Treue erzählt, als überhaupt einem Manne möglich war, der kein Augenzeuge dieser wichtigen Ereignisse gewesen ist. Keine Mühe blieb für Untersuchung englischer, wie amerikanischer Dokumente gespart und manche Privatautorität wurde befragt, um dem dringenden Wunsche nach strenger Wahrheit zu genügen. Grund und Boden wurde besucht und genau geprüft: widersprechende Zeugnisse einer genauen Vergleichung unterworfen und der Erfund mit der Wahrscheinlichkeit möglichst in Einklang gebracht. Selbst einen Witterungskalender trug der Verfasser Sorge, sich zu verschaffen und dessen Angaben sorgfältig zu beachten, so daß der, welcher sich für solche Details interessirt, versichert seyn darf, beim Lesen des Buchs nur Fakta über alle diese Einzelheiten zu finden. Zur Erinnerung für Kritiker möge erwähnt werden, daß beim ersten Erscheinen des Lionel Lincoln dem Verfasser eine Nichtbeachtung der Naturgesetze Schuld gegeben wurde, weil – er den Mond so oft eingeführt habe! Die Kritik übersah hier, in ihrem Drange zu tadeln, den wichtigen Umstand, daß die angeführte Zeit von Monat zu Monat fortschritt und ihr möge hiemit gesagt werden, daß das oben erwähnte Witterungstagebuch über die ganze Zeit der Dauer der Arbeit dem Autor vor Augen lag.

Verfasser romantischer Werke werden selbst von Solchen nicht immer recht verstanden, welche die Fähigkeit sowohl als das Recht zu haben meinen, das Treiben ihres Geistes zu zergliedern. Eine freie und allerdings auch günstige Beurtheilung dieses Buchs enthielt bei Aufzählung seiner Verstöße auch die Bemerkung – die Auffassung und Zeichnung der beiden Charaktere des Einfältigen und des Wahnsinnigen müsse dem Verfasser große Schwierigkeit verursacht haben. Die Bemerkung mag deshalb nicht überflüssig seyn, daß Job Pray und Ralph beide nach dem Leben gezeichnet sind, und selbst, so weit der Gang der Erzählung es erlauben wollte, ihre Sprache nach Möglichkeit treu wiedergegeben wurde.

Lionel Lincoln, sowie überhaupt die meisten Werke des Verfassers, wurde ursprünglich von einem unkopirten Manuskript abgedruckt und blieb so allen Unvollkommenheiten preisgegeben, welche gewöhnlich entstehen, wenn Presse und Feder pari passu mit einander gehen. In dieser Ausgabe wurden manche der Fehler verbessert, die von einem so mißlichen Gange der Arbeit unzertrennlich sind, und eben damit werden hoffentlich auch manche Sünden gegen den guten Geschmack getilgt worden seyn.

 


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