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Schweigend gingen sie nebeneinander her. Wonström hatte dem geblendeten Dinotherium eine Kugel in das Gehirn geschossen, um seine Qual möglichst abzukürzen.
Eduard hatte nicht gewagt, dem sich in Todeskampfe windenden Schreckenstier einen Stoßzahn abzuschlagen, aus Furcht, Wonström's Unwillen noch mehr hervorzurufen.
So zogen beide gegen Norden, d. h. die Berge aufwärts.
Eduard's Wunde entzündete sich etwas, was den Schmerz noch mehr vergrößerte, aber er war standhaft; er biß die Zähne zusammen, und kein Klagelaut kam über seine Lippen.
Je höher sie kamen, desto einförmiger wurde die Gegend. Der Wald verschwand und vor ihren Augen breiteten siche weite, grüne Wiesen aus, die von zahlreichen Bächen und Gräben durchzogen waren.
Nach einer vierstündigen Wanderung bergauf machte Wonström Halt. Erschöpft setzten sie sich in's Gras, und Wonström langte etwas trockenes Fleisch aus seinem Sack und einen Trinkbecher. Zu ihren Füßen floß ein wildrauschendes Gebirgsbächlein, das sie mit Trank versorgte.
Als beide gesättigt waren, untersuchte Wonström Eduard's Wunde und machte Umschläge mit kaltem Wasser, was die Hitze nahm.
Eduard dankte seinem Freunde für seine Bemühung und dieser sagte lächelnd: »Wollen es jetzt gut sein lassen und nicht mehr an deine Unvorsichtigkeit denken, den Schaden hast doch du. Lasse dir dieses nur zur Warnung dienen, werde vorsichtig und überlege erst alles, was du thust.«
Jetzt war Zeit, das Abenteuer mit dem Dinotherium in den Naturschatz einzutragen. Außerdem holte Eduard den Barometer aus dem Sack welcher anzeigte, daß sie sich jetzt cira 650 Meter über dem Meeresspiegel befanden, da er bis auf 26 Zoll gefallen war.
Die Aussicht war herrlich, das Polarmeer lag in seiner wilden Größe vor ihnen und das Land zeigte seine Ränder so scharf wie auf einer Landkarte.
Nach einem stärkenden Schlaf, welchem sie sich abwechselnd hingaben, da einer immer Wache halten mußte, griffen sie wieder zum Wanderstabe und stiegen bergauf.
Auf den grünen Abhängen konnten sie Herden von Xipsodons und Anaplotheriums beobachten, welche das fette Gras abweideten.
Eduard hatte an verschiedenen, aus dem Boden schauenden Felsen seine Geologenhammer probiert und gefunden, daß das ganze Gebirge aus Kreide bestand.
Unter Kreide verstehen wir gewöhnlich die weiche, weiße Masse, welche wir zum Schreiben und Zeichnen brauchen, doch haben wir den Begriff Kreide weiter auszudehnen, wenn wir von der Epoche der Kreidezeit sprechen. Kreide in dem Sinne ist jede kohlensaure Kalkbildung, deren Hauptbestandteile weiter nichts als die Panzer der Diatomen (einzellige, mikroskopische Wesen) und die Schalen der Foraminiferen (mikroskopische, der Klasse der Wurzelfüßer angehörigen Tiere, welche sich durch den Besitz einer einfach oder mehrfach gekammerten Kalkschale auszeichnen) sind.
»Diesen Bergen haben wir noch keinen Namen gegeben,« hub Eduard an. »Ich schlage den Namen 'Kreideberge' vor, weil sie ja aus lauter Kreide bestehen.«
»Gut,« sagte Wonström, »nennen wir sie die Kreideberge. Ich dagegen gestatte mir zu bemerken, daß der See, den wir unten haben liegen lassen, ebenfalls noch ungetauft ist. Ich möchte vorschlagen, ihn 'Dickhäutersee' zu nennen.«
Eduard, der eine Karte von dem warmen Polarlande in seinen Naturschatz eingezeichnet hatte, schrieb die eben angegebenen Namen dazu.
Jetzt wurde der Weg schon steiler. Vor sich himmelanstrebend erblickten sie die Häupter der Bergriesen mit Eis und Schnee bedeckt, teilweise auch in Nebel gehüllt.
Nach einer achtstündigen beschwerlichen Steigung waren sie bis zu einer Höhe von 2000 Meter gekommen. Hier mochte es sein, wo die pflanzenarme Gegend begann.
Es wurde Halt gemacht und gegessen. Hierauf untersuchte Wonström Eduard's Wunde und da dieselbe immer noch etwas entzündet war, legte er wieder kalte Umschläge auf.
Nachdem sie geruht und geschlafen hatten, nahm Eduard seinen Naturschatz zur Hand. Von ihrem Standpunkte aus hatten sie die herrlichste Aussicht. Sie konnten weit hinaus in das Eismeer sehen und die Ufer des warmen Polarlandes lagen mit scharfen genauen Zügen wie in einem Atlas vor ihnen.
Eduard zeichnete, so gut es gehen mochte, sämtliche sichtbaren Landgrenzen ein, ebenso die verschiedenen vorgelagerten Inseln.
Der Gebirgszug war gut zu übersehen, und die Gipfel und Bergspitzen wurden ebenfalls der Karte einverleibt.
Nach ihrer jetzigen Höhe von 2000 Meter, welche ihr Barometer anzeigte, konnten sie auch die jetzt gerade nebelfreien Berge auf ihre Gesammthöhe schätzen.
Vor ihnen lag ein solcher Bergriese mit drei Gipfeln, sie schätzten sie auf 6500 Meter und gaben ihm den Namen 'Bismarckskopf'.
Nicht weit davon, links, ragte ein sehr spitziger Kegel in die Lüfte, den sie auf 6000 Meter schätzten; er wurde Nebelspitze genannt, weil seine äußerste Spitze in dichten Nebel gehüllt war.
Rechts zog sich ein breiter Bergrücken hin, der über 6000 Meter hoch sein mochte, ihn nannte man Kreidebogen.
Zwischen dem Bismarckskopf und der Nebelspitze befand sich ein Paß, über diesen beschlossen sie das Gebirge zu überschreiten.
Mit frisch gesammelten Kräften stemmten sie ihre Wanderstäbe ein und stiegen weiter, etwas links nach dem Paß zu.
Als sie 800 Meter höher gestiegen waren, zeigte das Thermometer + 1 Grad R. Hier war die Grenze des ewigen Schnee's. Zwar lag der Schnee hier dicht und hoch und hatten sie schon auf ihrer ganzen Wanderung durch die pflanzenarme Gegend einzelne Stellen mit Schnee bedeckt gefunden, doch muß man bedenken, daß jetzt, anfangs April, der Schnee noch nicht so vollständig weggegangen war, als z. B. im Juli.
Die Wanderung wurde jetzt schwierig. Die Gletscher, welche die mächtigen Bergsenkungen ausfüllten, zeigten vielfach Spalten, welche grundlos schienen. Der tiefe Schnee hemmte jede schnellere Bewegung und oft hatten sie Mühe, sich wieder aus ihm herauszuarbeiten. Oft schwebten sie in größter Lebensgefahr; doch überwanden sie mit vereinten Kräften alle diese mächtigen Hindernisse.
Endlich hatten sie den Paß überschritten, welcher 'Eis-Paß' getauft worden war, und vor ihnen lag die Welt direkt um den Nordpol. Aber sie konnten sie nicht sehen, ein dichter Nebel lagerte darüber.