Ernst Constantin
Das warme Polarland
Ernst Constantin

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XXVIII. Kapitel.

Aufbruch nach dem Nordpol.

Es wurde heller und heller, sodaß man sagen konnte, die Nacht sei größtenteils verschwunden, wenn auch der Winter noch das Regiment führte. – Eduard ritt auf seinem zweibeinigen Reittiere so gut als auf dem besten englichen Rennpferde. Er hatte sich eine Art Sattel mit Steigbügel gemacht, der genau über den beiden Füßen des Riesenvogels lag, was die Bwegungen dem Tiere sehr erleichterte; denn beim Reiten ohne Sattel rutschte Eduard leicht vor auf den Hals seines Reitvogels.

Wiederholt hatten die beiden Freunde Jagd auf Riesenmoas gemacht und es war ihnen auch gelungen, noch einige zu erlegen, aber lebendig konnten sie keinen mehr erwischen. Die Riesenvögel waren sehr scheu geworden und schließlich hatten sie den Platz ganz verlassen und weit und breit konnten sie keine Spur mehr von ihnen finden. –

Es war Ende März, als die beiden Freunde sich zu einer Entdeckungsreise rüsteten, deren Endziel der Nordpol sein sollte.

Die Ansiedlung lag 87° 25' nördlicher Breite und 28° 32' östlicher Länge von Greenwich, also war nur eine Strecke von 2° 35' zu durchreisen, oder 233 Kilometer, was ungefähr 22 deutsche Meilen sind.

Würde von der Ansiedlung bis zum Nordpol eine gut gebaute Landstraße führen, so könnte man zu Fuß den Nordpol in drei Tagen erreichen, so aber mußte man sich für eine vierwöchentliche Reise einrichten; denn man kannte ja die Hindernisse nicht, die sich ihnen entgegenstellen würden.

Beide fertigten sich aus grobem Segeltuch auf dem Rücken zu tragende Jagdsäcke. Diese füllten sie vor allen Dingen mit Proviant, dann mit verschiedenen Instrumenten und Werkzeugen. Sie nahmen eine Säge, ein Beil, Nägel, Stricke und eine Rolle Segeltuch mit, letzteres im Falle sie in die Lage kommen sollten, ein Fahrzeug bauen zu müssen.

Jeder nahm seine Flinte mit genügenden Patronen mit, welch' letztere in wasserdichten Blechbüchsen mitgeführt wurden. Dann ein säbelartiges Werkzeug, das früher zum Abspecken der Walfische benutzt worden war. Es war am besten mit einem alten Türkensäbel zu vergleichen, der an seinem äußeren Ende bedeutendes Übergewicht hatte. So bepackt, traten sie am 26. März ihre denkwürdige Reise nach dem Nordpol an, nachdem sie Hans, den Riesenvogel für sechs Wochen mit Nahrung versehen, und seine Einzäunung stark befestigt hatten.

An Gepäck hatte Wonström als der stärkere vierundsechzig Pfund, und Eduard, welcher die Instrumente mit sich führte, dreiundfünfzig Pfund zu tragen.

Bei derartiger Wanderung war dies allerdings ein sehr bedeutendes Gewicht, doch durften sie von allen eingepackten Sachen nichts zurücklassen.

Natürlich ist die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten eine gerade Linie. Da sie keine Ahnung hatten, wo sich ihnen die wenigsten Hindernisse bieten würden, war es ja gleich, wie sie ihren Weg nahmen.

Mit langen Gebirgsstöcken versehen, schritten sie rüstig auf einem breitgetretenen Wildsteige durch den Wald, der, je näher sie dem Gebirge kamen, immer lichter wurde.

Nach zwei Stunden sahen sie vor ihren Blicken einen großen, von Wald eingezäunten See, dessen Ufer in einen weiten Sumpf auslief.

Der See war zum Teil mit dürrem Schilf bedeckt und zeigte außer einem kleinen Bache, der daraus entsprang keinen Ab- und Zufluß.

»Gewiß ist das der Bach, der bei unserer Ansiedelung vorbeiläuft,« bemerkte Wonström.

Eduard betrachtete mit einem langen Fernrohr aufmerksam die Schilfränder, und als er absetzte, gab er Wonström das Fernrohr und sagte: »Sieh' doch einmal in der Richtung hin, was das ist, ich kann es nicht wegbekommen.«

Wonström sah in der angegebenen Richtung eine zeitlang hin, als er plötzlich rief: »Das scheinen ja Elephanten zu sein!«

Eduard nahm wieder das Glas zur Hand, und nachden er abermals eine Weile beobachtet hatte, sagte er: »Da haben wir wiederum einige vorsintflutliche Tiere. Wenn ich mich nicht täusche, so waten dort Mastodons herum, die Stammväter unserer Elephanten.«

Eduard wollte versuchen, näher zu kommen, um sich diese Dickhäuter in der Nähe zu betrachten, aber Wonström war anderer Ansicht. Er bewies ganz logisch, daß es gefährlich sei, in den Sumpf einzudringen, und so interessant es auch sei, diese neu entdeckten Urtiere in der Nähe zu beobachten, müsse er sich doch streng nach ihrem Programm richten, welches heißt: den Nordpol sobald als möglich zu erreichen.

Eduard, dem jeder vernünftige Gedanke zugänglich war, steckte sein Fernrohr in die Tasche und notierte sich genau diesen Fall. Dann nahmen beide ihren Wanderstab und wandten sich westwärts.

Nach Westen zu wußten sie, daß der See sich nicht weit ausdehnen konnte, weil Wonström zwei Stunden westlich schon an den Fuß des Gebirges gekommen war, ohne eine Spur von einem See oder Sumpf zu finden, dagegen wußte man nicht, wie weit er sich nach Osten hinzieht.


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