Ernst Constantin
Das warme Polarland
Ernst Constantin

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XVI. Kapitel.

Ankunft im warmen Polarlande.

Da der Aufenthalt hier nicht lange währen sollte, denn man schrieb schon den 28. August, so wurde beschlossen, die Flora des Landes dem Herbarium einzuverleiben, das wichtigste der Tierwelt zu sammeln und zu beschreiben und die Bucht genauer zu vermessen.

Als sie die Graskappe in der Nähe des Teiches untersuchten, fanden sie die vierte erlegte Gazelle von großen roten Ameisen fast vollständig skelettiert. Das war ein Fund! Sie ließen den Kadaver noch eine Zeitlang liegen, um ein reines Skelett zu erhalten; dann nahmen sie den Schädel, der eine eigentümliche Zahnbildung zeigte, nebst einigen Hals- und Rückenwirbeln und einen Vorder- und Hinterlauf mit, um ihr Naturalienkabinett damit zu bereichern. Eine kleinere Eidechse von derselben Gattung wurde in Spiritus gesetzt, desgleichen alle Insektenarten, die zu finden waren.

Von den Wölfen wurden zwei Köpfe mitgenommen, die bei Gelegenheit noch skelettiert werden sollten.

Von allen Grasarten und Farren wurden Exemplare getrocknet, in die Herbarien geheftet und mit Etiketten versehen. Von den Felsblöcken wurden Stücke zur späteren Bestimmung abgeschlagen und am Teiche viele Muscheln und Schneckenhäuser gesammelt, dir dort in riesiger Menge vorhanden waren.

Alles Gesammelte wurde so gut als möglich in den beschränkten Raum, der ihnen dazu in ihren Booten zur Verfügung stand, verpackt und am 1. September segelten sie mit ihrer Bootflottille im Schlepptau in der Nähe der Küste, die sich von hier nach Nord-West wendete, aus der 'Eidechsenbucht', wie sie getauft worden war.

Das Wetter war schön und ein leichter Wind blähte das Segel, welches das erste Boot schmückte.

Hans schwamm im Wasser öfters nebenher, denn er fühlte sich nicht so recht wohl in dem warmen Klima. Er machte den Beiden viel Spaß als geborener Schwimmkünstler und erstaunlich war es, wie lange er unter Wasser bleiben konnte. Von Zeit zu Zeit brachte er einen Fisch mit herauf, den er auch sogleich im Wasser verschlang. War er dann ermüdet, so stieg er wieder in das Boot, was freilich ein sehr beschwerliches und nasses Geschäft war.

Die Küste, welche sich erst nach Nordwest gewandt hatte, lief jetzt direkt nach Westen, was die beiden Abenteurer nicht besonders freute, da ihr Trieb nach Norden war.

Sehnsüchtig schauten sie aus nach nördlich liegendem Lande; denn auf's Geratewohl ins offene Meer konnten sie sich doch nicht mit den Booten wagen.

Eben hatten sie eine, sich weit ins Meer streckende Landzunge umfahren, als sie in nicht zu weiter Entfernung nach Norden zu Land entdeckten.

Ohne zu zögern steuerten sie nach Norden, da das Wetter schön war und nichts fürchten ließ.

Wohlbehalten landete unsere Gesellschaft am 4. September in einer kleinen Bucht, die den Namen 'Waldbucht' erhielt, weil sich ein dichter Wald von Eichen, Buchen, Fichten und Föhren bis an das Ufer erstreckte.

Erstaunt blickten sie die üppige Vegetation an, welche an diejenige Deutschlands erinnerte. Mit einem lauten »Hurrah« sprang Eduard an's Land, schwang seinen Hut und rief: »Ich bin es, der das wirklich warme Polarland zum ersten Mal betreten hat; den Ruhm kann mir niemand streitig machen, nicht einmal du, Wonström; denn du sitzest noch im Boote.«

Wonström lächelte über die Ruhmsucht Eduard's und wollte ihm die Ehre, das warme Polarland zum ersten Mal betreten zu haben, durchaus nicht abstreiten.

Zuerst befestigten sie ihre Boote am Ufer, damit nicht etwa ein Sturm ihren Schatz entführte und vernichte; dann warfen sie sich auf die Knie und beteten ein Vaterunser als Dankgebet, daß sie der liebe Gott so gnädig bis jetzt vor allen Gefahren, die sie umgaben, behütet, und als erste Menschen so glücklich in das warme Polarland geführt habe. Dann baten sie auch um seinen ferneren Schutz und schlossen mit einem kräftigen Amen – Ja Ja es soll also geschehen.

Infolge der dreitägigen Bootfahrt waren beiden die Glieder halbsteif geworden, deshalb steckten sie etwas Proviant ein und unternahmen eine kleine Wanderung nach dem Inneren. Wonström, als kluger Hausvater, steckte vor allen viel Patronen zu sich und hieß Eduard ein Gleiches zu thun; »denn,« sagte er, »wir wissen nicht, was es hier für reißende Tiere gibt.«

Hans ging natürlich auch mit, doch war er durchaus nicht lustig und fidel; denn das milde, warme Klima bekam ihm nicht, jedenfalls sehnte er sich nach seinen Eisbergen zurück und hatte Heimweh.

Dieses Land zeigte eine reiche, üppige Vegetation. Mächtige Eichen streckten ihre knorrigen Äste 'gen Himmel, glatte Buchen waren ihre Nachbarn; nicht weit davon grenzte der Nadelwald. Tannen, Fichten und Föhren rangen um die Herrschaft und bald hatte eine Tanne, bald eine Fichte, bald eine Föhre auf ihrem Terrain den Sieg davongetragen, und ihre Kronen ragten über die Besiegten und Zurückgebliebenen weit hinaus.

Natürlich war ein solcher Urwald, wo auf den durch Altersschwäche gestürzten Riesen sich immer wieder neues gewaltiges Leben erhob, fast undurchdringlich.

Deshalb gingen Wonström und Eduard, bevor sie in die Wildnis drangen, am Waldsaume hin, um vielleicht einen etwas weniger dicht bestandenen Waldteil zu finden. Doch sollte ihnen die Freude nicht werden; nur eine Art breiten Fußsteig fanden sie, der von wilden Tieren, die hier zur Tränke kommen, gebildet war. Diesem zu folgen, war die einzige Möglichkeit, in den Urwald zu dringen, und so gingen sie darauf ins Innere und Hans hinterher.


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