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Seit langer Zeit hatten sich schon öfters Seehunde gezeigt und es war beiden gelungen, einige davon zu erlegen. Jetzt kamen ihnen ihre Schießübungen recht gelegen; denn ein auf der Scholle liegender Seehund, der nicht gleich so getroffen wird; daß er schnell verendet, sucht trotz einer schweren Verwundung das Wasser noch zu erreichen, und ist ihm dies gelungen, dann ist er für den Schützen verloren.
Merkwürdiger Weise fanden sie, daß die Küsten des Franz Josephlandes nicht von Eis umlagert waren, sondern daß sie von offenem Wasser umspült wurden, auf dem allerdings einige Eisberge und viel Treibeis schwamm.
So trieb die Eisscholle immer weiter nach Norden bei Kap Frankfurt vorbei in den Austria-Sund hinein.
Eines Tages ging Eduard mit seinem Gewehr am Rande der Eisscholle, die sich immer mehr verkleinerte, dahin, als plötzlich ein mächtiger Eisbär aus dem Wasser stieg und auf Eduard zuging. Der Eisbär schien keine Eile zu haben, denn er lief bedächtig und im Zickzack; Jedenfalls war ihm ein Mensch ein absonderliches Wesen, da er vermutlich noch keinen gesehen hatte.
Eduard hatte keine Angst, denn er konnte sich auf sein Gewehr und seine Schießkunst verlassen.
Als der Bär auf 40 Schritte heran gekommen war, blieb er stehen und schien zu überlegen, was er thun sollte. Dies benutzte Eduard, schnell hob er die Büchse, zielte bedächtig und drückte ab. Im Moment stürzte der Bär zusammen, die Kugel war ihm durch's Auge ins Gehirn gedrungen.
Als Wonström den Schuß in weiter Ferne hörte, nahm er ein Fernrohr und sah nach der Richtung hin, woher der Schall kam und mit Staunen bemerkte er, daß Eduard einen Eisbären erlegt hatte.
Schnell nahm er den Handschlitten, mit welchem sie die geschossenen Seehunde zu transportieren pflegten und fuhr auf die Stelle zu, wo Eduard den mächtigen Eisbären untersuchte.
Als er nach einer halben Stunde dort angekommen war, rief er Eduard zu: »Du kannst von Glück sagen daß du den Kerl so gut getroffen hast, hättest du ihn bloß verwundet, so hätte er dich zum Frühstück verzehrt.«
Eduard aber, in dem Gefühl des Siegers, erwiderte stolz: »Wie kannst du glauben, daß ich unvorsichtig geschossen hätte, ich wußte ganz genau, was mir blühte, wenn meine Kugel nicht richtig gesessen hätte, doch dank unsern Schießübungen kann mir das nicht passieren.«
»Ei Herr Jäger, ihr seid ja gewaltig stolz, als ob nicht manche Robbe, die ihr wohl getroffen meintet, wieder ins Wasser gerutscht wäre, doch einerlei, der Schuß war gut und ich kann nur gratulieren. Heute Abend gibt's Bärenschinken, darum frisch angepackt und diesen Eiskönig heimgeschafft, er soll uns wacker schmecken.«
Mit einigen Schwierigkeiten wurde der ungefähr vier Zentner schwere Bär auf den Schlitten gebunden und mit Ach und Krach kam man glücklich beim Eishause an. Sie wischten sich den Schweiß von der Stirne und begannen den Bären aus der Haut zu schlagen. Dann wurde ein Stück von der Keule in eine Bratpfanne gelegt, Speck und das nötige Salz daran gethan und zum Feuer gesetzt.
Das Fleisch des Eisbären ist sehr wohlschmeckend und gewährte unseren Abenteurern einmal eine Abwechslung in der ewigen Speck- und Thrankost, nur die Leber soll schädliche, ja giftige Eigenschaften haben und sind durch den Genuß schon ganze Schiffsmannschaften erkrankt wie z. B. der holländische Nordpolfahrer Barendz mit seinen Gefährten im Nordosten von Nowaja Semlja.
Die Fahrt durch den Austria-Sund ging sehr rasch von statten, da die Strömung immer stärker wurde und das Eis keine Schwierigkeiten entgegensetzte.
Auf der rechten Seite lag Wilczek Land, auf der linken Zichy Land; bald näherten sie sich dem einen, bald dem anderen Lande und erstaunten über die verhältnismäßig üppige Vegetation. Das Tierreich war sehr zahlreich vertreten und sie erlegten viele Seehunde, Walrosse und Polarvögel; auch einige Eisbären wurden ihre Beute.
Einst kam eine Eisbärin mit einem Jungen auf sie zu; die Bärin war bald totgeschossen, das Junge aber, das vielleicht die Größe eines Pudels hatte, nahmen sie mit heim. Hier wurde es an eine lange Kette gelegt und mit Robbenspeck und Fleisch gefüttert. Später, als es vollständig zahm und vertraut schien, wurde es freigelassen und ihm der Name 'Hans' beigelegt.
Mit dem Fernrohre konnten sie auf der Landstrecke Renntierheerden beobachten, doch schienen die Moschusochsen zu fehlen.
An's Land selbst getrauten sie sich nicht, da sie fürchteten, von ihrem schwimmenden Wohnort getrennt zu werden und sich lieber dem Zufall überlassen wollten, als vielleicht auf Franz Josephsland umzukommen, da sie doch nicht wie die Eskimos der Kälte und dem Mangel an zivilisirter Nahrung auf die Dauer trotzen konnten.
In der Ferne glänzten die mit ewigen Schnee bedeckten Berggipfel, während die Thäler und tiefen Abhänge mit einem saftigen Grün bekleidet waren.
Die österreichische Nordpol-Expedition unter Payer und Weyprecht fand fast nur Eis und Schnee und erzählte von dem rauhen und unwirtlichen Klima, selbst anderen Polarländern entgegen, doch muß man bedenken, daß die Expedition das Land nur im März, April und Anfang Mai gesehen hat, also zu einer Zeit, wo in solchen Breiten noch der lange Winter herrscht.
Unsere Freunde fanden es durchaus nicht rauher und unfruchtbarer, im Gegenteil schien ihnen die Vegetation eine höhere und der Tierreichtum ein größerer zu sein als auf Nowaja Semlja.
Weiter und weiter trieb sie der Strom an dem Karl-Alexander-Land und Kronprinz-Rudolf-Land vorüber und in der Ferne konnten sie links das König-Oscar-Land und rechts das Petermanns-Land erkennen.
Wie Payer und Weyprecht berichteten, war hier schweres Packeis vorgelagert, wie war dies aber jetzt?
Ungehindert trieb die Scholle weiter.
Unterwegs nahmen Wonström und Eduard die Grenzen der Länder auf, die von den Österreichern nur gesehen, aber nicht gemessen werden konnten.
Es zeigte sich, daß Petermanns Land ein großer zusammenhängender Land-Komplex sei, König-Oscar-Land dagegen aus vielen Inseln besteht; obgleich letzteres nicht genau festgestellt werden konnte. Es war nicht zu sehen, ob man Meeresstraßen oder Fjorde vor sich habe.