Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfzehntes Kapitel.

Der Frühling war eingekehrt, mit Blumenduft und Vogelsang, plötzlich und unvermittelt. Ein paar Tage milderes Wetter, dann kam ein warmer Regen, und nun schien die Sonne und lockte mit ihren warmen Strahlen die ersten Blümchen hervor, die erstaunt die Köpfchen reckten und sich wunderten, daß die strenge Winterhaft schon ein Ende habe. Die Leute meinten zwar, es sei blinder Lärm, es käme sicher noch Schnee und Eis, aber diesmal hatten sie sich geirrt, der Frühling behauptete siegreich sein freundliches Regiment und küßte auch die schlummernden Sträucher und Bäume wach, daß sie knospten und trieben. Die Fichten und Tannen schmückten sich mit zart grünen Spitzen, einige auch mit leuchtend roten, die schon von der Ferne schimmerten, wie funkelnde Rubinen. Gar lustig rauschte die Innerste in ihrem Bette und wand sich wie ein silbernes Band durch blumige Wiesen, oder über Stein und Geröll, fröhlich plätschernd, als hätte sie viel zu erzählen.

Die jungen Mädchen meinten, so schön sei es im Frühling noch nie gewesen, und die täglichen Spaziergänge wurden ihnen zur höchsten Freude. Heute aber blickten ihre Augen ernst, trotz der Frühlingspracht um sie her, und Maria wehrte nur mit Mühe den Thränen, die ihr immer wieder in die Augen drangen, als sie gegen Abend der Pfarre zuschritten. Veranlassung war, daß Alfred morgen das Städtchen verlassen sollte, um seiner Studien wegen nach Berlin überzusiedeln. So hatte der zarte Jüngling doch die Erfüllung seines Lieblingswunsches erlangt, und wenn auch das Mutterherz zagte und bangte, es mußte dem Vater doch recht geben, als er sagte: »Gott gab ihm sein wunderbares Talent, wir dürfen ihn aus übergroßer Sorge und Liebe nicht zurückhalten, da keine augenblickliche Gefahr für seine Gesundheit vorliegt.«

Wenn man auf den Jüngling sah, mußte man glauben, daß Pastor Winter das Rechte traf; es lag eine so hohe, reine Freude auf seinem Antlitz, daß ihn niemand ohne Bewegung ansehen konnte. Es ist immer ein ernster Schritt, wenn ein Kind aus dem Elternhause scheidet, und warme Wünsche folgen ihm. So war es gewesen, als Gerd die Heimat verließ, aber anders noch war es jetzt bei Alfreds Scheiden. Jener war in voller Gesundheit und Jugendfrische in das Leben hinausgetreten, dieser ging mit einem schwachen Körper, durch sein Gebrechen gänzlich auf die Hilfe seiner Mitmenschen angewiesen. Wer will es da der Mutter verdenken, daß sich ihre Augen immer wieder von neuem mit Thränen füllten?

Aber auch dieser schwere Abschied ging vorüber, und das alte Schulleben, das durch Pastor Winters Abwesenheit eine kurze Unterbrechung erfahren hatte, begann wieder. Der Pastor hatte Alfred selbst nach Berlin gebracht und kehrte mit den günstigsten Nachrichten über sein Ergehen zurück. Der Jüngling war mit der größten Liebenswürdigkeit von seinem Gönner, dem Professor Norbert und dessen Frau aufgenommen worden, und beide hatten dem besorgten Vater versprochen, über sein körperliches Wohl zu wachen, als wäre er ihr eigener Sohn. Mit dem Musikunterricht hatte er auch bereits begonnen und gab sich seinen Studien mit wahrem Feuereifer hin. Der Professor unterrichtete ihn selbst im Violinspiel und ein bedeutender Organist im Orgelspiel; beide prophezeiten ihm eine große Zukunft.

Alle freuten sich der guten Nachrichten, vermißten aber den sanften, liebenswürdigen Jüngling schmerzlich, besonders die eigene Familie, und Suse war wahrhaft erfinderisch, häusliche Beschäftigungen herauszusuchen, um die Gedanken der Mutter in andre Bahnen zu lenken. »Zu den großen Ferien kommt er wieder, das währt so lange nicht,« pflegte sie zu sagen, wenn sie die Mutter traurig sah, »dann wollen wir ihn tüchtig pflegen.«

Auf diese Zeit freuten sich alle. Alfred selbst hatte zwar nichts von Ferien wissen wollen, der Vater jedoch diese Bedingung gestellt, da er eine Ruhepause für durchaus notwendig erachtete, und der Sohn fügte sich gehorsam dem väterlichen Willen.

Die jungen Mädchen waren bis auf Elisabeth in den Osterferien in Wildemann geblieben. Graf Thalenhorst wünschte, daß Wally unter Fräulein Reuters Schutz bliebe, und die Geheimrätin Kirchner hatte die Absicht, Ende Mai für die Sommer- und. für die Herbstmonate nach Wildemann überzusiedeln und vertröstete Else auf das baldige Wiedersehen. Eva und Maria reisten, weil die Reise etwas kostspielig war, überhaupt höchstens zweimal im Jahre heim.

Ein besonderes Vergnügen bildete für die Mädchen die Zeichenstunde, die Fräulein Reuter jetzt bei günstiger Witterung im Freien gab. Im Winter zeichneten sie nach hübschen Vorlagen, und einige von ihnen führten auch mit großem Geschick den Pinsel; im Sommer aber wurde nach der Natur gezeichnet, und Maria, Else und Elisabeth, die besonders begabt waren, hatten schon verschiedene schöne Punkte der nächsten Umgebung in ihren Skizzenbüchern aufzuweisen. Wally zeichnete und malte sehr genial; sie war durchaus nicht ohne Anlage, ließ sich jedoch nicht Zeit zur feineren Ausführung.

Suse war von diesen Stunden ganz dispensiert, sie hatte nicht das geringste Talent, und mit Einwilligung des Vaters gab sie die Stunden auf, die ihr nur zur Qual wurden.

Pastor Winter ging auch öfter mit seinen Schülerinnen in die Berge, um seltene Blumen, Moos oder Steine mit ihnen durchzunehmen. Im Winter trieb er Physik mit ihnen, im Sommer Botanik und Mineralogie, wofür er sich ganz besonders interessierte. Den jungen Mädchen waren diese Spaziergänge ein großes Vergnügen, hier fiel auch der lästige Zwang der französischen und englischen Konversation von ihnen, worauf Fräulein Reuter sehr strenge hielt.

So lernten und arbeiteten die jungen Mädchen, durch nichts abgelenkt und gestört in ihren Studien, und das Examen, das Pastor Winter Ostern abzuhalten pflegte, war glänzend verlaufen. Besonders hatten sich Eva, Elisabeth und Else ausgezeichnet, aber auch die übrigen drei hatten ihr möglichstes geleistet, und Wally behauptete seufzend, sie lerne überhaupt viel zu viel, so viele Weisheit verlange weder Papa noch Mama von ihr.

Herr und Frau Ehrhard waren bei dem Examen anwesend gewesen und freuten sich der Fortschritte ihrer Tochter; mit großem Eifer setzte diese ihre Studien fort. Ihr Verhältnis zu Else war ein freundschaftliches geworden, zwar hatte diese ihr die letzte Zurückweisung nachtragen wollen, vermochte es jedoch nicht auf die Dauer.

Else trug ihr silbernes Kreuz nicht mehr als bloßes Schmuckstück, sondern sie hatte den schönen Spruch: »Liebe Gott über alles und deinen Nächsten wie dich selbst,« verstehen gelernt und handelte darnach. Wohl kamen noch Augenblicke, wo der alte Trotz hervorzubrechen drohte und sie in üble Laune versetzte, doch das geschah immer seltener und eine sonnige Heiterkeit erfüllte ihr ganzes Wesen, und alle liebten sie. Willig unterwarf sie sich jetzt auch dem anerkannten Regiment der Präsidentin, und Eva, die wirkliche Freundschaft für Else empfand, ordnete nichts in dem kleinen Mädchenkreise an, ohne das Prinzeßchen um Rat zu fragen. So herrschte die größte Eintracht unter den jungen Mädchen, und Fräulein Reuter konnte mit Stolz und Freude auf ihre Zöglinge blicken.

Eins nur betrübte sie, und das war Elisabeths stille Trauer, die trotz der sie umgebenden Liebe nicht von ihr weichen wollte. Es konnte niemand begreifen, was dem Mädchen fehlte, denn allein der Kummer um den kranken Bruder konnte nicht solchen nachhaltigen Schatten auf ihr ganzes Leben werfen. Suse, obwohl sie ihrer Teilnahme nicht viel Ausdruck zu verleihen verstand, hatte wohl am meisten Verständnis für ihren Gram um den Bruder und sie schrieb ausführlich an Gerd über den Zustand des Kleinen. Dieser war Feuer und Flamme für den Gegenstand – wie Suse ganz richtig erwartet hatte – und wollte so viele Einzelheiten über den Patienten wissen, daß sie ihn an die Eltern des Kindes verwies. Gerd stand nun mit Müller Ehrhard in Briefwechsel, und das letzte Ergebnis desselben war, daß der junge Mann geschrieben hatte, er lerne jetzt Massage, um im Sommer damit einen Versuch bei dem Kranken anzustellen, da die Professoren einstimmig erklärten, daß dies ihrer Meinung nach das einzige Mittel sei, die gelähmten Körperteile zur Thätigkeit anzuregen.

Suse war stolz auf den Bruder, er entsprach ganz ihren Erwartungen, und mit großer Spannung sahen alle dem Eintreffen des jungen Studenten entgegen. Elisabeth regte der Gedanke, daß dem Brüderchen vielleicht geholfen werden könne, unendlich auf, und die Freundinnen vermieden soviel wie möglich darüber zu sprechen.

Es war jetzt Mitte Mai, und die jungen Mädchen zählten schon die Tage bis zur Ankunft von Elses Mutter, die auf Ende des Monats festgesetzt war. Else hatte in deren Auftrag die alte Wohnung im Nachbarhause wieder gemietet, und die Mädchen machten großartige Pläne zum Empfang der Geheimrätin und der alten Dore, die ihre Herrin selbstredend begleitete.

Else war überglücklich und konnte die Zeit nicht erwarten, bis die geliebte Mutter eintraf. Wie wollte sie diese während ihrer freien Zeit pflegen und aufheitern, wie sie lieben und für sie sorgen, o, ihr Mütterchen sollte es gewahr werden, was es heißt, eine liebevolle, gute Tochter zu besitzen. Die Freundinnen freuten sich mit ihr und jede hatte eine Kleinigkeit gearbeitet, um die Geheimrätin zu überraschen.

Eines Tages kamen die jungen Mädchen von einem Spaziergange mit Pastor Winter heim und gingen fröhlich plaudernd in ihre Stuben hinauf, um abzulegen. Nach einer Weile trat Sophie in Wallys Zimmer und beschied sie zu Fräulein Reuter.

Die Kleine sah sehr erstaunt aus und stürmte in das Nebenzimmer. »Denkt nur, Kinder, ich soll sofort zu Tantchen kommen, was ich wohl soll?«

»Nicht daß ich wüßte, aber alte Menschen sehen alles mit andern Augen an als junge.«

Sie eilte die Treppe hinab und in das Zimmer der alten Dame. »Herzenstantchen, was soll ich? Etwa eine Strafpredigt haben, weil ich Pohl heute morgen geneckt oder weil ich dem Kater eine Windmühle von Papier an den Schwanz gebunden habe? O, du hättest nur das Gesicht von Murr-Murr sehen sollen, als das Ding beim Laufen zu schnurren anfing, es war ein herrlicher Spaß.« Sie lachte in der Erinnerung hell auf und schlang die Arme um den Nacken der alten Dame. »Du siehst mich so traurig an, Tantchen, als wärest du wirklich böse. Ach, bitte, schilt mich nicht, mein Herz ist ja so froh.«

Fräulein Reuter strich zärtlich über das dunkle Haar. »Ich will dich auch nicht schelten, mein Liebling, ich habe dir aber eine Mitteilung ernster Art zu machen, Wally.«

»Ach,« sagte die Kleine mit großen Augen. »Ist es etwas Wichtiges, Tantchen? Am Ende gar ein Geheimnis?« Sie trug eilig einen Schemel herbei, setzte sich zu den Füßen der alten Dame und blickte schelmisch zu ihr auf. »Ich bin bereit, Tantchen, du siehst aber aus, als wolltest du mir eine ganz haarsträubende Eröffnung machen.«

Fräulein Reuter sah sie mitleidig an; wie schwer war es doch, diesem jungen, ahnungslosen Geschöpf von Krankheit und Tod zu sprechen. »Wally,« sagte sie bewegt, »du hast bisher nur des Lebens Freude und Glück kennen gelernt, wirst du stille halten können, wenn Gott dir eine Prüfung schickt?«

Die Kleine riß die leuchtenden Augen in grenzenlosem Staunen auf: »Tantchen, was meinst du?«

»Der liebe Gott schickt uns oft eine schwere Krankheit oder sonst ein Unglück, um uns zu prüfen, wie fest und treu wir in seiner Liebe sind und wohl uns, wenn wir uns dann bewähren. Ich hoffe, meine Wally, daß auch du dich bewährst.«

Ein unsagbar banges Gefühl beschlich das junge, frohe Herz, ängstlich sah das junge Mädchen die geliebte Lehrerin an.

»Ich habe soeben einen Brief erhalten, Wally –«

Ein Schrei unterbrach sie. Die Kleine sprang auf und rief schreckensbleich: »Papa, – um Gottes willen, Tante, ist Papa krank?«

»Ja, Wally, er ist krank.«

»Er ist tot,« rief sie schmerzlich.

»Nein, mein Liebling, Gott sei gelobt, noch lebt er, und wir wollen Gott um Erhaltung seines teuren Lebens bitten.«

Wally starrte sie an, als könne sie das Unfaßliche nicht glauben. »Mein Papa,« stammelte sie, »mein einzig lieber Papa. Tante, ich muß zu ihm, heute noch, sofort.«

»Nein, Wally, Mama schreibt ausdrücklich, daß Papa dein Hierbleiben wünscht.«

»Ich ertrag es nicht, nein ich ertrag es nicht,« rief sie und in leidenschaftliche Thränen ausbrechend, sank sie Fräulein Reuter in die Arme. »Mein Papa, mein einziger Papa, er darf nicht sterben – o Tante sag, muß er sterben?«

»Gott wird barmherzig sein, mein Liebling, bete nur.«

Das Kind stöhnte und schmiegte sich an die treue Brust; es war der erste Schmerz ihres jungen Lebens und er faßte sie mit voller Gewalt. »Was fehlt Papa?« flüsterte sie.

»Er ist gestürzt und hat eine Kopfwunde und eine Gehirnerschütterung davongetragen.«

»Und sie fürchten, daß – daß –« sie schauderte und preßte die Hände auf das wild klopfende Herz.

»Noch ist Hoffnung, mein liebes Kind.«

Wally sprang auf. »Und ich soll nicht zu ihm – zu meinem lieben, vergötterten Papa, Tantchen?« Sie sank auf die Knie und hob die Hände flehend empor; »ich will mäuschenstill sein, ich will nicht jammern, nicht weinen, ich will ja nur bei ihm sitzen und ihn ansehen, nur laß mich heim.«

Fräulein Reuter traten Thränen in die Augen, als sie das verzweifelte junge Geschöpf in die Arme schloß. »Ich darf es nicht, Wally, Gott allein weiß, wie schwer es mir wird. Ich kann nur mit dir weinen und beten, mein Liebling.«

»Tante, wenn Papa stirbt, will ich auch sterben,« schrie sie auf, »ich ertrage ein Leben ohne ihn nicht.«

»Still, Kind, still, so darfst du nicht sprechen.«

»O Tante, Gott ist gewiß barmherzig, nicht wahr, Tante, er ist barmherzig?«

»Und von großer Güte, mein teures Kind. Er legt seinen schwachen Menschenkindern nicht mehr auf, als sie zu tragen im stande sind.«

Der junge, zitternde Körper schmiegte sich fester an sie, das dunkle Köpfchen sank tiefer und tiefer. »Ach Tante, hilf auch du mir, hilf mir,« flehte sie, und die alte Dame sprach Worte des Trostes und der Erhebung und brachte die junge Seele zur Ruhe.

Vollständig erschöpft ruhte Wally am Abend auf dem Sofa, und geräuschlos gingen Fräulein Reuter und die jungen Mädchen hin und her, den blassen stillen Liebling zu pflegen und zu trösten. Sie nahmen ohne Ausnahme den innigsten Anteil an Wallys Kummer, denn sie verehrten den Grafen sämtlich. Am nächsten Tage nahm Wally zwar an den Unterrichtsstunden teil, das heißt, sie saß in der Klasse, ihr Geist aber weilte am Lager des kranken, vielleicht sterbenden Vaters.

Gegen Mittag traf eine Depesche ein, mit nur einem Wort: »Hoffnungslos.« Wally brach fast zusammen. »Ich will Gott über alles lieben, wenn er mir Papa läßt, nimmt er ihn mir aber, so kann ich nicht an seine Vatergüte glauben,« rief sie in wilder Verzweiflung.

Pastor Winter sprach liebreich mit ihr, und sie lag nachher lange auf den Knien und war ruhiger und gefaßter. Am Abend kam die Nachricht: »Unverändert.« So lebte der Teure also noch, hatte er aber denn gar keine Sehnsucht, seinen Liebling zu sehen?

Wally war nicht im stande, diese Nacht zu schlafen, sie wanderte im Zimmer umher, und nur Marias Schmeichelei und Evas Energie gelang es, sie in das Bett zu bringen.

Am frühen Morgen waren alle im Wohnzimmer versammelt, als sie den Depeschenträger kommen sahen. Welche Nachricht brachte er? Wally wollte ihm entgegeneilen, wäre aber niedergesunken, hätte Eva sie nicht aufgefangen. Fräulein Reuter öffnete die Depesche mit bebender Hand und las: »Das Fieber läßt nach, der Arzt giebt leise Hoffnung.«

O welch ein Augenblick seligster Freude. Wie ein Erlösungsschrei rang es sich von Wallys Lippen, als sie in Fräulein Reuters Arme stürzte, dann brach sie ohnmächtig zusammen. Die Angst und Aufregung der letzten Tage waren zu viel für den zarten Körper gewesen, nun die Spannung einigermaßen nachließ, verließ ihn auch die Kraft. Wally verbrachte den ganzen Tag auf Fräulein Reuters Sofa, von liebender Sorgfalt umgeben. Ein demütig weicher Ausdruck lag auf dem blassen Gesichtchen und sie flüsterte jedem zu, der zu ihr trat: »Nicht wahr, du glaubst nun auch, daß mein einziger Papa wieder besser wird?«

Und in der That, die Berichte über des Grafen Zustand lauteten nun täglich günstiger, und bald schrieb die Gräfin lange Briefe vom Krankenlager ihres Gatten an ihre ferne Tochter. Wally küßte unter Thränen die Worte, die der teure Vater ihr sagen ließ; wie einen Schatz hütete Wally diese Briefe und las sie so oft, daß sie den Inhalt auswendig wußte.

Sie war jetzt wieder das alte Komteßchen, und nur die ihr Näherstehenden merkten, daß in ihrem sorglosen Herzen eine Wandlung vorgegangen war. Sie sehnte sich unendlich danach, den geliebten Vater zu sehen, und die Gräfin teilte ihr auf diesen Wunsch mit, daß sie alle, auch Walter eingeschlossen, für den ganzen Sommer nach Teplitz gingen, sobald des Vaters Zustand es erlaube. Sie wollten dann einige Tage in Magdeburg bleiben und das Töchterchen dort begrüßen. Wally jubelte – wäre es doch erst so weit!

Vorläufig stand jetzt erst die Ankunft von Elses Mutter bevor, und die Mädchen schmückten deren Wohnung gar lieblich mit Blumen und Tannengrün, vergaßen auch nicht Dores Zimmer. Else wurde der Tag gar zu lang, sie sah wohl zwanzigmal nach der Uhr und atmete erleichtert auf, als es endlich so weit war.

Fräulein Reuter ließ sie mit einem Wagen zum Bahnhof fahren und gab ihr Pohl mit, das Gepäck zu besorgen. Gravitätisch schritt der Alte hinter ihr her, als sie ungeduldig auf dem Bahnhof auf und ab ging, und warf jedem männlichen Wesen, das sich einfallen ließ, seinen hübschen Schützling länger als nötig anzusehen, einen zornigen Blick zu. Elses Herz pochte gewaltig vor freudiger Erwartung, endlich fuhr der Zug durch den Tunnel, noch einen Augenblick, und sie konnte die geliebte Mutter in die Arme schließen. Glücklich, wer noch eine Mutter hat; Else hatte dies Glück nie tiefer empfunden als in dieser Stunde, und eine Thräne der Rührung und Freude stahl sich in ihr Auge, als sie nun das liebe blasse Antlitz sah.

»Mamachen, liebes Herzensmamachen, Gott sei dank, daß ich dich endlich wieder habe,« rief sie jubelnd und schloß die Mutter stürmisch in ihre Arme, dann aber umarmte und küßte sie in ihrer Herzensfreude Dore, zu deren unaussprechlicher Wonne und zu Pohls Entrüstung.

»Das wäre auch nicht nötig gewesen,« murrte er in sich hinein, »aber weiß Gott, die Fräuleins lernen es alle von unsrem Komteßchen, das ist mit allen Menschen gleich zu freundlich.« Aber trotz seines Unwillens verklärte sich sein altes Gesicht, als er an den sonnigen Liebling dachte, und eilfertig besorgte er das Gepäck.

Was hatten sich Mutter und Tochter nun alles zu erzählen; fürs erste konnten sie sich nicht satt sehen aneinander und die Geheimrätin meinte, ihre Tochter nie so blühend und frisch gesehen zu haben, und Dore setzte mit gerechtem Stolz hinzu, als sei es nur ihr Werk: »Unser Kind ist immer hübsch und reizend gewesen und in solchen Jahren nimmt so was nur zu.«

Else lachte heiter. »O Dore, das kann ja schließlich gefährlich werden.«

Die Geheimrätin war aufs freudigste überrascht, als sie ihre Wohnung betrat und die vielen Beweise von Freundschaft und Liebe fand, Dore aber war sichtlich gerührt, daß man auch ihrer gedacht hatte.

Else war für den ganzen Nachmittag frei, und Mutter und Tochter verbrachten ihn in traulichem Beisammensein.

Als die Geheimrätin sich gegen Abend etwas von den Anstrengungen der Reise erholt hatte, ging sie mit Else in die Nachbarvilla, um Fräulein Reuter und die jungen Mädchen zu begrüßen. Elisabeth hatte sich scheu zurückgezogen, Else aber holte sie herbei und führte sie ihrer Mutter mit den Worten zu: »Hier ist Elisabeth, Mama, meine liebe Freundin, von der ich dir geschrieben habe.«

Die Geheimrätin sagte ihr einige freundliche Worte, Liesel aber antwortete leise und befangen; ihre alte Schüchternheit Fremden gegenüber trat immer wieder hervor.

Es begann nun eine schöne Zeit für Else; war sie nachmittags mit ihren Arbeiten fertig, so durfte sie zur Mutter gehen, sehr häufig verbrachte die Geheimrätin den Abend auch bei Fräulein Reuter, wo sie sich sehr wohl fühlte. Mit stiller Freude beobachtete sie die Tochter und konnte Fräulein Reuter nicht genug für die Sorgfalt danken, die sie auf deren Erziehung verwandt hatte. Sie konnte kaum glauben, daß aus dem trotzigen, mürrischen Kinde ein so liebenswürdiges Mädchen geworden sei, und sie fürchtete immer, daß Else sich nur in der ersten Zeit ihres Zusammenseins beherrsche. Aber Else blieb sich stets gleich in der liebevollen Aufmerksamkeit gegen die Mutter, und als sie sogar eines Tages einen kleinen, längst geplanten Ausflug freiwillig aufgab, um bei der heute besonders leidenden Mutter zu bleiben, mußte diese wohl glauben, daß der Tochter Charakter geläutert und gebessert sei. –

Das liebliche Pfingstfest nahte heran, und Wally erwartete täglich die Nachricht, daß die Eltern in Magdeburg eingetroffen seien. Sie saßen eines Tages plaudernd mit Fräulein Reuter in der Veranda und sprachen über Christophs Schicksal. Der Aermste hatte noch immer keinen Verdienst gefunden, zu dem er tauglich war, und der Gedanke, den Seinen zur Last zu fallen, machte ihn still und traurig. Beim Beginn des Frühlings war Friedel mit den im Winter angefertigten Körben auf die Wanderung gegangen, sie zu verkaufen, hatte auch einen kleinen Erlös heimgebracht, der dem Haushalt wohl zu statten kam, aber immerhin war es kein Verdienst, der zur Ernährung der Familie ausreichte. Toni schaffte zwar das Nötigste, die Kinder wurden aber immer größer, ihre Bedürfnisse wuchsen, und es kam dazu, daß der Mann sich von dem schwachen Weibe nicht ernähren lassen mochte.

Unsre Freunde hatten schon viel mit Pastor Winter hin und her überlegt, aber sie konnten zu keinem Ergebnis kommen, wie dem Manne zu helfen sei. Bei dieser Frage waren die jungen Mädchen wieder angelangt und sprachen darüber.

»Christoph müßte einen Posten haben, der viel einbringt und wenig Arbeit macht,« meinte Wally.

Fräulein Reuter lächelte. »Solch ein Posten ist wohl schwer zu finden, liebes Kind, einen lahmen Menschen nimmt man nicht gern.«

»Mein Papa würde ihn sofort nehmen, wenn er hier in der Nähe wohnte,« rief Wally zuversichtlich.

Da knarrte die Gitterthür des Gartens und eine behäbige Gestalt mit rotem, freundlichem Gesicht trat ein. »Liesel, dein Papa,« rief Wally aufspringend, »er nimmt Christoph ganz gewiß auch, er hat ein furchtbar gutes Herz.«

Das Komteßchen flog die Stufen hinab und dem Müller entgegen.

»Sie kommen wie gerufen, Herr Ehrhard,« rief sie ihm zu, »können Sie nicht einen lahmen Mann in ihrer Mühle gebrauchen?«

Er sah belustigt auf sie nieder. »Haben Sie denn einen zu vergeben, Komteßchen?«

»Ja, und nicht wahr, Sie nehmen ihn? Er ist fleißig und treu, und Sie werden es gewiß nicht bereuen.«

»So weit sind wir doch noch nicht, Komteßchen, so ohne weiteres kann ich mich nicht verpflichten,« unterbrach er sie lächelnd, »wir wollen nachher weiter über die Sache reden, die Ihnen sehr am Herzen zu liegen scheint. Guten Tag, Liesel! Nun, wie geht dir's, Kleine? Wunderst dich wohl, den Papa so kurz vor den Ferien hier zu sehen?«

Er stieg zur Veranda empor, Fräulein Reuter und die jungen Mädchen zu begrüßen. »Ich komme im Auftrage meiner Frau mit einer Bitte,« sagte er, nachdem er sich gesetzt hatte. »Das Pfingstfest steht vor der Thür, da möchten wir Sie einladen, wertes Fräulein, dasselbe mit Ihren jungen Mädchen bei uns zu verbringen. Sie müssen sich doch alle überzeugen, daß Wallnitz im Sommer noch viel schöner ist als im Winter.«

»Sie sind sehr gütig, Herr Ehrhard, und ich danke Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin für Ihre Liebenswürdigkeit,« entgegnete Fräulein Reuter, »ich habe mich aber in letzter Zeit etwas angegriffen gefühlt, und da kann mich nur ganz ungestörte Ruhe wiederherstellen, die ich am besten im eigenen Heim finde. So muß ich für meine Person dankend verzichten, darf aber wohl für meine Nichten annehmen?«

Diese sagten freudig zu, und Wally rief bedauernd: »Wie schade, daß ich nicht mitfahren kann, ich reise nach Magdeburg, Papa und Mama zu sehen, wenn ich aber früher zurückkehre, komme ich noch nach.«

»Ich bin Sonnabend vor Pfingsten um 2 Uhr mit dem Wagen hier,« sagte Herr Ehrhard, »je mehr von meinen jungen Freundinnen dann mitkommen, desto besser. Und nun zu Ihrem lahmen Manne, Komteßchen, ich soll ihn also aufnehmen?«

Die jungen Mädchen lachten und sprachen so lebhaft durcheinander, daß Fräulein Reuter Einhalt gebot und sagte: »Wenn Herr Ehrhard euch verstehen soll, so muß eine reden; Eva, sprich du.«

Das geschah, und bald war der Müller in alle Einzelheiten des silbernen Kreuzbundes eingeweiht und kannte auch den Kummer, der noch auf den besonderen Schützlingen der jungen Genossinnen lastete.

Er schüttelte bedenklich das Haupt. »Mit einem lahmen Bein kann der Mann nicht viel leisten und in der Mühle ist er vollends nicht zu gebrauchen, da müssen sich die Leute alle schnell und gewandt drehen und wenden. Weshalb zupfst und trittst du mich denn, Lisi? Ach so, du willst mir einen Wink geben.«

Er lachte behaglich, während Lisel dunkel erglühte. »Laß gut sein, Kleine, brauchst darum nicht verlegen zu werden. Also ich soll ihn nehmen – hm – was fang' ich nur mit ihm an? Im Garten ist er auch nicht zu gebrauchen und im Walde – halt, da fällt mir ein, daß mein alter Waldaufseher vorige Woche gestorben ist und ich noch keinen passenden Ersatz für ihn habe, das wäre am Ende etwas für den lahmen Christoph.«

Die Mädchen jubelten laut, der Müller aber wehrte ihren stürmischen Dank ab. »Nur nicht zu früh gefreut, es ist ja noch nicht so weit. Kann er denn überhaupt ein Stündchen gehen?«

»O, er hat sich seit dem Frühling so geübt, daß er zur Stadt hin und zurück geht, ohne Ermüdung zu fühlen,« versicherte Eva eifrig.

»Nun, wir wollen sehen, will mir die Sache daheim überlegen,« versprach Herr Ehrhard und erhob sich, da er noch einige Besorgungen in der Stadt hatte. Er bat Elisabeth für einige Stunden frei und entfernte sich mit ihr.

Freitag vor dem Feste erschien eine Kammerzofe der Gräfin Thalenhorst, um das Komteßchen nach Magdeburg zu geleiten. Voll jubelnder Freude folgte sie und begriff jetzt selbst nicht, wie sie es so lange ausgehalten hatte, ohne die geliebten Eltern zu sehen.

Am Sonnabend kam Herr Ehrhard, seine jungen Gäste zu holen. Die Geheimrätin befand sich verhältnismäßig gut und wünschte sehr, daß ihre Tochter die Einladung annehme, und da Fräulein Reuter auch zuriet und versprach, ihrer Mutter nach Kräften die Zeit zu vertreiben, gab Else nach.

»Wir beiden Alten wollen uns schon einrichten, liebe Else,« sagte sie, »du kannst ohne Sorge mitfahren.«

Suse hatte ebenfalls allerlei Bedenken, die Mutter redete sie ihr jedoch aus und behauptete, ganz gut acht Tage ohne ihre Hilfe fertig werden zu können. »Wie hübsch wird es auch für dich sein, eine so große Wirtschaft kennen zu lernen,« sagte sie, »du wirst da gewiß manches sehen und hören, was wir später wieder verwerten können.«

Das siegte über Suses Bedenken, und munter bestieg sie mit den Freundinnen den Wagen, und fröhlich fuhren sie in den sonnenhellen Sommertag hinein.

Die Mutter hatte recht, der große Haushalt bot für Suse viel des Interessanten, und des Morgens, während die andern jungen Mädchen über die Berge streiften, war sie mit in der Wirtschaft thätig; insbesondere interessierte sie die große Milchwirtschaft, das Buttern und die Zubereitung des vortrefflichen Käses. Frau Ehrhard, die großes Gefallen an dem Mädchen fand, weihte sie in manches kleine Küchengeheimnis ein, und Suse versicherte den Freundinnen lachend, wenn diese sie ob ihrer Wirtschaftsmanie neckten, daß sie reich an Kenntnissen nach Hause zurückkehren werde, und daß dieselben sie sicher nicht necken würden, wenn sie ihnen in Zukunft allerlei prächtige Dinge vorsetze.

Der lahme Christoph war wirklich zu aller Freude in Herrn Ehrhards Dienste getreten und hatte auf die Ordnung in dessen nicht zu ausgedehntem Waldgebiet zu sehen. Er ging täglich eine gewisse Strecke ab, paßte auf, daß keine Baumwurzeln die Wege versperrten, und beaufsichtigte die Holzfäller. Er fuhr täglich früh mit dem Arbeiterzuge nach Lautenthal und kehrte abends auf dieselbe Weise heim. Dieser Posten war natürlich nur für den Sommer, im Winter mußte er zu seiner Korbflechterei zurückkehren, er dankte aber dem guten Müller von ganzem Herzen, daß er ihm eine Beschäftigung zugewiesen hatte, durch die er sich nützlich machen und zu der Ernährung seiner Familie beitragen konnte.

Das Ehrhardsche Ehepaar machte mit seinen jungen Gästen mehrere größere Ausflüge in die Umgegend, und im Fluge verging die schöne Ferienzeit. Elisabeth behielt auch in diesen Tagen ihr stilles, gedrücktes Wesen, und den Freundinnen fiel es auf, daß sie der Stiefmutter auswich, so viel sie konnte. Keine begriff es, denn die Mädchen hatten die ernste Frau schätzen gelernt und waren fest überzeugt, daß diese ihr wissentlich kein Unrecht zufügen würde. Liesel beschäftigte sich viel mit dem kranken Bruder, konnte aber oft mitten unter dessen Liebkosungen aufspringen und aus dem Zimmer stürzen; erschien sie dann wieder, war es stets mit verweinten Augen.

»Es wäre ein wahrer Segen, auch für das Mädel, wenn das Kind besser würde,« sagte ihr Vater einst seufzend zu seinen jungen Gästen, »eher wird meine Lisi auch nicht wieder froh. Sie hat's von ihrer Mutter, die konnte auch kein Leid sehen.«

Die Mädchen bedauerten es aufrichtig, als die schönen Ferien zu Ende waren, und sie das freundliche Müllerhaus verlassen mußten. Frau Ehrhard packte einen Korb mit allerlei schönen Sachen für Fräulein Reuter und einen zweiten für Suse, die ihn strahlenden Auges in Empfang nahm.

»Ihre Frau Mutter muß doch sehen, was Sie alles bei mir gelernt haben, Susanne,« sagte sie lächelnd. »Ich werde meine kleine Stütze recht entbehren.«

Susanna errötete vor Vergnügen, und als sie daheim mit ihren Schätzen ankam, wurde die süße Butter und der vorzügliche Käse nach Gebühr gelobt. Wally war tags zuvor zurückgekehrt und empfing die Freundinnen jubelnd; sie konnte nicht genug von den wonnigen Tagen in Magdeburg erzählen. Sie hatte den Vater zwar blaß und angegriffen gefunden, im übrigen aber heiter, und der Arzt hoffte auf gänzliche Genesung in dem schönen Teplitz, wohin auch Wally in den großen Ferien kommen sollte.

Die Geheimrätin fing an sich zu erholen und begleitete Fräulein Reuter und die jungen Mädchen auf kürzeren Spaziergängen, für Else stets eine große Freude.

Als sie eines Tages heimkehrten, fand Maria einen Brief aus der Heimat vor. Erschrocken besah sie ihn. »O Eva, es wird doch niemand krank sein?« fragte sie, »Mama hat ja erst vorgestern geschrieben.«

»Er ist ja von Fritz, Baby, beruhige dich und öffne schnell, ich bin sehr neugierig, was der Junge will.«

Maria öffnete ihn, und beide Schwestern lasen und sahen sich dann fragend an.

»Was thun wir, Eva?«

»Wir tragen ihn den Mitgliedern des Bundes vor und halten dann großen Rat.«

»Ob Suse noch da ist?«

»Ja, Else wollte den deutschen Aufsatz noch einmal mit ihr durchnehmen, sie behauptet ja, ihn total vergessen zu haben.«

»Das sieht unsrem Küchengenie ähnlich,« sagte Eva lachend, »komm aber schnell, Mieze, ehe sie geht.«

Sie fanden Suse in Elses und Elisabeths Zimmer, zwischen beiden auf dem Sopha.

»Gott sei Dank,« rief sie und klappte ihr Buch zu, »nun habe ich doch eine Ahnung; wenn ich nur einsehen könnte, weshalb Vater uns mit so schweren Aufsätzen peinigt. Es kann uns im Grunde doch höchst gleichgültig sein, wie Schiller Maria Stuart aufgefaßt und idealisiert hat, oder wie wir sie aus der Geschichte kennen.«

»Aber Suse,« rief Eva eifrig, »diesen Vergleich zu ziehen, ist das interessanteste Thema zu einem Aufsatz.«

»Ach was,« entgegnete Suse wegwerfend, »wie kann uns eine Person interessieren, die schon mehrere Jahrhunderte tot ist.«

Eva war entrüstet. »Sind dir etwa auch Goethe und Schiller gleichgültig?«

»Na, ja, sie haben sich ja ganz hübsch auszudrücken gewußt –«

»Im übrigen sind sie aber auch nicht viel wert, nicht wahr, Suschen? Sie hätten sich viel verdienter um die Nachwelt gemacht, wenn sie Abhandlungen über die Gemüse- und Schweinchenzucht geschrieben hätten,« sagte Wally neckend.

Alle lachten und auch Eva stimmte ein. »An Suse ist Hopfen und Malz verloren,« sagte sie, »sie ist aller Empfänglichkeit für Poesie bar. Nun höre aber diese brüderliche Epistel; da wirst du sicher Rat wissen, du Inbegriff eines vortrefflichen Wirtschaftsgenies. Da Mieze, trag vor.«

»Thu du es lieber, Eva.«

»Auch gut. Hört also, was Bruder Fritz schreibt:

 

Hamburg, den 2. Januar 1868.

Liebe Mieze! Wenn Jungen an ihre Schwestern schreiben, so hat das stets einen triftigen Grund. Du brauchst aber nicht gleich zu erschrecken, Baby, und glauben, daß ich Dummheiten gemacht hätte und deiner sanften Fürsprache bedürfe, nein, im Gegenteil, ich – aber von mir wollte ich ja eigentlich nicht reden. Eine Bitte habe ich aber doch, und da ich nicht gut hinter dem Berg halten kann, will ich nur gleich damit herausrücken, nämlich, daß ich eure Hilfe brauche, die Hilfe des ganzen Bundes.

Es ist ja schäbig, wenn ein Junge Mädchen anbettelt, wenn aber ein Glied allein nichts mehr ausreichen kann, müssen die andern helfen, und der Dicke und ich wissen uns keinen Rat mehr.

Wir haben zufällig in einem Nebengäßchen unsrer Straße eine arme Schustersfamilie entdeckt, ich sage dir, Mieze, ist das ein Elend, dagegen war das in Grüneberg gar nichts. Ich will dir erzählen wie es kam.

Du weißt – nein du weißt es sicher nicht, daß man die versteckten Winkel aufsucht, wenn man etwas Unrechtes ausüben will, so ging es uns auch, Kon und mir. Schüttle nicht den Kopf über die Sünder, Mieze, wenn ich dir gestehe, daß wir diese einsame Gasse aufgesucht hatten, um uns dem verbotenen Genusse einer Zigarre ungestört hingeben zu können; hier waren wir sicher, nicht von unsrem Alten erwischt zu werden. Ich bitte dich, Mieze, Jungen, die Ostern konfirmiert werden wollen, müssen doch wissen, wie ein solcher Glimmstengel eigentlich schmeckt. Aufrichtig gesagt, kann ich das Rauchen gar nicht recht vertragen, und dem Dicken wird jedesmal ganz weh dabei, thut aber nichts, wir behaupten eine würdevolle Haltung, und wenn wir langsamen Schrittes mit eleganten Handbewegungen durch die Gassen schreiten, fühlen wir uns ganz wie Männer.

Als wir uns eines Nachmittags diesem zweifelhaften Vergnügen hingaben, bemerkten wir vor einer Kellerthür ein kleines Mädchen, das sich niedergehockt hatte und bitterlich weinte. Jedesmal, wenn wir vorübergingen, hob sie den Kopf und sah uns aus unheimlich großen Augen mit seltsamen Blicken an. Kon schien Verständnis dafür zu haben, denn als wir zum dritten Male vorübergingen, machte er die tiefsinnige Bemerkung: ›Das Kind wird nächstens am Hungertyphus sterben.‹ Ich sah ihn verblüfft an. ›Bist du nicht gescheit?‹ Er nahm jedoch in voller Seelenruhe seine beiden Nachmittagsbrötchen aus der Tasche und hielt sie dem Kinde hin. Mieze, ich vergesse nie das freudige Staunen, das Entzücken, das plötzlich aus dem blassen Gesicht leuchtete. Mit wilder Gier faßte die Kleine nach den Brötchen und biß hinein.

Als sie das eine halb verzehrt hatte, betrachtete sie den Rest nachdenklich und sagte: ›die Geschwister sind auch hungrig,‹ und lief der Kellertreppe zu. Warte, rief ich ihr nach und händigte ihr auch mein Brötchen aus.

Wir setzten unsern Spaziergang fort, ich muß aber gestehen, daß meine Zigarre mir nun gar keinen Genuß mehr bot, und am nächsten Nachmittage schlug ich Kon vor, wir wollten lieber, statt uns Zigarren zu besorgen, mit dem Gelde Brötchen für das Kind kaufen. Der Dicke war einverstanden, meinte aber, wir sollten lieber ein Brot einhandeln, das sei nahrhafter als Brötchen. Ich war's zufrieden und wir kauften ein Fünfzigpfennigbrot.

Als wir in unsre Gasse traten, saß die Kleine wieder auf ihrem Platze und sah uns erwartungsvoll an. So ohne Weiteres sollte sie aber ihr Brot nicht haben. ›Woher bist du so hungrig?‹ fragte Kon. ›Wir haben nichts zu essen.‹ Das war ein sehr triftiger Grund, ich fragte aber weiter: ›Verdient denn dein Vater nichts?‹ – ›Er ist schon lange krank und Mutter hat einen schlimmen Fuß.‹ – ›Was ist dein Vater denn?‹ – ›Schuster.‹

Kon und ich tauschten einen Blick, gaben dem Kinde das Brot und gingen nach Hause. Hier zogen wir Mama ins Vertrauen, und das Ergebnis war, daß alle reparaturbedürftigen Stiefel gesammelt und dem Manne geschickt wurden.

Das Mädchen lieferte eine solche Schilderung von dem dort herrschenden Elende, daß Mama abends selbst hinging und uns mitnahm. Mieze, das war furchtbar! Der Mann ruhte auf einem ärmlichen Strohlager – Betten haben die Armen schon lange nicht mehr – die Frau humpelte mit schlecht verbundenem Fuße umher, ein kleines Kind auf dem Arm, sechs andre hockten in dem feuchtkalten Raume. Ich bin kein weichlicher Junge, mir that aber das Herz weh. Der Mann ist schon viele Wochen am schleichenden Fieber krank: dasselbe ist nun zwar gewichen, er kann sich aber nicht erholen, da es ihm an kräftiger Nahrung fehlt. Du kannst dir wohl denken, Mieze, daß unsre Mutter für die Armen sorgte; die Familie ist aber groß und unsre guten Eltern sorgen schon für manchen Armen, und hier muß etwas Durchgreifendes geschehen. Der Mann ist nun soweit wiederhergestellt, daß er arbeiten kann, er hat aber kein Leder und das Geld zum Einkauf fehlt ihm, er meint, wenn er nur erst für zwanzig Mark kaufen könnte, so hätte er doch erst zu thun und verdiente etwas.

Du kannst dir wohl denken, Mieze, daß wir längst nicht mehr rauchen und unser Taschengeld für diesen Zweck sparen, das reicht ja aber lange nicht. Wir haben in der Schule auch eine kleine Sammlung veranstaltet; zuerst wollten die Jungen nichts davon hören, einige lachten uns aus, andre schimpften über die Bettelei, da hat ihnen aber der Dicke eine Rede gehalten! Höre, Mieze, ich glaube, er wird doch noch ein guter Pastor. Die meisten Jungen gaben denn auch fünf Pfennig, und wir haben schon fünf Mark zusammen. Du siehst, es reicht aber noch lange nicht, und so komm ich zu euch; vielleicht erlaubt euch eure Kasse einen kleinen Beitrag? Wally pflegt ja immer unmenschlich viel Geld zu haben, und eure dortigen Schützlinge bedürfen gewiß nicht mehr so dringend eurer Hilfe? Wir haben auch Hedwig für unsern Plan gewonnen. Sie war natürlich Feuer und Flamme und hat uns gestern drei Mark eingehändigt, die sie in ihrer Klasse zusammengebracht hat. Sie ist wirklich ein famoses kleines Frauenzimmer für ihre elf Jahre.

Nun adieu, liebe Mieze, rufe den hohen Rat zusammen, die Minerva wird schon etwas herausklügeln.

Grüße den ganzen Bund.

Dein Bruder Fritz.«

 

Eva sah mit leuchtenden Augen um sich, als sie das Schriftstück zusammenlegte. »Ich bin stolz auf die Jungen,« sagte sie.

»Das kannst du mit Recht sein,« pflichtete Suse bei, und Maria umfaßte sie in ihrer Herzensfreude, um sie zu küssen.

Wally zog ihre Börse hervor und schüttete den Inhalt auf den Tisch. »Das nennt der junge Mann nun unmenschlich viel Geld,« rief sie lachend und begann zu zählen, »sechs, sieben, acht ganze Mark. Wenn ich bedenke, daß ich davon ein hübsches Geburtstagsgeschenk für Mama arbeiten soll, ist es wahrlich nicht zu viel. So – teilen wir, vier Mark für Mamachen, vier Mark für den Schuster, mehr habe ich aber nicht.«

»Kannst du das aber auch entbehren, Wally?« fragte Eva.

»Ich denke, Tantchen wird mir schon raten, was ich für vier Mark einhandeln kann. Nun weiter in der Sammlung.«

Eva und Maria gaben zusammen drei Mark, Else zwei, Suse eine und alle sahen in einiger Verlegenheit auf Elisabeth.

Diese war heiß errötet. »Ich würde euch sehr dankbar sein, wenn ihr etwas von mir annehmen wolltet,« sagte sie, »ja, wollt ihr?«

Eva runzelte leicht die Stirn. »Es ist deine eigene Schuld, Elisabeth, daß du uns in diese Verlegenheit bringst, du könntest längst Mitglied unsres Bundes sein, wenn du dich nicht geweigert hättest. Willst du jetzt eintreten?«

Elisabeth schüttelte den Kopf und schob mit bittender Bewegung zwei Mark auf den Tisch.

»Dann können wir auch nichts von dir annehmen,« entschied Eva hart.

»O Eva,« bat Maria und legte die Hand auf der Schwester Arm, »ich meine, wir haben kein Recht, zurückzuweisen, was uns gerne für andre gegeben wird.«

»Dem armen Schuster ist's auch wirklich gleichgültig, aus wessen Tasche es geflossen ist,« setzte Suse hinzu.

»Das finde ich auch,« sagte Else, »je mehr wir zusammenbringen, desto besser ist es.«

»Und Liesels Geld ist ebenso gut wie das unsre,« rief Wally, »du bist überstimmt, Präsidentin, und mußt es annehmen.«

»Meinetwegen,« entgegnete diese, »ich kann aber nicht umhin, zu bemerken, daß ich Elisabeths Benehmen sehr sonderbar finde.«

»Quäle sie nicht,« bat Maria und strich sanft über Liesels gesenktes Köpfchen, »sie hat sicherlich gute Gründe für ihre Weigerung.«

»Und Müllerliesel tritt doch noch in unsern Bund,« rief Wally, »wir müssen es nur in Geduld abwarten. Nun laßt uns aber unsre Schätze zählen. O Kinder, es sind ja zwölf Mark, ein wahrer Reichtum.«

»Die Jungen hatten acht, da ist die Summe ja schon zusammen,« rief Eva befriedigt.

»Wißt ihr was, wir packen eine Futterkiste für die Leute,« schlug Suse vor, »Mutter giebt uns gewiß einiges von ihren Vorräten, und ich backe auf eigene Kosten ein recht großes, schönes Brot, das wird dann eine Freude wenn alles ankommt.«

Die Mädchen stimmten ihr fröhlich bei und Suse verabschiedete sich, um nach Hause zu gehen, die übrigen eilten, Fräulein Reuter in Kenntnis zu setzen. Diese versprach ebenfalls der Futterkiste zuzusteuern und gab den Mädchen drei Mark zu ihrer Sammlung. Else brachte am Abend auch noch drei Mark von ihrer Mutter, und sie warteten jetzt nur auf Suses Brot, um die Sendung abgehen zu lassen.

Am nächsten Mittag harrte der jungen Mädchen eine Ueberraschung. Christel erschien mit einem verdeckten Körbchen, machte verschämt einen Knix und sagte: »Mutter läßt die Fräulein schön grüßen, und die Fräulein möchten es nicht übelnehmen, aber Mutter möchte ihnen doch so gern auch mal eine Freude machen.« Damit deckte sie den Korb auf, und auf Tannengrün lagen sechzehn schneeweiße kleine Eier. »Das sind die ersten von unsern Kücken,« sagte sie mit gerechtem Stolze, »und Mutter meinte, die Fräulein müßten sie haben, weil die jungen Herren uns doch die Tiere schenkten.«

Die Mädchen dankten erfreut und Christel kehrte hochbefriedigt heim.

»Wie reizend von der Trine,« rief Wally, »aber eigentlich –« sie schwieg und die Mädchen sahen sich der Reihe nach an, und jede las aus der Miene der andern die eigenen Gedanken.

»Dürfen wir mit den Eiern thun, was wir wollen, Tantchen?« fragte Eva.

»Gewiß Kind, sie sind ja euer Eigentum.«

»So schicken wir sie unsern Jungen, sie haben wirklich mehr Anrecht daran, als wir.«

Nachmittags wurde unter großem Vergnügen die Kiste gepackt und fortgesandt, und die Fragen: »Was werden die Jungen sagen? Wie werden sie staunen?« wurden zehnmal des Tages erörtert.

Sie sollten nicht lange in Ungewißheit bleiben, schon nach zwei Tagen traf ein Brief von Fritz ein.

»An den silbernen Kreuzbund. Adresse: Fräulein Reuter, Wildemann, Oberharz.« Lachend wurde er geöffnet und Eva trug vor:

»Ihr seid herrliche Mädels, allesamt. Das Glück, welches ihr gestiftet habt, ist nicht zu beschreiben, es sind Freudenthränen geflossen, und Gottes reichster Segen ist über eure Häupter herabgefleht. Meister Ammer hat Leder eingekauft und seine Augen leuchten bei der Arbeit. Die Kinder hungern nicht mehr, der gesandte Vorrat reicht für eine Weile, und dann hat die Arbeit schon etwas Geld geschafft. Der Dicke und ich werden bei jeder passenden Gelegenheit den Ruhm eures Geschlechtes singen.

Vivat hoch, der silberne Kreuzbund soll leben, grünen und gedeihen! Fritz.«

»Ein wundervolles Schriftstück,« rief Wally, und nun wollte jede den Brief noch einmal selbst lesen und die Ankunft der Kiste und die Freude der Familie wurde in lebhaften Farben ausgemalt.

Elisabeth war während des Lesens leise aus dem Zimmer geschlüpft, jetzt erst fiel es den Mädchen auf.

»Wo ist Liesel?«

»Natürlich wieder davongelaufen,« sagte Eva ärgerlich, »sie ist auch schon zu langweilig. Ich habe ihr anfangs viele Teilnahme und Freundschaft entgegengebracht, es geht mir aber wohl wie ihrer Stiefmutter, ihr sentimentales Wesen stößt mich ab, ich habe dafür gar kein Verständnis und begreife vollkommen, daß das Verhältnis mit ihrer Mutter nicht besser ist. Elisabeth reizt mit ihrem Wesen meine Geduld dermaßen, daß es meiner ganzen Selbstbeherrschung bedarf, um nicht garstig gegen sie zu sein.«

»Es freut mich, daß du dich wenigstens soweit beherrschest, mein liebes Kind,« ließ sich Fräulein Reuters Stimme vernehmen, die unbemerkt ins Zimmer getreten war. »Es würde mir sehr schmerzlich sein, wenn eine von euch das Mädchen schlecht oder unfreundlich behandelte.«

»Tante, weißt du, was ihr fehlt?«

»Nein, ich vermute es aber und kann euch nur sagen, daß ihr alle Ursache habt, Elisabeth von ganzem Herzen zu beklagen.«

»O Tante, hat sie etwas Furchtbares gethan?«

»Frage mich nicht, Wally, ihr werdet es mit der Zeit erfahren; du aber, liebe Eva, würdest gut thun, dich in der Geduld zu üben, besonders Charakteren gegenüber, die dir nicht sympathisch sind; man läßt sich ihnen gegenüber sonst leicht Ungerechtigkeiten zu Schulden kommen.«

»Verzeih mir meine Worte, liebe Tante; nun ich weiß, daß Elisabeth wirklich unglücklich ist, will ich gewiß geduldig und freundlich gegen sie sein.«

»Nun du es weißt? Eva, hüte dich. Fragt der Herr, ob wir sündigen Menschen seiner Gnade, seiner Freundlichkeit und Geduld wert sind? und er schenkt sie uns doch täglich aufs neue. Vergiß der Liebe nicht, Eva, du hast sie in deinem künftigen Berufe besonders nötig. Ohne Liebe kannst du nicht den guten Samen in die Kinderherzen streuen, noch ihn zur herrlichen Entfaltung bringen. Glaubst du, daß du immer nur mit Charakteren zu thun haben wirst, die dir sympathisch sind, oder die sich dir unterordnen? Da gilt es abermals der Liebe und vieler Liebe und Geduld, um sie auf den rechten Weg zu führen; aber wie herrlich ist auch unser Lohn, wenn es uns gelingt.«

Hier nahte sich Else der alten Dame und führte deren Hand mit dankbarer Bewegung an die Lippen.

Fräulein Reuter zog sie in ihre Arme und fragte gütig: »Nicht wahr, wir verstehen uns jetzt und wissen, daß die Liebe das Höchste ist?«

»Ja, Fräulein Reuter, ich kann Ihnen niemals genug für alle Liebe und Geduld danken, die Sie mit mir gehabt haben.«

»Verzeih mir, liebe Tante,« bat Eva, »ich will deine Worte beherzigen und versuchen, sie auch auszuführen.«

»Ja Kinder, ihr könnt euren schönen Spruch nicht genug vor Augen und im Herzen haben.«

»Ach, Engelstantchen,« rief Wally mit tiefem Atemzuge, »ich möchte es allen Backfischlein gönnen, daß sie von dir erzogen würden; die Jünglinge Deutschlands hätten dann wahrhaft Ursache, unser Geschlecht zu verherrlichen.«

Eva war inzwischen aus dem Zimmer geeilt, die Treppe hinauf zu Elisabeth. Diese saß auf dem Sofa, den Kopf in die Hand gestützt und blickte trübselig in den goldenen Sonnenschein. Bei Evas Eintritt fuhr sie erschrocken zusammen und sah sie ängstlich an. Eva setzte sich zu ihr, legte den Arm um sie und sagte herzlich: »Du bist so schnell fortgegangen, Liesel, daß du das Ende des Briefes gewiß nicht gehört hast, und er betrifft dich doch so gut wie uns. Hör nur.« Und sie las den Brief vor und sprach eine Weile mit Elisabeth darüber, dann sagte sie: »Ich bin oft in letzter Zeit gar nicht nett gegen dich gewesen, Lisa, sei mir nicht böse, ich bin oft ein bischen rasch und hastig, will dir aber so gern eine gute Freundin sein. Und nun komm, wir wollen uns die Kunstgeschichte für morgen überhören.«


 << zurück weiter >>