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Um uns über den Begriff der Methode und des Methodismus, welche im Kriege eine so große Rolle spielen, deutlich zu erklären, müssen wir uns erlauben, einen flüchtigen Blick auf die logische Hierarchie zu werfen, durch welche wie durch konstituierte Behörden die Welt des Handelns beherrscht wird.
Gesetz, der allgemeinste, für Erkennen und Handeln gleich richtige Begriff, hat in seiner Wortbedeutung offenbar etwas Subjektives und Willkürliches und drückt doch gerade dasjenige aus, wovon wir und die Dinge außer uns abhängig sind. Gesetz als ein Gegenstand der Erkenntnis ist das Verhältnis der Dinge und ihrer Wirkungen zueinander; als Gegenstand des Willens ist es eine Bestimmung des Handelns und dann gleichbedeutend mit Gebot und Verbot.
Grundsatz ist gleichfalls ein solches Gesetz für das Handeln, aber nicht in seiner formellen definitiven Bedeutung, sondern es ist nur der Geist und der Sinn des Gesetzes, um da, wo die Mannigfaltigkeit der wirklichen Welt sich nicht unter die definitive Form eines Gesetzes fassen läßt, dem Urteil mehr Freiheit in der Anwendung zu lassen. Da das Urteil die Fälle, wo der Grundsatz nicht anzuwenden ist, bei sich selbst motivieren muß, so wird er dadurch ein eigentlicher Anhalt oder Leitstern für den Handelnden.
Der Grundsatz ist objektiv, wenn er das Ergebnis objektiver Wahrheit und folglich für alle Menschen gleich gültig ist; er ist subjektiv und wird dann gewöhnlich Maxime genannt, wenn sich subjektive Beziehungen in ihm finden, und er also nur für den, welcher ihn sich macht, einen gewissen Wert hat.
Regel wird häufig in dem Sinn von Gesetz genommen und ist dann mit Grundsatz gleichbedeutend, denn man sagt: keine Regel ohne Ausnahme; man sagt aber nicht: kein Gesetz ohne Ausnahme; ein Zeichen, daß man sich bei der Regel eine freiere Anwendung vorbehält.
In einer anderen Bedeutung wird Regel für Mittel gebraucht: eine tiefer liegende Wahrheit an einem einzelnen, näher liegenden Merkmal zu erkennen, um an dieses einzelne Merkmal das auf die ganze Wahrheit gehende Gesetz des Handelns zu knüpfen. Von der Art sind alle Spielregeln, alle abgekürzten Verfahrungsarten in der Mathematik usw.
Vorschriften und Anweisungen sind eine solche Bestimmung des Handelns, durch welche eine Menge kleiner, den Weg näher bezeichnender Umstände mit berührt werden, die für allgemeine Gesetze zu zahlreich und unbedeutend sein würden.
Endlich ist Methode, Verfahrungsart, ein unter mehreren möglichen ausgewähltes, immer wiederkehrendes Verfahren, und Methodismus, wenn statt allgemeiner Grundsätze oder individueller Vorschriften das Handeln durch Methoden bestimmt wird. Hierbei müssen notwendigerweise die unter eine solche Methode gestellten Fälle in ihren wesentlichen Stücken als gleich vorausgesetzt werden; da sie dies nicht alle sein können, so kommt es darauf an, daß es wenigstens so viele als möglich sind; mit anderen Worten: daß die Methode auf die wahrscheinlichsten Fälle berechnet sei. Der Methodismus ist also nicht auf bestimmte einzelne Prämissen, sondern auf die Durchschnittswahrscheinlichkeit der sich einander übertragenden Fälle gegründet und läuft darauf hinaus, eine Durchschnittswahrheit aufzustellen, deren beständige gleichförmige Anwendung bald etwas von der Natur einer mechanischen Fertigkeit bekommt, die zuletzt das Rechte fast ohne Bewußtsein tut.
Der Begriff des Gesetzes in Beziehung auf das Erkennen kann für die Kriegführung füglich entbehrt werden, weil die zusammengesetzten Erscheinungen des Krieges nicht so regelmäßig, und die regelmäßigen nicht so zusammengesetzt sind, um mit diesem Begriff viel weiter zu reichen als mit der einfachen Wahrheit. Wo aber die einfache Vorstellung und Rede hinreicht, wird die zusammengesetzte, potenzierte preziös und pedantisch. Den Begriff des Gesetzes in Beziehung auf das Handeln aber kann die Theorie der Kriegführung nicht gebrauchen, weil es in ihr bei dem Wechsel und der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen keine Bestimmung gibt, die allgemein genug wäre, um den Namen eines Gesetzes zu verdienen.
Grundsätze, Regeln, Vorschriften und Methoden aber sind für die Theorie der Kriegführung unentbehrliche Begriffe, insoweit sie zu positiven Lehren führt, weil in diesen die Wahrheit nur in solchen Kristallisationsformen anschießen kann.
Da die Taktik derjenige Teil der Kriegführung ist, in welchem die Theorie am meisten zur positiven Lehre gelangen kann, so werden jene Begriffe auch in ihr am häufigsten vorkommen.
Die Reiterei nicht ohne Not gegen Infanterie zu gebrauchen, die noch in Ordnung ist; die Schußwaffen nur zu brauchen, sobald sie anfangen, eine sichere Wirksamkeit zu haben; im Gefecht die Kräfte soviel als möglich für das Ende aufzusparen: sind taktische Grundsätze. Alle diese Bestimmungen lassen sich nicht absolut auf jeden Fall anwenden, aber sie müssen dem Handelnden gegenwärtig sein, um den Nutzen der in ihnen enthaltenen Wahrheit nicht zu verlieren, da wo sie gelten kann.
Wenn man aus den ungewöhnlichen Abkochen eines feindlichen Korps auf seinen Abmarsch schließt, wenn das absichtliche Freistellen der Truppen im Gefecht auf einen Scheinangriff deutet: so wird diese Art, die Wahrheit zu erkennen, eine Regel genannt, weil man aus einem einzelnen, sichtbaren Umstand auf die Absicht schließt, welcher derselbe angehört.
Wenn es eine Regel ist, den Feind, sobald er anfängt, im Gefecht seine Batterien abzufahren, mit erneuter Energie anzufallen: so wird an diese einzelne Erscheinung eine Bestimmung des Handelns geknüpft, welche auf den ganzen, dadurch erratenen Zustand des Gegners gerichtet ist, nämlich: daß er das Gefecht aufgeben will, seinen Abzug anfängt und während dieses Abzuges weder zum vollen Widerstand noch, wie auf dem Rückzug selbst, zum hinlänglichen Ausweichen geeignet ist.
Vorschriften und Methoden bringen die den Krieg vorbereitenden Theorien mit in die Kriegführung, insofern sie den ausgebildeten Streitkräften als tätige Prinzipe eingeimpft werden. Die sämtlichen Formations-, Übungs- und Felddienstreglements sind Vorschriften und Methoden; in den Übungsreglements herrscht die erstere, in den Felddienstreglements die letztere vor. An diese Dinge knüpft sich die eigentliche Kriegführung an, sie übernimmt sie also als gegebene Verfahrungsarten, und als solche müssen sie in der Theorie der Kriegführung vorkommen.
Für die in dem Gebrauch dieser Kräfte frei gebliebenen Tätigkeiten aber können Vorschriften, d. h. bestimmte Anweisungen, nicht vorkommen, eben weil sie den freien Gebrauch ausschließen. Methoden hingegen als eine allgemeine Ausführungsart vorkommender Aufgaben, die, wie wir gesagt haben, auf die Durchschnittswahrscheinlichkeit berechnet ist, als eine bis zur Anwendung durchgeführte Herrschaft der Grundsätze und Regeln, können allerdings in der Theorie der Kriegführung vorkommen, insofern sie nur nicht für etwas anderes ausgegeben werden als sie sind, nicht für absolute und notwendige Konstruktionen des Handelns (Systeme), sondern für die besten der allgemeinen Formen, welche an die Stelle der individuellen Entscheidung als kürzere Wege gesetzt und zur Zahl gestellt werden können.
Aber die häufige Anwendung der Methoden wird in der Kriegführung auch als höchst wesentlich und unvermeidlich erscheinen, wenn man bedenkt, wie vieles Handeln auf bloße Voraussetzungen oder in völliger Ungewißheit geschieht, weil der Feind verhindert, alle Umstände kennenzulernen, die auf unsere Anordnungen Einfluß haben, oder weil nicht Zeit dazu ist, so daß, wenn man diese Umstände auch wirklich kannte, es wegen der Weitläuftigkeit und zu großen Zusammensetzungen schon unmöglich sein würde, alle Anordnungen danach abzumessen, daß also unsere Einrichtungen immer auf eine gewisse Zahl von Möglichkeiten zugeschnitten sein müssen. Wenn man bedenkt, wie zahllos die kleinen Umstände sind, die einem individuellen Falle angehören, also mit berücksichtigt werden müßten, und daß es also kein anderes Mittel gibt, als sich die einen durch die anderen übertragen zu denken und nur auf das Allgemeine und Wahrscheinliche seine Anordnungen zu bauen; endlich, wenn man bedenkt, daß bei der nach unten hin in beschleunigter Progression zunehmenden Zahl der Führer der wahren Einsicht und dem ausgebildeten Urteil eines jeden um so weniger überlassen werden darf, je weiter das Handeln hinuntersteigt, und daß da, wo man keine anderen Einsichten voraussetzen darf als die, welche die Dienstvorschrift und Erfahrung gibt, man ihnen mit dem daran grenzenden Methodismus entgegenkommen muß. Dieser wird ihrem Urteil ein Anhalt und zugleich ein Hindernis für ausschweifende, ganz verkehrte Ansichten, die man in einem Gebiet vorzüglich zu fürchten hat, wo die Erfahrung so kostbar ist.
Außer dieser Unentbehrlichkeit des Methodismus müssen wir auch einen positiven Vorteil desselben anerkennen. Es wird nämlich durch die Übung seiner stets wiederkehrenden Formen Fertigkeit, Präzision und Sicherheit in der Führung der Truppen erreicht, welche die natürliche Friktion vermindert und die Maschine leichter gehen macht.
Die Methode wird also um so vielfältiger gebraucht, um so unentbehrlicher werden, je weiter die Tätigkeit hinuntersteigt, nach oben hin aber abnehmen, bis sie sich in den höchsten Stellen ganz verliert. Darum wird sie auch mehr in der Taktik als in der Strategie zu Hause sein.
Der Krieg in seinen höchsten Bestimmungen besteht nicht aus einer unendlichen Menge kleiner Ereignisse, die in ihren Verschiedenheiten sich übertragen, und die also durch eine bessere oder schlechtere Methode besser oder schlechter beherrscht würden, sondern aus einzelnen großen, entscheidenden, die individuell behandelt sein wollen. Er ist nicht ein Feld voll Halme, die man ohne Rücksicht auf die Gestalt der einzelnen mit einer besseren oder schlechteren Sense besser oder schlechter mäht, sondern es sind große Bäume, an welche die Axt mit Überlegung, nach Beschaffenheit und Richtung eines jedes einzelnen Stammes angelegt sein will.
Wie weit die Zulässigkeit des Methodismus in der kriegerischen Tätigkeit hinaufreicht, bestimmt sich natürlich nicht eigentlich nach den Stellen, sondern nach den Sachen, und es ist nur, weil die höchsten Stellen die umfassendsten Gegenstände der Tätigkeit haben, daß sie davon weniger berührt werden. Eine bleibende Schlachtordnung, eine bleibende Einrichtung der Avantgarden und Vorposten sind Methoden, wodurch der Feldherr nicht bloß seinen Untergebenen, sondern auch sich selbst für gewisse Fälle die Hände bindet. Freilich können sie seine Erfindungen und von ihm nach Umständen eingerichtet sein, sie können aber auch, insofern sie auf die allgemeinen Eigenschaften der Truppen und Waffen gegründet sind, ein Gegenstand der Theorie sein. Dagegen würde jede Methode, wodurch Kriegs- und Feldzugspläne bestimmt und wie von einer Maschine fertig geliefert würden, unbedingt verwerflich sein.
Solange es keine erträgliche Theorie, d. h. keine verständige Betrachtung über die Kriegführung gibt, muß der Methodismus auch in den höheren Tätigkeiten über die Gebühr um sich greifen, denn die Männer, welche diese Wirkungskreise ausfüllen, sind zum Teil nicht imstande gewesen, sich durch Studien und höhere Lebensverhältnisse auszubilden; in die unpraktischen und widerspruchsvollen Räsonnements der Theorien und Kritiken wissen sie sich nicht zu finden, ihr gesunder Menschenverstand stößt sie von sich, und sie bringen also keine andere Einsicht mit als die der Erfahrung; daher sie denn bei denjenigen Fällen, die einer freien, individuellen Behandlung fähig und bedürftig sind, auch gern die Mittel anwenden, die ihnen die Erfahrung gibt, d. h. eine Nachahmung der dem obersten Feldherrn eigentümlichen Verfahrungsweise, wodurch denn von selbst ein Methodismus entsteht. Wenn wir Friedrichs des Großen Generale immer mit der sogenannten schiefen Schlachtordnung auftreten, die französischen Revolutionsgenerale immer das Umfassen in lang ausgedehnten Schlachtlinien anwenden, die Bonapartischen Unterfeldherren aber mit der blutigen Energie konzentrischer Massen hineinstürmen sehen, so erkennen wir in der Wiederkehr des Verfahrens offenbar eine angenommene Methode und sehen also, daß der Methodismus bis zu den an das Höchste grenzenden Regionen hinaufreichen kann. Wird eine verbesserte Theorie das Studium der Kriegführung erleichtern, den Geist und das Urteil der Männer erziehen, die sich zu den höheren Stellen hinaufschwingen, so wird auch der Methodismus nicht mehr so weit hinaufreichen, und derjenige, welcher als unentbehrlich zu betrachten ist, wird dann wenigstens aus der Theorie selbst geschöpft werden und nicht aus bloßer Nachahmung entstehen. Wie vortrefflich auch ein großer Feldherr die Dinge macht, immer ist in der Art, wie er sie macht, etwas Subjektives, und hat er eine bestimmte Manier, so ist ein guter Teil seiner Individualität darin enthalten, die dann nicht immer mit der Individualität dessen stimmt, der diese Manier nachahmt.
Indessen wird es weder möglich noch recht sein, den subjektiven Methodismus oder die Manier ganz aus der Kriegführung zu verbannen, man muß ihn vielmehr als eine Äußerung desjenigen Einflusses betrachten, den die Gesamtindividualität eines Krieges auf seine einzelnen Erscheinungen hat, und dem, wenn die Theorie ihn nicht hat vorhersehen und in ihre Betrachtungen mit aufnehmen können, nur so Genüge geschehen kann. Was ist natürlicher, als daß der Revolutionskrieg seine eigentümliche Weise hatte, die Dinge zu machen, und welche Theorie hätte die Eigentümlichkeit mit aufzufassen vermocht? Das Übel ist nur, daß eine solche, aus dem einzelnen Fall hervorgehende Manier sich selbst leicht überlebt, weil sie bleibt, während die Umstände sich unvermerkt ändern; das ist es, was die Theorie durch eine lichte und verständige Kritik verhindern soll. Als im Jahre 1806 die preußischen Generale Prinz Louis bei Saalfeld, Tauentzien auf dem Dornberge bei Jena, Grawert vor und Rüchel hinter Kapellendorf, sämtlich mit der schiefen Schlachtordnung Friedrichs des Großen sich in den offnen Schlund des Verderbens warfen, war es nicht bloß eine Manier, die sich überlebt hatte, sondern die entschiedenste Geistesarmut, zu der je der Methodismus geführt hat, womit sie es zustande brachten, die Hohenlohische Armee zugrunde zu richten, wie nie eine Armee auf dem Schlachtfelde selbst zugrunde gerichtet worden ist.