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Etwa eine Woche vor dem Hochzeitstage kamen die Handwerksleute und meldeten, daß sie mit allem, was ihnen aufgetragen worden, fertig seien.
Also mußten nun die Möbel in die für uns bereitete Wohnung gebracht werden, und ich erbat mir deshalb von der Mutter die Erlaubnis, etliche Tage vom Geschäft wegbleiben zu dürfen. Da stieß ich zum erstenmal seit langem wieder auf heftigen Widerstand, und die Mutter begann zu fluchen und zu schelten und machte mir die gröbsten Vorwürfe, daß ich jetzt, wo ich endlich etwas taugte, heiratete.
»Und i leid's einfach net, daß d'gehst! Dös war dös rechte! I kannt mi dahoam darenna vor lauter Arbat und dö gnädi Fräuln laafat furt und tat d'Wohnung eirichtn. Sag's nur dö Haslerischen! Dö ham mehra Zeit wie mir; dö solln si um d'Wohnung kümmern! I muaß alles zahln, drum verlang i aa, daß d'dafür arbatst!«
Ratlos schlich ich davon und besorgte, es möchte der Tag meiner Hochzeit kommen und ich hätte nichts gerichtet, worin wir wohnen und schlafen könnten. In meiner Not ging ich zum Vater und bat ihn um seine Fürbitte, und nun konnte ich wenigstens für einen Tag Urlaub bekommen.
Ich ging also in aller Früh schon fort und trat bei dei Familie Hasler eben in dem Augenblick in die Stube, als der Benno seinen Hut vom Nagel nahm und in das Geschäft wollte. Als ich berichtete, wie schwer ich von zu Hause fortgekommen sei, meinte er: »Da muß i glei dahoam bleibn, daß ma heut no ferti wer'n; i möcht net habn, daß dei Mutter harb werd.«
Also blieb er bei mir, und wir begannen sogleich unsere Arbeit. Erst stellten wir alles das auf, was in die Schlafstube gehörte, wobei wir beinahe in Streit gekommen wären, da der Benno haben wollte, wir sollten die beiden Betten zusammenrücken, ich sie aber gern getrennt gehabt hätte. Doch gab ich endlich nach, nachdem mich mein Verlobter auf die Worte des Pfarrers: »Das Weib muß dem Mann gehorchen«, hingewiesen hatte.
Gegen Mittag hatten wir ein Zimmer fertig, und ich wollte nun nach Hause gehen zum Essen; doch gaben die alten Haslerleute keine Ruhe, bis ich blieb.
Nachmittags räumten wir dann die Wohnstube ein; doch kamen wir zu keinem Ende, da ein jedes die Dinge nach seinem Kopf gestellt haben wollte. Daher ließ ich den Benno bei seiner Arbeit allein und ging in die Küche, wo Geschirr und Bilder, Möbel und Nippsachen, Spiegel und Stellagen bunt durcheinander standen und lagen.
Nach wenig Stunden wurde es dunkel, und ich war noch nicht einmal zur Hälfte fertig mit meiner Arbeit. Da kam mit einemmal eine große Traurigkeit über mich, und ich setzte mich in einer Ecke auf einen kleinen Hocker und begann zu weinen. Die Unordnung ringsum bedrückte mich, und alles kam mir so fremd und unwirtlich vor und ich empfand plötzlich eine große Furcht vor dem Heiraten.
Während dem war es ganz finster geworden, und ich stand auf und ging in die Stube, wo ich den Benno gelassen hatte. Da war sie leer. Ich ging in das Schlafzimmer, doch auch da fand ich ihn nicht. Nun wollte ich hinuntergehen zu den Eltern Bennos; da fand ich die Wohnungstür verschlossen und war also eingesperrt. Ratlos stand ich da und wußte nicht, was ich beginnen sollte. Es fiel mir nicht ein, daß ich ja nur ein Fenster zu öffnen brauchte und auf die Straße zu rufen; vielmehr ging ich wieder zurück in die Schlafstube, legte mich auf ein Bett und weinte bitterlich. Da hörte ich aufsperren, und es kam der alte Hasler mit einem Licht und wollte unser Werk beschauen. Er erschrak gar sehr, als er mich so trostlos hier fand, und ich erfuhr nun, daß der Benno geglaubt habe, ich sei im Zorn fortgelaufen, und er hatte deshalb gar nicht weiter nach mir gesehen.
Als ich daher mit dem alten Hasler eine Weile später drunten in die Wohnstube trat, war große Freude über den guten Ausgang dieser Geschichte.
Spät abends brachte der Benno mich nachhause und bat die Mutter, sie möge mich doch noch einen oder zwei Tage fort lassen.
Mit süßsauerem Lächeln erwiderte sie: »Ja, ja, sie kann scho geh vo mir aus; jatz muß i mi alleweil scho dro g'wöhna, ohne Hilf z'sei. Dös is scho was alt's, daß d'Kinder, wann s'oan gnua kost' ham, davolaafn und heiratn!«
Wir bedankten uns für die Erlaubnis, und am andern Morgen machte ich mich wieder auf den Weg, ohne vorher etwas zu essen. Als ich daher von der Frau Hasler zum Kaffee geladen wurde, nahm ich dies gern an, sagte aber, daß ich mittags heim ginge; denn ich befürchtete, es möchte ihr zu viel werden.
Der Benno war schon in aller Früh zu seinem Herrn ins Geschäft gegangen, ihn um Urlaub zu bitten, bis wir eingerichtet wären. Nun kam er, und wir begannen wieder unsere Arbeit. Es ging uns jetzt alles gut von statten, da ich zu müde war, um noch länger zu streiten, und mir vorgenommen hatte, nach der Hochzeit doch alles so zu richten, wie es mir gefiel.
Am Mittag wollte ich dann heimgehen, vorher aber gab es noch ein kleines Unglück.
Mein Hochzeiter war über unsere Arbeit so erfreut, daß er mich mit einem Male um die Hüften faßte, mit mir in der Stube herumtanzte und am Ende mich in die Höhe hob und auf den Diwan fallen ließ. Ich hatte schon während des Aufhebens heftig gezappelt und kugelte nun beim Fallen vom Diwan herab und gerade hinein in einen schönen, großen Spiegel, den ich kurz zuvor darangelehnt hatte. Er ging in Scherben, und es kostete mich nicht geringe Mühe, aus dem Rahmen, in dem ich saß, herauszukommen. Die Holzwand war durchgebrochen und die beiden goldenen Amoretten, welche den Rahmen zierten, standen nun auf meinem Rücken und hielten mit Anmut das goldene Wappen. Der Benno war erst wie erstarrt; als ich aber unter großem Jammer begann, mich von der unbequemen Einrahmung zu befreien, brach er in so lautes Gelächter aus, daß ich in heftigsten Zorn geriet und schwur, ich würde ihm den ganzen Spiegel an den Kopf werfen, wenn ich nur erst heraußen wär. Zum Glück hatte ich keine Verletzung davongetragen, und als mir der Benno herausgeholten hatte und sich nun selbst hineinsetzte, um mir das komische Bild zu zeigen, da mußte auch ich lachen. Die alte Haslermutter freilich war sehr erschrocken, als sie's vernahm, und prophezeite uns, daß wir nun sieben Jahre kein Glück hätten, worüber ich wieder hellauf lachen mußte. Ob nicht doch ein Körnlein Wahrheit in dem Worte lag?
Mein Verlobter begleitete mich heim und trat gleich in das Gastzimmer, um rasch ein Glas Bier zu trinken; ich aber ging in die Küche. Als ich die Mutter grüßte, dankte sie mir nicht und fragte nur: »Was willst?«
Ich sagte, daß ich zwar zum Essen geladen worden wäre, es aber ausgeschlagen hätte. Da schrie sie: »Also was z'essen möchst! Sonst fallt dir nix ei! Dös war no dös schönere; den ganzn Tag rum z'vagiern und dahoam 's Essen z'verlangn! Nix da! Wannst net bei mir arbatst, hast aa nix z'fordern von mir. Laß di nur von dö Haslerischen fuattern!«
Ich gab ihr keine Antwort mehr darauf, sondern lief in die Gaststube und sagte mit vor Erregung heiserer Stimme zum Benno: »Komm, gehn ma! Rasch!«
Auf der Straße erst erzählte ich dem aufs höchste Erstaunten und Erbitterten den Vorfall.
Als wir nachher bei seinen Eltern zu Tisch saßen und ihnen berichtet hatten, wie es mir ergangen, da meinte der alte Hasler: »So was isch aber do scho ganz aus dr Weis'! Da mögscht ja glei e Narr wera! Was ha i dr g'sagt, Benno; da hascht es jetzt. I ha's ja allweil g'sagt: e Mädla aus'm Gaschtlokal isch e Stückle vom a Saustall! Jetzt ka'scht luadrige Tag grad gnua kriege. Am brävschte wär's halt, wenn d'heut auf d'Nacht hi'fahrn tätsch' und alls rückgängig mache!«
Da sprang der Benno auf und schrie überlaut: »So! Was fallt dir denn ei, Vater! Was kann denn 's Madl dafür, daß s' so a narrische Muatta hat! Naa, so viel Ehrenmann bin i allweil no, daß i woaß, was si g'hört! I heirat, und geht's wie's mag!«
Nun mischte sich auch die alte Mutter in das Gespräch: »Gar so unrecht kann i ja der Frau Zirngibl net gebn, Vater; du mußt allweil bedenkn, daß d'Leni ledi is!«
»Ja, ledig, dies isch scho recht; aber 's Fressa braucht ma au ein ledige Kind it vorz'werfe!«...
Mitten im Reden brach er ab und sah auf mich. Ich war völlig ohne alle Fassung dagesessen und große Tränen rannen mir über die Wangen; doch sagte ich kein Wort und stand nur nach einer Weile auf und ging wieder in mein werdendes Heim. Dort setzte ich mich neben dem zerbrochenen Spiegel auf einen Stuhl und bedachte zum erstenmal den Schritt, den ich mit meiner Heirat zu tun im Begriff stand. Ich sah jetzt ein, daß ich von den Schwiegereltern nicht viel Liebe zu erwarten hatte; daß mein Gatte heute für mich eintrat, gab mir nicht die sichere Gewähr, daß dies auch morgen noch geschehe; daß ich aber trotzdem nicht mehr zurücktreten durfte, wenn ich nicht der gröbsten Schmähungen von seiten meiner Mutter gewärtig sein wollte, stand fest bei mir. Es bedrückte mich zwar das rauhe Wesen meiner Mutter, doch mehr noch ängstigte mich das unbekannte und doch naheliegende Schicksal, das mich in meiner Ehe erwartete.
In dieser trüben Stimmung begab ich mich ins Schlafzimmern wo ein großes Bild der Mutter Gottes hing. Dort setzte ich mich auf den Rand eines Bettes und redete mit dem Bild: »Liabe Muatta Gottes, hilf mir do in dera Angst. Laß mi net z'grund geh; sag's dein Sohn, daß er's recht macht!«
Da tönte die Klingel der Haustür, und es kam mein Verlobter. Wir sprachen nichts mehr über das Vorgefallene und arbeiteten den ganzen Nachmittag fleißig. Abends gegen sechs Uhr wollte ich aufhören, doch hatte ich mir vorgenommen, nicht heimzugehen, sondern in einem der neuen Betten zu schlafen. Ich sagte dies dem Benno, und er meinte auch, daß es besser wäre, wenn ich heute nicht heimginge. Also bereitete ich mir noch eins der Betten für die Nacht. Als es nun so frisch gerichtet war, meinte mein Verlobter, ich sollte es doch einmal mit ihm probieren, wie sich's in den neuen Betten schlafe. Ich aber wies ihn streng zurecht und gab trotz der Versicherung, daß wir es ja leicht noch beichten könnten, nicht nach. Schmollend ging er hinaus und nahm mir meine Weigerung recht übel. Vielleicht trug er auch einen Groll gegen die kirchlichen Ehegesetze in sich, weil sie dem Mann nicht auch in diesem Fall die Durchsetzung seines Willens gestatteten.
Da ich befürchtete, er könne sein Begehren, wenn ich da schliefe, noch stürmischer wiederholen, so machte ich mich bald auf den Heimweg.
Als ich in die Küche trat, sagte mir unsere Magd, daß die Nähterin soeben mit der Mutter in der Wohnung droben sei; sie hätte das Brautkleid gebracht. Ich konnte aber keine Freude darüber empfinden, und nicht einmal die Erzählung des Mädchens, daß das Kleid eine lange Schleppe habe, bereitete mir Vergnügen. Mißmutig schnitt ich mir ein Stücklein Wurst ab und aß, ohne mich zu setzen.
Da kam die Schneiderin mit der Mutter herein und rief, als sie mich erblickte: »Ah, da is ja d'Fräuln Leni scho! Jetz kannt ma glei no schaun, ob's Brautkleid aa paßt!« Und ich mußte mit ihr in die Wohnung hinaufgehen und das Gewand anziehen. Es sah recht nobel aus, doch paßte es nicht gut und war der Kragen viel zu eng. Ich bat sie daher, das Kleid wieder mitzunehmen und zu richten, was sie auch tat.
Als ich nachher wieder hinunter kam, war der Benno gekommen und saß mit etlichen seiner Freunde in der Gaststube, gerade dem Fenster gegenüber, aus dem man die Speisen in die Stube langte. Er grüßte mich freundlich und winkte mir zu, aber ich ging nicht hinein, sondern setzte mich an die Anricht und begann für den kommenden Tag Gemüse zu putzen. Die Mutter saß nahe bei dem Ausgang, der in die Schenke führte, und hatte eine Zeitung in der Hand, doch las sie nichts und blickte von Zeit zu Zeit zornig auf mich. Mit einem Mal sprang sie auf und schrie mich an: »Du unverschämte Frauenzimmer, woaßt net, was si g'hört? Hast du koan Dank für dei Mutter? Moanst leicht, i war dir's schulde, daß i dir a seidas hab kaaft!«
Ich blickte sie erschrocken an und wollte eben erwidern, daß ich es ja noch gar nicht hätte, da fuhr die Mutter aufs neue heraus: »Umanander renna, d' Gnädige spieln und dabei d' Letschn hänga lassn, dös kann's; aber dir treib i's aus, du Herrgottsakramenter!« Und ehe ich mich versah, hatte sie den Schürhaken ergriffen und mir denselben etliche Male um die Schultern geschlagen.
Ich sprang auf und rief. »Aber Mutter! Denkn S' doch, daß i Braut bin!«
Da kam sie in eine furchtbare Wut; sie faßte mich an den Haaren und riß mich herum, gab mir etliche Ohrfeigen und stieß mich schließlich mit dem Schrei: »Geh nei zu dein Kerl, G'stell, verfluchte! Moanst vielleicht, i furcht mi vor dem Bürscherl!« in die Gaststube hinein.
Da sprang mein Verlobter auf, stürzte in die Küche hinaus und schrie: »Frau Zirngibl, dös is a Saustall, wie Sie mit meiner Braut umgehn! Schamen S' Eahna! Sie führn Eahna ja auf wie a Zigeunerin!«
Mein Vater hatte mich, als ich so in die Stube flog, sogleich beim Arm gefaßt und trat nun mit mir in die Küche, als eben der Benno so laut das Benehmen meiner Mutter geißelte. Und als die Mutter gerade wieder begann zu toben, rief der Vater dazwischen: »Was is denn dös für a Wirtschaft! Kannst di jatz du gar net a weng eischränka, Muatta?«
Der Benno aber fluchte und rief. »Dös war ma dös Rechte! Sofort muß ma d'Leni aus'm Haus! Koa Minutn laß i's mehr bei so ana Megärn! Dös war dö recht Zigeunerwirtschaft!«
Aber die Mutter fuhr ihn an: »'s Maul halten, Rotzlöffel! Dö bleibt ma da! Und wann's ma net paßt, na derf s' ma aa net heiratn! Dös kannt enk passen, scho vor der Trauung z'ammz'hocka in Konkubinat! Sie san a ganz a feiner, Sie Rotzer! Moanen S' vielleicht, i kriag koan andern Schwiegersohn mehr als Eahna? Da brennan S' Eahna! I ko mei Tochter gebn, wem i will, verstanden!«
In maßloser Wut hatte der Benno bei diesen Schmähungen gestampft und geflucht, jetzt aber faßte er mich rauh am Arm und schrie: »Marsch, du gehst ma sofort aus dem Haus, wannst willst, daß i di heirat!«
Da trat der Vater abermals dazwischen, drückte die Mutter auf einen Stuhl, schob den Benno in die Gaststube und schickte mich zu Bett; dazu sagte er bloß mit seltsam bewegter Stimme: »Bringt's mi do net um alles! Mei ganz' Renomee is beim Teufl durch enkern Saustall; seids g'scheit und hüt's enker Zung! Geh Benno, gib aa wieder an Fried!« Grollend ging der Benno wieder in die Stube, die Mutter machte einen kleinen Spaziergang in den Hof und ich ging zu Bett.
Am andern Tag schien alles wieder gut zu sein, und ich machte mich auf den Weg, meine Wohnung vollends zu richten.