Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Trotz der Verzögerung, welche durch die Verwundung des Lords verursacht wurde, und trotz der Schwierigkeit, den Weg nach dem Strande zu finden, wären die Flüchtlinge des fliegenden Wirtshauses sicherlich von der Polizei ergriffen worden, wenn nicht etwas dazwischen gekommen wäre, das nur ganz entfernt mit der großen Auseinandersetzung über Vegetarismus in Lord Ivywoods Hause in Zusammenhang stand. Der verhältnismäßig späte Schluß des Abends war in der Hauptsache verschuldet durch eine sehr lange Rede, die ein Sonderling hielt. Die meisten Zuhörer und nahezu alle Redner des Abends waren zwar in der einen oder andern Art Sonderlinge, indeß dieser Redner war ein Sonderling mit großem Vermögen und aus guter Familie, Parlamentsmitglied, Verwandter von Lady Enid, ziemlich bekannt als Kunstkenner und Gelehrter, kurz eine Persönlichkeit, die sich alles erlauben konnte.
Dorian Wimpole war zuerst berühmt geworden unter dem wunderlichen Namen des Vogeldichters. Ein Band Verse, der die verschiedenen Stimmen der Singvögel in seltsame Selbstgespräche von gefiederten Philosophen umzudeuten suchte, bewies ein beträchtliches Maß von Eigenheit und Formschönheit. Unglücklicherweise aber gehörte er zu denjenigen Menschen, welche geneigt sind, ihre eigenen Wunderlichkeiten ernst zu nehmen. So berechtigt auf der einen Seite seine Absonderlichkeit auch war, so lag darin doch ein zu geringes Maß von durchschlagendem Witz. Wenn er in seinen späteren Werken, z. B. in der »Engelfabel« zu beweisen versuchte, daß die Vögel in der Luft Geschöpfe höherer Ordnung seien als die Menschen oder die menschenähnlichen Tiere, so wurde seine Darstellungsweise als nüchtern empfunden. Und wenn er zu Lord Ivywoods Plane einer Friedensstadt den Vorschlag machte, daß die Häuser dieser Friedensstadt nach den höchsten Forderungen der Hygiene wie die Nester auf Bäumen gebaut werden sollten, so bedauerten doch sehr viele, daß er damit den Boden der Wirklichkeit verlassen habe. Aber wenn er sein eigenstes Gebiet überschritt und seine Dichtungen mit der vermuteten Psychologie des Zoologischen Gartens erfüllte, so wurde er geradezu dunkel, und sogar Lady Susanna bezeichnete diese Zeit als die ungünstigste seiner Entwickelung. Diese Dichtungen lasen sich auch um so unerfreulicher, als sie durchsetzt waren mit den imaginären Hymnen, Liebes- und Kriegsgesängen der niederen Tiere, es hätte zum wenigsten einiger Worte der Erklärung oder einer Einführung bedurft. Wenn ein Gedicht, das überschrieben ist »Verlassene Liebe« mit den Worten beginnt:
Hocherhobenen Hauptes,
Die Brust geschwellt von Stolz,
so wäre eine solche Huldigung an eine Dame nicht übel gewesen, aber wenn der Leser merkt, daß es sich um Kamele handelt, dann erscheint diese Entdeckung etwas befremdlich. Oder wenn ein Gedicht, »Die Demokratie auf dem Anmarsch« mit den Worten beginnt:
Kameraden, wir marschieren,
Wir nagen durch alle Türen,
so ist der Leser mit Recht im Zweifel, ob eine solche Betätigung für die Massen von Vorteil ist, bis er merkt, daß es sich um die Rede einer Ratte handelt, die ihre Artgenossinnen zur Rassengemeinsamkeit anfeuert. Lord Ivywood hätte beinahe Streit bekommen mit seinem dichtenden Vetter über den aufrührerischen Realismus der Verse mit der Überschrift »Ein Trinklied«, bis er dahin belehrt wurde, daß das Getränk reines Wasser war und daß die Saufgesellschaft aus einer Bisonherde bestand. Und in seinem Gedicht »Mutterschaft« hatte er einen jungen Skorpion ganz folgerichtig und überzeugend dargestellt, aber es war ihm nicht gelungen, ihn unseren Herzen näher zu bringen. Aber um ihm gerecht zu werden, muß man doch zugeben, daß er die schwierigsten Vorwürfe behandelte, die es gab, er behauptete sogar, daß es kein Geschöpf auf Erden gäbe, das der Mensch übersehen dürfe. –
Er war von demselben blonden Typus wie sein Vetter, mit schönem Haar und Schnurrbart und auch denselben hellen weltfernen Augen. Er war sehr gut gekleidet, wenn auch lässig gewählt, in einem braunen Samtjacket, sein Ring trug das Bild eines Tieres, das in Ägypten als göttliches verehrt wurde.
Seine Rede war wohlgesetzt aber ungeheuer lang, sie handelte ganz ausschließlich von der Auster. Er protestierte mit aller Leidenschaft gegen die Anschauung einiger Humanitarier, die sonst völlige Vegetarier wären aber diese Organismen für so einfach halten, daß sie ganz gut als Ausnahme gelten könnten. Überhaupt versuchen die Menschen immer einige Weltbewohner von vornherein zu verurteilen und immer einige Geschöpfe zu übersehen. In unserer Zeit sei es die Auster. Und er gab eine lange Beschreibung von der Tragödie der Auster, eine ganz eigenartige und anziehende Darstellung, voll von phantasievollen Einzelheiten, wie sie, die sonst in der grünen Dunkelheit der Meeresabgründe ruhen, an den Küsten grausam zusammengerafft würden.
Ist es nicht eine furchtbare Ironie, daß dieses das einzige Wesen ist, das wir »einheimisch« nennen, wir sagen von ihr, und nur von ihr, daß sie in unserem Lande einheimisch sei. Und dabei ist sie die Ausgestoßene des ganzen Weltalls. Könnte man sich etwas Ergreifenderes denken, als die ewig währende wahnsinnige Angst dieses hilflosen Geschöpfes. – Was ist schrecklicher als die Tränen der Auster. Die Natur selbst hat diese Angst verherrlicht, als sie die unvergänglichen Austerntränen schuf. Das Geschöpf, das vom Menschen übersehen wird, erhebt eine sichtbare Anklage gegen den Menschen und kann von ihm nicht übersehen werden. Die Tränen der Witwen und Gefangenen werden schließlich abgewischt und vergessen wie die Tränen der Kinder, sie vergehen wie die Morgennebel. Aber die Träne der Auster ist die unvergängliche Perle.
Der Vogeldichter war von seiner eigenen Rede so bewegt, daß er nach Schluß der Versammlung mit flackernden Augen nach seinem Automobil stürzte, das lange auf ihn gewartet hatte und wo der Fahrer ihn mit einer Bewegung der Erlösung empfing.
Nach Hause – vorerst nach Hause, sagte der Vogeldichter und sah mit verzücktem Ausdruck nach dem Monde.
Er liebte das Fahren im Automobil, es erfüllte ihn mit hohen Eingebungen, er war vom frühen Morgen an gefahren. Bis heute hatte er noch niemals öffentlich gesprochen, und jetzt wollte er mit niemandem mehr sprechen, auf lange nicht mehr. Seine Gedanken jagten. Über sein Samtjacket hatte er lose einen Pelz geworfen, in dem Glanz der Mondnacht vergaß er alle Kälte. Er fühlte nur zweierlei: wie schnell das Automobil raste und wie schnell seine Gedanken rasten. Er fühlte die Wucht der Allwissenheit. Es war ihm, als flöge er mit den Vögeln über den Wald.
Plötzlich lehnte er sich vor und klappte die vordere Luke auf, der Fahrer hielt kreischend den Wagen an. Dorian Wimpole hatte in dem hellen Mondlicht etwas gesehen, das sowohl die Aufmerksamkeit Wimpoles wie die Dorians erregte.
Zwei schäbig aussehende Männer, der eine mit sehr verbrauchten Gamaschen, der andere in einer Art Maskenkostüm und rotem, struppigem Haar wie ein Seebär, hielten an einer Hecke und beluden einen Eselwagen: Zuletzt mit zwei unförmlichen runden Dingen, die wie Tönnchen oder Eimer aussahen; neben dem Wege lag noch ein langer Holzpfahl. Der Mann in Gamaschen hatte offenbar eben den Esel gefüttert und getränkt und war gerade dabei, ihm in aller Ruhe das Geschirr aufzulegen. Aber Dorian Wimpole erwartete nichts Gutes von einem Manne mit solchem Aussehen. In seinem Geiste kam ihm das Gefühl, als müsse sein Drang die dichterischen Grenzen überschreiten, seine Stellung als Edelmann und Beamter, als Mitglied des Parlaments, als Mitglied des Geheimen Rats kam ihm stärker zum Bewußtsein. Seit Ivywoods letzten Gesetzesanträgen konnte er eine solche rohe Tierquälerei nicht hingehen lassen. Er ließ das Automobil bei dem Wagen halten und sagte strenge: Sie quälen das Tier, Sie müssen mit mir zur Polizeistation!
Humphrey Pump, der immer sehr freundlich mit Tieren war und sich auch bemühte, sehr freundlich mit vornehmen Menschen zu sein, obschon er sich einmal hatte hinreißen lassen, einem von ihnen eine Kugel ins Bein zu jagen, war allzu erstaunt und betroffen über den Vorwurf, als daß er sofort hätte antworten können, er trat nur ein oder zwei Schritte zurück und starrte mit seinen braunen glänzenden Augen auf den Dichter, den Esel, das Tönnchen, den Käse und das Wirtsschild, das am Wege lag.
Kapitän Dalroy fand mit seiner rascheren irischen Natur die Fassung eher wieder, machte vor dem Dichter und Vertreter der Obrigkeit eine überbetonte Verbeugung und sagte mit freundlicher Frechheit:
Besonderes Interesse für Esel vermutlich?
Ich habe Interesse an allem, worauf die Menschen nicht achten, gab der Dichter mit einem feinen Anflug von Stolz zur Antwort, ganz besonders an solchen Tieren wie dieses, mit denen die Menschen am wenigsten mitfühlen.
Pump begriff irgendwie, daß diese zwei aristokratischen Naturen sich unbewußt miteinander besser verständigten, und diese Tatsache verstärkte in ihm das Gefühl, daß er aus diesem Handel ausschalten könne. Er häufelte mit seinen etwas großen Schuhen den leichten Sand auf dem Wege, ging dann zu dem Fahrer und sprach mit ihm:
Ist es weit zur nächsten Polizeistation?
Der Fahrer antwortete mit dem geringsten Aufwand von Lauten: Nein! Er versuchte wohl noch einige andere Silbenverbindungen, doch schien der Gesamteindruck der zu sein, daß er nicht Bescheid wußte. – Aber irgend etwas in dieser abgehackten Redeweise fiel dem scharfbeobachtenden und instinktiv empfindenden Pump auf, und er sah dem Manne näher ins Gesicht. Und er sah darin, daß es nicht das Mondlicht allein war, was das Gesicht so bleich machte. Mit einer Art täppischer Anteilnahme sah er sich den Mann noch mehr an und sah, wie jener schwer rückwärts lehnte. Er kannte aber seine Landsleute gut genug, um zu wissen, daß er ihm nur ganz unbefangen kommen könne.
Ich hoffe, es ist näher nach Hause, Sie müssen jetzt doch ziemlich müde sein.
Der Teufel solls holen, sagte der Fahrer und spuckte aus.
Pump schwieg mitfühlend, und Wimpoles Fahrer sprach dann ganz zusammenhanglos, wie wenn er ganz anderswo wäre:
Vor Frühstück abgefahren – Ivywood kein Mittag gemacht, – bis in finstere Nacht gewartet mit leerem Magen – 'n Esel hat's besser. – –
Sie wollen doch nicht etwa sagen, sagte Pump und sah ziemlich ernst aus, daß Sie heute den ganzen Tag noch nichts gegessen haben?
Nein, sagte der Fahrer mit einem ironischen Unterton.
Pump ging zum Wagen, nahm das Rad Käse mit der linken Hand und legte es auf den Vordersitz neben den Fahrer, mit der rechten langte er aus seiner unergründlichen Tasche ein reichlich großes Knickmesser heraus. Der Fahrer starrte für einige Augenblicke auf den Käse und griff nach dem Messer. Dann begann er hineinzubeißen und in der verhexten Beleuchtung schien sein glückliches Gesicht fast furchtbar.
Bei solchen Vorkommnissen kannte sich Pump gut aus. Er wußte, daß ein bißchen Essen manchmal geradezu einer Krankheit vorbeugen kann und eine kleine Anregung zuweilen einer gefährlichen Magenbeschwerde. Dazu schien der Mann mit dem Käse gar nicht aufhören zu wollen, es schien nötig zu sein, ihm etwas Rum zu geben. Er ging daher wieder zu dem Wagen und hob das kleine Tönnchen heraus und stellte es neben den Käse. Aus einer anderen Tasche holte er ein Trinkglas heraus.
Das Gesicht des Kutschers sah aus wie eine Mischung von Angst und Verlangen, und er murmelte heiser: Aber ist doch verboten, kein Wirtshaus hier, kein Rezept, kein Schild, kein gar nichts!
Humphrey Pump ging noch einmal zurück zum Wagen, aber jetzt zögerte er einen Augenblick. Doch aus den Bewegungen der zwei aristokratischen Naturen, die eifrig diskutierten, schloß er, daß sie nur mehr Interesse für einander hätten, und er hob den Pfahl vom Wege auf, brachte ihn zum Automobil und pflanzte ihn schmunzelnd gerade zwischen Rum und Käse auf.
Das Trinkglas in der Hand des Fahrers hatte zuerst ebenso unsicher gezögert wie das Messer, aber als er wirklich das Schild über seinem Kopfe sah, so schien es, als wenn er einen lange verhaltenen Mut aus irgend einer unergründlichen Verborgenheit hervorzöge. Es war der vergessene Mut eines ganzen Volkes. Er sah über den kalten schwarzen Fichtenwald und stürzte einen guten Schluck von dem goldgelben Rum hinunter. Er saß dann da und schwieg, allmählich kam ein steinerner Glanz in seine Augen. Die braunen und wachsamen Augen von Humphrey Pump sahen auf ihn mit einiger Ängstlichkeit. Er sah aus wie einer, der verzaubert oder versteinert war. Doch plötzlich sagte er: Zum Teufel, ich will ihn in die Hölle treiben, in der hundverfluchten Hölle soll er braten, ich werde ihm etwas einbrocken, woran er lange denken soll.
Was meinen Sie, fragte der Gastwirt.
Nun, gab der Fahrer mit plötzlicher Gemütsruhe zurück, ich werde ihn auf den kleinen Esel setzen.
Humphrey Pump sah ihn etwas bekümmert an und sprach ihm gut zu: Glauben Sie, daß man es wagen kann, ihm einen kleinen Esel anzuvertrauen?
Oh, sagte der Fahrer, er ist sehr gut zu Eseln, und die Esel sind sehr gut zu ihm.
Pump sah zweifelnd auf ihn und schien den Sinn dieser Worte nicht zu verstehen oder er tat wenigstens so. Dann sah er ebenso ängstlich auf die beiden aristokratischen Naturen, die noch immer eifrig miteinander sprachen. So verschieden diese beiden in mancherlei Betracht auch waren, in dem einen aber stimmten sie miteinander überein, daß sie bei ihren eifrigen Reden alles um sich herum übersahen: Stand, Streit, Zeit, Ort, Tatsachen.
Als der Kapitän davon zu sprechen anfing, daß der Esel sein Eigentum sei, daß er ihn für einen anständigen Preis von einem Kesselflicker gekauft hätte, da fing in Wimpoles Hirn die Vorstellung an zu schwinden, daß alle zur nächsten Polizeistation müßten. Es blieb nur mehr die Notwendigkeit übrig, die irrigen Vorstellungen über persönliches Eigentum zu klären.
Ich besitze nichts, sagte der Dichter mit einer lässigen Handbewegung. Alles hängt davon ab, ob Reichtum oder Macht im Sinne der höheren Zwecke des Kosmos gebraucht wird.
Alles richtig, versetzte Dalroy, aber inwiefern dient Ihr Automobil den höheren Zwecken des Kosmos?
Es hilft mir, sagte der Dichter mit erhabener Einfachheit, in meinem Dichten.
Und wenn es höhere Zwecke gäbe, denen es dienen könnte, fragte der andere weiter, wenn zufällig irgend ein neuer Weltzweck einträte, würde es dann aufhören, Ihr Eigentum zu sein?
Sicherlich, antwortete Dorian mit Würde, ich würde mich drein finden. Auch Sie müßten sich dreinfinden, wenn ein Weltzweck es fügte, daß Sie Ihr Eigentumsrecht auf den Esel aufgeben müßten.
Wie kommen Sie darauf, fragte Dalroy, daß ich in die Lage kommen könnte, den Esel aufzugeben?
Es ist meine feste Überzeugung, gab Dorian Wimpole zur Antwort, daß Sie auf ihm zu reiten beabsichtigen, war es nicht so?
Nein, sagte der Kapitän unschuldig, ich reite niemals auf Eseln, schon aus religiösen Gründen nicht.
Aus religiösen Gründen? fragte Wimpole ungläubig.
Ja, wegen eines gewissen historischen Vergleiches, sagte Dalroy.
Hierauf entstand eine kleine Pause und Wimpole sagte dann kühl:
Wir sind wohl über solche Vergleiche bereits hinweggekommen.
Wie man's nimmt, antwortete der irische Kapitän, es ist eigentlich verwunderlich, wie leicht man über die Kreuzigung eines Menschen hinwegkommen kann.
In diesem Falle, sagte der andere grimmig, denke ich an die Kreuzigung des Esels.
Dann sind Sie es wohl, der die altrömische Karikatur von dem gekreuzigten Esel gemacht hat? sagte Dalroy mit einem Ausdruck erkünstelter Verwunderung. Wie gut Sie sich gehalten haben! Sie sehen eigentlich noch recht jung aus, doch ein Esel darf nicht gekreuzigt werden! Aber – fügte er ernst hinzu – wissen Sie eigentlich ganz genau, wie man einen Esel kreuzigt? Glauben Sie mir, es ist eine ganz seltene Kunst, es gehören dazu ganz besondere Kunstgriffe, es ist damit wie mit der Heilung ganz seltener Krankheiten. Aber angenommen, ich wäre nach den höheren Zwecken des Kosmos nicht länger mehr würdig, den Esel zu betreuen, so habe ich doch einen schwachen Schimmer von Verantwortlichkeit, ob ich Ihnen diesen Esel überlassen darf. Wollen Sie mich recht verstehen: ich meine diesen Esel. Es ist das kein gewöhnlicher Esel. Wie kann ich nach unserer so kurzen Bekanntschaft sicher sein, daß Sie alle Schattierungen seiner Begehrungen und Abneigungen verstehen werden.
Ich werde mich niemals, was auch kommen mag, auf ihn setzen, sagte Wimpole mit Stolz, aber das ist etwas ganz Selbstverständliches, es mag Ihnen genügen zu wissen, daß Sie den Esel den Händen eines Menschen überlassen haben, der allein ihn verstehen kann, den Händen eines, der auch nicht das geringste Geschöpf übersieht, mag es in den Lüften oder in den Tiefen des Meeres leben.
Aber dieses ist ein ganz besonderes Geschöpf, sagte der Kapitän ängstlich, es hat gar mancherlei Abneigungen, er scheut bei einem Automobil, besonders wenn es beim Anhalten rattert, es hat auch eine Abneigung gegen Pelze, und dann müssen Sie auch mit ihm eine gewisse Menschenklasse meiden, die immer glauben, daß jemand mit weniger als 200 Pfund jährlich ein Trinker und grausam ist, und einer, der mehr als 2000 jährlich hat, alle seine Tage auf den Pfaden der Gerechtigkeit wandelt. Wenn Sie unsern lieben Esel von der Gesellschaft solcher Menschen fernhalten wollen – – hallo – – hallo –
Er wandte sich um mit aufrichtigem Erschrecken und stürzte dem Automobil nach und sprang hinein. Er sah vor sich das Schild des Alten Schiffes aufgerichtet wie ein Banner, Pump vor sich neben dem Fahrer sitzen mit dem Rumfäßchen und dem Rad Käse. Und der Wagen flog dahin mit schnellem Antrieb. Die Verwandlung kam ihm überraschender als dem andern, und er erhob sich von seinem Sitze und rief Wimpole zu:
Sie können mir das Automobil ruhig überlassen, ich bin noch niemals grausam gewesen gegen ein Automobil.
In dem Mondlicht, das magisch auf den dunklen Fichtenwald fiel, sah er weit hinten, wie Dorian und der Esel einander ansahen.
Für ein mystisch veranlagtes Gemüt kann es nichts Eindrucksvolleres und Symbolischeres geben als einen Dichter mit einem Esel beisammen. Das Interesse des Dichters für den Esel war echt, das Interesse des Esels für den Dichter aber wird man wohl niemals ergründen können.