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Nachdem wir aus der Bucht von Manila am 29. Januar 1818 ausgelaufen, durchkreuzten wir de conserve mit der »Eglantine« mit günstigem Nordostwind in westsüdwestlicher Richtung auf vielbefahrener Fahrstraße das Chinesische Meer und hatten am 3. Februar Ansicht von Pulo Sopata. Von hier, mit südwestlichem und mehr südlichem Kurs, kamen wir am 6. in Ansicht von Pulo Teoman, Pulo Pambeelau und Pulo Aroe (nach Arrowsmith, dem ich folge, um bei der schwankenden Rechtschreibung der malaiischen Namen einen Halt an ihm zu haben; nach anderen Pulo Timon, Pisang und Aora). Die »Eglantine«, die minder schnell als wir segelte, hielt uns auf.
Von diesem westlichsten Punkt unserer Fahrt im Chinesischen Meere steuerten wir nach Süden und etwas östlicher, um die Gaspar-Straße, zwischen der Insel gleiches Namens und Banka, zu erreichen.
Wir durchkreuzten am 8. Februar 1818 am frühen Morgen zum dritten Male den Äquator. Es war für die Russen und Aleuten, die wir zu Sankt Peter und Paul, zu San Francisco und zu Unalaschka an Bord genommen, das erste Mal. Unsere alten Matrosen hatten besonders die Aleuten mit märchenhaften Erzählungen von der furchtbaren Linie und von den Gefahren und Schrecken beim Überschreiten derselben in Angst gesetzt. – Es blieb bei dieser Verhöhnung; es ward keine Taufe vorgenommen, und keine Feierlichkeit fand statt.
An diesem Tage schickte mich der Kapitän mittags zu der »Eglantine«, um dem Kapitän Guerin Nachtsignale, die noch nicht verabredet worden, mitzuteilen. Ich speiste am Bord der »Eglantine«. Ein solcher Besuch auf hoher See hat einen besondern Reiz. Wenn man aus der veränderten Umgebung sein eigenes Schiff, womit man reist, unter Segel sieht, so ist es, als stünde man am Fenster, um sich auf der Straße vorübergehen zu sehen. Ich kehrte nachmittags zu dem »Rurik« zurück.
Von beiden Schiffen hatte man den Tag über im Westen ein malaiisches Segel bemerkt, welches, nur mit der Spitze über den Horizont ragend, denselben Kurs als wir zu halten schien. Abends um neun Uhr zeigte sich in der Nähe des »Ruriks« Licht – ein Boot, vielleicht jenes Segel. – Der Kapitän ließ sogleich einen Schuß darauf tun, das Licht verschwand, und etliche Kartätschenschüsse wurden noch in die Nacht hinein abgefeuert – hoffentlich ohne Schaden anzurichten. Es mochte übrigens sehr weise sein, in diesem Meere, das nicht für sauber von malaiischem Raubgesindel gehalten wird, auf den ersten Argwohn hin zu zeigen, daß wir Kanonen hatten und nicht schliefen. Die »Eglantine«, die eine halbe Meile hinter uns war, hielt unsere Schüsse für Notschüsse. Der Kapitän Guerin glaubte uns auf eine Untiefe geraten und wandte wohlweislich sein Schiff, um selber nicht zu scheitern. Wir legten bei, riefen ihn durch ein Signal herbei, erzählten ihm durch das Sprachrohr den Vorfall und setzten in seiner Begleitung unsern Weg fort.
Eine weitläuftigere Beschreibung von dem ganzen Vorfall ist in der »Reise« von Herrn von Kotzebue, Teil II, Seite 142, nachzusehen, woselbst es heißt: »Fest entschlossen, zu siegen oder zu sterben, ließ ich« usw. – Ich verweise darauf.
Am 9. vormittags ward die Insel Gaspar von dem Masthaupt entdeckt. Wir segelten am Abend südwärts längs ihrer Westküste und ließen um Mitternacht die Anker fallen, als sie uns im Norden lag. Wir gingen mit Tagesanbruch wieder unter Segel und kamen schon am Vormittag durch die Gaspar-Straße.
Die Küste von Banka und die von Sumatra, längs welcher wir die nächstfolgenden Tage segelten, sind niedriges Land. Der Wald, der die Ebene üppig bekleidet, erstreckt sich bis zum Strande; die Form der Palmen ist darin nicht vorherrschend.
Am 11. warfen wir die Anker um Mitternacht und nahmen sie um halb fünf Uhr wieder auf. Am Morgen des 12. segelten wir durch grüne Wiesen, die frei im Meere schwimmende aufkeimende Pflanzen bildeten, vermutlich eine Baumart; die Pflänzchen hatten die Samenhülle bereits abgeworfen. – Wind und Strom zogen diese schwimmenden Saaten zu langhin sich schlängelnden Flüssen. Bald zeigten sich die Zwei Brüder. Diese nahe der niedern Küste von Sumatra liegenden Inselchen gleichen den Niedern Inseln der Südsee, nur sieht man das Meer an denselben nicht branden. Wir glaubten zuerst, daß Büsche von Rhizophoren sich unmittelbar aus der Flut erhöben. Wir segelten zwischen diesen Inseln und dem Hauptlande durch und warfen um sieben Uhr abends die Anker.
Am 13. wehte nur ein schwacher Landwind, der uns zu öfteren Malen gebrach; wir gingen unter Segel und warfen wiederholt die Anker, zuletzt sehr nahe an der Küste von Sumatra. Wir waren in der Nähe der Zupflen-Inseln; die Nordinsel lag hinter uns; drei kleine waldbewachsene Inselchen nördlich von uns fehlten auf der Karte. Java war gut zu sehen und nah an dessen Küste ein großes Schiff. In unserer Nähe angelten zwei Fischer auf einem leichten Kahn. Wir machten ihnen, als sie sich uns näherten, kleine Geschenke; sie ruderten sogleich, uns freundlich winkend, an das Land, von wo sie uns bald eine sehr große Schildkröte brachten. Ein anderes Boot brachte uns deren mehrere und außerdem Hühner, Affen und Papageien. Die Menschen wollten dafür Pistolen und Pulver oder Piaster. Schildkröten wurden für unsern und der Matrosen Tisch auf mehrere Tage angeschafft, und außerdem kauften einzelne von der Schiffsgesellschaft Affen von verschiedenen Gattungen und Arten.
Unter diesen Affen, die alle kränkelten und von denen keiner das Vorgebürge der Guten Hoffnung erreichte, befand sich ein junger, der häßlich, räudig und sehr klein war. Des letztern Umstandes wegen hatten ihn die Matrosen Elliot genannt. Dieses armen verwaisten Affenkindes wollten sich die erwachsenen alle, sowohl Männchen als Weibchen, annehmen; alle wollten ihn an sich reißen, ihn haben, ihn liebkosen, und keiner war doch von seiner Art. Der Untersteuermann Petrow, dem besagter Elliot gehörte, wurde von den Herrn der anderen Affen flehentlich um denselben gebeten. Er teilte seine Gunst und beglückte jeden Tag einen andern. Eschscholtz hat in der Reisebeschreibung einen dieser Affen als eine neue Gattung beschrieben.
Wir hatten ein Pärchen von der auf Luzon gemeinen Art aus Manila mitgenommen. Diese befanden sich in dem gedeihlichsten Zustande; sie belebten unser Tauwerk wie ihre heimischen Wälder und blieben unsere lustigen Gesellen bis nach Sankt Petersburg, wo sie glücklich und wohlbehalten ankamen.
Ich finde den Umgang mit Affen belehrend; »denn« – wie Calderón von den Eseln sagt –, »denn es sind ja Menschen fast«. Sie sind das ganz natürliche Tier, das dem Menschen zum Grunde liegt. Mazurier wußte es wohl; er spielte den Jocko wie Kean den Othello. Die Charakterverschiedenheit bei Individuen derselben Art ist bei den Affen wie bei den Menschen auffallend. Wie in den mehrsten unserer Häuslichkeiten führte das verschmitztere Weib das Regiment, und der Mann fügte sich.
In Hinsicht der Schildkröten werde ich bemerken, daß ich an der letzten, die geschlachtet ward und nachdem sie bereits zerlegt worden, phosphorisches Licht wahrnahm; es zeigte sich besonders an dem Bug des einen Vordergliedes. Aber auch am abgeschnittenen Halse leuchteten etliche Teile – ob die Nerven? Das Leuchtende ließ sich mit dem Finger aufnehmen und auf demselben ausbreiten, wo es seinen Schein behielt.
Im Chinesischen Meere, das wir zu verlassen uns anschicken, hatten sich eine Seeschwalbe und ein Pelikan auf dem »Rurik« fangen lassen; letzterer, nachdem er ein Gefangener auf der »Eglantine« gewesen war. – Insekten und Schmetterlinge kamen in der Nähe des Landes an unsern Bord. Die Windstille in der Sunda-Straße versorgte uns mit einer reichen Ausbeute an Seegewürmen, und das von Eschscholtz entdeckte Insekt des hohen Meeres fehlte auch hier nicht.
Ich kehre zu unserm Ankerplatz vom 13. Februar 1818 zurück. – Am Abend besuchten uns die Herren von der »Eglantine«. Wir nahmen voneinander Abschied. Der »Rurik« sollte wohl früher als die »Eglantine« in Europa anlangen; dennoch gab ich dem Kapitän Guerin etliche Zeilen an meine Angehörigen mit.
Der Strom setzte mit einer Schnelligkeit von zwei Knoten abwechselnd bei der Flut in das Chinesische Meer, bei der Ebbe aus demselben in das Indische.
Wir lichteten am 14. mit dem frühsten die Anker und fuhren bei großer Gewalt der Strömung und schöner Nähe des Landes durch den Kanal zwischen den Zupflen-Inseln, deren wir acht zählten, und dem Stromfelsen in den Indischen Ozean. Wir hatten um zwölf Uhr mittags die »Eglantine« aus dem Gesichte verloren. Wir sahen sie, da uns der Wind zu lavieren zwang, noch einmal um vier Uhr vor der Insel Krokotoa vor Anker liegen. Wir hatten am 15. abends die Straße und die Inseln hinter uns. Wir bekamen am 16. den beständigen Ostwind. Wir hatten bisher täglich drei bis vier Schiffe um uns bald einzeln, bald zugleich gezählt. Am 18. war kein Segel mehr zu sehen.
Wir hatten am 21. die Sonne im Zenit. Am Abend des 2. März ward eine Feuerkugel von ausnehmendem Scheine am nördlichen Himmel gesehen. – Ich habe im Atlantischen Ozean und in anderen Meeren manche Meteore der Art mit ziemlicher Genauigkeit beobachtet. Aber die Wissenschaft verlangt zusammentreffende, gleichzeitige Beobachtungen derselben Erscheinung, und meinen Beobachtungen sind keine anderen entgegengekommen.
Der Fang einer Bonite erfreute uns am 3. März. Wir überschritten am 4. den südlichen Wendekreis. Ein großes Schiff durchkreuzte am Morgen dieses Tages in Nordnordost-Richtung unsern Kurs. Am Abend flog uns eine Seeschwalbe in die Hände.
Am 12. März, 29°19' südlicher Breite, 313°26' westlicher Länge, im Süden von Madagaskar, hatten wir den beständigen Wind verloren. Gewitter mit Blitz und Donner, Windstille und Sturm wechselten ab. In der Nacht zum 13., die ausnehmend finster war, befanden wir uns unversehens in der Nähe eines übergroßen Schiffes und in Gefahr, übergesegelt zu werden. Wir sahen in dieser Breite noch Tropikvögel.
Die Nachtgleiche (20. März) brachte uns Stürme. Wir hatten vom 14., erstes Mondviertel, bis zum 21., Vollmond, beständig ein stürmisches Meer und abwechselnd die heftigsten Windstöße, die wir je erlitten. (Gegen 31 Grad südlicher Breite, zwischen 318 und 325 Grad westlicher Länge.) Am 22., dem Ostertage, war das schönste Wetter. Morgens wurde ein Delphin harpuniert von einer ausgezeichneten Art, welche uns noch nicht vorgekommen war.
Am 23., wo der Wind sehr schwach war, wurde vom Masthaupt ein Segel im Norden entdeckt. Wir erreichten am Abend die Mittagslinie von Sankt Petersburg. Am 27. befanden wir uns schon auf der Bank, welche die Südspitze Afrikas umsäumt, und der Strom trieb uns schnell westwärts unserm Ziele zu. Am 29. hatten wir Ansicht vom Lande, westlich vom Kap Agulhas. Wir liefen in der Nacht vom 30. zum 31. in die Tafelbai ein.
Da hatte uns der alte Adamastor einen Trug gespielt und uns in die größte Gefahr verlockt, die wir vielleicht auf der Reise bestanden. Herr von Kotzebue kannte die Tafelbai nicht und mußte wohl keinen Plan von derselben haben. Er sagt selbst: »Durch verschiedene Feuer am Ufer irregeleitet, hatte ich nicht den Ort getroffen, wo die Schiffe gewöhnlich zu liegen pflegen. – Bei Tagesanbruch merkten wir erst, daß wir nicht vor der Kapstadt geankert, sondern am östlichen Teile der Bai, drei Meilen von der Stadt entfernt.« Auf dem Strande vor uns, dem wir in der Nacht zugesteuert waren und von dem uns der Wind abgehalten hatte, lagen zur Warnung die Wracke verschiedener Schiffe.
Es wehte stürmisch aus Süden. Ein Lotse holte uns aus der gefährlichen Stelle, die wir einnahmen, und brachte uns auf den sichern Ankerplatz vor der Stadt, wo Windstille war oder auch ein leichter Windhauch aus Norden. Der Kapitän fuhr nach der Stadt, und ich mußte auf dem »Rurik« seine Rückkunft erwarten. Es brannte mir wie Feuer auf den Nägeln. Die Kapstadt ist eine Vorstadt der Heimat. Hier sollte ich in einer deutschen Welt die Spuren mir teurer Menschen wiederfinden; hier erwarteten mich vielleicht Briefe von meinen Angehörigen; hier rechnete ich auf einen Freund, Karl Heinrich Bergius aus Berlin, Ritter des Eisernen Kreuzes, Naturforscher, der vor meiner Abreise als Pharmazeut nach dem Kap gegangen war. Und wie ich nach der Stadt hinübersah, die an diesem schönen Morgen sich nach und nach aus dem Nebel, der über ihr lag, entwickelt hatte und, von der bekannten herrlichen Berggruppe übertürmt, rein vor mir lag: da ruderte aus dem Walde von Masten hervor ein kleines Boot auf den »Rurik« zu, und Leopold Mundt, ein anderer befreundeter Botaniker aus Berlin, stieg an Bord und fiel mir um den Hals.
Die erste Nachricht, die er mir gab, war eine Todesnachricht. Der wackere Bergius, allgemein geliebt, geachtet und geehrt, hatte am 4. Januar 1818 sein Leben geendet. Mundt selbst war von der preußischen Regierung als Naturforscher und Sammler nach dem Kap geschickt worden.
Sobald der Kapitän wieder eintraf, fuhr ich mit Mundt ab, und zwar zuerst an den Bord der »Uranie«, Kapitän Freycinet. So wie der »Rurik« von seiner Entdeckungsreise müde und enttäuscht heimkehrte, lief eben die »Uranie« zu einer gleichen Reise in der Blüte der Hoffnung aus und war im Begriff, den hiesigen Hafen zu verlassen. Wir fanden den Kapitän Freycinet nicht an seinem Bord. Seine Offiziere, die zugleich seine Gelehrten waren, behielten uns zu Tische. Ich freute mich des günstigen Zufalls, der mir, obgleich nur flüchtig, ihre Bekanntschaft verschaffte. Es war ihnen verheißen, auf Guajan anzulegen, und für diesen Landungsort hatte ich ihnen manches zu sagen, was da noch übrigblieb zu tun, und hatte ihnen Grüße an meinen Freund Don Luis de Torres aufzutragen. – Einer von den Herren hatte mit einem Chamisso gedient und sollte, falls er mir in der Welt begegnete, mir von ihm und der Familie ein Glückauf zurufen. Hier trat mir zuerst mein wackerer Nebenbuhler und Freund, der Botaniker Gaudichaud, entgegen.
Wir kehrten nach Tische zu dem »Rurik« zurück, und da schnürte ich mein Bündel und zog auf die Zeit unseres Aufenthalts am Kap zu Mundt an das Land.
Man erstaunt selber ob der gesteigerten Tätigkeit, zu welcher man plötzlich, sowie man den Fuß auf das Land setzt, aus dem trägen Schlafe erwacht, von dem man unter Segel sich gebunden fühlte. Ein Blättchen zu schreiben, zehn Seiten zu lesen, das war ein Geschäft, zu dem man mühsam die Zeit suchte, und bevor man sie gefunden, waren die bleiernen Stunden des Tages leer abgelaufen. Jetzt dehnen sich gefällig die vollen Stunden, und zu allem hat man Zeit, und zu allem hat man Kraft; man weiß nichts von Schlaf oder Müdigkeit. »Der Körper hat sich bis auf das Vergessen seiner Bedürfnisse dem Geiste untergeordnet.«»Dya-Na-Sore«.
Wir blieben nur acht Tage am Kap. Während drei dieser Tage wütete ein Nordoststurm mit solcher Gewalt, daß er die Verbindung zwischen dem Lande und dem Schiffe unterbrach. Mich hemmte der Sturm nicht, ich war die Stunden des Tages in der freien Natur, die Stunden der Nacht mit dem Gesammelten und mit Büchern geschäftig. – Mundt, Krebs, dortiger Pharmazeut und Naturforscher, und andere, meist Freunde meines seligen Freundes Bergius, waren meine Wegweiser und Gefährten.
Wir machten eine große Exkursion auf den Tafelberg; wir bestiegen ihn vor Tagesanbruch von der Seite des Löwenberges und kamen bei dunkler Nacht auf dem mehr betretenen Wege zu der Schlucht hinter der Stadt wieder herab. Die Gefährten legten sich sogleich müde und schlaftrunken hin, erst spät am andern Tage zu erwachen. Ich aber, nachdem ich meine Pflanzen besorgt, studierte die Nacht über eine holländisch-malaiische Grammatik, die erste malaiische Sprachlehre, die mir in die Hand gekommen war, und verschaffte mir den ersten Blick in diese Sprache, deren Kenntnis mir zur Vergleichung mit den Mundarten der Philippinen und Südsee-Inseln erfoderlich war. Am frühen Morgen war ich schon am Strande und sammelte Tange.
Unter den Seepflanzen, die ich vom Kap mitgebracht habe, hat eine oder, nach meiner Ansicht, haben zwei eine große Rolle in der Wissenschaft gespielt, indem sie für die Verwandlung der Gattungen und Arten in andere Gattungen und Arten Zeugnis ablegen gesollt. Ich habe wohl in meinem Leben Märchen geschrieben, aber ich hüte mich, in der Wissenschaft die Phantasie über das Wahrgenommene hinausschweifen zu lassen. Ich kann in einer Natur, wie die der Metamorphosler sein soll, geistig keine Ruhe gewinnen. Beständigkeit müssen die Gattungen und Arten haben, oder es gibt keine. Was trennt mich Homo sapiens denn von dem Tiere, dem vollkommneren und dem unvollkommneren, und von der Pflanze, der unvollkommneren und der vollkommneren, wenn jedes Individuum vor- und rückschreitend aus dem einen in den andern Zustand übergehen kann? – Ich sehe in meinen Algen nur einen Sphaerococcus, der auf einer Conferva gewachsen ist, nicht etwa wie die Mistel auf einem Baume wächst, nein, wie ein Moos oder eine Flechte.»Ein Zweifel und zwei Algen«, in: »Verhandlungen der Gesellschaft Naturforschender Freunde in Berlin«, I. Band, Drittes Stück, 1821.
Man hat, um sich mit dem Vorgebürge der Guten Hoffnung, der Kapstadt und deren Umgebung bekannt zu machen, zwischen vielen Reisebeschreibungen die Wahl. Ich lasse gern überflüssige Werke ungeschrieben sein, versuche kein neues Gemälde von dieser großartig-eigentümlichen Landschaft zu geben, sondern zeichne mich bloß als Staffage auf das bekannte Bild. Nirgends kann für den Botaniker das Pflanzenkleid der Erde anziehender und behaglicher sein als am Kap. Die Natur breitet ihre Gaben in unerschöpflicher Fülle und Mannigfaltigkeit unter seinen Augen zugleich und unter seiner Hand aus; alles ist ihm erreichbar. Die Heiden und Gebüsche vom Kap scheinen zu seiner Lust, wie die Wälder von Brasilien mit ihren wipfelgetragenen Gärten zu seiner Verzweiflung geschaffen zu sein.
In der Stadt und eine Strecke weit auf dem Fahrwege, der sich um den Fuß des Gebürges zieht, findet man mit Verdruß nur europäische Pinien, Silberpappeln und Eichen. Überallhin bringt der Mensch ein Stück von der Heimat mit sich, so groß, wie er kann. – Verläßt man aber den Fahrweg und steigt zu Berge, so entspricht kein Ausdruck der gedrängten Vielfältigkeit und dem bunten Gemische der Pflanzen. Ich habe mit Mundt auf dem Tafelberge manche Pflanzen gefunden, die ihm bis dahin entgangen waren, und habe, flüchtiger Reisender, aus diesem betretensten der botanischen Gärten manche Pflanzenart mitgebracht, die noch unbeschrieben war. – Und jede Jahreszeit entfaltet eine ihr eigentümliche Flora.
Der Gebürgsstock des Tafelberges, der durch weite Ebnen von den Gebürgen des Innern abgesondert ist und den man als ein nördlichstes, stehengebliebenes Vorgebürge des mit seinen Bergen im Meere untergegangenen südlicheren Landes betrachten könnte – der Gebürgsstock des Tafelberges unterscheidet sich sehr von den nächsten Bergzügen durch seine Flora, in welcher sich Gattungen und Arten in einem anderen Verhältnis, auf eine eigene, charakteristische Weise mischen und die anscheinlich mehrere ihr ausschließlich eigentümliche Pflanzen besitzt. So ist zum Beispiel die in unsern botanischen Gärten gemeine Protea argentea nur auf dem Tafelberge gefunden worden, und es wäre leicht denkbar, daß eine Laune des Zufalls oder des Menschen sie auf ihrem so beschränkten heimatlichen Boden vertilgte und ihre Art sich nur noch in unsern Treibhäusern erhielte.
Etliche Pflanzer des Innern kamen während meines Hierseins nach der Stadt. Wie sie hörten, daß ein neuer »Blumensucher« da sei, erboten sie sich, mich auf ihre Besitzungen mitzunehmen. Jeder reisende Naturforscher kann darauf rechnen, auf das gastfreundlichste im Innern der Kolonie aufgenommen zu werden.
Der Islamismus und das Christentum sind auf den ostindischen Inseln gleichzeitig gepredigt worden, und die Missionare beider Lehren haben auf demselben Felde gewetteifert. Es war mir auffallend, von mohammedanischen Missionen am Kap sprechen zu hören. – Unter dem Vorwand des Handels, sagte man mir, kommen, die diesem Geschäfte sich widmen, und suchen in das Innere der Kolonie zu dringen. Sie richten sich vorzüglich an die Sklaven, von denen sie nicht wenige bekehren. – Es soll aber auch nicht beispiellos sein, daß Freie und Weiße sich zu ihnen bekannt haben. – Ich wiederhole bloß, was ich gehört habe, und kann keine Bürgschaft dafür stellen.
Ich hatte Befehl erhalten, mich am Abend des 6. Aprils einzuschiffen. Wie ich an Bord kam, wurde ein Tag zugegeben, und ich fuhr wieder ans Land. Ich machte am 7. noch eine weite Exkursion mit Mundt und Krebs. Am Abend begleiteten mich beide an Bord. Mundt schlief die Nacht auf dem »Rurik«. Als wir am Morgen des 8. Aprils 1818 aufwachten, war bereits der »Rurik« unter Segel und hatte die Schiffe auf der Reede hinter sich zurückgelassen. – Der Kapitän wollte den gepreßten Passagier auf das nächste Schiff zurückschicken. Da zeigte sich ein Boot und ward herbeigeschrien. Der Eigner begehrte gleich bare Bezahlung. Es zeigte sich, daß Mundt, wie ohne Hut, so auch ohne Geld war. – Ich löste schnell den Freund aus, wir umarmten uns, er sprang in das Boot. Der »Rurik« glitt mit vollen Segeln in die offene See.