Adelbert von Chamisso
Reise um die Welt
Adelbert von Chamisso

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Von Unalaschka nach Kalifornien. Aufenthalt zu San Francisco

Wir fuhren am 14. September 1816 früh am Morgen mit günstigem Winde aus dem Hafen von Unalaschka. Es wurde auf einen Walfisch geschossen, der uns in der Bucht zu nahe kam; ich lag noch in meiner Koje. Der Paß zwischen den Inseln Akun und Unimak war dem Kapitän als der sicherste gerühmt worden, um die Kette der Aleutischen Inseln von Norden nach Süden zu durchkreuzen. Er wählte demnach diese Straße, die auch er jedem Seefahrer empfiehlt. Das Wetter war klar, und der luftige Pik von Unimak, dessen Höhe Kotzebue auf 5 525 englische Fuß angibt, wolkenlos. Die Umstände, die hier unsere Fahrt verzögerten, waren zu der Aufnahme einer Karte günstig, auf die Herr von Kotzebue verweist, ohne sie mitzuteilen. Das Meer war zwischen diesen Inseln besonders lichtreich. Wir befanden uns am 16. morgens in offener See.

Unsre Hauptaufgabe war jetzt, dem nordischen Winter auszuweichen. Ich halte es nicht für das Ungeschickteste, was ich in meinem Leben getan, drei Winter auf dieser Reise unterschlagen zu haben. Drei Winter! Habe ich daheim wieder einmal den Winter ausgehalten, so glaube ich als ein mutiger Mann genug getan zu haben, aber ihn loben, ihn rühmen kann und will ich nicht. Wir Winterländer aber preisen noch die göttliche Weisheit, die bei solcher Einrichtung uns die Freude des Frühlings schenkt. Sollten wir nicht auch von unserer Obrigkeit verlangen, daß sie uns nach der Analogie den halben Tag durch Daumenschrauben anlegen lasse, damit wir uns auf die Stunde freuten, worin sie uns abgenommen würden? Diese Einrichtung – sie ist ja auf unserm Erdball eine Winkeleinrichtung, von welcher die Mehrheit der redenden Menschen nichts weiß. Vor vielen begünstiget von Gott mögen sich unsre Dichter rühmen, denen er zu ihren Frühlingsliedern den Stoff bereitet, aber unbegreiflich und lügengleich bleibt es für den, welcher einmal den Winterkreis überschritten hat, daß der Mensch, das gabelförmige, nackte Tier, sich in Winterlanden, unter dem zweiundfünfzigsten, ja unter dem zweiundsiebzigsten Grad nördlicher Breite anzusiedeln vermessen hat, wo er nur durch die Macht des Geistes sein kümmerliches Dasein zu fristen vermag. Denkt euch doch, wie euch Gott geschaffen hat, und geht an einem Wintertag hinaus und betrachtet euch die auf den halben Jahreskreis ausgestorbene Gegend unter dem Leichentuche von Schnee. Das ausgesetzte Leben schläft im Samen und im Ei, im Keime und in der Larve, tief unter der Erde, tief im Wasser unter dem Eise. Die Vögel sind fortgezogen; Amphibien und Säugetiere schlafen den Winterschlaf; nur wenige Arten der warmblütigen Tiere drängen sich parasitisch um eure Wohnungen; nur wenige der größeren unabhängigen Arten verbringen dürftig die harte Zeit.Das alles und manches andere habe ich schon in einer Schrift gesagt: »Ansichten von der Pflanzenkunde und dem Pflanzenreiche«, die, einer Kompilation beigedruckt, Berlin, bei Dümmler, 1827 erschienen ist.

Aber der Mensch ist ein geistiges Tier, und mit dem Feuer, das er sich geraubt, erkennt er auf der Erde keine Schranken. Die unter dem sechzigsten Grad nördlicher Breite ansässigen ostjakischen Fischer, lehrt uns Adolf Erman (»Reise« I, Seite 721), wissen auch von einem verlorenen Paradiese; aber sie verlegen es gegen Norden und über den Polarkreis hinaus! Die Sage ist gar lesenswert.

Ich habe schon gelegentlich von einem Prediger in Lappland gesprochen. Sieben Jahre hatte der Mann in dieser Pfarre zugebracht, welche über die Region der Bäume hinaus lag; während der warmen Sommermonate ganz allein (seine Pfarrkinder zogen zu der Zeit mit ihren Rentierherden in die kühleren Gegenden am Meer). Während der Winternacht, als der Mond am Himmel war, zog er zu Schlitten umher, bivouakierte bei gefrorenem Quecksilber und suchte seine Lappen, die er liebhatte, auf, um seines Amtes zu walten. Zweimal in diesen sieben Jahren hatte er in seiner Einsamkeit den Zuspruch von Stamm- und Sprachverwandten genossen; ein Bruder von ihm hatte ihn besucht, und ein Botaniker hatte sich zu ihm verirrt. Wohl wußte er anerkennend die Freude zu preisen, die der Mensch dem Menschen bringt; aber nicht diese Freude und keine andere im Leben, so beteuerte er mir, ist der Wonne zu vergleichen, nach der langen Winternacht die Sonnenscheibe sich kreisend wieder über den Horizont erheben zu sehen.

Der Frühling ist für uns das Erwachen aus einer langen, verzögernden Krankheit, die, gemäßigter als der Winterschlaf anderer Tiere, demselben entspricht. Voller und schneller lebt der Mensch unter einer scheitelrechten Sonne, die, wie in Brasilien, Fülle des Lebens aus dem Schoße der Erde zeugt; unter einem Himmel ohne Glut, auf einer Erde ohne Fruchtbarkeit zählt er mehr der Tage, mehr der Jahre.

Wahrlich, ich möchte in der Region der Palmen wohnen und gewahren von da den alten Unhold auf die Zinnen des Gebürges gebannt. Gern auch wollte ich ihm in seinem Reiche mit Party oder Roß einen Staatsbesuch abstatten; aber hart finde ich es, ihn daheim die halbe Zeit des Jahres zu beherbergen. Wir haben während der drei Jahre in zwei nordischen Sommern nur etliche Nachtfröste erduldet, wie solche eben auch bei uns in dieser Jahreszeit nichts Unerhörtes sind.

Wir hatten stets günstige Nord- und Nordwestwinde; die Nachtgleichen und der Vollmond brachten uns nur einen starken Wind, der fast zum Sturme sich erhob und vor welchem wir mit vollen Segeln schnell vorwärts kamen.

Wir steuerten nach San Francisco in Neu-Kalifornien. Herr von Kotzebue, der über die Sandwich-Inseln, wohin er seinen Instruktionen gemäß von Unalaschka aus segeln sollte, von den Schiffskapitänen der Amerikanischen Kompanie sehr gut berichtet worden war, hatte diesen Inseln, wo die Frequenz der Schiffe den Preis aller Bedürfnisse gesteigert hat und wo nur mit spanischen Piastern oder mit Kupferplatten, Waffen und ähnlichem bezahlt werden kann, jenen Port als Rast- und Erholungsort für seine Mannschaft und zur Verproviantierung des »Rurik« vorgezogen.

Ich werde, da ich von der Fahrt selbst nichts zu berichten habe, einiges hier einschalten, das mir noch nicht in die Feder geflossen ist. Bei der Schiffsordnung, die ich früher beschrieben habe, zu welcher noch hinzukam, daß das Licht abends um zehn Uhr ausgelöscht wurde, und bei der einförmig ruhigen, aller anstrengenden Bewegung entbehrenden Lebensart konnte unsereiner nicht alle Stunden, worin er still zu liegen verdammt war, mit festem, bewußtlosem Schlafe ausfüllen, und eine Art Halbschlaf nahm einen großen Teil des Lebens mit Träumen ein, von denen ich euch unterhalten will. Ich träumte nie von der Gegenwart, nie von der Reise, nie von der Welt, der ich jetzt angehörte; die Wiege des Schiffes wiegte mich wieder zum Kinde, die Jahre wurden zurückgeschraubt, ich war wieder im Vaterhause, und meine Toten und verschollene Gestalten umringten mich, sich in alltäglicher Gewöhnlichkeit bewegend, als sei ich nie über die Jahre hinausgewachsen, als habe der Tod sie nicht gemäht. Ich träumte von dem Regimente, bei welchem ich gestanden, von dem Gamaschendienst; der Wirbel schlug, ich kam herbeigelaufen, und zwischen mich und meine Kompanie stellte sich mein alter Obrist und schrie: »Aber Herr Leutnant, in drei Teufels Namen!« – O dieser Obrist! Er hat mich, ein schreckender Popanz, durch die Meere aller fünf Weltteile, wann ich meine Kompanie nicht finden konnte, wann ich ohne Degen auf Parade kam, wann – was weiß ich, unablässig verfolgt; und immer der fürchterliche Ruf: »Aber Herr Leutnant; aber Herr Leutnant!« – Dieser mein Obrist war im Grunde genommen ein ehrlicher Degenknopf und ein guter Mann; nur glaubte er, als ein echter Zögling der ablaufenden Zeit, daß Grobsein notwendig zur Sache gehöre. Nachdem ich von der Reise zurückgekehrt, wollte ich den Mann wiedersehen, der so lange die Ruhe meiner Nächte gestört. Ich suchte ihn auf: ich fand einen achtzigjährigen, stockblinden Mann, fast riesigen Wuchses, viel größer als das Bild, das ich von ihm hatte, der in dem Hause eines ehemaligen Unteroffiziers seiner Kompanie ein Stübchen unten auf dem Hofe bewohnte und von einigen kleinen Gnadengehalten lebte, da er im unglücklichen Kriege, mehr aus Beschränktheit als aus Schuld, allen Anspruch auf eine Pension verwirkt hatte. – Fast verwundert, von einem Offizier des Regimentes, bei dem er nicht beliebt war, aufgesucht zu werden, und nicht maßzuhalten wissend, war er gegen mich von einer übertriebenen Höflichkeit, die mir in der Seele wehe tat. Wie er mir die Hand reichte, befühlte er mit zwei Fingern das Tuch meines Kleides, und was in diesem Griffe lag – ich weiß es nicht, aber ich werde ihn nie vergessen. – Ich schickte ihm etliche Flaschen Wein als ein freundliches Geschenk, und als er, ich glaube im folgenden Jahre, verschied, fand es sich, daß er mich zu seinem Leichenbegängnis einzuladen verordnet hatte. Ich folgte ihm allein mit einem alten Major des Regimentes und seinem Unteroffizier; – und Friede sei seiner Asche!

Ich will noch einiges von den Tieren nachholen, die zur Zeit Haus- und Gastrecht auf dem »Rurik« genossen. Unser kleiner Hund aus Concepción, unser Valet, war uns treu geblieben. Er gehörte in die Kajüte de Campagne und war zur See mit Lust und Kunst von einer wahrhaft musterhaften Trägheit. Er sah uns alle bittend an, und winkte ihm einer Gewährung, so war er mit einem Satze in dessen Koje, wo er bis zu der nächsten Mahlzeit schlief An jedem Landungsplatz hingegen mußte er zuerst an das Land, und wenn man ihn im Boote nicht mitnehmen wollte, so schwamm er hin. Er suchte, wie wir, seine Gattung, kam aber meist, wenn er sie gefunden, übel zugerichtet und zerfetzt wieder heim. Unser Valet hatte an einem jungen Hunde von der unter den Eskimos dienenden Rasse, welchen der Kapitän von seiner Nordfahrt mitgebracht, einen Nebenbuhler gefunden. Dieser neue Gast hieß auf dem »Rurik« »der große Valet«. Wir hatten drittens noch Schaffecha, die Sau, die übermütig ihrem schon verkündeten Schicksal entgegenging.

Als wir von Kamtschatka nach Norden fuhren, hatten wir einen letzten Hahn am Bord, der, aus dem Hühnerkasten entlassen, als ein stolzer Gesell frei auf dem Verdeck spazierenging. Ich war neugierig zu beobachten, wie er sich hinsichtlich des Schlafes verhalten würde, wenn die Sonne für uns nicht mehr unterginge. Die Beobachtung unterblieb indes aus zwei Gründen: denn wir kamen erstlich nicht so weit nach Norden, und zweitens flog über Bord, fiel ins Meer und ertrank der Hahn, bevor wir noch die Sankt-Laurenz-Insel erreicht hatten.

Aber ich kehre zu unserer Fahrt zurück. Wir segeln am 2. Oktober 1816 nachmittags um vier Uhr in den Hafen von San Francisco hinein. Große Bewegung zeigt sich auf dem Fort am südlichen Eingange des Kanals; sie ziehen ihre Flagge auf, wir zeigen die unsere, die hier nicht bekannt zu sein scheint, und salutieren die spanische mit sieben Schüssen, welche nach dem spanischen Reglement mit zwei weniger erwidert werden. Wir lassen die Anker vor dem Presidio fallen, und kein Boot stößt vom Ufer, zu uns zu kommen, weil Spanien auf diesem herrlichen Wasserbecken kein einziges Boot besitzt.

Ich ward sogleich beordert, den Leutnant Schischmarew nach dem Presidio zu begleiten. Der Leutnant Don Luis de Arguello, nach dem Tode des Rittmeisters Kommandant ad interim, empfing uns ausnehmend freundschaftlich, sorgte augenblicklich für die nächsten Bedürfnisse des »Ruriks«, indem er Obst und Gemüse an Bord schickte, und ließ noch am selben Abende einen Eilboten an den Gouverneur von Neu-Kalifornien nach Monterey abgehen, um demselben unsre Ankunft zu melden.

Am andern Morgen (den 3.) traf ich den Artillerieofflzier Don Miguel de la Luz Gomez und einen Pater der hiesigen Mission, die eben an das Schiff kamen, als ich selbst im Auftrage des Kapitäns nach dem Presidio gehen wollte. Ich geleitete sie an Bord; sie waren die Überbringer der freundlichsten Hülfsverheißungen von seiten des Kommandanten und der viel vermögenderen Mission. Der geistliche Herr lud uns außerdem auf den folgenden Tag, der das Fest des Heiligen war, auf die Mission von San Francisco ein, wohin zu reiten wir Pferde bereit finden würden. Auf den ausgesprochenen Wunsch des Kapitäns wurden wir sofort mit Schlachtvieh und Vegetabilien auf das reichlichste versorgt. Nachmittags wurden die Zelte am Lande aufgerichtet, das Observatorium und das russische Bad. Am Abend statteten wir dem Kommandanten einen Besuch ab. Acht Kanonenschüsse wurden zum Empfang des Kapitäns von dem Presidio abgefeuert.

Nicht aber nach diesen überflüssigen Höflichkeitsschüssen, sondern nach den zweien der russischen Flagge schuldig gebliebenen begehrte der Kapitän, und er bestand mit Beharrlichkeit auf deren Erstattung. Darüber ward lange unterhandelt, und nur unwillig und gezwungen (ich weiß nicht, ob nicht erst auf Befehl des Gouverneurs) bequemte sich endlich Don Luis de Arguello, die zwei vermißten Schüsse nachträglich zu liefern. Es mußte noch einer unserer Matrosen nach dem Fort kommandiert werden, um die Leine zum Aufziehen der Flagge wieder in Ordnung zu bringen; denn sie war bei dem letzten Gebrauch zerrissen, und es war unter den Einheimischen niemand, der vermocht hätte, an dem Mast hinaufzuklettern.

Das Fest des heiligen Franziskus gab uns Gelegenheit, die Missionare in ihrer Wirksamkeit und die Völker, an die sie gesandt waren, in gezähmtem Zustande zu beobachten. Ich werde dem, was ich in den »Bemerkungen und Ansichten« gesagt habe, nichts hinzuzufügen haben. Man kann über die Stämme der Eingeborenen Choris nachlesen, der in seinem »Voyage pittoresque« eine schätzbare Reihe guter Porträts gegeben hat; nur sind die nachträglich in Paris gezeichneten Blätter X und XII auszuschließen; daß man so, wie dort dargestellt, den Bogen nicht braucht, weiß jeder. Choris liefert sogar in seinem Texte kalifornische Musik. Ich weiß nicht, wer es übernommen haben mag, hier und noch einigemal im Verlaufe des Werkes Noten nach Choris' Gesang zu Papiere zu bringen. Ich pflegte zwar dem Freunde einzuräumen, daß er besser sänge als ich, doch durfte er nicht den großen Vorzug bestreiten, den mein Gesang vor dem seinen habe, sich nämlich fast nie hören zu lassen.

Der Kapitän hatte hier wie in Chile den Kommandanten und seine Offiziere an unsern Tisch zu gewöhnen gewußt. Wir speisten auf dem Lande unter dem Zelte, und unsere Freunde vom Presidio pflegten nicht auf sich warten zu lassen. Das Verhältnis ergab sich fast von selbst. Das Elend, worin sie seit sechs bis sieben Jahren, von Mexiko, dem Mutterlande, vergessen und verlassen, schmachteten, erlaubte ihnen nicht, Wirte zu sein, und das Bedürfnis, redend ihr Herz auszuschütten, trieb sie, sich uns zu nähern, mit denen es sich leicht und gemütlich leben ließ. Sie sprachen nur mit Erbitterung von den Missionaren, die bei mangelnder Zufuhr doch im Überflusse der Erzeugnisse der Erde lebten und ihnen, seitdem das Geld ausgegangen, nichts mehr verabfolgen ließen, wenn nicht gegen Verschreibung, und auch so nur, was zum notdürftigsten Lebensunterhalt unentbehrlich, worunter nicht Brot, nicht Mehl einbegriffen – seit Jahren hatten sie, ohne Brot zu sehen, von Mais gelebt. Selbst die Kommandos, die zum Schutze der Missionen in jeglicher derselben stehen, wurden von ihnen nur gegen Verschreibung notdürftig verpflegt. »Die Herren sind zu gut!« rief Don Miguel aus, den Kommandanten meinend, »sie sollten requirieren, liefern lassen!« Ein Soldat ging noch weiter und beschwerte sich gegen uns, daß der Kommandant ihnen nicht erlauben wollte, sich dort drüben Menschen einzufangen, um sie wie in den Missionen für sich arbeiten zu lassen. Mißvergnügen erregte auch, daß der neue Gouverneur von Monterey, Don Paolo Vicente de Sola, seit er sein Amt angetreten, sich dem Schleichhandel widersetzen wollte, der sie doch allein mit den unentbehrlichsten Bedürfnissen versorgt habe.

Am 8. Oktober kam der Kurier aus Monterey zurück. Er brachte dem Kapitän einen Brief von dem Gouverneur mit, der ihm seine baldige Ankunft in San Francisco meldete. Don Luis de Arguello war nach dem Wunsche des Herrn von Kotzebue ermächtigt worden, einen Eilboten nach dem Port Bodega an Herrn Kuskow abzufertigen; und an diesen schrieb der Kapitän, um von seiner handeltreibenden und blühenden Ansiedelung mehreres, was auf dem »Rurik« zu fehlen begann, zu beziehen.

»Herr Kuskow«, sagt Herr von Kotzebue, II, Seite 9, in einer Note, »Herr Kuskow, Agent der Russisch-Amerikanischen Kompanie, hat sich auf Befehl des Herrn Baranow, welcher das Haupt aller dieser Besitzungen in Amerika ist, in Bodega niedergelassen, um von dort aus die Besitzungen der Kompanie mit Lebensmitteln zu versorgen.« Aber Bodega, beiläufig dreißig Meilen, eine halbe Tagreise, nördlich von San Francisco gelegen, wurde von Spanien, nicht ohne einigen Anschein des Rechtes, zu seinem Grund und Boden gerechnet, und auf spanischem Grund und Boden also hatte Herr Kuskow mit zwanzig Russen und fünfzig Kadiakern mitten im Frieden ein hübsches Fort errichtet, das mit einem Dutzend Kanonen besetzt war, und trieb dort Landwirtschaft, besaß Pferde, Rinder, Schafe, eine Windmühle usw. Da hatte er eine Warenniederlage für den Schleichhandel mit den spanischen Häfen, und von da aus ließ er durch seine Kadiaker jährlich ein paar tausend Seeottern an der kalifornischen Küste fangen, deren Häute nach Choris, der gut unterrichtet sein konnte, auf dem Markt zu Kanton, die schlechteren zu fünfunddreißig Piastern, die besseren zu fünfundsiebzig Piastern, im Durchschnitt zu sechzig Piastern, verkauft wurden. – Es war bloß zu bedauern, daß der Hafen Bodega nur Schiffe, die nicht über neun Fuß Wasser ziehen, aufnehmen kann.

Es scheint mir nicht unbegreiflich, daß der Gouverneur von Kalifornien, wenn er von dieser Ansiedelung späte Kunde erhalten, sich darüber entrüstet habe. Verschiedene Schritte waren geschehen, um den Herrn Kuskow zu veranlassen, den Ort zu räumen; mit allem, was sie an ihn gerichtet, hatte er stets die spanischen Behörden an den Herrn Baranow verwiesen, der ihn hierher gesandt und auf dessen Befehl, falls man den erwirken könne, er sehr gern wieder abziehen würde. – So standen die Sachen, als wir in San Francisco einliefen. Der Gouverneur setzte jetzt seine Hoffnung auf uns. Ich auch werde von Konferenzen und Unterhandlungen zu reden haben und die Denkwürdigkeiten meiner diplomatischen Laufbahn der Welt darlegen. Aber wir sind noch nicht soweit.

Am 9. Oktober wurden etliche Spanier nach dem nördlichen Ufer übergeschifft, um dort mit der Wurfschlinge Pferde einzufangen für den an Herrn Kuskow abzusendenden Kurier, und ich ergriff die Gelegenheit, mich auch jenseits umzusehen. Die rotbraunen Felsen dort sind, wie in meinen »Bemerkungen und Ansichten« gesagt wird und im Mineralogischen Museum zu Berlin nachgesehen werden kann, Kieselschiefer; nicht aber Konglomerat, wie bei Moritz von Engelhardt (»Kotzebues Reise«, III, Seite 192) angenommen wird, um auf diese Annahme weiter zu bauen.

Das Jahr war schon alt, und die Gegend, die in den Frühjahrmonaten, wo sie Langsdorff gesehen hat, einem Blumengarten gleichen soll, bot jetzt dem Botaniker nur ein dürres, ausgestorbenes Feld. In einem Sumpfe in der Nähe unsrer Zelte soll eine Wasserpflanze gegrünt haben, wegen welcher mich Eschscholtz nach der Abfahrt fragte. Ich hatte sie nicht bemerkt, er aber hatte darauf gerechnet, eine Wasserpflanze, meine bekannte Liebhaberei, würde mir nicht entgehen, und hatte sich die Füße nicht naß machen wollen. – So etwas hat man von seinen nächsten Freunden zu gewärtigen.

Auf der nackten Ebene, die am Fuße des Presidio liegt, steht weiter ostwärts einzeln zwischen niedrigerem Gebüsche eine Eiche. Den Baum hat noch jüngst mein junger Freund Adolf Erman gesehen – wenn er ihn näher betrachtet hätte, so hätte er in dessen Rinde meinen Namen eingeschnitten gefunden.

Am 15. Oktober kam der an Kuskow abgefertigte Kurier wieder zurück, und am 16. abends verkündigten Artilleriesalven vom Presidio und vom Fort die Ankunft des Gouverneurs aus Monterey. Gleich darauf kam ein Bote vom Presidio herab, um für zwei Mann, die beim Abfeuern einer Kanone gefährlich beschädigt worden, die Hülfe unseres Arztes in Anspruch zu nehmen. Eschscholtz folgte sogleich der Einladung.

Am 17. morgens wartete Herr von Kotzebue an seinem Bord auf den ersten Besuch des Gouverneurs der Provinz; und der Gouverneur hinwiederum, ein alter Mann und Offizier von höherem Range, wartete auf dem Presidio auf den ersten Besuch des Leutnant von Kotzebue. Der Kapitän wurde zufällig benachrichtigt, daß er auf dem Presidio erwartet werde, worauf er mich nach dem Presidio mit dem mißlichen Auftrag schickte, dem Gouverneur glimpflich beizubringen: er, der Kapitän, sei benachrichtigt worden, daß er, der Gouverneur, ihn heute früh an seinem Bord habe besuchen wollen, und er erwarte ihn. Ich fand den kleinen Mann in großer Montierung und vollem Ornat, bis auf eine Schlafmütze, die er, bereit, sie a tempo abzunehmen, noch auf dem Kopfe trug. Ich erledigte mich, so gut ich konnte, meines Auftrages und sah das Gesicht des Mannes sich auf das Dreifache seiner natürlichen Länge verlängern. Er biß sich in die Lippen und sagte: er bedaure, vor Tisch die See nicht vertragen zu können; und es täte ihm leid, für jetzt auf die Freude verzichten zu müssen, den Herrn Kapitän kennenzulernen. – Ich sah es kommen, daß der alte Mann zu Pferde steigen und unverrichtetersache seinen Kurierritt durch die Wüste nach Monterey zurück wieder antreten würde; denn daß Herr von Kotzebue, wenn einmal die Spaltung ausgesprochen, nachgeben könne, ließ sich nicht annehmen.

Dem nachsinnend, schlich ich zum Strande wieder hinab, als ein guter Genius sich ins Mittel legte und, bevor es zu Mißhelligkeiten gekommen, den wartenden Frieden durch den schönsten Freundschaftsbund besiegelte. Der Morgen war verstrichen und die Stunde gekommen, wo Herr von Kotzebue, Mittagshöhe zu nehmen und die Chronometer aufzuziehen, an das Land fahren mußte. – Es wurde von den ausgesetzten Spähern auf dem Presidio gemeldet, der Kapitän komme; und wie dieser ans Land trat, schritt ihm der Gouverneur den Abhang hinab entgegen. Er wiederum ging zum Empfang des Gouverneurs den Abhang hinauf, und Spanien und Rußland fielen auf dem halben Wege einander in die offenen Arme.

Es wurde unter unserm Zelte gespeist, und in der Sache von Port Bodega, die zur Sprache kam, hatte der Kapitän Gelegenheit zu bedauern, daß er ohne Instruktion sei, der Unbill, die Spanien widerfahre, zu steuern. – Von jenem Hafen her langte heute eine große Baidare an und brachte von Herrn Kuskow alles, was der Kapitän verlangt hatte. Mit dieser selben Baidare, die am andern Tage, dem 18., zurückeging, ersuchte Herr von Kotzebue im Namen des Gouverneurs den Herrn Kuskow, sich zu einer Konferenz in San Francisco einzufinden.

Wir sahen am 18. den Gouverneur nicht, der vielleicht einen Staatsbesuch auf dem Presidio erwartete. Am 19. ward auf dem Presidio getafelt, und Artilleriesalven begleiteten den Toast auf die Alliance der Souveräne und die Freundschaft der Völker. Am 20. waren wir hinwiederum zu Mittag die Wirte und tanzten abends auf dem Presidio. Bei der Acht-Uhr-Glocke schwieg auf eine Welle die Musik, und das Abendgebet ward in der Stille verrichtet.

Herr von Kotzebue war im Umgang von einnehmender Liebenswürdigkeit, und Don Paolo Vicente de Sola, der doch sehr an Förmlichkeiten hing, denen Genüge zu leisten ausgewichen worden war, hatte, darüber getröstet, sich uns ganz hingegeben. Das hier beliebte Schauspiel des Kampfes eines Bären mit einem Stiere war uns verheißen. Am 21. fuhren zehn bis zwölf Soldaten in der Barkasse der Mission nach dem nördlichen Ufer hinüber, dort Bären mit dem Lasso einzufangen. Man will am späten Abend von der See her Geschrei gehört haben, was auf die Bärenjäger auf jener Küste gedeutet wurde; kein Bivouakfeuer war jedoch zu sehen. Die Indianer sollen ein gar gellendes Geschrei erheben können.

Erst am 22. abends brachten die Jäger eine kleine Bärin ein. Sie hatten auch einen größeren Bären gefangen, aber zu weit von der See ab, um ihn ans Ufer transportieren zu können.

Dem Tiere, das am andern Tage kämpfen sollte und über Nacht in der Barkasse blieb, wurden gegen den Brauch Kopf und Maul frei gelassen, damit es sich frischer erhalte. Der Gouverneur brachte den ganzen Tag, Mittag und Abend in unsern Zelten zu. Zu Nacht brannten auf dem festen Lande im Hintergrunde des Hafens große Feuer; die Eingebornen pflegen das Gras anzuzünden, um dessen Wachstum zu fördern.

Am 23. fand der Bärenkampf am Strande statt. Unfreiwillig und gebunden, wie die Tiere waren, hat das Schauspiel nichts Großes und Erhebendes. Man bemitleidet nur die armen Geschöpfe, mit denen so schändlich umgegangen wird. Ich war mit Gleb Simonowitsch auf den Abend auf dem Presidio. Der Gouverneur erhielt eben die Nachricht, daß das Schiff aus Acapulco, das seit vielen Jahren ausgebliebene, endlich wieder einmal zur Versorgung von Kalifornien in Monterey eingelaufen. Er bekam mit dieser Nachricht zugleich die neuesten Zeitungen aus Mexiko. Mir, dem er sich bei jeder Gelegenheit geneigt und gefällig erwies, teilte er die Blätter mit. Unter königlicher Auctorität redigiert, enthielten sie bloß kurze Nachrichten de la pacificacion de las provincias, von der Unterwerfung der Provinzen, und einen langen laufenden Artikel: die Geschichte der Johanna Krüger, Unteroffizier im Regiment Kolberg – welche Geschichte mir nicht neu war, da ich Gelegenheit gehabt, den tapfern Soldaten selbst bei einem Offizier seines Regiments kennenzulernen.

Don Paolo Vicente, wie er einst vom Presidio zu unsern Zelten herabstieg, brachte ein Geschenk a su amigo Don Adelberto, eine Blume, die er am Wege gepflückt hatte und die er mir, dem Botaniker, feierlich übergab. – Es war zufällig unser Gänserich oder Silberblatt (Potentilla anserina), wie er nicht schöner bei Berlin blühen kann.

In Monterey waren zur Zeit Gefangene verschiedener Nationen, die der Schleichhandel und der Seeotterfang, Abenteuer auf diesen Küsten zu suchen, herbeilockte und von denen einzelne für die andern gebüßt hatten. Darunter ein paar Aleuten oder Kadiaker, mit denen vor sieben Jahren ein amerikanischer Schiffskapitän den Otterfang in den spanischen Häfen dieser Küste getrieben hatte. Die Russen verbrauchen nicht allein diese nordischen Völker, sie liefern sie auch um halben Gewinn andern zum Verbrauch. Ich habe sogar auf den Sandwich-Inseln versprengte Kadiaker angetroffen. Unter den Gefangenen in Monterey befand sich auch ein Herr John Elliot de Castro, von dem weiter noch die Rede sein wird. Er war nach vielen Abenteuern als Superkargo eines von Herrn Baranow aus Sitcha auf den Schleichhandel dieser Küste ausgesandten Schiffes der Russisch-Amerikanischen Kompanie mit einem Teil der Mannschaft in die Hände der Spanier gefallen. Außer den Gefangenen waren noch drei Russen da, alte Diener der Russisch-Amerikanischen Kompanie, die von der Ansiedelung an Port Bodega ausgetreten waren und jetzt, Sprache und Sitten der Heimat vermissend, den getanen Schritt bereuen mochten.

Don Paolo Vicente de Sola erbot sich, dem Kapitän die gefangenen Russen, wofür auch Aleuten und Kadiaker galten, auszuliefern, während er dieselben Herrn Kuskow verweigerte. Es scheint nicht, daß die Spanier irgendeinen Dienst begehrt, irgendeinen Vorteil gezogen haben von diesen Menschen, die fremde Habsucht ihrer Heimat geraubt, um mit ihren Kräften hier zu wuchern. Der König von Spanien vergütigte oder sollte vergütigen anderthalb Realen des Tages für jeden Kriegsgefangenen. Der Kapitän, beschränkt durch die Umstände, vermochte nur die drei ausgetretenen Russen an seinem Bord aufzunehmen und Herrn Elliot die Überfahrt nach den Sandwich-Inseln anzubieten, von wo aus er leicht nach Sitcha, oder wo er sonst hin wollte, gelangen konnte. Der Gouverneur sandte nach diesen Russen, und wie sie angekommen, überantwortete er sie Herrn von Kotzebue, nachdem er von ihm ein feierliches Ehrenwort gefodert und erhalten, daß sie, die Schutz in Spanien gesucht und gefunden, deshalb zu keinerlei Strafe gezogen werden sollten. Ich fand sein Benehmen bei dieser Gelegenheit sehr edel.

Unter diesen Russen war einer, Iwan Strogonow, ein alter Mann, der sich innig freute, zu seinen Landsleuten wieder gekommen zu sein. Da er kaum zum Matrosendienst taugen mochte, bestimmte ihn der Kapitän zu unserm, der Passagiere, Dienste in der Kajüte de Campagne und machte uns solches bekannt. Er wurde die letzten Tage, die wir im Hafen weilten, auf die Jagd geschickt. Der Unglückliche! Am Vorabend der Abfahrt sprang sein Pulverhorn, und er wurde tödlich verletzt zurückgebracht. – Er wollte nur unter Russen sterben: der Kapitän behielt ihn aus Erbarmen an seinem Bord; er verschied am dritten Tage der Fahrt. Er wurde still in die See versenkt und mit ihm die letzte Hoffnung unserer Stiefeln, je noch einmal auf der Reise geputzt zu werden. Friede sei mit Iwan Strogonow!

Aber ich bin der Zeit vorangeeilt; ich kehre wieder zurück.

Am 25. Oktober traf Herr Kuskow mit sieben kleinen Baidaren aus Port Bodega ein. Ein gewandter und in jeder Hinsicht seinem Geschäfte gewachsener Mann.

Am 26. fand in den Vormittagsstunden die diplomatische Konferenz auf dem Presidio statt. Don Paolo Vicente de Sola, Gouverneur von Neu-Kalifornien, setzte das unbestreitbare Recht Spaniens an dem von der russischen Niederlassung unter Herrn Kuskow eingenommenen Gebiete in volles Licht und foderte Herrn Kuskow auf, das widervölkerrechtlich besetzte Gebiet zu räumen. Herr Kuskow, Agent der Russisch-Amerikanischen Handelskompanie und Vorsteher der Ansiedelung zu Port Bodega, ohne sich auf die Rechtsfrage, die ihn nichts angehe, einzulassen, bezeugte die größte Bereitwilligkeit, vom Port Bodega abzuziehen, sobald er nur dazu von seinem Vorgesetzten, Herrn Baranow, der ihn hieher beordert habe, ermächtigt würde. Darauf foderte der Gouverneur den Herrn von Kotzebue auf, namens des Kaisers einzugreifen und die Räumung von Bodega zu erwirken. Der Leutnant der kaiserlich russischen Marine und Kapitän des »Ruriks«, Otto von Kotzebue, erklärte sich für unbefugt, in einer Sache zu handeln, wo ihm übrigens das Recht so klar schiene, daß es bloß ausgesprochen zu werden brauche, um anerkannt zu werden. – Und so waren wir denn soweit, als wir zuvor gewesen.

Hierauf wurde beliebt, über die heutige Verhandlung und den Stand der Dinge ein Protokoll zu verabfassen und dasselbe in duplo, von allen Teilnehmern an besagter Verhandlung unterschrieben und untersiegelt, den beiden hohen Souveränen, als Seiner Majestät dem Kaiser von Rußland durch den Kapitän des »Ruriks« und Seiner Majestät dem Könige von Spanien durch den Gouverneur von Neu-Kalifornien, zuhanden kommen zu lassen.

Die Redaktion dieses Aktenstückes, welches spanisch verfaßt wurde, hatte ich als Dolmetscher zu beaufsichtigen. Ich verwarf den ersten Entwurf, in welchem ich etwas vermißte; »denn«, sagte ich zu Paolo Vicente, »indem Sie diese Sache vor den Thron der hohen Souveräne bringen und von dem Kaiser von Rußland selber die Abhülfe dieser Unbill und die Bestrafung seiner dafür verantwortlichen Diener erwarten, so begeben Sie sich des Ihnen sonst unbestreitbar zukommenden Rechts der Selbsthülfe gegen den Eindringling und dürfen dann der hohen Entscheidung der Monarchen nicht vorgreifen«.

Dagegen hatte denn Paolo Vicente de Sola nichts einzuwenden; er lobte meine Einsicht, ließ das Protokoll umschreiben und gab, als es am 28. abends auf dem Presidio unterschrieben wurde, sein feierliches Ehrenwort, eigenmächtig nichts Gewaltsames gegen den p.p. Kuskow und die russische Niederlassung am Port Bodega zu unternehmen und die Sachen bis zur Entscheidung der hohen Höfe in statu quo zu belassen. – Ich unterschrieb das Aktenstück en clase de interprete, als Dolmetscher, mit.Vergleiche über die russische Ansiedelung am Port Bodega: Otto von Kotzebue, »Neue Reise um die Welt in den Jahren 1823-1826«, II, 65–70.

Ich will mit dieser Wendung der Dinge nicht prahlen. Denn hätte auch der wackere Don Paolo Vicente de Sola kein Gelübde abgelegt, so hätte er doch schwerlich die Feindseligkeiten eröffnet und einen Kriegszug gegen das russische Fort am Port Bodega unternommen.

Ich habe gehört, daß besagtes Protokoll in Petersburg seine eigentliche Bestimmung nicht verfehlt hat und, ohne weiter zum Vortrag zu kommen, im betreffenden Ministerio ad acta gelegt worden ist. Aber dem Don Paolo Vicente de Sola, Gobernador de la Nova California, soll ein russischer Orden zugesendet worden sein. Ich erhielt von Herrn Kuskow ein schönes Otterfell als Ehrengeschenk, und solches könnt ihr euch zu Berlin im Zoologischen Museum, dem ich es verehrt habe, zeigen lassen.

Eine unmittelbare Folge der Konferenz vom 26. Oktober war für den »Rurik« eben keine ersprießliche. – Die Verhandlung hatte sich über die Mittagsstunde hinaus verlängert, und ein anderer hatte für den Kapitän die Chronometer aufgezogen. – Er vertraute mir, der große Chronometer habe seither seinen Gang dergestalt verändert, daß er ihn für verdorben halten müsse.

Die Gebietsansprüche Spaniens auf dieser Küste wurden von den Amerikanern und Engländern nicht höher geachtet als von den Russen. Den Ausfluß der Colombia rechnete Spanien auch zu seinem Gebiete. Die Geschichte der dortigen Ansiedelung haben uns die Spanier und Herr Elliot ziemlich gleichlautend erzählt. Die Amerikaner hatten sich aus New York, teils zu Lande und teils zur See, dahin begeben und dort eine Niederlassung begründet. Während des Kriegs zwischen England und Amerika ward die Fregatte »Racoon«, Kapitän Black, ausgesandt, Besitz von diesem Posten zu nehmen. Die englischen Kaufleute aus Kanada begaben sich zu Lande dahin, und wie das Kriegsschiff, das die Kolonie bedrohte, im Angesicht des Hafens war, setzten sie sich um Geldes Preis, um 50 000 Pfund Sterling, in Besitz derselben und zogen die englische Flagge auf. Eine Handelsstraße zu Land soll die Colombia mit Kanada verbinden. Relata refero.

Die Zeit unsers Aufenthalts in Kalifornien war abgelaufen. Am 26. Oktober, einem Sonntage, war nach einem Ritte nach der Mission Fest- und Abschiedsmahl unter unsern Zelten. Die Artillerie des »Ruriks« begleitete den Toast auf den Bund der Monarchen und der Völker und auf die Gesundheit des Gouverneurs. – Ein guter Missionar hatte seinen Mantel zu tief in das Blut der Reben getaucht und schwankte sichtbarlich unter der Last.

Am 28. wurde das Lager abgebrochen und wieder eingeschifft. Indes wir auf dem Presidio das Protokoll besiegelten, hatte Herr Kuskow mit Vorwissen des Herrn von Kotzebue zwei Baidaren auf den Otterfang in den Hintergrund der Bucht ausgeschickt.

Am 29. reisten einerseits Herr Kuskow früh am Morgen mit seiner Baidaren-Flottille nach Bodega und andererseits später am Tage der gute Don Paolo Vicente de Sola nach Monterey. Dieser nahm unsere Briefe zur Beförderung nach Europa mit, die letzten, die unsere Freunde von der Reise aus von uns erhalten. Mit ihnen verschwand unsere Spur. Denn da wir im Spätjahr 1817 nach Kamtschatka nicht zurückgekehrt, hat man uns in Europa verloren geben müssen.

Am 30. ward alles Getier eingeschifft und Vegetabilien in der größten Fülle. Zugleich kamen eine unendliche Menge Fliegen an Bord, welche die Luft verdichteten. Frisches Wasser hatten wir eingenommen, was im hiesigen Hafen, zumal im Sommer, ein schwieriges Geschäft ist; ein Fäßlein Wein aus Monterey verdankten wir dem Gouverneur. Unsere Freunde vom Presidio speisten zu Mittage mit uns auf dem »Rurik«. Wir waren segelfertig.

Am 31. waren zum letzten Abschied unsere Freunde noch bei uns; einige von uns ritten noch nachmittags nach der Mission. Spät am Abend langte Herr John Elliot de Castro an, noch unschlüssig, ob er von dem Anerbieten des Kapitäns Gebrauch machen werde oder nicht. Er entschied sich jedoch für das erstere.

Am 1. November 1816, am Allerheiligenfeste, morgens um neun Uhr, lichteten wir die Anker, während unsere Freunde in der Kirche waren. Wir sahen sie auf dem Fort ankommen, als wir eben vorbeisegelten. Sie zogen mit einem Kanonenschuß die spanische Flagge auf, wir gleichfalls die unsere. Sie salutierten uns zuerst mit sieben Kanonenschüssen, die wir Schuß für Schuß erwiderten.

Das Wasser des Hafens von San Francisco war in hohem Maß von sehr feinen Lichtpunkten phosphoreszierend, und merklich schimmernd entrollte sich auch die brandende Welle auf dem Strande der Küste außerhalb der Bucht. Ich habe das Wasser des Hafens mit dem Mikroskop untersucht und darin nicht häufige, ausnehmend kleine Infusorien beobachtet, denen ich dennoch bei dem Leuchten keine Rolle zuschreiben mag.

Wir schauten hier täglich dem Spiele der Nebel zu, die, vom waltenden Seewind ostwärts über das sonnenerhellte Land gewehet, zerflossen und sich auflösten. Besonders schön war das Schauspiel, welches sie uns bei der Abfahrt bereiteten, indem sie verschiedene Gipfel und Gegenden der Küste bald verhüllten und bald entschleierten.


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