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Sprechende Personen:
Theogenes, Corabinus und noch vier andere numantinische Befehlshaber setzen sich zur Berathschlagung; Marquinus, ein Zauberer; später ein Leichnam.
Theogenes.
Mir kommt es vor, Ihr muth'gen, starken Männer,
Als wenn zu unserm Unheil sich vereinten
Die bösen Sterne und das Mißgeschick,
Denn uns're Kunst und uns're Kräfte schwinden.
Es halten uns die Römer eingeschlossen
Und wollen uns durch feige Kunst vernichten.
Nicht können mordend unsern Tod wir rächen,
Noch ohne Flügel uns von hier entrücken;
Und nicht allein erstehen die auf's neu',
Die wir so oft schon überwunden haben,
Auch Spanier schließen Bündniß mit den Feinden,
Um uns're Häupter frevelnd abzumähen.
Mag nie der Himmel solche Bosheit dulden;
Mag er vielmehr mit seiner Blitze Strahlen
Den flücht'gen Fuß verwunden, der sich rührt
Zum Nachtheil seines angebornen Freundes,
Verrätherischem Feind zum Nutzen aber.
Bedenkt, ob Ihr ein Mittel könnt ersinnen,
Um diesem Unglücksdrange zu entgehen,
Denn dieser schrecklichen Belag'rung Dauer
Läßt uns nur noch ein schnelles Grab erwarten.
Der breite Graben raubt uns jedes Mittel,
Das Glück der Waffen muthig zu versuchen,
Obgleich zuweilen tapf're, starke Arme
Wohl tausend Hindernisse brechen können.
Corabinus.
O möcht' es Jupiter, der Hohe, fügen,
Daß uns're Jugend ganz allein entgegen
Dem ganzen, tapfern Heer der Römer stände,
und frei der Arm die Waffen schwingen möchte!
Die kräft'gen Spanierhände würden dann
Auch durch den Tod nicht abgehalten werden,
Zum Heil des edeln Numantinervolkes
Voll Muth sich einen breiten Weg zu bahnen.
Doch, weil wir uns in solcher Lage sehen,
Daß eingeschlossen wir, gleich Gämsen, sind,
So laßt uns thun, was wir nur immer können,
Um kühnen Muth und hohen Geist zu zeigen.
Laßt uns zum einzeln Kampf die Feinde fordern;
Vielleicht sind der Belagerung sie müde
Und lassen willig sich dazu bewegen,
Auf diesem Wege sie zu endigen.
Und will dies Auskunftmittel nicht gelingen,
Wie ein gerecht Verlangen es begehrt,
Dann bleibt ein and'rer Weg uns übrig noch,
Obgleich er, wie ich glaube, schwier'ger ist.
Wir brechen Wall und Graben, die uns wehren,
Zum Feind zu kommen, den wir dort erblicken,
Bei nächt'ger Zeit und dringen durch und suchen
Bei fremden Freunden Aufenthalt und Hülfe.
Erster Befehlshaber.
Sey's durch den Graben, oder durch den Tod,
Wir müssen einen Weg zum Leben finden,
Denn schrecklich ist des Todes bitt'rer Schmerz,
Wenn er uns überrascht bei frischem Leben;
Ein Mittel, gegen Leiden ist der Tod,
Wenn sie sich mit dem Leben schnell vermehren,
Und desto köstlicher ist dieses Mittel,
Je rühmlicher und muthiger man stirbt.
Zweiter Befehlshaber.
Und könnten uns're Seelen rühmlicher
Den Körper wohl verlassen, als wenn wir,
In röm'sche Waffen stürzend, noch die Rechte,
Die kräftige, in Römerblute baden?
Es bleibe ruhig hinter diesen Mauern,
Wer sich als feiger Schwächling zeigen will;
Ich aber freue mich des Heldentodes,
Sey's in dem Graben, sey's im off'nen Felde.
Dritter Befehlshaber.
Es zwingt der Hunger mich, der Nagende,
Der uns so hart verfolgt, der uns umgibt,
Daß Eurer Meinung ich mich zugeselle,
Ob sie verzweifelt auch und tollkühn sey.
Im Tod entgehn wir dieser großen Schmach;
Und wen aus Hunger nicht zu sterben lüstet,
Der stürze sich mit mir hinaus zum Graben,
Und suche Weg und Rettung mit dem Schwerte.
Vierter Befehlshaber.
Eh Ihr das harte Wagstück noch beginnt,
Das allgemein Ihr jetzt beschlossen habt,
So scheint mir's gut gethan, daß von der Mauer
Die Meinung uns'rer Feinde man erfrage;
Ob sich'res Feld zum Zweikampf sie gewähren
Für einen Numantiner und Quiriten;
Der Tod des Einen sey dann Richterspruch,
Der diesen, unsern langen Streit beende.
Den stolzen Römern ist die Hoffahrt eigen;
Nicht werden sie verschmähen diesen Kampf,
Und nehmen sie ihn an, so glaub' ich fest,
Daß unser schweres Leiden hat geendet,
Denn Corabinus ist hier gegenwärtig,
Von dessen Tapferkeit ich wohl erwarte,
Daß
dreien Römern er den Sieg entreiße,
Und wären sie die Stärksten ihres Heeres:
Auch mag es wohl gethan seyn, wenn Marquinus,
Da er ein großer Zeichendeuter ist,
Am Himmel forschet, was für ein Gestirn
Uns Tod verkünde, oder rühmlich Ende,
Und ob er sich're Auskunft wohl mag finden,
Wodurch er uns kann zeigen, ob wir aus
Dem Schreckenskreise, der uns rauh umfängt,
Als Sieger gehen werden, oder nicht?
Vor allem Andern aber muß zum Zeus
Empor ein feierliches Opfer lodern;
Von ihm läßt sich Vergeltung ja erwarten,
Die größer ist, als was wir bieten können.
Schnell schließe sich die alte, tiefe Wunde
Des eingewurzelten, gewohnten Lasters,
Denn dadurch läßt vielleicht das harte Schicksal
Sich noch erweichen und bescheert uns Glück.
Zum Sterben mangelt nimmer dem die Zeit,
Der sterben will als ein Verzweifelter,
Und immer werden Zeit und Raum wir finden,
Um sterbend unsern kühnen Muth zu zeigen.
Damit indeß die Zeit nicht unnütz schwinde,
So überlegt: Ob Euch mein Vorschlag fromme?
Und frommt er nicht, so fasset andern Schluß,
Der aller Noth ein füglich Ende mache.
Marquinus.
Der klugen Rede klugen Sinn zur loben,
Bin ich in meinem Innersten verpflichtet,
Deshalb mag köstlich Opfer man bereiten,
Und auch die Ford'rung an den Feind erlassen;
Ich aber will die Stunde nicht versäumen
Die Kraft zu zeigen meiner Wissenschaft,
Denn aus der Tiefe will ich Einen rufen,
Der uns der Zukunft Wohl und Weh verkünde.
Theogenes.
Ich, Freunde, bin bereit, wenn Ihr es meint,
Daß meiner Kraft man füglich könnte trauen,
Zu dem erwähnten Zweikampf auszuziehen,
Wenn er vielleicht noch vor sich gehen sollte.
Corabinus.
Wohl höhern Ruhm verdient Dein selt'ner Muth,
Und sicher kann man Deiner Kraft vertrauen
Noch größere und schwierigere Dinge,
Da Du der Beste von den Besten bist,
Und mit dem größten Recht den ersten Platz
Der Ehre einnimmst, und des Ruhms; ich aber,
Ich, der ich willig stets dem Bessern weiche,
Ich will der Herold seyn von diesem Kampfe.
Erster Befehlshaber.
Und ich will, mit dem ganzen Volk vereint,
Das thun, was Jupiter am meisten liebt,
Ihm nämlich Opfer bringen und Gebete,
Aus Schmerz erfülltem, reuevollem Herzen.
Zweiter Befehlshaber.
So laßt uns geh'n und schleunig das vollbringen,
Was hier im weisen Rath beschlossen worden,
Bevor die schlimme Pest der Hungersnoth
Uns bis auf's Aeußerste noch treiben mag.
Dritter Befehlshaber.
Und hat der Himmel schon den Schluß gefaßt,
Daß Untergang in dieser Noth wir finden,
So widerruf er ihn, wenn es verdient
Die Besserung, die ihm Numancia bietet.
Morander und Leonzius.
Leonzius.
Sag, wo gehst Du hin, Morander?
Wohin eilt Dein flücht'ger Fuß?
Morander.
Da ich selbst es noch nicht weiß,
Wirst auch Du es nicht erfahren.
Leonzius.
Wie? So hat die thör'ge Liebe.
Dir Verstand und Sinn verwirrt?
Morander.
Nein, ich habe mehr Verstand,
Seit die holde Lieb' ich kenne.
Leonzius.
Wahrheit, sag' ich, bleibt es immer,
Daß, wer sich der Lieb' ergibt,
Ist mit Recht durch seinen Schmerz
Viel gewichtiger geworden.
Morander.
Ganz gewiß ist, was Du sagtest,
Bosheit nur und scharfer Witz.
Leonzius.
Deine Einfalt seh' ich ein,
Wie Du meinen Witz verstanden.
Morander.
Einfalt wär' die holde Liebe?
Leonzius.
Ja, sie ist's, wenn sie nicht folgt
Den Gesetzen der Vernunft,
Zeit und Stunde leicht vergessend.
Morander.
Vorschrift willst Du Amor'n geben?
Leonzius.
Das kann die Vernunft gar wohl.
Morander.
Sie mag gar vernünftig seyn,
Aber wenig Freuden bringen.
Leonzius.
In dem Streite mit Verliebten
Muß Vernunft zurück sich zieh'n.
Morander.
Amor streitet nicht mit ihr,
Ob er gleich sie gern vermeidet.
Leonzius.
Ist's nicht der Vernunft zuwider,
Daß, ein wack'rer Krieger, Du
In der Liebe Fesseln liegst,
Während frei das Elend waltet?
Da Du von dem Gott des Krieges
Wuth und Stärke sollst erfleh'n,
Hat die Liebe Dich umstrickt,
Und Du lebst nur ihren Freuden?
Wie? Es liegt in engen Banden
Unser theures Vaterland,
Und Du denkst nicht Deiner Pflicht,
Die aus Liebe Du vergessen?
Morander.
Zorn entflammt in meinem Busen,
Weil Du so vernunftlos sprichst!
Hat wohl jemals einer Brust
Amor Feigheit eingegeben?
Wann verlass' ich wohl die Wache,
Zur Geliebten hinzugeh'n?
Oder schlummr' ich auf dem Pfühl,
Wann der Feldherr wachend sorget?
Hast Du je mich fehlen sehen,
Wenn mich rufte strenger Dienst,
Um des frechen Lasters Bahn,
Oder Amors Spur zu folgen?
Und hast niemals Du gefunden,
Daß ich braucht' Entschuldigung,
Warum tadelst Du so streng,
Daß ich holder Liebe diene?
Siehst Du aber still mich wandeln
Fern von menschlichem Verkehr,
Dann wirst in der eig'nen Brust
Du, daß ich nicht irre, finden.
Weißt Du nicht, daß ich seit Jahren
Schon verfolge Lyra's Spur?
Daß bereits gekommen war
Meiner bittern Leiden Ende,
Weil nach ihres Vaters Willen
Sie mein Weib nun sollte seyn,
Und auch ihrer Liebe Wunsch
Mit dem meinen sich vereinte?
Eben so auch mußt Du wissen,
Daß zu jener schönen Zeit
Kam der fürchterliche Krieg,
Der mir Glück und Ruh zerstörte.
Die Verbindung ward verschoben
Bis zum Ende dieses Krieg's,
Weil es uns'rer Stadt nicht ziemt,
Frohe Tage jetzt zu feiern.
Nun bedenke auch, wie wenig
Für mein Heil ich hoffen kann,
Da für uns der Sieg nur liegt
Auf des Feindes Lanzenspitze.
Abgemattet von dem Hunger,
Ohne daß uns Rettung blüht,
Sind wir in dem engen Raum,
Wenige, und eingeschlossen.
Da ich nun mein ganzes Hoffen
Seh' vom Winde fortgeführt,
Geh ich trauernd nur umher,
Wie Du mich hast gehen sehen.
Leonzius.
Stille Deinen Schmerz, Morander,
Kehr, zurück zum alten Muth,
Denn auf dunkelm Pfad vielleicht
Naht uns Rettung, naht uns Hülfe.
Jupiter, der Hocherhab'ne,
Wird uns zeigen einen Pfad,
Wo das Numantinervolk
Frei den Römern kann entgehen,
Und in Ruh' und süßem Frieden
Wird Dich Hymens Band umfah'n,
Und des Herzens rege Gluth
Stillst Du dann im Arm der Liebe;
Denn, daß Zeus uns günstig lächle,
Will in diesem Augenblick,
Durch das Unglück fest vereint,
Ihm Numancia Opfer bringen.
Sieh, schon führt herbei die Menge
Das geschmückte Opferthier. –
Großer, allbarmherziger Zeus,
Sieh herab auf unser Leiden!
(Zwei Numantiner in alterthümlichem Priesterschmucke treten auf und führen in ihrer Mitte einen, mit Oelzweigen, oder Epheu, und andern Blumen geschmückten Widder, den sie bei den Hörnern angefaßt haben; nun folgt ein Edelknabe mit einer silbernen Schale und einem Tuche; hierauf ein anderer mit einem silbernen Kruge voll Wasser, ein dritter mit einem Kruge voll Wein, ein vierter mit einer, ebenfalls silbernen Schüssel, auf der ein wenig Weihrauch liegt, ein fünfter mit Feuer und Holz, ein sechster setzt einen, mit einem Teppich versehenen Tisch hin, auf welchen hernach die, eben genannten Gegenstände gestellt werden. In dieser Scene treten so viele Schauspieler, als vorhanden sind, in numantinischer Kleidung auf, und sodenn die Priester; der erste Priester läßt den Widder los.)
Erster Priester.
Gar sich're Kunden sich'rer Schmerzen haben
Auf unserm Weg hierher sich blicken lassen,
Und meine grauen Haar' erstarren drob.
Zweiter Priester.
Wenn ich kein schlechter Zeichendeuter bin,
So wird ein traurig Schicksal uns ereilen.
O unglückselig Volk der Numantiner!
Erster Priester.
Laßt uns das Opfer bringen mit der Eile,
Zu der die bösen Zeichen uns ermahnen,
Zweiter Priester.
Rückt, meine Freunde, diesen Tisch hierher.
Nun stellt, was Ihr getragen habt, darauf,
Den süßen Wein, den Weihrauch, und das Wasser,
und tretet dann bei Seite und bereuet
Das Böse, was im Leben Ihr gethan;
Das beste Opfer, und das Erste, welches
Dem Himmel man nur bringen kann, das ist
Ein reines Herz, und tugendhaftes Wollen.
Erster Priester.
Nicht auf dem Boden zündet an das Feuer;
In jenem Becken soll es lodernd brennen,
Denn so befiehlt's ein heiliger Gebrauch.
Zweiter Priester.
Wascht Euch die Hände, reinigt Euch den Nacken.
Erster Priester.
Gebt Wasser her! – Will nicht das Feuer brennen?
Ein Edelknabe.
Es ist nicht möglich, Herr, es anzuzünden.
Zweiter Priester.
Zeus, gib kund uns, was das strenge Schicksal
Von uns verlangt, daß es so hart uns züchtigt?
Wie mag die Fackel nicht das Holz entzünden?
Edelknabe.
Es scheint ein wenig, Herr, sich zu beleben.
Erster Priester.
O komm hervor, du schwache, düst're Flamme,
Denn Schmerz erregt mir's, also dich zu sehen.
Seht, wie der Rauch mit schauderhafter Eile
Sich nach dem Niedergang der Sonne wendet,
Indeß die schwankende, die bleiche Flamme
Mit ihren Spitzen nach dem Aufgang zeigt!
Unselig Zeichen, böse Vorbedeutung,
Daß uns Gefahr und Unheil noch bedroh'n.
Zweiter Priester.
Ob auch die Römer grausen Sieg erfechten
Durch unsern Tod – er wird zu Rauch nur werden –
Zur lichten Ruhmesflamme unser Streben.
Erster Priester.
Auf! Laßt uns nun mit süßem Wein benetzen
Das heil'ge Feuer! – Reichet mir den Wein;
Und auch der Weihrauch soll die Flamme nähren.
(Sie besprengen das Feuer ringsum mit Wein und streuen den Weihrauch darauf.)
Zweiter Priester.
Dem Heil des Numantinervolkes günstig,
Laß, Jupiter, die hohe Allmacht walten
Zu uns'rer Feinde sicherm Untergang.
Erster Priester.
So wie den heil'gen Weihrauch diese Flamme
In flücht'gen Dampf sich aufzulösen zwingt,
So mög' auch unserm Feind Gewalt geschehen,
Allmächtiger Vater! daß im düstern Rauch
Sein ganzes Heil, sein ganzer Ruhm vergeh,
Wie Du's vermagst, und wie ich fest es glaube.
Zweiter Priester.
Der Himmel halt' in Schranken Feindes Macht
So fest, wie dieses Opferthier wir halten –
Geopfert mög' auch er, wie dieses, werden.
Erster Priester.
Gar Böses weissagt uns die Vorbedeutung;
Wir können Hoffnung nicht dem Volke bieten,
Daß es von seinem Unglück werd' erlöset.
(Mittelst eines, mit Steinen gefüllten Gefäßes wird unter dem Theater ein Geräusch gemacht und sodann eine Rakete losgelassen.)
Zweiter Priester.
Vernahmst Du dieses Rasseln, Freund, und sahst Du
Den Feuerstrahl an uns vorüber fliegen?
Verkündet hast Du wahrhaft unser Unglück.
Erster Priester.
Erschrocken steh' ich, und vor Furcht erzitternd!
Ha, böse Zeichen schau ich in den Lüften,
Die bittern Untergang voraus uns sagen.
Siehst Du die grause Schaar ergrimmter Adler
Mit andern Vögeln kämpfen, sie umgebend
Im enggeschloss'nen, kriegerischen Ringe?
Zweiter Priester.
Sie wenden ihre ganzen Kräfte d'ran,
Die Vögel eng zusammen einzuschließen,
Die sie umkreisen listig und geschickt.
Erster Priester.
Dies Zeichen tad¾ ich, denn ich kann's nicht loben.
Ha, kaiserliche, unbesiegte Adler! –
Bald werden wir Numancia's Fall wohl sehen.
Zweiter Priester.
Ihr Adler, die Ihr Unglück uns verkündet,
Entfernt Euch! – Schon versteh' ich die Bedeutung,
Schon den Erfolg – die Stunden sind gezählt.
Erster Priester.
Und dennoch will das Opfer ich vollbringen,
Und bluten soll das unschuldvolle Thier,
Das aufbewahrt ist, um den Zorn zu stillen
Des Gottes mit dem Schreckensangesicht.
O großer Pluto, dem des Schicksals Mächte
Die Wohnung in dem dunkeln Reiche gaben,
Ihn in der Hölle tiefen Grund versetzten,
So wie Du friedlich sicher leben mögest,
Daß Ceres Tochter eine gleiche Liebe,
Der Liebe, die Du fühlst, entgegen setze,
Als Du zur Stelle schaffst, was nützlich ist
Und dienlich für dies Volk, das zu Dir fleht,
Verschließe jenen tiefen, dunkeln Schlund,
Aus dem die drei unbänd'gen Schwestern steigen,
Die uns das Unglück schaffen, das uns trifft,
und uns zu schaden mag so schwach erscheinen
Ihr Thun, daß es die Luft von dannen führt.
(Er rauft dem Widder einige Haare aus und gibt sie der Luft preis.)
Und so, wie diesen Stahl ich röth' und bade
Hier in des Opferthieres reinem Blute,
Mit reinem Sinn und heiligen Gedanken,
So mag sich auch Numancia's harter Boden
Bald mit dem Blute stolzer Römer netzen,
Und ihnen selbst zum finstern Grabe dienen.
(Aus der Versenkung des Theaters steigt mit halbem Leibe ein Dämon herauf, zieht den Widder hinein, kommt dann wieder hervor und zerstreut das Feuer und die Opfergeräthschaften.)
Wer aber zog gewaltsam aus den Händen
Das Opfer mir? Was ist das, heil'ge Götter?
Was sind das für unsel'ge Wunderwerke?
Bewegten Euch noch nicht die heißen Thränen,
Die reichlich dies betrübte Volk vergießt,
Nicht unsrer Hymnen heiliger Gesang?
Zweiter Priester.
Im Gegentheile glaub' ich sie verhärtet,
Wie man aus allen Zeichen kann ersehen,
Die furchtbar sich uns kund gegeben haben.
Unwirksam nur sind uns're Rettungsmittel,
Unthätigkeit ist unsre Mühe nur,
Und fremdes Heil gebiert uns Mißgeschick.
Einer aus dem Volke.
Der Himmel hat das Urtheil ausgesprochen;
Auf seine Gnade können wir nicht bau'n,
Denn unser bitt'res Ende naht sich schon.
Ein Anderer.
So wollen wir die Thränen fließen lassen
Um unser Unglück, daß in späten Zeiten
Von ihnen, wie von unsrer Kraft man spreche.
Marquinus wende seine ganze Kunst
Und all sein Wissen an, um zu erfahren,
Was wir erwarten müssen vom Geschick,
Das uns're Freud' in Thränen hat verwandelt.
(Alle gehen ab; Morander und Leonzius bleiben allein.)
Morander.
Nun, Lonz, wie mag's Dir scheinen?
Endigt sich mein Unglück wohl,
Wenn Du urtheilst nach der Zahl
Guter Zeichen, die wir sehen?
Wird mein Mißgeschick sich enden,
Wenn die Kriegswuth nicht mehr tobt?
Und wie wird es, wann ich nun
In der kühlen Erde schlumm're?
Leonzius.
Freund, des Krieges wackerm Sohne
Wächst aus Zeichen niemals Gram;
Immer trägt er sein Geschick
In dem eig'nen, muth'gen Herzen,
Und so eitle Dunsterscheinung
Trübet nimmer seinen Sinn,
Denn sein Arm ist sein Gestirn,
Und sein Muth sein höchster Richter.
Willst Du aber dennoch glauben
Dieses Irrthums nicht'gem Wahn,
Sind, irr' ich mich anders nicht,
Noch Versuche abzuwarten,
Die Marquinus unternehmen
Mit den besten Künsten will,
Um zu seh'n, ob unser Schmerz
Gut sich, oder übel endigt.
Sieh, dort kommt er schon gegangen
In gar sonderbarer Tracht!
Morander.
Wer da Schreckliches betreibt,
Ist wohl schrecklich ohn' ein Wunder. –
Ist's wohl gut, wenn wir ihm folgen?
Leonzius.
Wohl halt' ich's für gut gethan,
Da vielleicht bei seinem Thun
Wir ihm Hülfe leisten können.
( Marquinus tritt auf in einem weiten, schwarzen Gewande, mit schwarzem, fliegendem Haar, und barfuß; im Gürtel trägt er, so daß man sie bemerkt, drei gläserne Phiolen, die eine voll schwarzen, die andere voll gelben und die dritte voll klaren Wassers; in der einen Hand hat er eine schwarz angestrichene Lanze, in der andern ein Buch. Mit ihm erscheint Milvius und wie sie kommen, treten Leonzius und Morander auf die Seite.)
Marquinus.
Wo meinst Du, Milvius, daß der Jüngling liege?
Milvius.
In diesem Grabe hier ist er versenkt.
Marquinus.
Verfehle nicht den Ort, wo Du ihn eingrubst.
Milvius.
Nein, denn mit diesem, gar zu kennbar'n Steine
Bezeichnet' ich den Ort, allwo der Jüngling
Zur Gruft mit vielen Thränen ward bestattet.
Marquinus.
Und weshalb starb er?
Milvius.
Wegen schlechter Nahrung.
Der blasse Hunger nahm das Leben ihm,
Der grausend aus dem Abgrund ist gestiegen.
Marquinus.
Und also sagst Du, daß ihm keine Wunde
Den Faden seines Lebens abgekürzt,
Noch Krebs ihm seinen Tod beschleunigt hat?
Dies frag' ich Dich, weil unumgänglich nöthig
Zu meiner Kunst es ist, daß dieser Leichnam
Noch unverletzt und ganz im Grabe liege.
Milvius.
Drei Stunden sind's etwa, daß ich die letzte
Ruhstätt' ihm gab und in das Grab ihn legte,
Und Hunger war sein Tod, wie ich gesagt.
Marquinus.
So ist es gut, und günst'ge Zeichen bieten
Für meine Kunst mir guten Einfluß dar,
Um aus dem dunkeln Schattenland herauf
Die finstern Geister wilder Art zu rufen. –
Neig' aufmerksam Dein Ohr zu meinen Liedern,
Furchtbarer Pluto, dem im dunkeln Reiche
Dort, zwischen Schreckenslarven böser Geister,
Das Schicksal finst're Herrschaft zugetheilt;
Erfülle – wär's auch gegen Deine Neigung –
Erfülle mein Verlangen, harre nicht,
Bis in der großen Noth, in der wir schweben,
Ich schlimmer Dich mit meiner Kunst bedrücke.
Ich will, daß Du dem todten Körper, der
In diesem dunkeln Grabe liegt, die Seele,
Die ihn belebte, schleunig wiedergebest,
Und wenn auch Charon sie am andern Ufer
Des schwarzen Stromes schon gefangen hielt,
Ja, wenn sie auch in dem dreifachen Schlunde
Des Cerberus ihr Strafgericht schon litt.
Herauf an's Licht der Erde steige sie,
Und kehre dann zurück zur dunkeln Wohnung.
Da sie nun einmal kommen muß, so steige
Herauf sie, unterrichtet von dem Ende,
Das dieser Schreckenskrieg wohl nehmen mag,
Und nichts verhülle und verschweige sie,
Noch lasse mir Verwirrung, oder Zweifel
Die Rede dieser unglückseligen Seele,
Denn reine Wahrheit will ich. – Sende sie! –
Was zauderst Du? Soll ernster ich verfahren?
Hebt Ihr den Stein, Verräther, nicht empor?
Sagt, falsche Diener, was hält Euch zurück?
Wie? Habt Ihr mir nicht Zeichen schon gegeben,
Daß Ihr befolgen müßt, was mir beliebt?
Wollt Ihr durch Säumen Eure Quaal vermehren?
Wie? Oder wollt Ihr, daß ich die Beschwörung,
Die kräftigste, sogleich ins Werk soll stellen,
Die Euern wilden, harten Geist bezwingt?
Nun dann, Ihr niedern, lügenhaften Geister,
Bereitet Euch zu hartem Schmerze vor,
Denn wohl ist Euch bekannt, daß meine Stimme
Gewalt hat, Wuth und Quaal Euch zu verdoppeln.
Sag' an, verräth'rischer Gemahl der Gattin,
Die nach Gelüst sechs Monden lang im Jahre,
Entfernt von Dir, Dir nichts als Hörner zeigt,
Sag', warum bist Du stumm bei meiner Mahnung?
Dies Eisen netz' ich mit dem klaren Wasser,
Das nie den Grund berührt im Monat Mai;
Verwunden soll es diesen Stein und zeigen
Ganz klar die Kraft der mächtigen Beschwörung.
(Er benetzt aus der, mit klarem Wasser gefüllten Phiole das Eisen der Lanze, stößt dieselbe in den Boden, und sogleich werden unten Raketen losgelassen, oder das Geräusch mit dem Steingefäße gemacht.)
Nun, Ihr Gesindel, scheint es wohl, als gäbt
Ihr klare Zeichen Eurer Ohnmacht mir.
Was für ein Lärm ist das? Ha, Ihr Verdammten,
Gehorcht Ihr nun dem Ruf, wenn auch gezwungen?
Hebt diesen Stein empor, Meineidige,
Und zeiget mir den Leichnam; der hier schlummert!
Was ist das? Weilt Ihr? Ha, wo flieht Ihr hin?
Wie? Mein Befehl wird nicht sogleich vollstreckt?
Ihr achtet nicht mein Droh'n, Ungläubige?
Nun, glaubet nicht, daß ferner ich nur drohe!
Dies schwarze Wasser aus des Styxes Fluth
Soll gleich Vergeltung Euerm Zögern geben.
Du Naß, aus dunkler, schicksalschwang'rer Lache
Geschöpft zur Zeit der schwarzen, trüben Nacht,
Bei der Gewalt, die sich in Dir vereinet,
Der keine and're kann entgegen streben,
Ruf' ich die freche Teufelschaar herbei,
Und wer zuerst der Schlangen Urbild trug';
Sie Alle ruf' ich, zwing' ich, und beschwör' ich,
Daß sie im Flug' erscheinen, mir zu dienen.
(Er benetzt mit dem schwarzen Wasser das Grab, und dieses thut sich auf.)
Unglückseliger Jüngling komm hervor,
Komm an der Sonne klares, heit'res Licht;
Verlaß die Wohnung, wo Du nicht kannst hoffen
Auf einen ruhigen und heitern Tag!
Gib mir – Du kannst es! – ganz genaue Kunde
Von dem, was Du geseh'n hast in der Tiefe,
Weshalb ich Dich hierher beschworen habe,
Und mehr noch, wenn es Noth ist und Du's kannst.
(Der, in einen Laken gehüllte Leichnam kommt nach und nach heraus mit einem entfärbten Todtenantlitz; wie er heraus ist, sinkt er ohne Bewegung zu Boden.)
Wie? Keine Antwort gibst Du, lebst nicht auf?
Hast Du zum zweiten Mal den Tod gelitten?
Doch sollst mit Deinem Schmerz Du wieder leben
Und sollst das Sprechen für ein Glück noch halten.
Der Unsern bist Du Einer – säume nicht,
Mir Antwort schnell zu geben, und bedenke,
Daß, wenn Du schweigst, ich wohl zu Deinem Schaden
Die starre Zunge werd' entfesseln können.
(Er besprengt den Leichnam mit dem gelben Wasser und schlägt ihn hierauf mit einer Geißel.)
Ihr bösen Geister, will das noch nicht helfen?
Nun harret; Zauberwasser soll noch kommen,
Und meinen Willen so gewaltig machen,
Als treulos und beschränkt der Eure ist.
Und wär' das Fleisch auch schon zu Staub geworden,
So wird, gezüchtiget mit dieser Geißel,
Und hart gedrängt von ihrer wilden Macht,
Es Leben, wenn auch flücht'ges nur, bekommen.
(Der Leichnam bewegt sich und zuckt.)
Du widerspenst'ge Seele, komm zur Hülle
Zurück, die Du vor Kurzem, erst verlassen!
Der Leichnam.
O zügle Deiner Wuth furchtbare Strenge,
Marquinus, laß Dir g'nügen, Schrecklicher,
Mit dem, was ich dort unten hab' erfahren,
und suche meine Quaal nicht zu vergrößern.
Du irrest, wenn Du glaubst, daß ich mich freue,
Zurückzukehren in dies peinliche
Und kurze Leben, das ich jetzt empfange,
Und das, mir zu entflieh'n, schon wieder eilt.
Im Gegentheil machst Du mir bittern Schmerz,
Weil noch einmal der strenge Tod mein Leben
Und meine Seele rauh besiegen wird.
Dann wird mein Feind zwiefache Palm' erringen,
Der, mit noch Andern von der schwarzen Schaar,
Die Alle Deinem Ruf gezwungen folgen,
Schon wutherfüllt und grimmig darauf wartet,
Daß ich, Marquinus, die Erzählung schließe
Vom grausen End' und unerhörten Unglück
Numancia's, das ich Dir versichern kann.
Denn fallen wird sie durch die eig'nen Hände,
Durch die, die am verwandtesten ihr sind;
Numancia unterliegt nicht röm'schen Waffen,
Noch wird sie selbst die Römer je besiegen;
Noch wird vom Frieden je die Rede seyn,
Da Freund und Feind gleich tapfer sind und stark,
Und Wuth in Beider Busen glühend flammt.
Befreundet Eisen wird Numancia fällen,
Und mit dem Tod ihr Leben noch gewähren.
(Er stürzt sich in die Grabstätte und fährt fort:)
Und nun halt ein, Marquinus, nicht mehr wollen
Die finstern Mächte, daß ich Rede stehe,
Und wenn Du meinen Spruch für falsch auch hältst,
So wird die Wahrheit noch ans Licht wohl kommen.
Marquinus.
O traurige, o unglücksel'ge Zeichen!
Wenn das Ihr Freunde, unserm Volk geschieht,
So mag, damit ich nicht solch Unglück schaue,
In dieser Gruft mein Leben sich beschließen.
( Marquinus stürzt sich in das Grab.)
Morander.
Wirst Du nun, Leonzius, sehen,
Daß es, wie ich sagte, ist,
Und daß all' mein hohes Glück
Sich verkehrt in Schmerz und Leiden?
Uns'res Heiles gold'ne Pforte
Schloß auf immerdar sich zu;
Jedem Zweifler sagt's Marquin,
Und dies Grab, und jener Todte.
Leonzius.
Täuschung nur sind diese Dinge,
Traumgebild' und Phantasie'n,
Zeichendeutung, Hexerei,
Sind nur teuflische Erfindung.
Zeige nicht Dein wenig Wissen,
Glaubend solcher Thorheit Wahn;
Trau'n! Die Todten kümmern sich
Um die Lebenden gar wenig.
Milvius.
Niemals wär' Marquinus fähig
Wohl gewesen solcher That,
Hätt' er künftig Mißgeschick
Nicht geseh'n als gegenwärtig.
Auf, Dein Volk Bericht zu geben
Von dem furchtbar'n Schreckensfall! –
Doch, wer solche Nachricht bringt,
Kann der wohl den Fuß erheben?