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Wir finden das Grab

Im Herbst 1917 eröffneten wir unsern wirklichen Feldzug im »Tal«. Die Schwierigkeit bestand darin, zu wissen, wo wir anfangen sollten; denn Berge von Schutt, den die früheren Ausgraber aufgeworfen hatten, erfüllten den Talboden nach allen Richtungen. Auch hatte man niemals irgendwelche Aufzeichnungen gemacht, in welchen Teilen Ausgrabungen stattgefunden hatten und in welchen nicht. Zweifellos war das einzige, was Erfolg versprach, uns ganz planmäßig bis auf den Felsboden hinunterzuarbeiten. Ich schlug Lord Carnarvon vor, als Ausgang ein durch die Gräber Ramses' II. Merenptahs und Ramses' VI. bestimmtes Dreieck zu nehmen, die Gegend, in der wir das Grab Tut-ench-Amuns mutmaßen konnten.

Es war allerdings ein verzweifeltes Unternehmen, da die Stelle bis hoch hinauf von ungeheueren aufgeworfenen Schuttmassen bedeckt war. Aber ich hatte Grund zu glauben, daß der Boden darunter nie angerührt worden war, und ich war überzeugt, dort ein Grab zu finden. Im Verlauf dieser Winterarbeit entfernten wir innerhalb dieses Umkreises einen bedeutenden Teil der obersten Schichten und rückten mit unsern Ausgrabungen bis an den Fuß des Grabes Ramses' VI. vor. (Abb. 3.) Hier stießen wir auf eine Reihe Arbeiterhütten, die auf einer Menge großer Feuersteinknollen errichtet waren, wie sie im »Tal« immer ein Zeichen für die Nähe eines Grabes sind. (Abb. 4.)

siehe Bildunterschrift

3. Der Königsfriedhof
A. Grab Tut-ench-Amuns, B Grab Ramses' VI.

siehe Bildunterschrift

4. Die Arbeiterhütten über dem Grab.

Unser erster Gedanke war, die Aufräumungsarbeiten in dieser Richtung zu erweitern, aber dadurch hätten wir jeden Zugang zu dem oberhalb gelegenen Grab des Ramses abgeschnitten, für das die Besucher stets eine besondere Vorliebe haben. Deshalb beschlossen wir, eine günstigere Gelegenheit abzuwarten.

Im Winter 1919/20 nahmen wir unsere Arbeit in dieser Gegend wieder auf. Zunächst war es nötig, neuen Platz zum Abladen des Schuttes zu schaffen. Für dieses Jahr bestand der Plan, den ganzen, von dem obengenannten Dreieck noch übriggebliebenen Teil abzutragen, und wir machten uns mit einer größeren Anzahl von Leuten an die Arbeit. Im März waren sämtliche oberen Schuttmassen fortgeschafft, und wir waren weit genug, um auf jungfräulichen Boden überzugehen.

Mit Ausnahme des Stücks, auf dem die Arbeiterhütten standen, hatten wir jetzt das ganze Dreieck durchsucht und kein Grab gefunden. Noch hatte ich Hoffnung; doch entschlossen wir uns, diesen bestimmten Teil jetzt unberührt zu lassen, bis wir durch eine sehr frühe Wiederaufnahme im nächsten Herbst unsere Arbeit dort beenden konnten, ohne den Besuchern im Wege zu sein.

Für unsern nächsten Versuch wählten wir das kleine Seitental, in dem sich das Grab Thutmosis' III. befand. Dies beschäftigte uns vollauf während der folgenden zwei Winter, obgleich nichts eigentlich Wertvolles gefunden wurde.

Wir hatten jetzt mehrere Winter hindurch mit äußerst spärlichem Erfolg im »Tal« gegraben, und die Frage, ob wir unsere Arbeit fortsetzen oder anderswo nach einer günstigeren Stelle suchen sollten, wurde viel erörtert. Taten wir recht, nach diesen unfruchtbaren Jahren mit unsern Arbeiten hier fortzufahren? Noch immer war die Stelle mit den Arbeiterhütten und den Feuersteinen am Fuß des Grabes Ramses' VI. näher zu untersuchen, und ich hatte stets eine Art abergläubischen Gefühls, daß gerade in dieser Ecke des »Tals« einer der fehlenden Könige, möglicherweise Tut-ench-Amun, gefunden werden könnte. Jedenfalls ließ die Lagerung des dortigen Schuttes auf ein Grab schließen. Wir kamen schließlich überein, dem »Tal« noch einen Winter zu widmen.

Ich kam am 28. Oktober 1922 in Luksor an, hatte bis zum 1. November meine Arbeiter angeworben und war bereit anzufangen. Bei unsern letzten Ausgrabungen waren wir an der Nordostecke des Grabes Ramses' VI. stehengeblieben, und von diesem Punkt aus begann ich in südlicher Richtung zu graben. Man wird sich erinnern, daß in dieser Gegend eine Anzahl einfach gebaute Hütten standen, die wahrscheinlich von den Arbeitern benutzt worden sind, die beim Ramsesgrab beschäftigt gewesen waren. Diese Hütten standen ungefähr ein Meter oberhalb des gewachsenen Bodens und bedeckten die ganze Fläche vor dem Ramsesgrab. Bis zum Abend des 3. November hatten wir eine für unsere Untersuchungen genügende Anzahl dieser Hütten freigelegt und rissen sie nieder, nachdem wir ihre Grundrisse aufgenommen hatten. Jetzt konnten wir die darunter befindliche ein Meter tiefe Schuttschicht wegräumen.

Kaum war ich am nächsten Morgen an der Arbeitsstätte angelangt, als eine ungewöhnliche Ruhe, die durch Stillstand der Arbeit verursacht wurde, mir zum Bewußtsein brachte, daß sich etwas Außergewöhnliches ereignet haben mußte. Man begrüßte mich mit der Nachricht, daß unter der ersten Hütte, die man in Angriff genommen hatte, eine in den Felsen gehauene Stufe gefunden worden war. Diese Nachricht schien zu erfreulich zu sein, um ihr Glauben zu schenken; aber nach erneutem, kurzem Nachgraben zeigte sich, daß wir wirklich am Anfang eines Einschnittes standen, der etwa ein Meter unter dem Eingang zum Grab Ramses' VI. und ungefähr in gleicher Tiefe mit der jetzigen Talsohle angelegt war. (Abb. 5.)

siehe Bildunterschrift

5. Der Eingang zum Grab, wie er sich zuerst zeigte.

Der Einschnitt glich sehr den im Tal so häufig vorkommenden, in die Tiefe führenden Eingangstreppen, und fast wagte ich zu hoffen, daß wir endlich unser Grab gefunden hätten. Den ganzen Tag und den ganzen nächsten Morgen wurde die Arbeit mit fieberhafter Eile fortgesetzt; doch erst am Nachmittag des 5. November gelang es uns, die den Eingang überlagernden Schuttmassen fortzuräumen und die oberen Ecken der Treppe an allen vier Seiten freizulegen.

Jetzt war es außer Zweifel, daß wir wirklich den Eingang zu einem Grab vor uns hatten, aber frühere Enttäuschungen ließen noch keine reine Freude aufkommen. Immer noch bestand die niederdrückende Möglichkeit, daß das Grab unvollendet und unbenutzt sei; wenn es vollendet war, bestand noch die betrübende Wahrscheinlichkeit, daß es in alten Zeiten vollständig ausgeplündert worden war. Andererseits war wenigstens die Möglichkeit vorhanden, daß wir ein unberührtes oder nur teilweise geplündertes Grab fänden, und mit mühsam unterdrückter Erregung beobachtete ich, wie die abwärts führenden Stufen der Treppe eine nach der andern ans Tageslicht kamen. Der Einschnitt war an der Seite eines kleinen Erdhügels angelegt worden. Als die Arbeit fortschritt, wich die Westecke des Einschnitts unter den Abhang des Hügels zurück, bis ersterer erst teilweise und dann vollständig überdacht und zu einem drei Meter hohen und zwei Meter breiten Gang wurde. (Abb. 6.) Jetzt schritt die Arbeit schneller voran; Stufe folgte auf Stufe, und bei Sonnenuntergang wurde am Fuß der zwölften Stufe der obere Teil einer verschlossenen, mit Mörtel bestrichenen und versiegelten Tür sichtbar.

siehe Bildunterschrift

6. Der etwa 3 m hohe und 2 m breite Gang mit den 16 Stufen.

Eine versiegelte Tür ... Es war also wirklich wahr! All die Jahre geduldiger Arbeit sollten nun doch noch belohnt werden! Mit fieberhaft sich steigender Erregung untersuchte ich die Siegelabdrücke an der Tür zur Feststellung des Besitzers, konnte aber keinen Namen finden: die einzigen, die zu entziffern waren, bestanden aus dem wohlbekannten Siegel der Königstotenstadt, dem Schakal und den neun Gefangenen. (Abb. 7.) Zweierlei war klar. Erstens, bewies die Verwendung des Königssiegels mit Sicherheit, daß das Grab für eine sehr hochstehende Persönlichkeit angelegt war, und da zweitens der versiegelte Eingang von oben durch die Arbeiterhütten aus der 20. Dynastie gänzlich geschützt gewesen war, bestand genügend Grund zu der Annahme, daß es wenigstens seit jener Zeit nicht wieder betreten worden war. Damit mußte ich mich für den Augenblick begnügen.

siehe Bildunterschrift

7. Tonsiegel
Oben das Siegel der königlichen Totenstadt: der Schakal mit den neun Gefangenen; unten zwei Siegel Tut-ench-Amuns.

Während ich die Siegel untersuchte, bemerkte ich am oberen Ende des Eingangs, wo einige Stücke Mörtel abgefallen waren, einen schweren hölzernen Querbalken. Um mich über die Art und Weise, wie der Durchgang abgeschlossen war, zu vergewissern, bohrte ich ein kleines Guckloch unter diesen Querbalken, gerade groß genug zum Einführen einer elektrischen Lampe. Ich entdeckte, daß der Gang hinter der Tür vom Boden bis zur Decke mit Steinen und Geröll angefüllt war – ein weiterer Beweis für die Sorgfalt, mit der man das Grab geschützt hatte.

Es war ein Augenblick, bei dem es einen Ausgraber durchschauern konnte! Allein, abgesehen von meinen eingeborenen Arbeitern, fand ich mich nach Jahren verhältnismäßig unfruchtbarer Arbeit an der Schwelle einer vielleicht großartigen Entdeckung. Alles, buchstäblich alles konnte hinter jenem Gang liegen, und es bedurfte meiner ganzen Selbstüberwindung, um nicht den Türeingang zu erbrechen und auf der Stelle weiterzusuchen.

Etwas gab mir zu denken, und das war die Kleinheit der Öffnung im Vergleich zu den andern Talgräbern. Die Anlage war sicher die der 18. Dynastie. Konnte es das Grab eines Vornehmen sein, der hier mit der Erlaubnis des Königs bestattet war? War es ein Königsversteck, eine verborgene Stelle, wohin eine Mumie mit ihrer Ausrüstung zur Sicherheit gebracht worden war? Oder war es wirklich das Grab des Königs, das zu finden ich so viele Jahre verwandt hatte?

Noch einmal untersuchte ich die Siegelabdrücke nach einem Anhaltspunkt, aber an dem bisher freigelegten Teil der Tür waren nur die schon erwähnten Siegel der Königstotenstadt klar zu lesen. Hätte ich gewußt, daß nur einige wenige Zentimeter tiefer ein vollkommen klarer und deutlicher Siegelabdruck Tut-ench-Amuns war, des Königs, den zu finden ich am meisten begehrte, ich hätte weiter ausgeräumt, hätte eine bessere Nachtruhe gehabt und mir fast drei Wochen Ungewißheit erspart. Es war jedoch spät und die Dunkelheit schon eingebrochen. Mit einigem Widerstreben verschloß ich die kleine Öffnung, die ich gemacht hatte, schüttete zum Schutz für die Nacht die Grube wieder zu, wählte die zuverlässigsten unter meinen Arbeitern – sie selbst waren fast ebenso erregt wie ich –, um die ganze Nacht hindurch über dem Grab zu wachen, und ritt bei Mondschein das Tal hinunter heim.

Natürlich hätte ich gewünscht, gleich mit den Ausräumungsarbeiten fortzufahren, um den ganzen Umfang der Entdeckung herauszufinden, aber Lord Carnarvon war in England, und aus Rücksicht auf ihn mußte ich alles Weitere bis zu seiner Ankunft verschieben. So schickte ich ihm am Morgen des 6. November folgendes Telegramm: »Habe endlich wunderbare Entdeckung im ›Tal‹ gemacht; ein großartiges Grab mit unbeschädigten Siegeln; bis zu ihrer Ankunft alles wieder zugedeckt. Gratuliere.«

Meine nächste Aufgabe bestand darin, den Eingang vor Eindringlingen zu schützen, bis er aufs neue und endgültig geöffnet wurde. Wir füllten deshalb die Öffnung bis zur Erdoberfläche wieder an und rollten oben darauf die großen Feuersteinknollen, auf denen die Arbeiterhütten erbaut waren. Bis zum Abend desselben Tages waren wir fertig, also gerade 48 Stunden seit der Entdeckung der ersten Stufe. Das Grab war verschwunden. Wie der Boden jetzt wieder aussah, war dort nie ein Grab gewesen, und es wurde mir selbst manchmal schwer, mir auszureden, daß das Ganze nicht ein Traum gewesen war.

Hierüber sollte ich bald beruhigt werden. Neuigkeiten verbreiten sich schnell in Ägypten, und schon zwei Tage nach der Entdeckung wurde ich von einem beständigen Strom von Glückwünschen, Anfragen und Anerbieten, mir zu helfen, von allen Seiten überflutet. Schon in diesem Anfangsstadium wurde es mir klar, daß ich vor einem Unternehmen stand, mit dem ich allein nicht fertig werden konnte. Ich telegraphierte daher an Callender, der mir bei verschiedenen früheren Gelegenheiten geholfen hatte, und bat ihn, wenn möglich, ohne Aufschub zu mir zu kommen; ich atmete erleichtert auf, als er schon am nächsten Tage eintraf. Am 8. hatte ich von Lord Carnarvon Antwort auf mein Kabel: »Denke am 20. in Alexandrien einzutreffen.«

So hatten wir eine Frist von fast vierzehn Tagen vor uns, und wir benutzten sie für die verschiedensten Vorbereitungen, damit wir mit möglichst geringer Verzögerung imstande wären, wenn die Zeit für das Wiedereröffnen herankäme, jeder sich daraus ergebenden Lage gerecht zu werden. Am 23. traf Lord Carnarvon mit seiner Tochter, Lady Evelyn Herbert, seiner getreuen Gefährtin bei allen Arbeiten in Ägypten, in Luksor ein, und alles war bereit für den zweiten Abschnitt der Entdeckung des Grabes. Callender war während des ganzen Tages beschäftigt gewesen, die oberen Schuttschichten fortzuräumen, so daß wir am nächsten Morgen ohne Verzögerung an die Treppe gelangen konnten.

Am Nachmittag des 24. lag die Treppe frei, im ganzen sechzehn Stufen, und es war möglich, eine genaue Untersuchung der versiegelten Tür vorzunehmen. Am unteren Ende waren die Siegelabdrücke viel deutlicher, und es gelang uns, ohne Schwierigkeit an mehreren den Namen Tut-ench-Amuns festzustellen. Dies erhöhte die Bedeutung unseres Fundes ungeheuer. Hatten wir, was fast sicher schien, das Grab dieses schattenhaften Herrschers gefunden, dessen Regierungszeit mit einem der interessantesten Abschnitte der ganzen ägyptischen Geschichte zusammenfiel, so hatten wir allerdings das Recht, uns zu beglückwünschen.

Mit noch erhöhter Spannung, wenn das noch möglich war, setzten wir unsere Untersuchung des Eingangs fort. Hier tauchte zum erstenmal etwas Beunruhigendes auf. Da jetzt die ganze Tür im Licht frei stand, vermochten wir etwas zu erkennen, was bisher unsern Blicken entgangen war – nämlich, daß sie an einem Teil zweimal nacheinander geöffnet und wieder geschlossen worden war; ferner, daß die zuerst entdeckten Siegel, der Schakal und die neun Gefangenen, an den wieder geschlossenen Teilen angebracht worden waren, während die Siegel Tut-ench-Amuns sich an dem Teil der Tür befanden, der noch in seinem ursprünglichen Zustand war, und folglich die waren, die das Grab ursprünglich gesichert hatten. Also war das Grab nicht vollständig unversehrt, wie wir gehofft hatten. Nach den Hütten zu urteilen, die darüber standen, waren es Plünderer aus einer Zeit, die nicht nach der Regierungszeit Ramses' VI. lag, und daß sie nicht alles ausgeraubt hatten, bewies der Umstand, daß das Grab wieder versiegelt worden war.

Dann kam ein anderes Rätsel. In den unteren Schuttschichten, die die Treppe bedeckten, fanden wir eine große Menge Scherben und zerbrochene Kasten, letztere mit den Namen Echnatons, Sakerçs und Tut-ench-Amuns, und was noch aufregender war, einen Skarabäus von Thutmosis III. und ein Stück eines andern mit dem Namen Amenhoteps III. Warum dieses Gemisch von Namen? Hieraus schien man eher auf ein Versteck als auf ein Grab schließen zu können, und in diesem Stadium unserer Arbeit neigten wir immer mehr der Meinung zu, daß wir eine Sammlung der verschiedensten Gegenstände aus dem Besitz von Königen der 18. Dynastie finden würden, die Tut-ench-Amun von El-Amarna hergebracht und hier verwahrt hatte.

So lagen die Dinge am Abend des 24. November. Am folgenden Tag sollte die versiegelte Tür entfernt werden, und Callender ließ durch Zimmerleute ein schweres Holzgitter anfertigen, das statt ihrer aufgestellt werden sollte.

Am Morgen des 25. wurden die Siegelabdrücke sorgfältig kopiert und photographiert, und dann entfernten wir den wirklichen Türabschluß, der aus unbearbeiteten, vom Boden bis zum Oberbalken sorgfältig aufeinandergelegten Steinen bestand, die an ihrer Außenfläche dick mit Mörtel bestrichen waren, um die Siegel aufzunehmen.

Hierdurch kam der Anfang eines abwärts führenden Ganges (nicht einer Treppe) zum Vorschein, der von derselben Breite wie die Eingangstreppe und etwa zwei Meter hoch war. Wie ich schon durch die Öffnung im Türeingang entdeckt hatte, war dieser Gang vollständig mit Geröll und Steinen angefüllt, die wahrscheinlich von seiner Aushöhlung herrührten. Diese Abfälle zeigten ebenso wie der Türeingang deutliche Spuren von mehrmaligem Öffnen und Wiederschließen des Grabes. Der unberührte Teil bestand aus rein weißen, mit Staub vermischten Stücken, während der Teil, der durchstöbert war, sich zumeist aus dunklen Feuersteinen zusammensetzte. Augenscheinlich war an der oberen linken Seite des Ganges ein unregelmäßiger Tunnel durch die ursprünglich vorhandene Masse durchgebrochen, der in seiner Lage dem Loch im Türeingang entsprach.

Beim Ausräumen des Ganges fanden wir mit dem Schutt in der unteren Schicht vermischt Tonscherben, Siegelverschlüsse, heile und zerbrochene Alabastergefäße, bemalte Tongefäße, zahlreiche Bruchstücke von kleinen Gegenständen und Wasserschläuche; letztere waren anscheinend zum Herbeischaffen des Wassers benutzt worden, das zum Bestreichen der Türeingänge nötig gewesen war. Dies alles waren deutliche Zeichen einer Plünderung, und wir betrachteten sie mit Mißtrauen. Bis zum Abend hatten wir ein ziemliches Stück des Ganges freigelegt, sahen aber noch kein Zeichen einer zweiten Tür oder einer Kammer.

Der folgende Tag war der Tag der Tage, so wunderbar, wie ich nur jemals einen erlebt habe, und wie ich niemals wieder einen erleben kann. Am Morgen wurde das Ausräumen fortgesetzt, gezwungenermaßen langsam wegen der zerbrechlichen Gegenstände, die mit dem Schutt vermischt waren.

Dann kamen wir in der Mitte des Nachmittags, zehn Meter von der äußeren Tür entfernt, an eine zweite versiegelte Tür, die eine fast genaue Wiederholung der ersten darstellte. Die Siegelabdrücke waren hier weniger deutlich, aber doch noch als die Tut-ench-Amuns und der Königstotenstadt zu erkennen. Auch hier waren die Zeichen von Öffnen und Wiederschließen auf dem Mörtel deutlich sichtbar.

Inzwischen hatte sich bei uns die Überzeugung befestigt, daß wir im Begriff waren, ein Versteck zu öffnen und kein Grab. Die Anordnung von Treppe, Gang und Türen erinnerte uns sehr stark an das Versteck Echnatons und der Teje, das in der Nachbarschaft unserer jetzigen Ausgrabung von Davis gefunden worden war. Daß Tut-ench-Amuns Siegel dort ebenfalls vorkamen, schien ein fast sicherer Beweis, daß wir mit unserer Vermutung recht hatten. Bald sollten wir es wissen. Vor uns war die versiegelte Tür, und hinter ihr lag die Antwort auf unsere Frage.

Langsam, verzweifelt langsam, so schien es uns, wurden die Geröllreste aus dem Gang fortgeschafft, die das untere Ende der Tür versperrten, bis wir schließlich die ganze Tür frei vor uns hatten. Der entscheidende Augenblick war gekommen. Mit zitternden Händen machte ich eine kleine Öffnung in der linken oberen Ecke. Dunkelheit und Leere zeigten, so weit eine hindurchgesteckte Eisenstange reichen konnte, daß das, was auch hinter der Tür lag, leer und nicht wie der eben ausgeräumte Gang ausgefüllt war. Lichtproben wurden aus Vorsicht gegen möglicherweise vorhandene giftige Gase angewandt, dann erweiterte ich das Loch, führte eine Kerze hindurch und spähte hinein, während Lord Carnarvon, Lady Evelyn und Callender neben mir standen, begierig, den Urteilsspruch zu hören.

Zuerst konnte ich nichts sehen, da die aus der Kammer entweichende heiße Luft das Licht der Kerze zum Flackern brachte. Als meine Augen sich aber an das Licht gewöhnten, tauchten bald Einzelheiten im Innern der Kammer aus dem Nebel auf, seltsame Tiere, Statuen und Gold – überall glänzendes, schimmerndes Gold! Für den Augenblick – den andern, die neben mir standen, muß es wie eine Ewigkeit erschienen sein – war ich vor Verwunderung stumm. Als Lord Carnarvon die Ungewißheit nicht länger ertragen konnte und ängstlich fragte: »Können Sie etwas sehen?« war alles, was ich herausbringen konnte: »Ja, wunderbare Dinge!« Dann erweiterten wir das Loch, so daß wir beide hindurchsehen konnten, und führten eine elektrische Lampe ein.


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