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Zu Como liegt der Kaiser Barbarossa.
Da sprengt in Mailand mit verhängten Zügeln
Ein Bote durch die Porta Nova ein:
– Mailänder, – ruft er im Vorüberjagen,
– Gebt das Geleit mir zum Konsul Gherardo. –
Der Konsul war anwesend auf dem Platze,
Und, sich vom Sattel beugend, tat der Bote
Nur kurze Meldung ihm und jagte fort.
Ein Zeichen gab sofort der Konsul, und:
– Zur Ratsversammlung – bliesen die Trompeten.
Zur Ratsversammlung bliesen die Trompeten,
Denn noch war der Palast nicht neu errichtet
Auf stolzen Pfeilern, nicht die Rednerbühne,
Noch gab es keinen Turm, noch nicht die Glocke,
Die an dem Turme hing. Und zwischen Trümmern,
Besät mit Distelgrün und niedern Häusern
Von Holz, auf engbegrenztem Platze hielten,
Im Schein der Maiensonne, Mailands Bürger
Heut Ratsversammlung. Aus den Fenstern rings
Und Türen sahen Fraun und Kinder zu.
– Ihr Herrn von Mailand, – spricht der Konsul, – wieder
Bringt uns die Zeit der Blüten deutsche Gäste,
Nach altem Brauch. In ihren Höhlen feiern
Die Fresser Ostern, und dann gehts zu Tal.
Zwei Erzbischöfe, exkommunizierte,
Schleppten das Heer durchs Engadin herab.
Ein treues Herz und eine neue Kriegsmacht
Bringt ihrem Herrn die blonde Kaiserin;
Zur Macht steht Como und verließ die Liga. –
Da schrie das Volk: – Verderben über Como! –
– Ihr Herrn von Mailand, – spricht der Konsul weiter,
– Wenn Friedrich sich gesammelt hat in Como,
Stößt er mit seinem Heere zum Marchese
Von Monferrat und denen von Pavia.
Mailänder, was beschließt ihr? Wollt ihr müßig
Auf neugebautem Wall in Waffen stehn,
Dem Kaiser Boten senden oder Trotz ihm
Mit Lanz und Schwert in offnem Felde bieten ? –
– Mit Lanz und Schwert im Feld! – rief die Versammlung,
– Mit Lanz und Schwert dem Barbarossa trotzen! –
Hervor tritt da Herr Albert von Giussano.
Um gute Schulterhöhe überragt er,
Die um den Konsul sich versammelt haben;
Gewaltig wie ein fester Turm inmitten
Der Ratsherrn stehend, in der Hand den Helm,
So daß die braunen Haare niederfluten
Am breiten Hals und auf die mächtgen Schultern.
Die Sonne scheint ins grade feste Antlitz,
Aus Haar und Augen hell zurückgestrahlt,
Und seine Stimme dröhnt wie Maigewitter.
– Mailänder, Brüder, Bürger! Denkt ihr noch
Des ersten März? – sprach Albert von Giussano,
– Da ritten unsre abgezehrten Konsuln
Nach Lodi, bloße Schwerter in den Händen,
So schwuren sie ihm dort Gehorsam. Drauf,
Am vierten Tage ritten wir, dreihundert,
Und legten unsre sechsunddreißig Fahnen
Vor ihn und küßten ihm die Füße. Meister
Guitelmo bot vom gänzlich ausgesognen
Mailand die Schlüssel ihm. Es half uns nichts! –
– Gedenkt ihr noch, – sprach Albert von Giussano,
– Des sechsten März? Zu seinen Füßen wollt
Er alles haben: Volk, Soldaten, Fahnen! –
Aus dreien Toren strömten da die Bürger,
Und der Carroccio kam zur Schlacht geschmückt,
Auch vieles Volk mit Kreuzen in den Händen.
Da bliesen vom Carroccio die Trompeten
Vor ihm zum letztenmal, vor ihm verneigte
Der Mastbaum des Carroccio sich und senkte
Die Fahne. Er berührte ihren Saum. –
– Gedenkt ihrs noch? – sprach Albert von Giussano,
– In Büßerhemden und mit bloßen Füßen,
Mit Stricken um den Hals, und unsre Häupter
Bestreut mit Asche, warfen wir im Schmutz
Uns auf die Kniee, streckten unsre Arme
Empor und riefen um Erbarmen. Alle,
Die Herrn und Ritter, alles, alles weinte
Um ihn herum. Hoch aufgerichtet stand
Er stumm am kaiserlichen Schild und sah
Uns an mit seinem Diamantenblick. –
– Gedenkt ihrs noch? – sprach Albert von Giussano,
– Zur Schmach zurückgekehrt am andern Tage,
Sahn wir die Kaiserin am Fenstergitter,
Wie sie auf uns herabsah. Nach dem Gitter
Erhoben wir die Kreuze da und schrieen:
– O schöne, blonde Kaiserin, o treue,
O fromme, o erbarm dich unsrer Weiber! –
Sie trat zurück; doch er gebot, die Tore
Und Mauern beider Ringe abzureißen,
Daß er bequem mit seinem Heer hindurchzog. –
– Gedenkt ihrs noch? – sprach Albert von Giussano,
– Neun Tage harrten wir; sie zogen fort,
Der Erzbischof, die Grafen und Vasallen.
Am zehnten Tag kam der Beschluß: – Zieht aus,
Elende, zieht mit Weibern, Kindern, Sachen;
Acht Tage Frist gestattet euch der Kaiser. –
Da rannten heulend wir nach Sant Ambrogio,
Umarmten am Altar uns und auf Gräbern;
Doch aus der Kirche jagten sie uns fort,
Wie räudige Hunde fort mit Weib und Kindern. –
– Gedenkt ihr noch, – sprach Albert von Giussano,
– Des traurigen Palmsonntags? Weh, das war
Wohl Christi Leiden und das Leid von Mailand!
Von allen Kirchen der vier Heilgen sahn
Wir die dreihundert Türme niederprasseln
Des Mauerrings; und aus der qualmenden
Zerstörung tauchten unsre Häuser auf:
Zerstückt, zertrümmert und darniederliegend
Wie eine Schar Gerippe auf dem Kirchhof,
Und in der Glut darunter unsre Toten. –
Und Albert von Giussano also sprechend
Bedeckte das Gesicht mit beiden Händen
Und schluchzte; mitten in der Ratsversammlung
Stand er und weinte, schluchzte wie ein Kind.
Da brauste es wie Brüllen wilder Tiere
Durch die Versammlung; aus den Türen rings,
Von den Balkonen streckten bleiche Weiber
Die hagern Arme aus, mit großen Augen,
Weitoffnen, starrten sie auf die Beratung
Und schrieen: – Tod ihm, Tod dem Barbarossa! –
– Nun seht, – sprach wieder Albert von Giussano,
– Nun seht, ich weine nicht mehr. Unser Tag
Ist da, Mailänder, und wir müssen siegen.
Seht: meine Augen trockn ich, und auf dich,
Du schöne Gottessonne, schauend, schwör ich:
Es sollen unsre Toten morgen abend
Im Fegefeuer gute Nachricht haben,
Und müßt ich selbst sie bringen. – Und das Volk
Rief: – Lieber kaiserliche Boten! – Lachend
Am Resegone ging die Sonne unter.