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1.
So war uns kaum des Greisen Red' erschollen,
Daß sie vernommen Alle, die am Borde;
Als wir die Flügel gutem Wind' entrollen,
Entfernend uns von dem geliebten Porte.
Wie auf dem Meere Fug und Sitte wollen,
Ertönen laut zum Himmel auf die Worte:
Glück auf die Reis' – – und gute Winde wehen,
Daß vorwärts muß der Rumpf der Schiffe gehen.
2.
Die ew'ge Sonne trat in jenen Tagen
Der Abfahrt in des Löwen grimmig Zeichen,
Es mußte, da die Kräfte schier erlagen,
Die Welt einher im sechsten Alter schleichen;
Doch konnt' in ihm der Sonne Strahlenmagen
Sein Ziel schon vierzehnhundertmal erreichen
Und andre neunzigmal und andre sieben,
Seit Wind' im Meer die Flotte vorwärts trieben.
3.
Und schon verschwinden mählig unsern Blicken
Der Heimath Berge, die uns nicht begleiten;
Der klare Tago, Sintras Felsenrücken,
Die auch entfernt noch unser Auge weiden;
Ob Qual und Weh auch jedes Herz durchzücken,
Kann es vom lieben Lande doch nicht scheiden,
Bald aber deckt die Fernen ödes Grauen,
Daß wir den Himmel und das Meer nur schauen.
4.
So dringen wir in jene Regionen,
Die kein Geschlecht noch durfte je gewahren,
Die Inseln schauend und die neuen Zonen,
Die Heinrichs Heldenmuth zuerst befahren;
Die Städte, Berge, wo die Mohren wohnen,
Und die einst unter Anteus Scepter waren,
Zur Linken lassend, denn, ob Rechts noch Lande?
War Keiner zu ergründen noch im Stande.
5.
Maderas Insel hemmt nicht unser Streben,
Die nach den Waldungen man einst benannte,
Die erste, der Bewohner wir gegeben
Und die ein Jeder durch den Ruf schon kannte;
Auch darf sich ihrer keine überheben,
Zu denen Venus je sich liebend wandte,
Denn ihr, ob sie die letzte auch im Meere,
Weicht Cypern, Gnidus, Paphos und Cythere.
6.
Massiliens dürrer Strand war nun zu schauen,
Auf dem der Azeneguen Heerden weiden,
Wo frische Quellen keinem Munde thauen,
Und Kräuter über kein Gefild sich breiten;
Wo Vögel selbst des Eisens Kost verdauen,
Und Früchte nie der Bäume Wipfel kleiden;
Das Land, das jedes Mangels Druck erleidet,
Und Barbarey und Aethiopien scheidet.
7.
Dann rückten wir in jener Gränze Zonen,
Wo seinen Lauf der Sonne Wagen wendet
Und jenes Volkes wilde Stämme wohnen,
Dem nie des Tages Farbe ward gespendet;
Dort badet schwarze ferne Nationen,
Der Senegall, der kalte Fluthen sendet,
Wo wir ein Vorgebirg das Grüne nennen,
Und ihm den ältern Namen nicht mehr gönnen.
8.
Als die Kanarien hinter uns verschwunden,
Die wir fortan die Glücklichen benannten,
Wird bald Hesperius Töchterchor gefunden,
Die für die Hesperiden wir erkannten,
Und wo, viel neue Wunder zu erkunden,
Bald unsre Flotten nahn den fremden Stranden
Und gute Wind' in einen Port uns leiten,
Erquickung uns am Lande zu bereiten.
9.
Der Port ward in der Insel uns verliehen,
Die einst Sanct Jagos Namen hat empfangen,
Der den Hispanen solchen Schutz geliehen,
Als sie so sieghaft mit den Mohren rangen;
Doch wollte flugs die Flotte weiter ziehen,
Als günstig sich des Nordwind's Flügel schwangen
Und wieder sich vertraun des Meeres Wegen
Und nicht der süßen Rast im Hafen pflegen.
10.
Und Afrika, gen Morgen uns gelegen,
Umkreisen fürder wir auf fremden Meeren;
Jalafos Strande nahen unsern Wegen,
Die manchen Stamm des schwarzen Volkes nähren;
Mandingas weite Reiche, die den Segen
Des reichen glänzenden Metalls gewähren,
Mandingas, das des Gambia Fluthen trinket,
Der nachmals in des Atlas Wellen sinket.
11.
Wir lassen die Dorcaden, die vor Zeiten
Die Schwestern sich zum Wohnort auserkühret,
Die, daß nicht ihre Blindheit möge gleiten,
Ein einzig Auge alle Drei geführet,
Du, deren Haar einst Götter mochte weiden,
Daß es im Meer Neptunus Herz gerühret,
Und jetzt vor Allen häßlich an Geberde,
Warfst Schlangen dort auf die verbrannte Erde!
12.
Hin an Serra Leonas Felsgestaden
Am Kap, das nach den Palmen wir benannten,
Weht Austrus günstig unsrer Schiffe Pfaden,
Daß sie nun in das weite Meer sich wandten,
Und nicht des großen Stromes Ufern nahten,
Nicht unsern Küsten dort, den wohlbekannten,
Und nicht der Insel, die deß Namen trägt,
Der einst in Christi Mahl die Hand gelegt.
13.
Und Kongos großes Reich ist dort zu finden,
Dem Christi Wort und Lehre wir gegeben,
Wo des Zayre Fluthen klar sich winden,
Den nie der Alten Kunde mocht' erstreben,
Und schon beginnt der Nordpol zu verschwinden,
Je weiter hin im Ocean wir schweben,
Schon sind der heißen Gränze wir enteilet,
Die in zwo Hälften unsre Erde theilet.
14.
Es war in diesen neuen Hemisphären
Ein neues Glanz-Gestirn uns aufgegangen,
Das unsrer Heimath Völker stets entbehren,
Darob auch wir erst baß mit Zweifeln rangen.
Zu jenem Pol kann nun der Blick sich kehren,
An dem der schönen Sterne wenig prangen,
Und wo noch nie gelungen, zu ergründen,
Ob Meere dort nur, ob noch Land zu finden?
15.
Also durchschiffend jene Regionen,
Durch welche zweimal zieht Apollons Wagen,
Zwier spendend Lenz und Winter diesen Zonen,
Von einem Pol zum andern hingetragen,
Will Aeols Wuth der kleinen Schaar nicht schonen,
Mit Sturm uns bald und bald mit Windstill plagen,
Indeß die Bären sich vor unsern Augen
Trotz Junos Zürnen in die Fluthen tauchen.
16.
Doch lange Schildrung Dir von Fahren geben,
Von denen Kunde Niemand schier erhalten,
Von Stürmen, wo die Muthigsten erbeben,
Von Blitzen, die zu Flammen sich entfalten,
Orkanen, die, mit finstrer Nacht umgeben,
In Donnerschlägen wild die Erde spalten,
Das wär' ein schweres thörichtes Bestreben,
Könnt' ich auch eine Eisenstimm' erheben.
17.
Denn Dinge sah ich, die des Seevolks Schaaren,
Ob auch die Rohen nur Erfahrung leitet,
Sonst schon erzählt, daß solche sie erfahren,
Wie dessen ihre Sinne sie bedeutet.
O! daß nicht jene Weisen mit uns waren!
Die Meinung nur und Wissen nur begleitet,
Wenn sie der Welt verborgne Wunder richten,
Von Irrthum sprechend, Lügen und Gedichten.
18.
Ich sah wohl deutlich jenes Lichtes Gluthen,
Das hoch und heilig alle Schiffer halten,
Wenn Winde rasen in den tiefen Fluthen,
Bey finsterm Sturm nur Klag' und Thränen walten.
Kein kleinres Wunder konnt' es uns gemuthen,
Daß Schauder auch durch unsre Adern wallten,
Als stracks sich Wolken stürzten auf die Wogen
Und schlürfend sie empor zum Himmel zogen.
19.
Ich sah' fürwahr, und meiner Augen Sinnen
Vertrau' ich fest! wie zu der Lüfte Höhen
Ein Duft begann sich dünn empor zu spinnen,
Vom Wind gefaßt, ihn kreisend umzudrehen,
Berührend schon des Poles höchste Zinnen,
Gleich einem dünnen Rohre anzusehen,
Kann Anfangs ihn kaum unser Blick erreichen,
Ob auch der Wolken Stoff ihm scheint zu eigen.
20.
Doch mählig fängt der Duft an zu erschwellen,
Und, wie ein starker Mast, sich auszuweiten,
Bald zu verengen, und bald anzuquellen,
Wie hin durch ihn der Wogen Massen gleiten.
Es schwankt sein Fuß auf den bewegten Wellen,
Indeß sich Wolken um die Stirn' ihm breiten
Und seine Glieder flugs sich so vergrößern,
Als Fluth er einschlingt aus des Meers Gewässern.
21.
Wie oft die rothe Egel unserm Blicke,
Die an des Thieres Lippen sich gehangen,
Das nur bedacht, wie es der Quell erquicke,
Und dessen Blut nun heischet ihr Verlangen;
Denn saugend stets, wächst ihre Stärk' und Dicke,
Je mehr des Blutes mag in sie gelangen;
So auch der großen Säule stetes Schwellen
Und ihrer finstern Wolke dumpfes Quellen.
22.
Doch, als sie nun sich völlig satt gesogen,
Zieht sie den Fuß aus dieser Meere Strecken,
Um wieder zu dem Himmel aufgeflogen
Der Wellen Fluth mit Regenfluth zu decken;
Den Wogen giebt sie die entrißnen Wogen,
Doch ist nicht Salz an ihnen mehr zu schmecken,
Nun mögen doch der Bücher-Weisen Lehren
Uns solche Wunder der Natur erklären!
23.
Wenn jener alten Forscher Wanderungen,
Um dieser Erde Wunder zu ergründen,
So viel, als mir zu schauen nur, gelungen,
Die Segel gebend so verschiednen Winden;
Wie herrlich würden ihre Schilderungen
Der Sterne Kraft und Einfluß uns verkünden!
Wie seltne große Sachen uns berichten,
Und Alles, ohne lügenhaft zu dichten!
24.
Schon glänzten dem Planeten, der vor Allen
Am Himmel herrscht, fünfmal die vollen Wangen,
Und fünfmal war ihm Licht und Glanz entfallen,
Seit wir im Meere schiffend vorwärts drangen,
Als Stimmen her vom hohen Mastkorb schallen,
Land! rufend, Land! mit Augen zu erlangen!
Stracks füllen staunend das Verdeck die Schaaren
Gen Morgen blickend, gleiches zu gewahren.
25.
Wie auf dem Meer die ferne Wolke gleitet,
Erheben Berge sich aus Meer und Wogen,
Die schweren Anker werden vorbereitet
Und schon am Strand, die Segel eingezogen:
Doch, weil so fern uns Kunde nirgend leitet,
Wird schärfer, wo wir landen, noch erwogen,
Und Messung durch das Astrolab begonnen,
Ein Werkzeug, das ein tiefer Geist ersonnen.
26.
Wir schiffen aus uns nun am weiten Strande,
Wo stracks Matrosen hier- und dorthin ziehen,
Nach Neuem gierig in dem fremden Lande,
In welchem Landung Keinen noch verliehen;
Ich, mit den Lootsen auf der Küste Sande
Erforschend, wo die Flotte hingediehen,
Bin nur bedacht, der Sonne Höh' zu finden
Und Karten dieser Rechnung zu verbinden.
27.
Und Nachricht kann ich bald von Allem geben,
Daß wir, entflohen aus des Steinbocks Reichen,
Nun näher schon des Südpols Eise schweben,
Den noch kein Mensch vermochte zu erreichen,
Da nahet, von den Meinigen umgeben,
Ein Wilder, so den Mohren zu vergleichen,
Den sie gefangen, als er süße Kuchen
Des Honigs im Gebirge wollte suchen.
28.
Und angstvoll ist sein Antlitz zu ersehen,
Als ob er solche Fahren nie bestanden,
Er kann nicht uns, und wir nicht ihn verstehen,
Und wild ist er, wie eh'mals die Giganten.
Um mit ihm in Verständniß einzugehen,
Nehm' ich das Kolchische Metall zu Handen,
Und feines Silber, heiße Spezereien,
Doch kann den Rohen Alles nicht erfreuen.
29.
Drauf laß ich kleinre Gaben für ihn bringen,
An Kügelchen von glänzenden Kristallen,
Und rothen Putz um seine Stirne schlingen,
Und kleine Cymbeln lieblich ihm erschallen.
Und Zeichen giebt er flugs bey diesen Dingen
Und Winke, daß ihm solche wohlgefallen,
Und so entlaß ich ihn mit den Geschenken,
Zur nahen Heimath seinen Weg zu lenken.
30.
Und als am Tage drauf sich Andre zeigen,
Die alle nackt und schwarzer Farbe waren,
Und sie von rauhen Bergen nieder steigen,
Um gleicher Gaben Wohlthat zu erfahren,
Sind sie uns als Genossen so zu eigen,
Daß auch Veloso, Einer unsrer Schaaren,
Es wagt, mit ihnen ins Gebirg' zu gehen,
Und von dem fremden Lande mehr zu sehen.
31.
Veloso meint, bey diesem Unterfangen,
Daß ihn sein Arm aus Fahren möge heben;
Doch, als er längre Zeit schon fortgegangen,
Ohn' uns Ein günstig Zeichen nur zu geben,
Und Sorgen schier in meine Seele drangen,
Seh' ich ihn nieder vom Gebirge streben,
Und nach dem Meer so eilen unsern Degen,
Als ihm beym Weggehn früher nicht gelegen.
32.
Coellos Fahrzeug eilt, ihn zu empfangen,
Doch eh' es hin zum Strande noch gediehen,
Stürzt sich hervor ein Neger sonder Bangen,
Daß Jenem nicht gelinge, zu entfliehen.
Dem folgen Andre, Gleiches zu erlangen,
Und Hülf' ist nirgend unserm Mann verliehen;
Da eil' ich selbst, doch bey der Ruder Schlägen
Stellt sich ein Trupp von Negern uns entgegen.
33.
Und auf uns regnen sonder Maaß und Ende,
Gleich dichten Wolken, Pfeil' und schwere Steine,
Und nicht vergebens trug der Wind die Spende,
Denn eine Wunde ward dort diesem Beine.
Nun brauchen wir erzürnt auch unsre Hände
So wacker, da ich Antwort nöthig meine,
Daß mehr als an den Mützen, die sie schmücken,
Der rothen Farb' an ihnen bald zu blicken.
34.
Doch als Veloso glücklich nun entronnen,
Und wir zurück zur Flotte wieder kehren,
Den Trug ersehend, welchen sie ersonnen,
Und daß die Rohen Tück' und Arglist nähren,
Und wir nicht beßre Kunde hier gewonnen,
Als daß wir ferne noch vom Indus wären,
Und doch nur dahin trachtet unser Streben,
Laß ich dem Wind die Segel wieder geben.
35.
Wohl sprach da zu Veloso ein Geselle,
Und Alle lachten, ob auch schon sie schwiegen:
Holla! mein Freund! dort, des Gebirges Schwelle
Ist leicht hinab, doch schwer hinauf gestiegen!
Ja! ja! versetzt des Degens Mund zur Stelle,
Die Schritte mußten wohl ein wenig fliegen,
Als ich die Hunde auf euch los gewahret,
Und mich besann, daß ohne mich ihr waret.
36.
Er sagt' uns noch, wie auf der Berge Höhen
Der Neger Trupp, von dem ich sprach so eben,
Ihm nicht erlaubet, fürbaß mehr zu gehen,
Rückkehr gebietend und bedräut sein Leben.
Dann hätt' er sie in Hinterhalt gesehen,
Um uns, wenn wir am Ufer, zu umgeben,
Und in des Schattenreiches Nacht zu senden,
Und sichrer dann zum Raube sich zu wenden.
37.
Schon war die Sonne fünfmal untergangen,
Nachdem wir ab von diesen Küsten stießen,
Und fort durch unbeschiffte Meere drangen,
Und in die Segel gute Winde bließen,
Als in der Nacht, in der wir ohne Bangen
Der Schiffe Lauf dem Segel überließen,
Sich eine schwarze Wolke drohend zeigte,
Und aus der Luft auf unsre Häupter neigte.
38.
So furchtbar trübe kam sie angezogen,
Daß unsre Herzen banges Grauen füllte,
Und schrecklich schwoll das Meer in schwarzen Wogen,
Als ob am Riff der Brandung Donner brüllte.
Da betet ich: O Herr! am Himmelsbogen!
Auf welche Warnung deutet dieß verhüllte
Geheimniß hin, das diese Meer' entfalten,
Denn höh're Kräfte scheinen hier zu walten!
39.
Ich sprach es kaum, als in der Lüfte Reichen
Gigantisch auf ein Riesenkörper strebte,
Mit trübem Angesicht, ein drohend Zeichen!
Um welches schwarz das rauhe Barthaar schwebte,
Die Augen liegen tief und hohl im bleichen
Erdfarbnen Antlitz, das der Zorn durchbebte;
Es starrt das krause Haar von Felsenstücken,
Schwarz sind die Zähn' und Lippen anzublicken.
40.
So ungeheuer war der Bau der Glieder,
Als ob, ich will ein treffend Gleichniß sagen,.
Auf Rhodus des Kolossus Wunder wieder
Erstanden wären aus den alten Tagen,
Und fürchterlich hallt seine Stimme nieder,
Als aus des Meeres Grund herausgetragen.
Die Pulse stocken und die Haare stehen
Empor uns Allen, die dies hören, sehen.
41.
Verwegnes Volk! vor allen aller Zeiten,
Ertönt sein Wort, die Großes unternommen,
Dem selbst nach wilder Kriege tapfrem Streiten,
Nach vieler Drangsal nicht mag Ruhe frommen,
Da, jede Grenze keck zu überschreiten,
In meine Meere schiffend Du geschwommen,
Die ich so lang vermochte zu bewahren,
Daß nah und fern her Keiner sie befahren;
42.
Da Du es wagst, die Wunder zu ergründen,
Um welche weit der Fluthen Hüllen schweben,
Daß, der Natur den Schleier zu entwinden,
Dem größten Sterblichen nicht ward gegeben;
So will ich auch die Fahren Dir verkünden,
Die zürnend drohen Deinem kühnen Streben
In jedem Meer und jedem Land der Erden,
Das einst im Kampf Dir unterthan soll werden!
43.
So viele Schiffe je zu Deiner Reise
Tollkühner Wagniß ihre Segel wenden,
So vielen werden diese Himmelskreise
Feindselig ungeheure Stürme senden,
Und sie, in dieser Fluth erzürntem Gleise
Der Flotten erste, soll den Lauf nicht enden,
Bevor sie solche Strafen nicht erreichen,
Daß selbst die Fahr dem Drangsal noch muß weichen!
44.
Hier, hoff ich, einst an Jenem mich zu rächen,
Der, mich erkundend, meine Ruh gestöret,
Und nicht an ihm wird sich mein Zürnen brechen,
Da harter Starrsinn All' Euch so bethöret.
Ihr sollt fortan, auf dieser Meere Flächen,
(Wenn Wahrheit meines Geistes Ahnung höret)
So hohe Noth und Fahr der Schiffe sehen,
Daß die noch glücklich sind, die untergehen.
45.
Den ersten Helden, welchen, hoch zu prangen,
Bis zu den Sternen hin sein Ruhm geführet,
Wird hier ein neues fremdes Grab empfangen,
Wie es nach Gottes Rathschluß sich gebühret;
Hier werden seines Glücks Trophäen hangen,
Die er sich aus der Türken Flott' erkühret,
Doch Dinge, fürchterlicher noch und schlimmer,
Drohn ihm Guiloas und Mombazas Trümmer.
46.
Und einen andern Helden werd' ich sehen
Von Lieb' entglüht und Ruhm und Ritterthaten,
Und neben ihm wird die Erwählte stehen,
Mit deren Schönheit, Lieb' ihn hoch berathen.
O! hartes Loos! dem sie entgegen gehen,
Das ihrer harrt im Umfang meiner Staaten!
Der wilde Schiffbruch schonet nur ihr Leben,
Den ärgsten Nöthen sie dahin zu geben.
47.
Vor ihren Augen wird der Hunger tödten,
Die sie mit Lieb' erzeuget und geboren;
Es klagt des holden Weibes hoch Erröthen,
Daß ihr Gewand geraubt die frechen Mohren.
Der schöne Fuß, umringt von solchen Nöthen,
Ist in der Wüste heißen Sand verlohren
Und auf den zarten Schmelz der weichen Glieder
Stürmt Frost und Hitze, Sturm und Donner nieder.
48.
Nie wird ihr Aug' ein frohes Schiff erblicken,
Aus solcher Noth zur Heimath sie zu tragen;
Kein Trost die beiden Liebenden erquicken,
Um welche rings der Wüste Gluthen schlagen.
Erst, wenn sie Thränen ganz zu Boden drücken
Und Felsen sich erweichen ihren Klagen,
Zersprengen ihrer Kerker dumpfe Riegel
Der beiden Seelen fest verschlungne Flügel.
49.
Der Riese wollte mir noch mehr vertrauen
Von unsrer Zukunft, als ich, aufgesprungen,
Die Stimm' erhob: Wer bist Du! der mit Grauen
Ob seiner Glieder Unmaaß mich durchdrungen?
Da ließ sein Mund die schwarzen Zähne schauen,
Es ward die Luft von wildem Schrey durchklungen.
Dann sprach er, aber traurig und verdrossen,
Als ob die Frag' ihm schier den Mund verschlossen:
50.
Ich bin das große Kap verborgner Zonen,
Daß Eure Angst von Fahr und Sturm benannte,
Das nie der Ptolomäer, der Strabonen,
Noch andrer Weisen tiefes Forschen kannte.
Die Küsten, wo die Africaner wohnen,
Verlieren sich in mich, das Unbekannte,
Das weit entgegen sich dem Südpol dehnet,
Der sich durch Euren Muth beleidigt wähnet.
51.
Ich hieß Adamastor in jenen Stürmen
Der grauen Urzeit, wo im Stolz des Wahnes
Der Riesen Rotte strebte, zu bestürmen
Den Schleuderer der Strahlen des Vulkanes;
Doch wollt' ich Felsen nicht auf Felsen thürmen,
Ich nahm für mich das Reich des Oceanes;
Neptunus große Schaaren sollt ich finden
Und ihm der Fluthen Herrscherstab entwinden:
52.
Für Peleus Weib in hohen Liebesflammen,
Erkohr ich mir so großes Unterfangen,
Die Hehren Alle, die vom Himmel stammen,
Verachtet' ich, an ihr allein zu hangen,
Einst sah ich sie und Nereus Schaar zusammen;
Ich sah die schöne Fluthenfürstin prangen
Und sich am Strand empor gewandlos heben,
Und will seitdem und kann für sie nur leben!
53.
Wie mochte dies dem Häßlichen gelingen,
Wie meine Unform nach der Holden streben!
Drum sollten sie die Waffen mir erzwingen
Und Doris thät ich davon Kunde geben.
Da diese nun, weil Schrecken sie durchdringen,
Die Stimme will bey ihr für mich erheben,
Erwiedert Jene, Lächeln in den Zügen:
Wie mag dem Riesen eine Nymphe gnügen!
54.
Doch sollen nicht die wilden Kämpfe walten
Im Ocean! auf Mittel will ich sinnen,
Gleich sorgsam Ruh' als Ehre zu erhalten! –
Nur diese Antwort konnt ich mir gewinnen.
Ich ahnte nicht des Truges dunkle Falten,
Verblendet sind ja Liebenden die Sinnen
Und fühlte nur der Hoffnung große Wellen
In meiner Brust der Triebe Fluthen schwellen.
55.
Mich kümmert nicht, die Meere zu bekriegen,
Denn eine Nacht wird meinem Wunsch gegeben,
Da seh' ich fern, der stillen Fluth entstiegen,
Der Göttin Reitze sonder Hülle schweben.
Ich stürme fort, mich an sie anzuschmiegen,
Gedankenlos an meines Lebens Leben,
Und ihren Haaren, ihren Flammenblicken
Die ersten Küße liebend aufzudrücken.
56.
O! daß vor Scham die Worte nicht vergehen!
Ich glaube die Geliebte zu umfangen
Und muß ein thürmend Waldgebirge sehen,
Um das sich meine heißen Arme schlangen;
Vor einem kalten Felsen mußt' ich stehen,
Da an der Schönsten alle Sinnen hangen,
Daß vor dem Felsen, welcher meiner harrte,
Ich stumm und sinnlos selbst zu Fels erstarrte.
57.
O schönste Nymphe! du, im Oceane!
Konnt' ich auch Liebe nicht in Dir erregen,
Warum entreißen mich dem frohen Wahne,
Den Wolk' und Traum und Berg vermocht zu hegen!
Ich floh entzürnt, daß der zerrißnen Plane
Beschimpfung mir nicht folg' auf meinen Wegen,
In andern Welten Jener zu entgehen,
Die spottend nicht soll meine Thränen sehen.
58.
Es wurden auch, die Trübsal zu vermehren,
In jener Zeit die Brüder überwunden
Und, daß die stolzen Götter sichrer wären,
Der Helden Macht mit Bergen fest gebunden.
Was kann des Armes schwache Kraft gewähren,
Wenn feindlich wird der Himmel Rath erfunden!
Auch meine Strafen sollten bald beginnen
Ob des verwegnen Strebens meiner Sinnen!
59.
Zu harter Erde werden Fleisch und Sehnen,
Der Knochenbau erstarrt zu Felsenstücken
Und höher stets soll die Gestalt sich lehnen
Und immer tiefer in die Fluthen rücken.
Die Riesenglieder, die so weit sich dehnen,
Muß ich in dieses Kap verwandelt blicken
Und, daß noch höhre Qualen an mir nagen,
Sucht auch in diesem Meer mich Thetis Wagen.
60.
So sprach er und aus trüben Augen drangen
Ihm Thränen schon, als er dem Aug' entgleitet.
Der Wolke Nacht zerfloß, und rauschend klangen
Der Meere Fluthen, weit dahin gebreitet;
Darauf erhob sich betend mein Verlangen
Zum heilgen Engelchor, das uns geleitet,
Uns gnädiglich vor aller Uebel Fahren,
Die mir verkündet worden, zu bewahren.
61.
Und das Gespann, das Phoebus Strahlen schmücken,
Beginnt empor zum Himmel schon zu fliehen,
Als unsre Augen das Gebirg' erblicken,
Das dem Giganten die Gestalt geliehen
Und längst dem Strand die Schiffe an sich schicken,
Des Aufgangs weite Meere zu durchziehen,
Wo wir, ein wenig fürder hingetragen,
Zum zweitenmale schon die Landung wagen.
62.
Den Menschen, die sich an der Küste zeigen,
Ob sie wohl Alle Aethiopen waren,
Schien Brauch und Sitte menschlichen zu eigen,
Als von der Andern Tücke wir erfahren.
Mit frohen Festen, und in muntern Reigen
Nahn sie des Ufers Sand' in großen Schaaren
Mit ihren Weibern, welche sie begleiten,
Und fetten zahmen Heerden, die sie weiden.
63.
Die Weiber saßen hoch auf schönen Stieren,
Die stattlich langsam zu dem Strande wallten,
Vor allem Vieh der Heerden, die sie führen,
Darob von diesen Völkern werth gehalten,
Indeß nach Art des Hirtenlieds in ihren
Gesängen, Reim und Prosa bunt erschallten,
Zu ihrer Haberröhre süßen Tönen,
Wetteifernd mit des Tityrus Kamönen.
64.
Und wie des ersten Anblicks Ruh und Frieden,
So ist auch menschlich fürder ihr Betragen;
Daß Küchlein sie zum Tausch und Handel bieten,
Für andre Ding', an denen ihr Behagen;
Doch da uns dort auch nicht Ein Wink beschieden
Von unserm Ziel, nach dem die Wünsche jagen;
Und nicht Ein Wort der Sprache zu ergründen,
Geb' ich die Segel wiederum den Winden.
65.
Schon hat die Flotte weit die Küst' umfahren
Von Afrika, in einem weiten Kreise,
Der Linie Glut bald wieder zu gewahren,
Nachdem vom Südpol wir gelenkt die Gleise,
Das Eyland lassend, wo in frühern Jahren
Einst jene Flotte endete die Reise,
Die, nach dem Kap der Stürme ausgezogen,
Uns es zuerst entdeckt in diesen Wogen.
66.
Wir schiffen nun in vielen langen Tagen,
Im weiten Meer uns bahnend neue Straßen,
Wo bald uns Sturm bald wieder Windstill plagen
Und kühne Hoffnung nur uns ist gelassen.
Im Kampfe mit den Wellen, die uns tragen,
Und stets das Feste, Wandellose hassen,
Stürzt eine solche Strömung uns entgegen,
Daß wir nicht können vorwärts uns bewegen.
67.
Der Strömung Macht, die gegen uns entbunden,
Stets rückwärts drängte des Geschwaders Gleise,
Ward stärker als der Winde Kraft erfunden,
Die hold und günstig wehten unsrer Reise;
Darob vom Zorne Notus überwunden,
Weil ihm so harten Trutz das Meer beweise,
Mit neuer Stärke seinen Odem rühret,
Daß er uns glücklich durch die Strömung führet.
68.
Schon naht der große Tag der Sonne Thoren,
An dem drei Herrscher aus den Morgenlanden
Einst einen König suchten, neu geboren,
In welchem deren drei vereint vorhanden.
An diesem Tag ward noch ein Port erkohren
Von uns, wo ebenfalls wir Neger fanden,
An einem großen Strom, dem wir den Namen
Des Tags verliehn, an dem dorthin wir kamen.
69.
Und Vorrath war in diesem zu erhalten
Und frisches Wasser, doch ein frohes Zeichen
Vom Indus will auch dort sich nicht entfalten,
Da uns, wie All', auch diese Stämme schweigen.
Nun sieh o Herr! wie weit wir schiffend walten,
Ohn' irgend mildre Völker zu erreichen,
Und ohne daß wir Spuren oder Kunden
Von dem ersehnten Orient gefunden.
70.
Bedenke, welche Sorgen wir erfahren,
Auf unsern Wegen Alle schier verloren,
In Meer' und Zonen, nimmer noch befahren,
Wo Sturm und Hunger gegen uns verschworen
Und wir so matt durch stetes Hoffen waren,
Als ob wir der Verzweiflung schon erkohren,
In fremden ungewohnten Himmelskreisen,
Die feindlich unsern Körpern sich erweisen.
71.
Verdorben ist, was uns bestimmt zu nähren,
Daß es die schwachen Körper hart empfinden,
Und Trost kann außerdem uns nichts gewähren,
Da bald des Hoffens Träume wieder schwinden.
Glaubst Du, daß, wenn nicht Lusitanen wären,
Die hier aus dem Geschwader sich befinden,
Sie so gehorsam sich erweisen könnten,
So hold dem König oder dem Regenten?
72.
Glaubst Du, daß sie nicht Meuterei erhoben
Und, gegen ihren Feldherrn im Verbande,
Verzweifelnd bey des Hungers wildem Toben
Als Räuber offner See verheert die Lande?
Drum sind die Vielgeprüften wohl zu loben,
Da kein Geschick zu lösen sie im Stande
Von jener Treue wackrer Portugiesen
Und jenem Werthe, den sie stets bewiesen.
73.
Als wir des süßen Stromes Port verlassen
Und zu des Salzes Fluth uns wieder kehren,
Lenk' ich zum offnen Meer der Flotte Straßen,
Sie von den Küsten sorglich abzuwehren,
Daß nicht des Notus Odem, freigelassen,
Die Schiffe mög' im nahen Golf versehren,
Den hier das Ufer bildet an dem Strande,
Allwo Sosalas Goldbegabte Lande.
74.
Es lenket drauf des leichten Steuers Walten,
In Nicolaus heil'gen Schutz gegeben,
Hin, wo der Meere Wogen tosend prallten
An die Gestade, die sich dort erheben,
Da wird das Herz, wo Furcht und Hoffnung schallten
Und das dem schwachen Holz vertraut das Leben
Und alles Hoffen schon gewähnt betrogen,
Von einem neuen Anblick angezogen;
75.
Denn als die Küsten sich dem Aug' erschließen
Und Thäler wir und Ebnen unterscheiden,
Sehn wir ins Meer sich einen Strom ergießen,
Auf welchem Segel auf und niedergleiten,
Daß Freud' und Hoffnung in die Herzen fließen,
Von denen, die sich solcher Schiffahrt weihten,
Wohl irgend neue Dinge zu erfahren,
Wie wir auch wirklich bald so glücklich waren.
76.
Sie müssen, ob auch Aethiopen Alle,
Mit bessern Völkern im Verkehre leben,
Da Worte wehn, Arabisch nach dem Schalle,
Wenn sie der eignen Sprache Red' erheben.
Daß um den Scheitel zart die Binde walle,
Muß sich der Baumwoll dünner Faden weben,
Und azurblau Gewand sie da umfangen,
Wo nach Verhüllung Wilde selbst verlangen.
77.
Mit Mühe wird Arabisch nun vernommen,
Da Martinez der Sprache Kenntniß eigen,
Daß oft ihr Meer von Schiffen sey durchschwommen,
An Größe ganz den Unsern zu vergleichen,
Und daß sie von des Morgens Küsten kommen,
Bis wo die Küsten gegen Mittag streichen,
Und heim dann kehren zu des Ausgangs Landen,
Wo weiße Menschen, gleich wie wir, vorhanden.
78.
Und freudig fühlen wir die Herzen beben
Ob dieser Leut' und ihrer frohen Kunden,
Und von den guten Zeichen, uns gegeben,
Wird diesem Strom ein Name bald gefunden;
Auch muß ein Denkmal sich am Strand erheben,
Wie deren, solche Orte zu bekunden,
Am Bord', und jenes Engels Namen tragen,
Der mit Tobias zog in alten Tagen.
79.
Hier reinigen wir auch der Schiffe Kiele
Von Unrath, Meergras und der Muscheln Schaalen,
Die, schnell erzeugt in tiefer Fluth Gewühle,
Die Schiff' umschlingen, die das Meer befahren;
Auch wurden uns der frohen Zeichen viele
Von denen, welche auf der Insel waren,
Und die mit Vorrath immer uns versehen,
Ohn' irgend einer Tücke nachzugehen.
80.
Doch blieb nicht rein der Hoffnung frohes Walten,
Die uns so sehr an dieser Küst' erfreuet,
Da, neues schweres Unheil zu entfalten,
Uns zur Vergeltung Nemesis bald dräuet.
So wollen es die himmlischen Gewalten:
Kein Sterblicher ist von dem Loos befreyet,
Daß Schmerz und Unglück fest und daurend weile
Und, bald ausartend, Gutes schnell enteile.
81.
Denn einer Krankheit, furchtbar anzuschauen,
Wie nie ich sah, erliegt der Menschen Leben,
Daß fern sie von der Heimath süßen Auen
Der Fremde müssen die Gebeine geben.
Wer wird auf meiner Worte Zeugniß bauen,
Daß sich das Zahnfleisch schwellend zu erheben
Begann, bis aus dem Mund es häßlich ragte,
Und Fäulung es und Eiter es zernagte!
82.
Schon am Geruch war solches zu gewahren,
Der stinkend in die Luft sich rings verbreitet,
Und da die Aerzte deß nicht kundig waren
Und auch der Wundarzt Hülfe nicht bereitet,
Hilft sich, ob auch darin nicht sehr erfahren,
Ein jeder, daß ins faule Fleisch er schneidet
Als ob es todt schon, um nicht zu verderben,
Weil Alle, die es nicht ablösen, sterben.
83.
An diesem unbekannten Ufer lassen
Auf ewig wir die trefflichen Genossen,
Die, mit uns ziehend auf der Wogen Straßen,
So viel erduldet, kühn und unverdrossen,
Und wie des Meeres Fluthen Viel' umfassen
Und Viel' ein Grab im fernen Land verschlossen,
So wird auch unsern Helden es geboten,
Leicht finden eine Ruhestatt die Todten!
84.
Als wir aus diesem Port nun endlich scheiden,
Muß Schmerz und Hoffnung stärker in uns walten,
Worauf uns weiterhin die Küsten leiten,
Um irgend beßre Nachricht zu erhalten,
Bis wir in Mozambiques Hafen gleiten,
Von dessen Tück' und bübisch argem Schalten
Du, so wie von des Truges List gehöret,
Mit dem uns schier Mombazas Volk bethöret.
85.
Bis uns der Himmel hoher Rath gegeben,
Daß wir in deinem sichern Port uns blicken,
Wo Kranken Heilung wird und Todten Leben,
Und Freundlichkeit und Milde hoch beglücken.
Du hast beruhigt unser banges Streben
Und wolltest uns mit Trost und Ruh erquicken.
Nun sieh, wenn Du Dein Ohr gewollt mir gönnen,
Was Du verlangt, und ich berichten können!
86.
Und richt' o König! wo ein Volk zu finden,
Dem auf der Erd' ein solcher Weg gelungen,
Wenn viel auch von Aeneas zu verkünden
Und in der Welt Ulyßes weit gedrungen;
Mocht' Einer so das weite Meer ergründen,
Ob ihm der Vers' auch noch so viel' erklungen,
Als, mir, zu schauen, Kraft und Kunst gelehret,
Wem ward deß' Allen achter Theil gewähret!
87.
Er, welchen Aganippe so getränket,
Daß Kolophons, Athens und Argos Lande
Und Salamis in seltnen Streit versenket,
Und Rhodus, Chius Inseln, Smirnas Strande;
Und Jener, der Ausonien Ruhm geschenket,
Daß, wenn er sich zum großen Liede wandte,
Der Heimath Mincius sich schlummernd neigte
Und stolz die Tiber auf den Sänger zeigte;
88.
Sie mögen nur in lobenden Gedichten
Nach Ruhm und Glanz für ihre Götter ringen
Und Circen, Zaubrer, Polypheme dichten,
Syrenen, welche sie im Schlummer singen,
Wie den Ciconen sie entfliehn, berichten,
Und wie sie in des Lotus Lande dringen,
Wo dessen Kost Erinnrung raubt den Helden
Und des Piloten Wellentod vermelden;
89.
Von Stürmen sagen, die aus Schläuchen ziehen,
Von Nymphen, die in Lieb' entbrannt sich zeigen,
Und, wie die Kost besudelt von Harpyen,
Und Lebende ins Reich der Schatten steigen;
Denn, welchen Glanz die Dichtung auch verliehen,
So ist ihr Wahn und Fabel doch nur eigen,
Da Wahrheit, nackt und rein, wie ich verkündet,
Weit allen Pomp der Schriften überwindet..
90.
Wie trunken hingen Alle in der Runde
Am Wort des Führers, das beredt erklungen,
Als er nun endete die lange Kunde
Der großen hohen Thaten, die gelungen,
Und nun ertönet aus des Königs Munde
Dem Muth der Herrscher Lob und Huldigungen
Und Lob dem alten Muth der Portugiesen,
Die solche Treu' und edlen Sinn bewiesen.
91.
Erzählend will ein Jeder Nachricht spenden
Von Allem, was vor Andern er behalten,
Und keiner von dem Volk die Augen wenden,
Deß Schiffe durch so viele Meere walten;
Doch schon entsinkt des Sonnengottes Händen
Der Zügel, den einst Phaëton gehalten,
Weil er nach Ruh' in Thetis Arm begehret,
Daß heim der König zum Palaste kehret.
92.
Wie süß ist Lob und Preis, gerecht errungen,
Wenn unsre Thaten tönen in Gesängen!
Denn jeder Edle strebt nach Huldigungen,
Der Ahnen Zeiten glorreich zu verdrängen.
Wer ist, den Neid ob fremden Ruhms durchdrungen
Und dem nicht höh're Thaten wohl gelängen,
Wer irgend sich in Werk und Kraft verkündet,
Den hat das Lob, das andern ward, entzündet.
93.
Nicht theurer sind Achilles Kämpf' und Schlachten
Dem Alexander, Philipps großem Sohne,
Als er des Helden Sänger hoch will achten;
Nur den begehrt und preist der Macedone.
Themistocles erhabnen Neid entfachten
Trophäen, einst geweiht dem Thatenlohne
Miltiades, denn nichts kann ihn entzücken,
Als Wort und Lob, um seinen Werth zu schmücken.
94.
Vasco da Gama strebet, zu erweisen,
Daß alle Schifffahrt, die man je erhoben,
So glorreich und so ruhmvoll nicht zu preisen,
Als Seine, welche Erd und Himmel loben;
Wohl! doch was jenes Helden Huld verheißen
An reicher Gab' und hoher Achtung Proben,
Das hat der Mantuaner Harfe Leben,
Aeneas und den Römern Ruhm gegeben.
95.
Der Lusitanen Land zeugt Scipionen,
Auguste, Alexander, hoch zu ehren!
Doch ward die Gabe nimmer diesen Zonen,
Die rohe Kraft in Milde möchte kehren;
Octavius, des Herrschens Last zu lohnen,
Kann nicht des Liedes zarter Kunst entbehren
Und Fulvia vermag es wohl zu fassen,
Daß für Glaphyra sie Anton verlassen.
96.
Ob Cäsar auch ganz Gallien bezwungen,
Will er im Feld doch Wissenschaft bewahren,
Daß er, bald schreibend, bald das Schwert geschwungen,
Wie Cicero der Redekunst erfahren.
Von Scipio ist bis zu uns gedrungen,
Daß Bühn und Schauspiel lieb und werth ihm waren,
Und Alexander las Homeros Lieder
Und fand, erwacht, sie auf dem Lager wieder.
97.
Denn nimmer ward ein tapfrer Held gefunden
Von Römern, Griechen oder von Barbaren,
Der seinem Muth nicht Wissen auch verbunden,
Nur Portugal hat Gleiches nicht erfahren.
Ich sag' es, mag dies auch die Scham verwunden,
Daß unsre Dichter darum groß nicht waren,
Weil nirgend Vers und Reim uns noch ergötzen;
Wer fremd der Kunst ist, wird die Kunst nicht schätzen.
98.
Nur darum kann, nicht, daß Natur entgegen,
Sich kein Homer und kein Virgil erheben!
Und werden, wenn wir gleichen Sinn stets hegen,
Hier nie Aeneen und Achillen leben!
Wie könnt' auch wohl gedeihn der Musen Segen,
Wo trüb' und roh und wild der Helden Streben
Und die Gemüther solcher Trägheit fröhnen,
Daß sie verschlossen sind der Dichtkunst Tönen!
99.
Drum mag es unser Gama laut erkennen,
Daß, von des Vaterlandes Lieb' entzündet,
Die Musen seinem Namen Ruhm vergönnen,
Und mit Gesang sein großes Werk verkündet;
Denn ihm und Allen, die nach ihm sich nennen,
War nie so eng Kalliope verbündet,
Noch die Tagiden, daß der Lyra Saiten
Sie abgespannt, ein Lied ihm zu bereiten.
100.
Nur Liebe zu den Brüdern, zu den Ahnen,
Und Wunsch, den Lusitanen Ruhm zu geben,
Kann die Tagiden zu Gesang ermahnen,
Um Kränze lieblich jeder That zu weben.
Drum lenk' auch Keiner von den hohen Bahnen,
Wenn große Dinge seinen Busen heben,
Denn, welche Straß' ihn mag zum Ziele führen,
So wird er doch nie seinen Werth verlieren! |