Luis Vaz de Camões
Lusiade
Luis Vaz de Camões

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Vorrede.

Es bedarf nur weniger Worte, um dieselben der gegenwärtigen Uebersetzung der Lusiade des Camoens als Vorrede vorauszuschicken; und diese Vorrede kann füglich nichts enthalten, als die Ertheilung einiger Rechenschaft über das Unternehmen und über die Art, wie man damit verfahren zu müssen geglaubt hat.

Es gab in Deutschland keine Uebersetzung der Lusiade und keine Ankündigung hatte eine dergleichen Arbeit irgend wo versprochen, das Gedicht in der Originalsprache selbst war in wenig Exemplarien unter uns zu erlangen und daher, soviel hier und da von demselben gesprochen ward, seinem Inhalte und noch mehr seinem individuellen Geiste nach ziemlich unbekannt; VI die Uebersetzungen der uns literarisch näher bekannten auswärtigen Nationen von diesem Werke schienen nicht dazu geeignet, ein reines treues Bild von demselben darzubieten. Eine Uebersetzung der Lusiade endlich, die mehr noch als aus allen diesen Gründen unternommen ward, um durch diese Studie und durch ein kräftiges Ringen mit unsrer Sprache einige Herrschaft über dieselbe zu gewinnen, eine ernstlich gemeinte und mit redlichem Fleiß gearbeitete Uebersetzung der Lusiade endlich schien des Druckes nicht unwürdiger zu seyn als manches andre Produkt, das in Deutschland erscheint. Erst, als diese Arbeit bereits unter der Presse war, erschien der Anfang einer ähnlichen Arbeit.

Eine etwas nähere Verständigung glaubt man sich und dem Leser über die Idee der Ausführung im Einzelnen schuldig zu seyn, welcher man bey gegenwärtiger Uebersetzung nachgegangen ist; es könnte sonst auf Seiten des Lesers, zumal wenn er mit der Individualität des Originals nicht sehr bekannt wäre, manches für VII zufällig, seltsam und falsch verstanden angesehen werden, was nach der diesseitigen Ansicht für nothwendig, wahr und künstlerisch gehalten wird. Mit dürren Worten sey es daher erklärt, auf welche Weise und warum man die Uebersetzung der Lusiade eben auf diese Weise nehmen zu müssen geglaubt hat! Hierdurch soll einer Kritik der gewählten Ansicht nicht vorgegriffen, dieser Kritik selbst aber vielleicht irgend ein Mißverständniß erspart werden.

Das Gedicht ist in Portugiesischen Ottavereimen geschrieben; es mußte also in Deutsche Ottavereime übersetzt werden, jede andre Tonart würde, wie ein scharfsinniger Kenner des Gedichts bemerkt, den Styl desselben unvermeidlich zerstört haben. Einer der ersten Meister der poetischen Kunst gieng bey der Uebersetzung eines interessanten Bruchstücks der Lusiade von demselben Grundsatze aus. Erfreulich war es daher, nachdem ein großer Theil des nachstehenden Werkes bereits vollendet war, sich mit zween solchen Männern bey einer und derselben Ansicht zu VIII finden; ohne daß das Urtheil des Einen oder das Beyspiel des Andern früher einigen Einfluß auf die gewählte Manier gehabt hätte. Unbedeutend muß gegen solche Stimmen und gegen die Stimme des feinern Sinnes, der sich viele Jahre in ununterbrochener Liebe mit manchem Meisterstücke der südlichen Poesie unterhielt und dadurch für den leisern Anklang derselben nicht unempfänglich bleiben konnte, ein Raisonnement seyn, in welchem ein Berichtserstatter des Zustandes der neuesten Literatur in einer Zeitschrift unlängst, nach Anleitung des Meßkatalogs von Michaelis 1806 und ohne – wie sofort zu erweisen steht – auch nur ein Blatt von den zwei angezeigten Uebersetzungen der Lusiade gesehen zu haben, sich im voraus selbst über die Haltung dieser Uebersetzungen verbreitete.

Das Portugiesische Gedicht ist mit Ausnahme weniger Stanzen in weiblichen Ottavereimen geschrieben. In der gegenwärtigen Bearbeitung ist, und dies wenigstens bey einem größern Werke zum erstenmale, das Nehmliche versucht IX worden; der Grund dieses Versuches war nicht das Bestreben, dadurch die Arbeit zu erleichtern, wie wohl Jeder eingestehen wird, welcher überlegt, daß durch diesen Grundsatz sofort die enge Sphäre des Deutschen dreifachen Reimes von neuem um die größere Hälfte verengert werden mußte; so wenig man aber von dieser Seite den Vorwurf des Unfleißes befürchten zu dürfen glaubt, so wenig kann man auf der andern Seite dem Eindrucke vorgreifen wollen, den die ohne Unterbrechung forteilenden weiblichen Reime auf einen Leser machen müssen, der ohne viele Lectüre der Italiänischen, Spanischen und Portugiesischen Dichter und ohne den Gedanken, daß er die Uebersetzung eines Originalwerkes der weichsten südlichen Sprache lese, an den gewöhnlichen Wechsel des männlichen und weiblichen Reimes gewöhnt ist, und denselben im deutschen Buche wieder finden zu müssen glaubt. Wenn indessen versichert wird, daß man mit den Bedenklichkeiten, die gegen diesen Grundsatz der Bearbeitung im Allgemeinen erhoben werden X können, nicht unbekannt ist; so dürfte von der andern Seite die aufrichtige Versicherung doch auch einige Rücksicht verdienen, daß bey der zu einer poetischen Uebersetzung doch wohl nicht füglich zu entbehrenden Bekanntschaft mit dem Genius und der Individualität des Dichters und der südlichen Poesie überhaupt, und nach möglichst scharfer Würdigung der nöthigen Farbengebung, die nur selten unterbrochne Durchführung des weiblichen Reimes als nothwendig erschienen sey, um der Uebersetzung wenigstens einen Schatten des weichen Anklangs mitzutheilen, welcher – freilich in unendlicher Progression, dem Originale so eigenthümlich ist. Man kann übrigens hinzusetzen, daß auch von dieser Seite die gegenwärtige Arbeit sich unvermuthet, und ohne daß man bey derselben desfalls einige Notitz gehabt hätte, mit dem köstlichen Fragmente des schon oben bezeichneten Meisters, auf einem Wege fand, und daß dieses Begegnen, wie billig, gar sehr zu desto muthigerer Beobachtung der angenommenen, von einem Kenner XI in vollem Sinn des Worts gutgeheißenen, Norm beigetragen hat.

Was endlich die Haltung des Tones der Uebersetzung selbst betrifft, so glaubte man nie vergessen zu dürfen, daß das Original des Gedichts zwar elegant und rein geschrieben ist, daß aber denn doch der Inhalt desselben an manchen Stellen durch seltsame Erfindung, prunkende Gelehrsamkeit, jähe Abwechslung des Tons, Vermischung der Mythologien, Bestrebung das Prosaische poetisch auszudrücken, und manche andre Individualität an ein früheres, weniger gebildetes Zeitalter erinnert. Schon deswegen schien es, müsse das Ganze mehr roh antik als gekünstelt modern gehalten werden, weil sonst die Verzierung dem alten etwas gothischen Bau nicht entsprochen haben würde; darum schien so manches Prunkwort, durch welches allein schon man zu einer gewissen Zeit etwas poetisches zu construiren glaubte, entfernt bleiben zu müssen, es lag von der Einfalt jenes Zeitalters zu weit ab. Darin schien, wiewohl dies auch bereits durch XII die verschlungne Organisation der Ottave-Stanze nöthig ward, das Alterthümliche des Gedichts am ersten durch Periodenbau und Haltung der Construction angedeutet werden zu müssen. Darum endlich aber auch wurden veraltete Worte und gezwungene Reime wiederum absichtlich vermieden; denn die Nachbildung sollte zugleich mit der eigenthümlichen Farbe einer abgelegenen Zeit, wo möglich auch einen Wiederschein der netten Eleganz erhalten, wegen deren der Styl der Portugiesischen Lusiade schon längst ausgezeichnet ward.

Wenn übrigens nicht dafür Sorge getragen wurde, den prosaischen Stellen der Lusiade einen poetischen Anstrich zu geben, anscheinende oder wirkliche Mängel zu verhehlen oder zu vertünchen, oder gar zu den Schönheiten des Originals freigebige Beiträge aus unsrer Zeit zu machen, so glaubt man dafür nicht Verzeihung erbitten zu dürfen, in der That sollte nur eine Uebersetzung geliefert werden, und bey dieser erschien Treue, selbst bis zu demjenigen, wodurch XIII das Original weniger vortheilhaft charakterisirt wird, als das erste Gesetz, wenn auch nicht schon die tiefste Ehrfurcht vor dem großen Manne, dem es galt, von der Idee, ihn etwa unter der Firma einer Bearbeitung oder Nachbildung kecklich und leichtsinnig meistern zu wollen, zurückgeschreckt hätte.

Und dies wären diejenigen Grundsätze, auf welche man hindeuten zu müssen glaubte, um das, was mit gegenwärtiger Uebersetzung geleistet werden sollte, klar und deutlich anzuzeigen. Allerdings ist durch Aufstellung des Ideals, welches dieser Bearbeitung der Lusiade vorschwebte, eine Kritik über die größere oder mindere Annäherung an dieses Ideal noch leichter und mancher strengen Rüge vielleicht nur zu sehr vorgearbeitet worden; wenn aber diese Uebersetzung, ohne jeden Anspruch, als den auf die Billigung eines redlichen und mit Liebe verwendeten Fleißes dem literarischen Kenner älterer Poesie übergeben wird, und durch die mehrjährige Beschauung des großen Urbilds selbst die XIV Einsicht in manche Unvollkommenheit der Kopie ohnehin fast immer lebendiger geworden ist, so dürfte wenigstens eine Kritik ohne Bitterkeit zu erwarten seyn, wenn auch der künftige Kunstrichter nicht etwa durch ähnliche Arbeiten die Erfahrung der Schwierigkeit derselben selbst gemacht hätte, oder ihm eine recht lebendige Ueberzeugung von der Wahrheit eigen seyn sollte, daß in jeder Kunst, wie Lessing von der Malerei sagt, der Weg aus dem Kopfe bis zu der Hand weit sey, und mancher Mangel leise gefühlt, mancher Schatten scharf bemerkt werden könne, ohne daß er darum allemal in der Macht des Künstlers stehe, sich selbst in seinen eigenen Forderungen auf die nächsten Monathe zufrieden zu stellen. XV

 


 

Einige Notizen
zu dem Leben des Camoens.

Zu einer Lebensbeschreibung des Luis de Camoens sind die eignen Werke dieses Dichters selbst die besten und fast einzige Quelle. Sein erster Biograph, Manoel Severim de Faria sah sich, nachdem kaum erst 50 Jahr nach dem Tode des Camoens verflossen waren, aus Mangel an andern Nachrichten genöthiget, hauptsächlich aus dieser Quelle zu schöpfen. Der Polygraph und unermüdliche Kommentator der Werke des Camoens, Manoel de Faria und Sousa, der später in seiner Lebensbeschreibung des Dichters nur Nachträge lieferte, hatte wohl ebenfalls wenig bessere Hülfsmittel zu seinem Gebrauche. Darf man sich daher wundern, daß es der Daten so wenig giebt, und daß auch über manchen dieser, für uns geretteten, Daten eine nun wohl kaum irgend mehr zu erhellende Dunkelheit schwebt: dürfen wir mit jenen Biographen rechten, daß sie uns des Individuellen – was wir eben in den Geschichten ausgezeichneter Männer recht eigentlich suchen – so wenig XVI überlieferten, wenn wir die damaligen Zeitverhältnisse etwas näher betrachten? Wie wenig bemerkt, geachtet und hervorgesucht war der Dichter während seines Lebens! Wie viele Jahre war dies Leben selbst, eben als es sich zu der männlichsten Reife ausgebildet hatte, den Augen seiner Europäischen Mitbürger gleichsam entrückt, und einem fernen Lande hingegeben, wo es unter rohen Soldaten und Kaufleuten, die es wohl kaum ahnten, welch ein Mann mitten unter ihnen wandelte, unbeachtet und gleichsam als etwas alltägliches vernachläßiget, verwelken mußte! Wie untheilnehmend an allen Erscheinungen und Wundern der intellectuellen Welt und der Welt der Kunst schildert uns nicht Camoens an so vielen Orten selbst seine Europäischen Zeitgenossen! Wie hätten diese Menschen mit Liebe und Theilnahme dem tiefern, innigern Leben eines Mannes folgen sollen, der mitten unter ihnen zuletzt beinahe verhungern mußte; wie hätten sie auf die Entfaltung, auf die allmählige Bildung eines Geistes merken sollen, von dessen künftigem Glanze sie wahrscheinlich keine Ahnung hatten! Und dann, in welche Zeiten fiel das Leben des Camoens! So glorreich die Jahre seiner Jugend und seines Mannesalters für das Vaterland waren, so waren sie es doch nur durch das rastlose und angestrengt-concentrirte Streben der ganzen, nicht zahlreichen Nation nach Handel und Eroberungen in dem neugefundenen Indien! Mit König Sebastians unglücklicher Schlacht und seinem Tode in XVII Africa kam ein schweres Verhängniß über das ganze Volk und recht eigentlich auch über das rühmliche Alter des Camoens. Die ganze Nation fast gieng unter, mit ihren Reichthümern, mit ihrer Nationalehre und mit ihrem Stolze. Zeiten eines solchen Jammers und einer solchen Verwirrung waren nicht dazu gemacht, um eine so holde Erscheinung als Camoens herrliches Nationalgedicht war, mit ruhiger, voller Hingebung zu empfangen, oder den Sänger selbst mit ernster Theilnahme und warmer Liebe ins Auge zu fassen. Doch nun zu dem Wenigen was wir von Camoens wissen!Anmerkung: Sehr viel Interessantes über den Dichter, seine Lusiade und seine übrigen Werke enthält Bouterwecks Geschichte der Portugiesischen Poesie und Beredsamkeit.

Auch bey ihm, dem Homer der Portugiesen – wiewohl darum die Lusiade weder nach dem Maasstabe der Ilias noch dem der Odyssee gemessen werden darf – streiten sich mehrere Städte, und zwar Lissabon, Coimbra und Santarem um die Ehre, sein Geburtsort gewesen zu seyn; doch scheinen für Lissabon mehrere Gründe zu entscheiden. Nicht viel genauer bestimmt ist Camoens Geburtsjahr. Einige setzen es in das Jahr 1517. Andre in das Jahr 1524. Seine Abkunft war aus altadelichem Geschlechte. Die Familie der Camoens hatte schon im Jahr 1370 in Portugal unter dem Könige Ferdinand in großem Ansehen gestanden.. Der Vater des Dichters hieß XVIII Simon Vaz de Camoens, die Mutter Anna de Macedo, ebenfalls von altadelichem Geschlechte. Durch seine Großmutter väterlicher Seite hieng die Familie selbst mit dem Geschlechte der Gama zusammen; und vielleicht nennt Camoens deshalb Vasco da Gama in der 99sten Stanze des fünften Gesangs nicht ohne Beziehung unsern Gama. Das Jünglingsalter des Dichters – denn von der Kindheit desselben wissen wir nichts – hob auf der Universität zu Coimbra mit dem Studium der Philosophie, der humanistischen Wissenschaften und der Poesie an; und die letztre trieb schon in dieser Periode schöne Blüthen; dennoch scheint es nicht, als wenn ihn diese Erzeugnisse seines Geistes mit einigen vorzüglichen poetischen Köpfen, welche mit ihm zugleich in Coimbra studirten und mit vereinten Kräften eine Art poetischer Schule bildeten, in nähere Bekanntschaft gebracht hätten; Camoens blieb, ohne vielleicht auch nur von ihnen verstanden zu werden, allein stehen, wie er durch sein ganzes übriges Leben hin mit seiner Muse in seinem Vaterlande allein stand. Vielleicht ward aber auch nur darum sein großes Nationalgedicht nach Inhalt und Ausführung das Einzige in Portugal. Mit den Kenntnissen, die sein Zeitalter ihm geben konnte, reichlich ausgerüstet, ein schöner, feuriger, edler Jüngling, begab sich Camoens an den Hof von Lissabon, ohne daß wir jedoch wüßten, welche bestimmte Hoffnungen dabey seinen Entschluß geleitet haben mögen. Er gefiel bald, XIX vorzüglich den Damen, allein die rücksichtslose, dem Camoens mit vielen frühern Portugiesischen Dichtern eigne, Unbefangenheit, mit welcher die poetische Welt in ihrem Innern mit allen Hoffnungen und Wünschen eines poetisch leicht und schnell afficirten Gemüthes in die wirkliche versetzt werden und diese sich gleichsam in Jene fügen sollte, verleitete vielleicht auch hier den durch Liebenswürdigkeit und die Gaben der Musen um so gefährlichern jungen Mann zu Unbesonnenheiten, die man ihm, seiner artigen Gedichte wegen, nicht zu Gute halten zu können glaubte. Camoens ward vom Hofe entfernt. Man vermuthet, daß Catharina de Attayde oder Almada, eine Hofdame, mit ihm in zärtlichern Verhältnissen gestanden habe, als man am Hofe wünschte und daß er deshalb nach Santarem, den Geburtsort seiner Mutter, verwiesen worden sey.

Stets an die Geliebte denkend und sie besingend, konnte diese Entfernung den Gram des feurigen Gemüthes nur vermehren; vielleicht ergriff in dieser Stimmung der Gedanke den Camoens, daß Ruhe für sein Herz nur im Geräusche der Waffen zu hoffen sey, vielleicht glaubte er seine ökonomische Lage durch Kriegsdienste einigermaßen zu verbessern, vielleicht endlich hatte selbst der Feldzug der Portugiesen in Africa, an dem er nun Theil nahm, als Kampf gegen die ungläubigen Mauren oder Mohren, für seinen Religionseifer eben so hohen Reiz als für seinen Patriotismus – – wie wenigstens viele, aus XX seinem Innersten gesungene Stellen der Lusiade anzudeuten scheinen – kurz, Camoens begab sich nach Ceuta und focht daselbst, wie Einige sagen, an der Seite seines Vaters selbst, und unter dem Commando des Antonio de Noronha gegen die Ungläubigen. Ein Metallstück aus einer Kanone der Maroccaner raubte ihm aber bald in der Meerenge von Gibraltar das rechte Auge. Er gieng nun nach Lissabon zurück, allein der verwundete Krieger fand daselbst eben so wenig Auszeichnung und Belohnung, als ehemals der Dichter gefunden hatte.

Mit der glühendsten Liebe zu seinem Vaterlande, die ihn auch später trotz mancher unwürdigen Behandlung, welcher er ausgesetzt ward, niemals verließ, aber auch mit dem glühendsten Hasse gegen manche Großen, von dem er sich zur Ungebühr vernachläßiget, vielleicht verfolgt, glaubte, beschloß Camoens nunmehr, Portugal auf immer zu verlassen. Im Jahr 1553, also nach Einigen im 29sten, nach Andern im 36sten Jahre seines Alters, schiffte er sich auf der Flotte, welche den Königen von Cochim und Porca zu Hülfe segelte, nach Indien ein. Seine letzten Worte bey der Abfahrt sollen die des Scipio Africanus gewesen seyn: Undankbares Vaterland! du sollst meine Gebeine nicht besitzen. Aber auch in Indien giengen keine bessern Tage für ihn auf. Camoens mußte verschiedenen Expeditionen zur See als Freiwilliger beiwohnen, um auf diese Weise seinen Unterhalt zu finden, und ohne daß es ihm XXI gelungen wäre, durch seine Dienste besondere Vortheile für sich erringen zu können. Die Liebe zur Dichtkunst allein, die ihn nie verlassen hatte, blieb ihm auch hier, als der einzige Stern seines Lebens zu Glück und Unglück treu, allein, so wie die vielleicht nur poetisch empfangene und ausgesprochene Liebe am Hofe zu Lissabon höchst wahrscheinlich die Ursache seiner Entfernung von demselben gewesen war, so führte ihn auch jetzt die Poesie und sehr möglicherweise das Mißbehagen, das ein so aufstrebender Geist über eine überall niederdrückende und einengende bürgerliche Lage empfinden mußte, auf den Abweg der Satyre. Camoens schrieb, neben der fortlaufenden Beschäftigung mit seinem großen Lieblingswerke, der Lusiade, die er nach Einigen bereits zu Coimbra, nach Andern während seines ersten Aufenthaltes zu Lissabon angefangen hatte, und neben manchem kleinern und für ihn wenigstens unschädlichen Gedichte auch noch Disparates na India, Thorheiten oder Narrheiten in Indien und Relacion de fiestas en Goa, Bericht von Festen in Goa. Die Folge dieser bittern Herzensergießungen war ein Befehl des damaligen Gouverneurs Francisco Barreto, durch welchen Camoens im Jahr 1556 auf die chinesische Insel Macao verwiesen ward. Hier bekleidete er das Amt eines Provedor môr dos defuntos oder Administrators der Verlassenschaften der Verstorbenen, um soviel, als zu seiner Subsistenz nöthig war, zu gewinnen, hatte aber doch noch außer seinen XXII Amtsgeschäften Muße genug, um an seinem Heldengedichte fortzuarbeiten und selbst Reisen, wie z. B. nach den Moluckischen Inseln zu unternehmen. In Macao selbst führt noch jetzt eine Grotte den Namen der Grotte des Camoens. Der Dichter soll in ihr einen Theil seiner Lusiade zu Stande gebracht haben.

Sobald unterdessen ein neuer Vicekönig von liberalern Grundsätzen, nehmlich Constancio de Braganza, in Goa die Stelle des Barreto erhalten hatte, ward dem Camoens sehr leicht die Erlaubniß zu Theile, aus seiner Verbannung wiederum nach Goa zurückkehren zu dürfen. Aber auf dieser Reise wäre auch beinahe der Dichter selbst, mit sammt der Frucht seiner vieljährigen Arbeit und seiner schönsten Kraft, untergegangen und dadurch für die Welt auf immer verloren gewesen. Ein Sturm traf in der Höhe von Camboja auf das Schiff, das ihn trug; schon sein Vater war vor dieser Küste mit seinem Vermögen verunglückt und dem Sohne schien dasselbe Loos bevor zu stehen. Das Schiff sank und Camoens wäre verloren gewesen, wenn er sich nicht durch Schwimmen an die Küste hätte retten können. Doch brachte er nichts auf dem Schiffbruch mit sich an das Land, als sein Gedicht, das nun einmal bestimmt war, der ganze Reichthum des edeln Mannes zu seyn, und ihm alles andre Glück der Erde zu ersetzen. Sehr schön läßt Camoens in der 128sten Stanze des 10ten Gesanges die weissagende Thetis diese Begebenheit XXIII dem Mecom, in dessen Strömung er ans Land kam, verkündigen.

So lang Constancio de Braganza lebte, gieng es Camoens in Goa sehr wohl; aber nur zu bald starb dieser Gönner und der neue Vicekönig de Redondo gab vielleicht nur zu bereitwillig den Feinden, die Camoens einer treulosen Verwaltung seines Amtes in Macao beschuldigten, Gehör; Camoens war genöthiget, seine Rechtfertigung aus seinem Gefängnisse zu führen. Sie soll ihm aber völlig gelungen seyn, und er würde eines Vergehens wegen nicht länger in Haft haben bleiben müssen, wenn nicht wiederum Einer seiner Gläubiger, Namens Fiossecos, ihn vom Neuen fest gehalten hätte. Ein scherzhaftes Gedicht an den Vicekönig befreite ihn endlich aber auch aus dieser Verlegenheit.

Durch alle diese Unfälle war ihm nun aber auch der Aufenthalt in Indien wo möglich noch verhaßter geworden, als ihm jemals der in Portugal gewesen war. Er ließ sich daher von Pedro Barreto, welcher Commandant von Sofala geworden war, leicht bereden, mit ihm und einigen andern angesehenen Männern die Reise dahin zu machen, da er von dort seine Rückkehr nach Europa leichter zu bewerkstelligen hoffte. Kaum aber war er in Sofala angelangt, als die Absicht, die Barreto bey seiner Theilnahme an dem Schicksale des, nun nicht mehr unbekannten, Mannes gehabt haben mochte, sich deutlicher zeigte; Camoens hatte in Sofala bey XXIV Barreto bleiben sollen, vielleicht, um dem Hofstaate desselben einigen Glanz durch seine Talente und seinen Namen zu geben, vielleicht auch um dem Gouverneur selbst durch Unterhaltung und Umgang Dienste zu leisten; beides war nicht in dem Plane des Camoens, denn er wollte nach Europa, und in diesem Widerspruche seiner Wünsche und der Wünsche seines bisherigen Beschützers, nahm dieser zu dem kleinlichen Hülfsmittel seine Zuflucht, den, von allem Gelde entblößten, Dichter wegen der für ihn bestrittenen Reisekosten an ohngefähr 200 Ducaten in Anspruch zu nehmen und denselben, so lange bis er diese Summe nicht bezahlen werde, in Sofala fest zu halten. Wirklich ward Camoens erst dadurch, daß einige billigdenkende Männer die Summe zusammengeschossen, und statt seiner bezahlten, aus dieser neuen Art von Gefangenschaft befreit und in den Stand gesetzt, in sein Vaterland zurück zu reisen.

So landete Camoens im Jahre 1569, noch ärmer als er weggegangen war, wieder in dem Hafen von Lissabon. Das einzige, was er mit sich brachte, war sein Gedicht. Aber dieses Gedicht allein auch – denn auf seine übrigen poetischen Produkte rechnete er nur wenig –war die einzige Frucht seines Jünglingsalters und seiner männlichen Jahre. Wie hätte er, im Alter bereits ziemlich vorgerückt und durch Menschenhaß und Widerwärtigkeiten fast gebrochen, noch daran denken können, neue Wege zu einer möglichen Verbesserung seiner Lage aufzusuchen und mit XXV Kraft zu verfolgen; er mußte Alles von seinem Gedichte, das recht eigentlich das Product so wie das Resultat seines ganzen reichen Lebens war, erwarten; er hatte Selbstgefühl genug, um wenigstens Etwas von seinem Vaterlande für ein Werk zu hoffen, das noch jetzt die Glorie einer schönern Zeit für eine Nation aufbewahrt, die beinahe Alles verloren hatte, was sie einst groß machte, für eine Nation, die schon wegen ihrer geographischen und literarischen Trennung von dem übrigen Europa mit dem großen Zeitalter ihrer eigenthümlichen Ehre bey der Nachwelt fast vergessen seyn würde, wenn Camoens nicht sein ganzes Leben, zwar unbelohnt und unanerkannt, aber still und ernst und edel an ein Nationalgedicht gesetzt hätte, wie kein andres neues Volk sich eines ähnlichen rühmen kann. Und wie fand nun Camoens sein Vaterland, als er den Boden desselben wiederum betrat? Eine ungeheure Pest verwüstete damals Portugal. Seit einem Jahre herrschte der junge König Sebastian. Zwar gnädig ward von diesem die Zueignung der Lusiade aufgenommen, die Camoens endlich nach abermaliger Ueberarbeitung im Jahre 1572 herausgab; allein, das was der Dichter gewünscht, gehofft, gefleht und –verdient hatte, – sorgenfreie Muße und ein Alter in Frieden, ward ihm nicht zu Theile. Eine Pension von nur 400 Realen und die auferlegte Verbindlichkeit, den Hof überall zu begleiten, konnte zu keinem von Beyden führen. Und auch dieses zweideutige, kümmerliche XXVI Glück sollte, gleichsam, als wenn der edle, ganz allein stehende Mann auch dies Wenige seiner Mitwelt habe zurückgeben sollen, um aller Schuld gegen dieselbe entbunden zu seyn, nicht lange dauern. Der Krieg mit Marocco brach aus. König Sebastian gieng nach Afrika. Sein Schicksal ist bekannt; in dem Treffen, das er zugleich mit dem Leben verlor, gieng die Nationalehre von Portugal und das schöne Zeitalter der bis dahin freien Nation unter; innerliche Unruhen brachen aus, Portugal ward ein Schauplatz des Jammers und der Zerrüttung. Was muß hier das zerdrückte Gemüth eines Mannes empfunden haben, der bey jeder Widerwärtigkeit, die im Leben auf ihn gestürmt hatte, gewohnt gewesen war, sich, wie ein großer Mensch, seiner selbst vergessend, in der Anschauung eines glorreichen, blühenden, freien, weithinherrschenden Vaterlandes zu trösten! Die Größe seiner Nation war der einzige Reichthum, den Camoens besaß. Dieser Reichthum vergalt ihm jeden Kummer und jeden Mangel seines Lebens. Die Lusiade ist gleichsam der Gebrauch jenes Reichthums, der Haushalt mit jenem Schatze, die Zinse, die er von jenem Kapitale zog. Als in den Sandwüsten von Marocco die Ehre und das Heil der Portugiesischen Nation untergieng, mußte ein Mann, der wie Camoens für seine Nation empfunden, gewünscht und gehofft hatte, zertrümmert und vernichtet werden, wenn auch seine Pension ihm fortdauernd richtig ausgezahlt worden wäre und nach XXVII einigen Nachrichten ein treuer Sclave, der ihn nach Europa begleitet hatte, sich nicht schon früher hätte entschließen müssen, des Nachts für seinen Herrn zu betteln, damit sich dieser nur noch auf den Straßen anständig zeigen könnte.

Nun war für Camoens Alles verloren; mit dem Glanze seines Vaterlandes gieng der letzte Zufluchtsort, wohin er sich aus dem Elende seiner Umgebungen noch bisweilen geflüchtet hatte, um freier zu athmen, verloren. Der Körper, der so unendlich vielen Anstrengungen, Abwechselungen und Unfällen nicht unterlegen hatte, unterlag dem Alter und dem trostlosen Blick in die Gegenwart. Von aller Hülfe und von Freunden entblößt, blieb ihm, als Krankheit und Schwäche an seinem Körper sichtlicher zu nagen anfiengen, keine Lagerstätte übrig, als in einem Hospitale und hier soll er auch im Jahre 1579 gestorben seyn. Erst mehrere Jahre nach seinem Tode ehrte Gonsalo Continho das Grab des Dichters mit einem marmornen Denkmale und der Inschrift:

Hier ruht Luis de Camoens, der Erste unter den Dichtern seiner Zeit. Er lebte arm und elend und starb auch so.

Und dies wären denn die Umrisse, die uns die Zeit mit einiger Zuverlässigkeit von der Sphäre dieses Mannes übrig gelassen hat; es sind dieser Umrisse wenig und sie geben gleichsam mehr den Rahmen für das Gemälde ab, als daß man aus ihnen XXVIII Camoens lebendiges Bild selbst zusammen setzen könnte; aber, darum fehlt uns dieses reine, lebendige und treue Bild nicht selbst. Zwar wissen wir nicht genau die Summe der Bedingungen, von welchen bald gehoben, bald gedrückt, Camoens frühere Bildung sich entwickelte, sein späteres Geschick sich wendete und sein letztes so kläglich schloß, aber wir können es lebendig erfahren, wir können es anschauen und empfinden, welch ein Mann Camoens auf der vollen Höhe seines Lebens war. In seiner Lusiade liegt sein großes Leben, sein ernster klarer, das Gewirr der Welt streng durchblickender Verstand, sein nach Verhältniß des Zeitalters reiches Wissen, sein großes Herz, und eine Poesie, die dieses Gedicht in dem Auge jedes Lesers, der das Zufällige der damaligen Welt von dem Wahren, Reinen und Schönen zu trennen weiß, und jedes Werk als ein Bürger der Zeit, in welcher es entstand, zu lesen verstehet, nie veralten lassen und Portugals Nationalehre auf ewige Zeiten retten wird.

 


 

Lusiade.

Erster Gesang.

                   

1.

Die Waffen und die Helden hoher Thaten,
    Die, schiffend aus den schönen Abendlanden
Der Lusitanen, hinter TaprobanasUnter Taprobana versteht der Dichter wahrscheinlich die Insel Sumatra, obwohl auch Ceylon von ältern Geographen so benannt wird. Staaten
    Noch unbeschiffte, neue Meere fanden;
Sie, die in Fahr und Kämpfen so berathen,
    Daß sie auf wilder Völker fernen Stranden
Ein neues Reich gestiftet, hoch zu prangen,
Wie deß sich kaum je Menschen unterfangen;

2.

Und jene Fürsten, in des Sieges Kränzen,
    Die, Reich und Glauben mächtig auszubreiten,
Weithin der Africaner falsche Gränzen
    Und Asien der Rache Schwerte weihten
Und Alle, die durch Ritter-Thaten glänzen
    Und vom Gesetz des Todes sich befreiten
Will ich mit tönendem Gesang verkünden,
Wenn würdig sich Natur und Kunst verbünden.

3.

Es schweige nur von ihrer Flotten Bahnen
    Der Griechen, der Trojaner dunkle Sage,
Der Siege Ruhm verschwinde den Trajanen
    Und Alexanders Zeit der Heldentage,
Da ich zum Preis der großen Lusitanen,
    Der mächtgen Herrscher, meine Harfe schlage,
Von ihrem Muth, der Erd und Meer bezwungen,
Sey jedes alte Lied mit Nacht umschlungen! 4

4.

Und ihr! o meine Nymphen, ihr Tagiden!
    Die solche neue Gluth in mir entzündet,
Ward jemals euer schöner Strom hienieden
    Durch meiner Lieder leisen Ton verkündet;
So sey mir jetzt ein stärkerer beschieden
    Und eine Sprache voll und schön geründet!
Daß eure Fluth Apollons Segen leite
Und sie nicht mehr die Hippokrene neide.

5.

Verleihet mir die Kraft zu großen Tönen!
    Kein Haberrohr und keine Hirtenflöten!
Wie Kriegs-Posaunen laßt die Stimme dröhnen,
    Daß muthentflammt sich hoch die Wangen röthen.
Schafft, daß im Lied die Thaten so ertönen,
    Als tausend Schlachten Euer Volk erhöhten,
Daß überall sein lauter Ruhm erklinge,
Wenn ich so hohen Werth in Worte zwinge!

6.

Und Du! o edler Schild und feste Wehre
    Der alten Freyheit Deiner Portugiesen!
Du! zu Verherrlichung der Christenlehre,
    Der kleinen Schaar zu sichrem Stab verhießen!
Du, neues Schreckniß wilder Mohren Speere!
    Wohlthätig Wunder! unsrer Zeit erwiesen!
Durch Gott den Geber aller Welt gegeben,
Daß alle Welt nur Gotte möge leben!Mit dieser Stanze beginnt des Dichters Anrede an den Jungen König Sebastian, der damals Portugal regierte und dem das Gedicht geweihet ist.

7.

Du, zarter Zweig! der herrlich sich erschlossen,
    Am Baume, welchen Christus liebt, vor Allen,
Die in den Abendlanden aufgeschossen
    Und sich als AllerchristlichsteEin Seitenblick des Dichters auf die Kaiser des Occidents und die Könige von Frankreich, welche Letztere den Nahmen der Allerchristlichsten führten. gefallen,
Denn Siegestage, lange schon verflossen,
    Seh' ich im WappenSiehe weiter unten im Dritten Gesang Stanze 53. wo die Entstehung des Portugiesischen Wappenbildes eingewebt ist. Deiner Fahnen wallen,
Da er die Zeichen selbst Dir hat gelassen,
Mit welchen er am Kreuze mußt' erblassen. 5

8.

Du großer König! in den weiten Reichen,
    Wo stets zuerst der Sonnen Aufgang grauet
Und ihre Strahlen senkrecht niedersteigen
    Und sie zuletzt die Erde noch bethauet!
Der Mohren böses Volk soll noch erbleichen
    Vor Deinem Schwert, dem unser Herz vertrauet,
Die Türken und die Heiden werden sinken,
Die aus des heilgen Stromes Fluthen trinken.

9.

O! neig' auf kurze Zeit der Hoheit Strahlen
    So ich im zarten Antlitz schon gewahre,
In welchem sich die reifen Jahre mahlen,
    Wo ewge Lorbeern schmücken Deine Haare.
Laß Deine Augen mild herniederstrahlen
    Zur Erde, daß Dein Herz es bald erfahre,
Wie Liebe zu der Ahnen Helden-Stamme
Mich zu des Liedes langem Lauf entflamme!

10.

Von Vaterland und nicht von schnödem Lohne,
    Von ewgem Ruhm nur fühl' ich mich entbrennen,
Denn hoher Preis ist es der Dichtung Sohne,
    Ihn einen Herold seines Landes nennen.
O! höre mich! die Helden Deiner Zone
    Wirst Du, ihr Herr, im höchsten Glanze kennen
Und wirst, was größer sey, dann bald erfahren,
Ob Herr der Welt seyn, oder solcher Schaaren!

11.

O! höre mich! Nicht leere Phantasien,
    Nicht Dichtung ohne Wahrheit, ohne Leben,
Wie oft der fremden Musen Stolz verliehen,
    Soll Deinem Volke Lob' und Ehre geben!
Denn Thaten sind in seinem Schoos gediehen,
    Die über alle Dichtung weit sich heben;
Daß Rodamont, Roger und Roland schweigen,
Wollt' auch die Wahrheit ihren Thaten zeugen. 6

12.

Statt ihrer sey ein Nuno Dir gesungen,
    Er, seines Herrn und Landes Schutz und Ehre!
Ein Egas, Fuas, deren Huldigungen
    Zu künden, ich Homeros Kunst begehre;
Die zwölf von England, die so hoch gerungen,
    Statt jener Zwölf, der Tafelrunde Paire,
Und Gamas Heldenthaten sollst Du wissen,
Der dem Aeneas jeden Kranz entrissen.

13.

Und wolltest Du an König Carls des Franken,
    An Cäsars Stelle gleiche große Nahmen,
So tritt Alphons der Erste in die Schranken,
    Dem nimmer gleich des Auslands Helden kamen,
Und Jener, der sein Reich trotz Sturm und Wanken
    Mit Sieg befestigt und mit hohem Nahmen,
Johann der Zweyte aus der Besten Mitte,
Alphons der Vierte, Fünfte und der Dritte.

14.

Auch sollen meine Verse nicht vergessen
    Der Helden, die fern in des Aufgangs Gränzen
So ungeheurer Dinge sich vermessen,
    Daß ewig siegreich Deine Fahnen glänzen,
Nicht der Almeidas, des Pacheco, dessen
    Trophäen weinend die Tagiden kränzen,
Noch Albuquerques, Castros Lorbeerkronen,
Die nie verwelken in der Gräber Zonen.

15.

Und während ich sie sing' und furchtsam schweige
    Von Dir o Herr! wie möcht' ich solches wagen!
So nimm den Zügel Deiner weiten Reiche,
    Daß neue Lieder Deine Thaten sagen!
Und unter Deiner Schwerter schwerem Streiche
    Laß Schrecken weit durch alle Länder jagen
Und unter Siegen Deiner Helden Heere
Erzittre Africa, der Orient, die Meere! 7

16.

An Dir erstarrt der Blick des wilden Mohren,
    Sein Untergang ist ihm in Dir gedeutet;
Die Heiden, Dich ersehend, sind verlohren,
    Daß unter schmachvoll Joch ihr Nacken gleitet,
Und Thetis hat zum Eidam Dich erkohren
    Und hält das Himmelblaue Reich bereitet
Und will es Dir zur hohen Mitgift geben
Und ist entzückt von Deiner Schönheit Leben.

17.

Zween große AhnherrnKönig Johann der Dritte von Portugal, König Sebastians Großvater väterlicher Seite und Kaiser Carl der Fünfte, dessen Großvater mütterlicher Seite., in der Himmel Zone,
    Begleiten Dich mit Lieb' erfüllten Blicken!
Den Einen muß des Friedens goldne Krone,
    Der Schlachten Lorbeer muß den Andern schmücken.
Sie hoffen, bald in dem erhabnen Sohne
    Erneut die eignen Thaten zu erblicken
Und halten Dir, wenn einst Dein Leben scheidet,
Im Tempel ewgen Ruhms den Platz bereitet.

18.

Doch während zögernd nahen diese Zeiten
    Des eignen Herrschens, nach der Völker Sehnen
Gieb Gnade meines Liedes neuen Saiten,
    Daß meine kühnen Verse Dein sich wähnen!
Du wirst die Deinen hin durch Meere gleiten,
    Die Argonauten schauen, die sich sehnen
Vor Deinem Aug' in wilder Fluth zu schwimmen,
Dein harren hier schon ihres Flehens Stimmen!

19.

Sie schiffen schon im weiten Meer die Bahnen,
    Durchschneidend krause Wellen mit dem Kiele,
Und lieblich wehen in der Krieger Fahnen
    Und in die Seegel sanfter Lüfte Spiele.
Wo nur die Schiffe gehn der Lusitanen,
    Deckt sich das Meer mit weißem Schaum-Gewühle,
Wo sie nur durch die heilgen Fluthen fliehen,
In denen Proteus große Heerden ziehen. 8

20.

Da sammeln sich der Götter hohe Schaaren
    Der Menschen Herrscher, auf Olympus Höhen,
Im hohen Rathe sorgsam dort zu wahren
    Dem, was in Osten künftig soll geschehen.
Der Götter Zug, die hin berufen waren,
    Wird auf der Himmel Glanzkristall gesehen.
Der Milchstraß Sterne wölben sich zu Pfaden,
Merkur hat All' auf Zevs Gebot geladen.

21.

Die sieben Himmel haben sie verlassen,
    Wie Jedem sie nach Jovis Rath sind eigen,
Der mit Gedanken mag das All umfassen
    Und welchem Erd und Meer und Himmel weichen.
Und flugs erfüllen sich die weiten Straßen,
    Es kommen die, so in des Mittags Reichen,
Die, so gen Mitternacht, gen Abend wohnen
Und in des Morgenrothes schönen Zonen.

22.

Vor Allen ragte, herrlich anzublicken,
    Weil Gnad' und Ernst des Gottes Anstand theilen,
Auf einem Stuhl, den lichte Sterne schmücken,
    Der Vater mit Vulcanus Donnerkeilen,
Sein Odem will der Sterblichkeit entrücken
    Was sterblich ist, den Leib vom Tode heilen,
Mit Kron und Scepter ist er hoch gezieret,
Daß selbst der Demant seinen Glanz verlieret.

23.

Auf andern Stühlen, welche tiefer stehen,
    Aus deren Gold und Perlen Strahlen schießen,
Sind auch die andern Götter zu ersehen,
    Wie Jeglichem die Ordnung angewiesen,
So daß voran der Aeltern Sessel gehen
    Und weiter unten die Geringern schließen,
Als Jupiter, das tiefe Schweigen brechend,
Furchtbar beginnt, die ernsten Worte sprechend: 9

24.

Ihr ewigen Bewohner dieser Zinnen,
    Wo klare Stern' im schönen Lichte schweben!
Möcht ihr Euch noch des hohen Muths entsinnen,
    Der Lusus wackrem Volke ist gegeben;
So mußtet ihr auch Kunde wohl gewinnen,
    Wie herrlich es das Schicksal will erheben,
Daß einst vor ihm der Syrer, Perser Thaten,
Athen und Rom in Dunkelheit gerathen.

25.

Ihm wurde schon, ihr sahet es! verliehen,
    Auf kleine Heeres-Macht zum Kampf beschränket,
Den Mohren jene Lande zu entziehen,
    So, lieblich strömend, weit der Tago tränket;
Auch ward ihm Schutz vor Spanien geliehen,
    Wenn furchtbar sich herbey sein Heer gelenket,
So daß dies Volk am Ende stets Altäre,
Trophäen baute zu des Sieges Ehre.

26.

Laßt mich vom alten Lob' ihr Götter! schweigen,
    Das es von Romuls Enkeln sich errungen,
Als bey der Römerkriege blutgen Streichen
    Einst laut der Ruhm ViriatusViriatus Thaten werden weiter unten noch ausführlicher berühret. Siehe Stanze 22. des dritten Gesangs und Stanze 6. und 7. des achten. erklungen;
Auch will ich kürzlich nur auf Jenen zeigen,
    Mit welchem hoch dies Volk sich aufgeschwungen,
Als es den Scepter gab des Fremdlings Händen,
Dem Götterspruch die Hirschkuh wollte spendenDem Serturius sollen, nach seiner Erwählung zum Anführer, einige Jäger eine weiße Hirschkuh gebracht haben, die ihn immer begleitete, und von der er, den Willen der Götter zu vernehmen, vorgab..

27.

Ihr seht sie jetzt zu Größrem sich erheben,
    Auf leichtem Holz dem falschen Meer vertrauen,
In unbekannten Fluthen furchtlos schweben
    Und allen Stürmen kühn ins Auge schauen.
Schon lange floß in Ländern hin ihr Leben,
    Wo kurze bald, bald lange Nächte thauen,
Nun wollen sie mit kühnrem Unterfangen
Hin zu des Tages Wiege selbst gelangen. 10

28.

Versprochen, nach des Schicksals ewgem Wollen,
    Deß hohe Schlüsse unerschüttert stehen,
Ist ihnen, daß sie lang beherrschen sollen
    Die Meere, so der Sonnen Aufgang sehen.
Doch muß das Häuflein in der mühevollen
    Und harten Winterreise schier vergehen,
Drum ist es gut, daß ihm nun bald die Zonen
Sich zeigen, die es strebet zu bewohnen.

29.

Und, da es, wie ihr wißt, auf dieser Reise
    Der herben Fahr und Drangsal viel erlitten,
So viele Stürm' und rauhe Himmelskreise
    Und wilder Klimate so viel bestritten;
So will ich, daß ihm Gastfreundschaft erweise
    Der Mohren Küst' und Schutz und milde Sitten,
Und daß sich dort die müde Flott' erquicke,
Bevor sie an zu weitrer Fahrt sich schicke.

30.

Hier ward von Jupiter das Wort geendet,
    Als drauf die Götter nach der Ordnung kamen,
Und, hierhin bald und bald dorthin gewendet,
    Vielfache Reden gaben und vernahmen.
Doch Bacchus Sinn ist völlig abgewendet
    Von dem, was Zevs gesagt für Lusus Samen,
Denn, wenn den Orient die Flotte finde,
Weiß er, daß dort sein Thatenruhm verschwinde.

31.

Wohl weiß er, wie das Schicksal es beschieden:
    Ein tapfres Volk aus Spaniens großen Reichen
Werd' einst, am Indus mächtig zu gebieten,
    Aus fernen Meeren dieses Land erreichen
Und jeder Ruhm, auch seiner dann, hienieden
    Des Volkes hohem Thatenglanze weichen,
Hoch kümmert ihn, des Ruhmes Fall zu sehen,
Den Nisas Stadt ihm noch muß zugestehen. 11

32.

Den Strom des Indus hat er einst bezwungen
    Und kein Geschick und Zufall ihm entzogen,
Daß er als Indiens Sieger ward besungen
    Von Allen, denen Phoebus war gewogen.
Jetzt fürchtet er, daß, von der Nacht verschlungen,
    Sein großer Nahme in den schwarzen Wogen
Des Stromes der Vergessenheit verschwinde,
Wenn dort der Landung Ziel die Flotte finde.

33.

Entgegen ihn will Venus mild berathen,
    Der Lusitanen Volk und Lieb' ihm wahren,
Ob seiner hohen Tugenden und Thaten,
    Die ähnlich denen ihrer Römer waren;
Ob jenes Muths in Tangers Räuber-Staaten,
    Als herrlich dort gefochten Lusus Schaaren
Und ob der Sprache, der es fast gelänge,
Zu täuschen sie, als tönten Römerklänge.

34.

Aus diesen Gründen liebte sie Cythere
    Und weil sie von den Parcen noch vernommen,
Daß ihrer harre Glanz und Lob und Ehre,
    Wohin der Krieger Schaar nur werde kommen;
Da Jener nun, daß er der Schmach entbehre,
    Und Diese kämpft zu ihres Ruhmes Frommen,
Und Beyde so verschiedne Wünsche nähren,
Muß jeder Theil den Seinen Schutz gewähren.

35.

So wie der Nordwind mit des Sturmes Toben
    Weit durch der Wälder rauhes Dickigt brüllet,
Mit Aesten, Wurzeln, wild der Erd' enthoben,
    Und Donner rings den ganzen Himmel füllet,
Die Blätter zittern, hoch empor gestoben,
    In Nacht ist drohend das Gebirg gehüllet;'
So das Getöse jener Götterschaaren,
Die auf dem heiligen Olympus waren. 12

36.

Und Mars, der Göttin so in Lieb ergeben,
    Daß er als Kämpe stets für sie erschienen,
Ob, nur aus Sorge für der Tapfern Streben,
    Ob, alter Liebe pflichtgemäß zu dienen,
Springt nun empor, um Antwort zu erheben,
    Und Wuth und Zorn verrathen seine Mienen
Und wirft den Schild mit Ingrimm auf den Rücken,
Der sonst am Halse hangend ist zu blicken.

37.

Am Helme, der wie Demant zu gewahren,
    Wird das Visier von ihm emporgeschlagen;
So tritt er mitten in der Götter Schaaren,
    Um, was ihm dünkte, muthig Zevs zu sagen;
Es schlägt die Faust, den Grimm zu offenbaren,
    Gen Jovis Thron den Speer, daß Alle zagen;
Die Himmel zittern und Apollons Wangen
Erbleicht der Schimmer in des Schreckens Bangen.

38.

Er spricht: o Herr! dem unterthänig leben
    Von Dir erschaffen rings des Weltalls Sphären,
Wenn Du nicht willst der Schmach dahin nun geben,
    Die, deren Muth Du sonst vermocht zu ehren
Und die jetzt kühn nach andern Welten streben,
    So laß nicht Andre Deinen Sinn verkehren!
Du bist der Herr und langher steht Dein Wille,
Ob Haß vielleicht auch andre Herzen fülle.

39.

Denn, hätte große Furcht nicht überwunden,
    Was die Vernunft mit lauter Stimme kündet,
So würde Bachus wohl Ihr Freund erfunden,
    Da Ihren Stamm sein Lusus hat gegründet.
Er mag von seinem Uebel drum gesunden,
    Da es uns nicht zu gleicher Wuth entzündet.
Wie möcht' auch fremde Scheelsucht das verderben,
Was Götter wollen, Thaten sich erwerben? 13

40.

Und Du! o Vater mit dem starken Willen,
    Wenn Deine Weisheit einmal hat gewählet,
O! laß nicht ab, den Vorsatz zu erfüllen,
    Da Schwachheit nur des Strebens Ziel verfehlet.
Laß durch Mercur der Flott' ein Land enthüllen,
    Das die erquicke, so die Drangsal quälet,
Und Kundschaft auch von Indien ertheile,
Mercur ist schneller wohl, als Sturm und Pfeile!

41.

So sprach er und der Vater war gewogen
    Den Worten, so getönt aus Mavors Munde.
Er neigt sein Haupt, zu ihm herabgebogen,
    Und Nectar strömt umher im ganzen Runde.
Hin auf der Milchstraß Glanzgewölbten Bogen
    Zog Jeder fürbaß aus dem Götterbunde,
Nachdem er Urlaub sich vorher genommen,
Um in die eignen Kammern heim zu kommen.

42.

Doch während in den schönen Aetherhallen
    Des mächtigen Olympus dies geschehen,
War auf dem weiten Meer der Segel Wallen
    Von Süd nach Osten schiffend zu ersehen,
Daß links gen Aethiopien nach Gefallen,
    Wie rechts gen San Lorenz sie konnten gehen.
Die Sonne brannte in der Fische Zeichen,
Die einst in's Meer vor Typheus mußten weichen.

43.

Der Flotte wehen Winde sanft von oben,
    Als folge freundlich ihr der Himmel Gnade.
Klar ist die Luft, kein Wölkchen dünn gewoben,
    Dräut irgend Unheil ihrem stillen Pfade.
Sie segelt um das Kap, das, dort erhoben,
    Prasso von je genannt ward am Gestade,
Und sieht nun wiederum des Meeres Weiten,
Wo Inseln zahllos sich umher verbreiten. 14

44.

Vasco von Gama, der so hoher Dinge
    Als Admiral so kühn sich unterfangen;
Dem, daß sein Muth ein Jegliches vollbringe,
    Fortwährend hohes Glück vorangegangen,
Will, daß die Flotte immer weiter dringe,
    Denn, was sey hier durch Landung zu erlangen,
Da unbewohnt wohl jeder Strand zu achten.
Doch es geschah nicht nach des Helden Trachten!

45.

Denn stracks erscheint von Barken eng und klein
    Ein leicht Geschwader von der Insel Küste,
So Afrika die nächste scheint zu seyn,
    Mit vollen Segeln aus der Fluthen Wüste.
Freud' und Erstaunen nahm die Herzen ein,
    Als ob entgegen jedes Auge müßte;
Welch Volk dies wäre, möchten sie erfahren,
Gesetz und Sitt' und Herrscher dieser Schaaren.

46.

Der Barken Bau und Schnelle schien zu loben,
    Als Segel dienten dichte kühle Matten
Von Blättern, mit geschickter Hand gewoben,
    Die an der Palmen schlanken Stämmen schatten;
Und Phaëton gab, zündend einst von oben,
    Der Erd' die Farbe, so die Menschen hatten,
Als tollkühn er des Weges mußte fehlen,
Wie noch von ihm der Padus kann erzählen.

47.

Und Baumwoll' ist es, was die Mohren kleidet,
    Von manchen Farben, die sich hier verbinden;
Ein Gürtel ist um Manche hingebreitet,
    Da schöner Andre mehr Umhüllung finden.
Zum Haupt vom Gürtel sind sie nicht bekleidet,
    Und Aller Scheitel schmücken hohe Binden;
Und Dolch' und Messer sind die scharfen Wehren,
Und schiffend lassen sie Schalmeien hören. 15

48.

Sie deuten mit den Armen winkend an,
    Was sie sich von der Flotte zu versehen;
Und diese läßt, der Insel schnell zu nah'n,
    Die leichten Kiele schon sich seitwärts drehen.
Als schaue sie das Ziel der schweren Bahn,
    Will an die Arbeit frisch die Mannschaft gehen.
Sie zieht die Segel, alle Masten fallen,
Der Anker sinkt, daß hoch die Fluthen wallen.

49.

Die Anker hatten noch nicht eingeschlagen,
    Als sich am Tau herauf die Mohren schwangen,
Und mit leutselig freundlichem Betragen
    Ward Jeglicher von Gama's Huld empfangen,
Und stracks läßt er herbey die Tische tragen;
    Es wird mit Bacchus Trank das Mahl begangen.
Es füllt der Wein kristallene Pokale,
Und nicht verschmäht der Mohren Mund die Schaale.

50.

Und bey dem frohen Mahl erheben Fragen
    Arabisch sie, woher die Tapfern kommen?
Und wer sie seyn? warum die Fahrt sie wagen?
    Und welche Meere schon ihr Kiel durchschwommen?
Worauf des Lusus Söhne willig sagen,
    Was Jenen kann zu kluger Antwort frommen:
Wir Portugiesen aus dem Occidente,
Wir suchen Länder in dem Oriente!

51.

Und manche Fluthen haben wir durchreiset,
    Aus Norden strebend nach des Südes Meeren;
Der Afrikaner Küste ganz umkreiset,
    Gesehn viel Länder und viel Himmelssphären,
Und einem König, welchen Jeder preiset,
    Gehorchen wir, ihn liebend zu verehren,
Nicht nur die Fahrt im Meer für ihn zu lenken,
Sie freudig selbst zum Acheron zu senken. 16

52.

Um sein Geheiß in Werk und That zu stellen,
    Des Indus Land im Morgen zu erspähen,
Durchschiffen wir für ihn die fernen Wellen,
    In denen Ungeheuer nur zu sehen.
Doch möchte nun auch billig uns erhellen,
    Wenn Sitte hier ist, Wahrheit zu gestehen,
Wer ihr seyd, und mit welchem Land begabet,
Und ob von Indien ihr Kunde habet?

53.

Wir sind, erwiedert Einer von den Mohren,
    Nach Ursprung und Gesetz hier fremd im Lande,
Gesetzlos sind, die solchem eingeboren,
    Und roh an Sitt' und Bildung und Verstande.
Zu Jenes Glauben haben wir geschworen,
    Den Abrams Stamm der Welt zum Lehrer sandte;
Obwohl ihn eines Heiden Kraft gezeuget,
Und dem sich nun die ganze Erde beuget.

54.

Es knüpft die kleine Insel, die uns nähret,
    Mit jenem ganzen Erdstrich sichre Bande;
Ob nach Quiloa sich das Fahrzeug kehret,
    Ob gen Mombazas und Sofalas Lande,
Und weil sie uns viel Nöthiges gewähret,
    Bewohnen wir als eigen ihre Strande;
Und, daß Euch endlich Alles sey bekannt,
Wird diese Insel Mozambique genannt.

55.

Und da ihr lange schon die Fluth durchschwommen,
    Den Indus suchend und die heiße Küste,
Sind Euch Piloten hier vielleicht willkommen,
    Euch klug zu leiten durch die Meereswüste.
Auch könnt' Euch wohl die Rast der Landung frommen,
    Und daß Euch unser König selbst begrüßte,
Und Eurer Flotte gönnte seine Nähe,
Und Euch mit allem Nöthigen versähe. 17

56.

So sprach der Mohr, und zu den Barken wendet
    Er wieder sich mit der Gefährten Schaaren,
Als sie der Achtung Zeichen rings gespendet,
    Die gegen solche Helden billig waren.
Indessen hat der Sonne Lauf geendet;
    Es spielt die Fluth mit ihren goldnen Haaren,
Die Schwester muß nun Licht der Erde streuen,
Daß jene sich des Schlummers möge freuen.

57.

So floß die Nacht, als gäb' es nirgend Fahren,
    In Jubel hin, den Müden von der Reise,
Von Indien nun endlich zu erfahren,
    Was sicher lenke ihrer Bahnen Gleise.
Indeß auch Manche ernst und sinnend waren
    Ob dieses Volks und seiner fremden Weise,
Und daß sie an dem Falschen Glauben hingen,
Und daß soweit die Erd' in solchen Schlingen.

58.

Des vollen Mondes helle Schimmer trinken
    Des Fluthengottes silberreine Wogen;
Es sind die Sterne, die am Himmel blinken,
    Ein weites Feld mit Lilien überzogen.
Die Stürme ließen alle Flügel sinken,
    Und sind in dunkle Grotten hingezogen;
Und dennoch sind bestellt der Flotte Wachten,
Wie Sitt' und Uebung solches mit sich brachten.

59.

Und als Aurorens Pforten sich erschlossen,
    Und sie im Glanz der Jugendschönen Wangen
Die Zügel löste Hyperions Rossen,
    Um aus dem Meer zum Himmel zu gelangen,
Wird in die Luft der Wimpel Heer ergossen,
    Und Fahnen flattern und Paniere prangen,
Den Herrscher, dem die Inseln dienen müssen,
Mit Fest und Jubel herrlich zu begrüßen. 18

60.

Der König nah't, die Flotte zu betrachten,
    Und Lebensmittel ihnen darzureichen,
Indeß auf Kundschaft die Gedanken achten,
    Wer diese Fremden, und aus welchen Reichen?
Warum auf ferne Herrschaft sinn' ihr Trachten
    Und Kaspien sie flöhen, das ihr eigen;
Denn ihnen wären, hegte er den Wahn,
Konstantinopels Mauern unterthan.

61.

Und es empfängt mit Huld und milden Weisen
    Gama den Mohren, und die mit ihm kommen,
Und will mit Gaben freundlich sich erweisen,
    Die er zu solchem Zwecke mitgenommen;
Auch bietet er Confekt und süße Speisen,
    Und frohen Wein, von sanfter Glut durchglommen,
Und da dem König lieb die Gaben dünken,
Beginnt er flugs zu essen und zu trinken.

62.

Die Mannschaft, auf das Takelwerk geschwungen,
    Bewundert dieser Fremden Sitt' und Trachten,
Die wilde rauhe Sprache ihrer Zungen,
    Die ein Gemisch aus andern nur zu achten.
Doch wird von Staunen auch der Mohr durchdrungen,
    Wie seine Augen Jegliches betrachten,
Und ob sie aus der Türken Land wohl kämen?
Will er, nach Allem forschend, jetzt vernehmen.

63.

Auch will er selbst die heil'gen Bücher sehen,
    An welche sich ihr Glaub' und Hoffen halte,
Ob mit den Seinen sie sich einverstehen;
    Ob Christi Lehr' vielleicht im Volke walte?
Und daß ihm nichts von Allem mög' entgehen,
    Und Jegliches dem Auge sich entfalte,
Dringt er in Gama, zu beschau'n die Waffen,
Die Sieg im Kampfe mit dem Feinde schaffen. 19

64.

Der tapfre Held ergegnet drauf dem Mohren
    Durch Einen, so der dunkeln Sprach' erfahren,
Vom Glauben sprechend, dem er zugeschworen,
    Von sich und von den Waffen seiner Schaaren;
Wir sind in jenem Lande nicht geboren,
    Wo lange schon nur schnöde Türken waren;
Wir stammen aus Europa's Heldenlande,
Und schiffen nach des Indus fernem Strande.

65.

Und Glauben weih'n wir Jenes reinen Lehren,
    Der Sichtbares und Unsichtbares lenket,
Und einst erschaffen alle Hemisphären,
    Und was nicht fühlt und was ihn freudig denket,
Der grausam, um ihn schuldlos zu entehren,
    Ward an das Kreuz der bittern Schmach gehenket,
Und als ein Mensch auf Erden wollte leben,
Die Menschen in den Himmel zu erheben.

66.

Die Bücher, so der Gottmensch, uns zu lehren
    Uns gab, sind auf der Flotte nicht zu finden.
Wohl können wir Papier und Schrift entbehren,
    Da sein Wort lebt in unsrer Seelen Gründen;
Doch kann ich leicht erfüllen Dein Begehren,
    Dir unsrer Waffen Stärke zu verkünden;
Als Freund sollst Du vor den Gewalt'gen stehen,
Und wirst als Feind sie niemals wollen sehen.

67.

Und schon sind Diener auf sein Wort begriffen,
    Die mannichfachen Waffen herzubringen,
An Schien' und Rüstung, glänzend hell geschliffen,
    An Speeren, Lanzen, hartgestählten Klingen,
Und Panzerhemden hat die Hand ergriffen;
    Musketen, Kugeln, die in's Ferne dringen,
Und Partisane, Köcher, Pfeile, Bogen
Und Schilde, bunt mit Farben überzogen. 20

68.

Und Bomben werden auch herbeigetragen,
    Und Pulver, und gefüllte Handgranaten.
Doch soll Vulkanus Dienerschaar nicht wagen,
    Der Stücke Donner zündend zu entladen.
Es will des edlen Sinnes sein Betragen
    Gern des Gepränges seiner Macht entrathen
Vor Wenigen und Schwachen, denn bedräuen
Der Lämmer Heerd' ist Schwäche bey dem Leuen.

69.

Durch Alles aber, was der Mohr befindet,
    Und was sein Auge spähend mag erkunden,
Hat sich ein Groll in seiner Brust entzündet,
    Und böse Absicht sein Gemüth umwunden;
Doch wird sie nicht durch Wink und Laut verkündet,
    Verstelltes Lächeln hält ihn fest gebunden,
Um freundlich mit den Christen zu verkehren,
Bis er sie könne seines Sinns belehren.

70.

Der Feldherr, ob der Fahren, die ihm drohten
    Im Meere, wünscht, daß Führer ihn begleiten,
Und reiche Gaben werden dargeboten
    Für die, so etwa solchem Dienst sich weihten.
Der Mohr verspricht drauf willig ihm Piloten,
    Ob ihn auch hier nur Tück und Arglist leiten,
Denn statt Piloten diensam ihm zu leihen,
Möcht' er die Fremden all' dem Tode weihen.

71.

So großen Haß und solchen bösen Willen
    Hat dieser Fremden Schaar in ihm erreget,
Seit er es weiß, daß sie das Wort erfüllen,
    So Davids Sproß auf Erden ausgeleget.
O! ew'ger Rath! den Wolken nur umhüllen,
    Den zu enträthseln Keiner Scharfsinn heget!
Daß nie treuloser Feinde mag entbehren,
Wem Du nur Huld und Gnade willst gewähren. 21

72.

Und schon verläßt die wackern Portugiesen
    Der falsche Mohr, begleitet von den Seinen;
Doch Sitt' und Anstand, Jeglichem erwiesen,
    Will Trug und glatte Mienen schlau vereinen.
Kaum daß die Barken von der Flotte stießen,
    Als sie auch schon dem Strande nah' erscheinen,
Schon lenkt der König, in der Seinen Mitte,
Zur wohl bekannten Heimath seine Schritte.

73.

Und JenerBacchus, nach der Fabel. schauet von der Himmel Zinnen,
    Der aus des Vaters Hüfte ward geboren,
Gewahrend, wie der Flotte hoch Beginnen
    Abscheu und Greuel sey den wilden Mohren.
Und will auch schon auf böse Renke sinnen,
    Daß Flott' und Mannschaft gänzlich sey verloren;
Da solche Ding' in seiner Seele walten,
Kann sich die Zung' in Worte leicht entfalten.

74.

Ist es im Rath des Schicksals auch beschlossen,
    Daß laute Waffen, hohe Heldenthaten
Den Sieg erkämpfen Lusus Kampfgenossen
    Weit in des Indus kriegerischen Staaten;
Soll ich darum es dulden, Zevs entsprossen!
    Und wunderbar mit Füll' und Macht berathen,
Daß den des Schicksals Mächte hoch erheben,
Der meinen Namen will mit Nacht umgeben?

75.

Es wollten einst, schon in den alten Tagen,
    Dort Philipps Sohne Sieg die Götter schenken,
Daß jene Lande seinem Schwert' erlagen,
    Den Nacken in des Schmaches Joch zu senken.
Doch wer mag nun den hohen Schluß ertragen,
    Die Wenigen so herrlich zu bedenken,
Daß ich und er und alle Römerahnen
Nun weichen müssen diesen Lusitanen? 22

76.

So sey es nicht! den Feldherrn, der verwegen
    Gen Morgen strebt, will ich zu Boden drücken,
Mit schlauer List ihm eine Schlinge legen,
    Daß er den Orient nie soll erblicken;
Zur Erde will ich! Alles aufzuregen,
    Mit Haß und Wuth die Mohren zu berücken;
Denn immer wandelt der auf sichern Straßen,
So klüglich weiß die rechte Zeit zu fassen.

77.

So sprechend wollt' er nun hernieder schweben
    Nach Afrika, in Wüthen schier verloren,
Und Menschenhülle hat den Gott umgeben,
    Als er von Kapo Prasso naht den Mohren.
Des Truges Fäden schlauer noch zu weben,
    Hat eines Alten Bildung er erkohren,
Den Mozambique schon lang' den Weisen nannte,
Und selbst der Schach für seinen Freund erkannte.

78.

Zu diesem tritt er in bequemer Stunde,
    Der Arglist sichern Ausgang zu gewähren,
Erzählend, wie zu Folge wahrer Kunde,
    Die Fremden nur dem Raub ergeben wären;
Denn es vermöchten auf der Küste Runde
    Die Völker alle dessen zu belehren;
Mit Friedensworten nahten sie dem Strande,
Und plünderten dann grausam rings die Lande.

79.

Und wisse! sprach er, diese Christenhorden,
    So Grausamkeit und Blutdurst nur enthüllen,
Vermochten schon mit Raub und Brand und Morden,
    Des ganzen Meeres Umfang zu erfüllen;
Ein großer Trug ist längst geschmiedet worden,
    Entgegen uns zu richten Kraft und Willen,
Zu tödten uns, dir Heimath zu verheeren,
Und Weib und Kind mit Knechtschaft zu entehren. 23

80.

Auch weiß ich, daß der Feldherr sich bereitet,
    Nach Wasservorrath früh an's Land zu gehen,
Und daß ihn eine große Schaar geleitet,
    Da Furcht und Bangen um die Bosheit stehen;
Drum mußt Du, von Bewaffneten begleitet,
    In einem Hinterhalt die Zeit ersehen,
Wo sie aus ihren Schiffen sorglos wallen,
Damit sie leicht in Deine Netze fallen!

81.

Und sollte dies Erfolg und Ziel verfehlen,
    Daß alle Christen würden nicht erschlagen,
Darf eine neue List darum nicht fehlen,
    So ebenfalls Dir möchte wohlbehagen!
Woll' einen Führer nur der Flotte wählen,
    Von klugem Sinn und listigem Betragen,
Sie hin zu lenken, wo nur ihr Verderben,
Daß Alle müssen sonder Rettung sterben!

82.

Und als der Greis die Worte nun geendet,
    Der wohl erfahren war in solchen Dingen,
Will ihm der Schach, nachdem er Dank gespendet,
    Die Arme freudig um den Nacken schlingen.
Zum Kampfe hin ist nur der Sinn gewendet,
    Und Waffenvorrath läßt er schleunig bringen,
Daß rothes Blut am Strand den Portugiesen
Statt des gesuchten Wassers möge fließen.

83.

Auch sucht er einen Diener seinen Ränken,
    Um als Pilot der Schiffe Fahrt zu bahnen,
So fähig, jedes Unheil zu erdenken,
    Nachkommen möge seinen großen Planen;
Der soll in Meer' und Gegenden sie lenken,
    Wenn er als Führer dient den Lusitanen,
Daß, wenn sie hier auch sollten noch entrinnen,
Tod und Verderben dort sie müss' umspinnen. 24

84.

Und schon von NebojothsSiehe die vierte Anmerkung zum vierten Gesange. Gebirgen gleitet
    Apollons Stralenglut mit leisem Wehen,
Als Gama, von der Seinen Huth geleitet,
    Will an den Strand nach Wasservorrath gehen;
Die Mannschaft in den Böten ist bereitet,
    Als hätte sie den ganzen Trug ersehen;
Denn über Zukunft kann sich leicht belehren,
Wer auf des Herzens Ahnungen will hören.

85.

Wohl hatte schon Verdacht sich offenbaret;
    Denn als er hingesandt nach dem Piloten,
Wird feindliches Bezeigen nicht gesparet,
    Und Antwort, die er nicht verhofft, entboten.
Deswegen, und weil er sich schlecht verwahret,
    Der nichts befährt, wo schon Gefahren drohten,
Nah't er in dreien Böten nun der Küste,
Auf seiner Huth, als wenn er fechten müßte.

86.

Die Mohren aber, die am Ufer stehen,
    Des Wassers Vorrath schützend zu bewahren,
Mit Schild und krummen Bogen wohl versehen,
    Und schneller Pfeil' und Speere wohl erfahren,
Verhoffen bald der Fremden Fuß zu sehen,
    Wo Viel' im Hinterhalt gelagert waren;
Und daß die Wagniß mög' als leicht erhellen,
Muß sich ein Häuflein hin als Köder stellen.

87.

Es schweiften auf der Küste weißem Sande
    Der Insel Krieger, so sich sehen ließen,
Mit Pfriem' und Wurfspieß winkend nach dem Strande,
    Und höhnend nur die tapfern Portugiesen;
Allein nicht lang' ertrug dies Volk die Schande,
    Daß ihm die Hunde keck die Zähne wiesen.
Sie springen an das Land so rasch und leicht,
Daß Keiner vor dem Andern es erreicht.

88.

Wie Kampf und Wuth des Ritters Eifer schwellen,
    Wenn er die schöne Herrin nah' erblicket,
Und er den Stieren sucht, um ihn zu fällen,
    Und er dann springt und ruft und Lanzen zücket,
Das starke Thier läßt sein Gebrülle gellen,
    Und hält der Hörner Wehr hinabgebücket,
Und schließt die Augen, und mit Wuth und Tosen
Will es nur hauen, tödten, niederstoßen;

89.

So hat der Böte Feuer sich erhoben,
    Der Stücke laute Donner zu verbreiten;
Es tödtet der Geschosse wildes Toben,
    Die Luft erklingt betäubend in den Weiten;
Der Mohren hoher Muth ist schier zerstoben,
    Daß in den Adern kalte Schauer gleiten,
Es fliehn, entdeckt, des Hinterhaltes Schaaren,
Und Jene fallen, so am Ufer waren.

90.

Und noch ermatten nicht der Christen Hände,
    Mit Schwert und Tod den Feinden nachzufliegen,
Ein Dorf erreichen ihrer Bomben Brände
    Und, unbeschützt, muß es der Flamm' erliegen.
Den Schach beklemmt des Ritterzuges Ende,
    Da er gehofft, um schlechtern Preis zu siegen,
Verwünschend fluchen nun dem Kampf die Mohren,
Dem schwachen Greis und der, die ihn gebohren.

91.

Die Mohren fliehn, doch, ob sie auch erblassen,
    Wird auf den Feind der Köcher noch geleeret,
Und Pfahl und Steine ihre Händ' erfassen,
    Da sie des Wüthens hoher Grimm bewehret.
Schon haben sie die Insel rings verlassen
    Und ihre Flucht zum festen Land gekehret
Und fast des Meeres Enge schon durchdrungen,
Die, wie ein Arm, das Eyland hält umschlungen. 26

92.

Ein Kanot ist zur Rettung Dem verliehen;
    Ein Andrer will durch Wog' und Brandung streben
Hinabgewandt, wo krause Wellen ziehen,
    Und was er trinkt, das muß er wiedergeben,
Doch Floß und Kahn, auf welchen sie entfliehen,
    Zertrümmert des Geschützes krachend Beben.
So züchtiget die Hand der Portugiesen
Verrath und Bosheit, die der Feind bewiesen.

93.

Die Flotte heißt die Siegenden willkommen,
    Die reiche Beute stolz und freudig tragen,
Und Wasser wird nach Willkühr auch genommen,
    Da Widerstand die Feinde nicht mehr wagen.
Der Mohren Volk ist traurig und beklommen,
    Doch höher nur des Hasses Gluthen schlagen
Und, Rache für ihr Unglück zu gewinnen,
Soll nun des zweyten Truges List beginnen.

94.

Der König sendet, Frieden zu erflehen,
    Vom Lande her in Demuth und in Reue,
Ob auch die Lusitanen nicht ersehen,
    Wie neuer Krieg im Frieden sie bedräue;
Den Führer will er ihnen zugestehen,
    Damit ein Friedenszeichen sie erfreue,
Um sie durch ihn, des schlimmen Trugs Geweihten,
Zu sicherem Verderben hinzuleiten.

95.

Und da der Feldherr rastlos ist im Streben,
    Das Werk zu fördern, das er angefangen,
Und Zeit und Winde günstig niederschweben,
    Um näher zu dem Indus zu gelangen,
Wird der Pilot, der ihm am Bord gegeben,
    Mit Huld und Freundlichkeit von ihm empfangen
Und, das gewährend, was die Mohren wollen,
Läßt er die Segel nun den Wind entrollen. 27

96.

So nahmen Urlaub sich die Lusitanen,
    Die Wellen Amphitrites zu durchschneiden
Und Nereus Töchter tanzen um die Bahnen
    Der Schiffe, die sie treu und froh geleiten;
Der Feldherr, ohne nur den Trug zu ahnen,
    Den des Piloten Listen ihm bereiten,
Will Kunde nur von Indien empfahen
Und von den Küsten, denen sie sich nahen.

97.

Allein der Mohr, bekannt mit jenen Ränken,
    Die Bacchus arge List ihm dargeliehen,
Will nur in Tod und Knechtschaft sie versenken,
    Bevor nach Indien sie hingediehen;
Auch wird, da dorthin Aller Wünsche lenken,
    Von Land und Häfen Kunde reich verliehen,
Und, nichts besorgend, glaubt die Schaar der Helden
Als wahrhaft, was des Truges Worte melden.

98.

Auch sagt er, gleichen Trug, wie den, zu hegen,
    Als SynonSynon, Ulysses Gefährte, beredete die Trojaner, das hölzerne Pferd der Griechen in ihre Mauern einzulassen. einst die Phrygier bethöret:
Ein Eyland sey nicht ferne abgelegen,
    Wo Christus werde lange schon verehret.
Den Feldherrn muß zur Freude dies bewegen,
    Da er sich gern von Jeglichem belehret;
Drum will er reich des Mohren Müh' belohnen,
Leit' er zum Land, wo diese Christen wohnen.

99.

Dasselb' ist auch des falschen Mohren Streben,
    Was nur die Sichern jetzt von ihm verlangen,
Weil Völkerschaften auf der Insel leben,
    Die an den argen Lehren Mahoms hangen.
Dort soll Verderben Christi Schaar umgeben,
    Weil dort mehr Schutz und Hülfe zu erlangen,
Als Mozambique gewährt; Quiloas Strande
Sind hochberühmt durch ferne weite Lande. 28

100.

Dahin lenkt nun der Schiffe frohe Reise;
    Doch, da Cytheras Göttin muß ersehen,
Wie sie, abweichend von dem sichern Gleise,
    Zum Untergang die Segel arglos drehen;
So will sie nicht, daß auf so schnöde Weise
    Am fernen Strand die Theuern untergehen
Und Winde werden von ihr aufgeboten,
Die widrig sind der Richtung des Piloten.

101.

Und, da es nicht gelingen will dem Mohren,
    Des alten Truges Faden fort zu weben,
Wird eine neue Tücke bald erkohren,
    Denn standhaft ist er seinem Plan ergeben.
Drum spricht er; Da die Fluthen sich verschworen
    Und so gewaltsam uns entgegen streben,
Muß eine andre Insel bald sich zeigen,
Die Mohren so, als Christen ist zu eigen.

102.

Nur kann auch dies die Wahrheit nicht begründen,
    Da stets der Mohr die alten Tücken nähret,
Denn nirgend sind dort Christen zu befinden,
    Und Mahoms Lehren werden nur verehret.
Der Feldherr giebt die Segel allen Winden,
    Weil er in Allem Glauben ihm gewähret,
Doch müssen sich auf Venus schirmend Walten
Die Schiffe ausserhalb des Hafens halten.

103.

Die Insel ist so nah dem festen Lande,
    Daß wenig Wellen nur dazwischen gleiten,
Und eine Stadt gelegen an dem Strande,
    Die sichtbar ist aus fernen Meeresweiten,
In der sich, wie das Auge bald erkannte,
    Prachtvolle Baue schön und stolz verbreiten.
Und Herrschaft hält der Scepter eines Greisen,
Und Stadt und Land zugleich Mombaza heißen. 29

104.

Und, als der Admiral nun nah gediehen,
    Und Hoffnungen die Fremden mächtig nähren,
Bey Christen bald nun wieder einzuziehen,
    Wie des Piloten Lügen ihm gewähren;
Sieht man schon Kähne her vom Lande fliehen,
    Da kund dem König, wer die Fremden wären.
Denn Bacchus hatte längst ihn vorbereitet,
Noch eins in Mohren Hülle eingekleidet.

105.

Zwar ist es Freundschaft, was die Boten bringen,
    Doch will darunter Gift sich nur verstecken,
Da nur ihr Trachten steht nach argen Schlingen,
    Wie solches sich am Ende wird entdecken.
O! der Gefahr in allen großen Dingen!
    O Lebenspfad! wo tausend Zweifel schrecken!
Da, wo jetzt Aller Herzen freudig hoffen,
Ist Aller Leben nur ein Abgrund offen!

106.

Im Meere solche Stürme, solche Fahren!
    Und solcher Tod, die Menschen zu vernichten!
Auf Erden Krieg und andrer Uebel Schaaren,
    Die gegen uns die sichern Pfeile richten!
Wie soll ein schwacher Sterblicher sein wahren!
    Wohin die kurzen Lebenstage flüchten!
Wenn auch in klarer Luft sich Stürm' erheben
Wild zu bedräun des Erdenwurmes Leben! 30

 


 


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