George Byron
Don Juan
George Byron

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Zwölfter Gesang.

                               1.
Von den verwünschten Mittelaltern allen,
Steht das des Menschen weitaus oben an.
Man weiß nicht recht, worauf man soll verfallen:
Man schwankt da zwischen einem weisen Mann
Und einem wahren Narrenhaus-Vasallen.
Man ist ein Blatt mit Druckerschwärze dann,
Ein schwarzer Buchstab' auf der Narrenkapp';
Das Haar wird grau, wir selber nehmen ab.

                               2.
Zu alt um jung, zu jung um alt zu heißen,
Zu alt – mit dreißig – um zu thun wie'n Fant,
Zu jung, sich zu gesellen zu den Greisen.
Ja, die Periode ist ein harter Stand!
Man liebt, doch ist's zu spät, um anzubeißen,
Und mit der andern Liebe ist's am Rand,
Indeß das Geld, die reinste Phantasie,
Kaum durch die Nebel blinkt der Empirie.

                               3.
O Gold! Warum den Geizhals elend nennen,
Ihm blüht ein Glück, das niemals bleichen kann;
Ihn hält das Tau, das stärkste das wir kennen,
Das die Genüsse mächtig kettet an.
Saht ihr den Geizhals nur bei magern Hennen,
Schmäht ihr die Kost, die sich sein Geiz ersann,
Und staunet ihr, warum – so reich – er geizt,
So wißt ihr nicht, wie Käs zu Träumen reizt.

                               4.
Krank macht die Lieb' und mehr noch starke Weine,
Ehrgeiz und Spiel bringt Schaden und Verlust,
Doch Geldgewinne, wenn auch erst nur kleine,
Die selbst im Pech man zu erhöh'n gewußt.
Mehr sind sie als die Lieb', des Spielers Steine,
Des Weines Trost, des Staatsmanns böse Lust,
O Gold! ich zieh' dich dem Papier noch vor,
Das dem Credit erschließt ein Riesenthor.

                               5.
Wer hält die Welt in ihrem Gleichgewichte,
Beherrscht Congresse jeglicher Natur,
Empört in Spanien hemdelose WichteDie Descamisados.
(Die Blätter beben beim Gedanken nur)
Wer stürzt in Nacht und hebt zum heitern Lichte?
Wer gängelt Politik an seiner Schnur?
Ist's Bonaparte mit einer neuen That?
Nein! Rothschild ist's und Baring sein Kamrad.

                               6.
Sie und Lafitte, der wahrhaft Liberale,
Sind unsre Herrn. Nicht bloß Speculation
Liegt in des Anlehns brennendem Skandale,
Es hebt ein Volk und stürzet einen Thron,
Auch Republiken liegen im Spitale,
Columbia's Stocks ruhn all' in Händen schon,
Die wohlbekannt; selbst dein Metall, Perú,
Fließt dem Disconto eines Juden zu.

                               7.
Warum, sag' ich, den Geizhals elend heißen,
Nur weil den Mann ein mäßig Leben ziert,
Was stets man pries an Heiligen und Weisen?
Ein Eremite würd' canonisirt,
Wenn ein'ge Zeit so wenig er wollt' beißen;
Weshalb drum schmähn, wenn Reichthum sich torquirt?
Ihr sagt: »weil Niemand heischte solche Pein«
– Dann wird's Verdienst nur um so größer sein.

                               8.
Er ist der einz'ge Dichter, den wir haben,
Und reinste Leidenschaft entfacht das Gold.
Die Hoffnung schon, an ihm sich zu erlaben,
Zieht Völker hin, wo tief der Abgrund rollt.
Es blitzt aus Minen, wo es aufgegraben,
Der Demant leuchtet neben ihm so hold,
Wogegen der Smaragd dämpft seine Glut,
Damit sie wohl dem Aug' des Geiz'gen thut.

                               9.
Sein sind die Lande aller Welt! die Boote
Von Indien, Ceylon und dem fernsten Strand
Entladen vor ihm ihre duft'ge Schote
Und seine Garben füllen Stadt und Land.
Sein sind die Weine, gelbliche und rothe,
Ein König neidet seines Kellers Stand!
Doch er verschmäht den sinnlichen Genuß
Und herrschet nur als geist'ger Dominus.

                              10.
Vielleicht im Geiste wälzt er hohe Pläne,
Will eine Schule, eine Rennbahn bann,
Ein Hospital für diese oder jene,
'Nen Dom mit seinem Bild in Stein gehaun.
Vielleicht er hob' der Menschheit Joch und Thräne
Mit dem Metall, nach dem doch Alle schaun.
Vielleicht er möcht' der Allerreichste sein,
Schlief gern im Rausche seiner Rechnung ein.

                              11.
Ob aber diese oder andre Gründe
Bestimmen unsres Geizigen Passion,
Der Thor nennt Krankheit dieses Thun und Sünde.
Was thut er selbst? Trägt Liebesemotion,
Krieg, Zechgelag' ihm eine schönre Pfründe,
Als das Bemühn um eine Proportion?
Was helfen sie der Menschheit? Mög' der Sohn
Des Prassers deinen fragen, Harpagon!

                              12.
Wie schön sind Rollen, wie entzückend Kasten
Mit Barren, Säcken von gemünztem Gold
(Nicht mit den Köpfen heid'nischer Dynasten,
Das so verdünnt ist, daß es nicht mehr rollt;
Nein!) feinen Korns, wo auf den dicken Pasten,
Die noch so rein, so unbeschnitten hold,
Das stumpfe Bild modernen Sterlings scheint –
Aladdins Lampe hat baar Geld gemeint!

                              13.
»Lieb' herrscht in Lager, Hof und Hain, denn Liebe
Ist Himmel, Himmel Lieb',« singt der Poet,
Was ziemlich schwierig zu beweisen bliebe
(Was überhaupt nicht leicht beim Dichten geht);
Vielleicht im Haine herrschen ein'ge Triebe,
Weil vor dem Hain oft eine »Lust« noch steht;
Doch zweifl' ich (wie ein Landwirth am Ertrag)
Ob Hof und Lager solche Speise mag.

                              14.
Doch was die Lieb' nicht kann, kann Geld alleine!
Geld herrscht im Hain und fällt ihn nebenbei,
Das Heer wär' klein und Höfe gäb' es keine,
Wenn Geld nicht wär' – auch keine Freierei.
So nimmt das Geld selbst Amorn an die Leine
Und Luna führt die Ebb' und Flut herbei.
Wenn Himmel Lieb', so ist auch Honig Wachs.
Die Eh', nicht Liebe ist des Himmels Achs'.

                              15.
Und ist nicht Liebe ohne Eh' verboten,
Die so zu sagen auch 'ne Liebe ist?
Doch niemals singet nach den gleichen Noten
Die beiden Worte Heide oder Christ;
Lieb' kann und sollte sein der Ehe Boden,
Doch gibt's auch Ehen, wo man sie vermißt,
Und Liebe ohne Eh' ist Sünd und Schand
Und würde billig anders hier genannt.

                              16.
Doch werden nicht die Höfe, Lager, Haine
Von treuen Ehemännern recrutirt,
Die Keinen je beneiden um das Seine,
So ist dem Satz was Menschliches passirt.
Wie kam auch Scott auf solches Ungemeine,
Er, der uns stets mit Sittlichkeit servirt,
So daß mein Jeffrey ihn als Ideal
Mir vorgestellt, wovon dies die Moral?

                              17.
Nun wenn ich jetzt kein großes Glück mehr habe,
So hatt' ich's doch als jung, das ist genug;
Dies ist die Zeit, wo Glück die schönste Gabe.
Mir gab's wonach ich nur Verlangen trug.
Und liegt's nun auch wie Manches tief im Grabe,
So war's doch mein; und wenn den süßen Trug
Ich später auch bezahlt mit theurem Geld,
Möcht' ich ihn doch nicht lassen um die Welt.

                              18.
Und der Prozeß, in dem man kühnen Muthes
An die noch nicht Gebornen appellirt,
Die im Vertrauen auf die Kraft des Blutes
Man Nachwelt oder Zukunft titulirt,
Scheint mir ein Rohr, doch kein so starkes, gutes,
Daß es den stützte, der den Grund verliert.
Zum Henker! diese Nachwelt weiß von uns
So viel, wie wir von ihrem Hinz und Kunz.

                              19.
Auch ich bin ein Stück Nachwelt und wir alle,
Wie Vieler denkt uns? eines Hunderts kaum!
Und schrieb man Alles treu und ohne Galle,
Der zehnte Name wäre falsch und Schaum.
Plutarch nahm wen'ge Leben aus dem Schwalle
Und diese wen'gen schalt man Lug und Traum.
Ein Mitford klagt den alten Griechen an,
Daß er geschrieben in bewußtem Wahn.

                              20.
Ihr gutes Volk von jedem Stand und Range,
Mein lieber Leser, Kritikus, Autor,
Es ist mein Wunsch, in diesem zwölften Sange
So ernst zu sein, als stünd' ich grade vor
Malthus und Wilberforce: von sklav'schem Zwange
Befreite Letztrer unsern Bruder Mohr,
Indeß die Weißen knechtet Wellington
Und Malthus thut, wovor er warnte schon.

                              21.
Es ist mir ernst, wie stets auf dem Papiere
Und warum speculirte nicht auch ich
Und ließe leuchten, was ich raisonnire?
Die Menschheit scheint's, vertieft jetzt gänzlich sich
In Dampfschifffahrt und in Verfassungsschmiere,
Die Weisen aber schreien wetterlich:
Kein Kind gemacht, wenn man nicht gut euch löhnt
Im Augenblick, wo eure Frau entwöhnt!

                              22.
Wie edel, wie romantisch! Ich muß sagen,
Mir scheint, die Zeugungsliebe sollte doch
(Das ist ein Wort, wie mir es muß behagen,
Es gibt zwar auch ein ungleich kürzer's noch,
Doch möcht' ich es hier nicht zu nennen wagen,
Weil es wol Manchem gar zu übel roch)
Die Zeugungsliebe sollte, wie ich mein'.
Mehr Nachsicht finden unter Groß und Klein.

                              23.
Nun an's Geschäft! Mein Don Juan, woll' dich hüten,
Du bist in London, in der holden Stadt,
Wo täglich sie unendlich Unheil brüten,
Wo's heiße Jugend oft geworfen hat.
Zwar wirst du nicht so blind in's Leben wüthen,
Du kennst davon ein großes ernstes Blatt;
Neu aber ist dir immerhin dies Land,
Für das dem Fremden mangelt der Verstand.

                              24.
Ich brauchte wenig Unterschied an Kälte,
An Wärme, Sedativsalz und Merkur,
Daß ich mein Werk recht ordentlich bestellte
In jedem Staate auf Europens Flur;
Jedoch am schwersten macht auf deinem Felde,
Britannien, die Muse ihre Tour.
Jedwedes Land hat wol sein »Löwen«-Vieh,
Doch du bist Eine Erzmenagerie.

                              25.
Doch Politik hab' ich nun satt. Beginnen.
Wir Besseres. Don Juan war's noch nicht klar,
Von wem er sollte lassen sich gewinnen.
Er ging auf's Eis, doch scheut' er die Gefahr.
Wenn müd' vom Schauspiel, fing er an zu minnen
Um ein'ge Schönen, ohne Sünde zwar,
Doch die geübt in süßen Quälerei'n,
Sich üblem Ruf, noch nicht dem Laster weihn.

                              26.
Doch ihrer sind nicht viel, und diese machen
Am Ende auch wol einen Teufelsschritt,
Der zeigt, daß oft die Reinsten nicht recht wachen
Und auf der Tugend Pfad verlieren Tritt.
Dann starrt die Welt, als ob ein Eselsrachen,
Ein Bileam von Neuem spreche mit;
Und Alles zischelt (habt ihr darauf Acht)
Das liebe Weltwort: Wer hätt' das gedacht!

                              27.
Die kleine Leila mit dem Hang zum Schweigen
Und ihren Augen aus dem Orient,
Die staunend sahn Europa's bunten Reigen,
Zum Staunen derer von dem Occident,
Die, wo der Neuheit Schmetterlinge geigen,
Hinjagen, wie man nach der Nahrung rennt; –
Ihr reizend Wesen, ihre Lebensbahn,
Sie wurden bald ein modischer Roman.

                              28.
Die Frauen stritten sich, wie dies in großen
Und kleinen Dingen oft und viel geschieht. –
Glaubt nicht, ich wollt' euch schmähn, ihr holden
Ich liebt' euch stets, mehr als gesteht mein Lied,
Doch seit ich sittlich, muß ich mich erboßen,
Daß ihr so handhabt eurer Zunge Glied.
Ihr war't erregt und strittet euch gar sehr,
Wie diese Leila zu erziehen wär'.

                              29.
In Einem war't ihr einig, und mit Grunde:
Daß nämlich so ein anmuthvolles Kind,
So schön wie ihrer Heimat süße Kunde,
Wie ihres Stammes letzte Knosp' so lind,
Wenn Don Juan auch noch standhaft bis zur Stund
Und fünfe, vier, drei Jahre lang noch blind.
Doch besser bei Comtessen wohnhaft sei,
Bei denen Torheit lange schon vorbei.

                              30.
Zuerst daher ein edles Mitleidsjagen,
Dann ein Bewerben eifrigst in Person,
Zur Waisenmutter sich ihm anzutragen;
Doch da er selbst ein Mann von Welt und Ton,
So wär' es ein beleidigendes Wagen,
Zu sprechen hier von einer Subscription.
Doch sechzehn Wittwen und der Jungfern zehn,
Die All' in Hallam's Mittelalter stehn –

                              31.
Und ein Paar Frauen, die getrennt sich grämen,
An deren Zweig nicht Frucht noch Blüte schwellt,
Sie wollten Leila in Erziehung nehmen
Und später sie einführen in die Welt,
Womit man meint der Jungfrau erstes Schämen,
Wenn sie geputzt dort ihren Einzug hält.
Auch schmeckt ihr wol ihr erstes Bällejahr
Wie Jungfernhonig (hat sie nur recht baar!).

                              32.
Wie all die armen Herrn, die ehrenwerthen,
Die Schuldenlords, die Stutzerchen auf Pfand,
Die Mütter und die Schwestern der Geleerten
(Die selbst, wenn hübsch, weit mehr sind bei der Hand
Sich fest zu heften an des Goldes Fährten,
Als ihre Herrn) um dieses »Glück« galant
Wie Fliegen summen, die um Kandis flehn,
Und jener bald das Köpfchen ganz verdrehn!

                              33.
Es speculirt die Tante und die Base,
Ja manchmal kommt bei einer Frau selbst vor
Für den Geliebten solche Liebekstase,
Daß sie für ihn die Erbin auserkor,
Dies sind die Tugenden der hohen Phase
Auch auf der Insel, wo »Dover« das Thor.Wortspiel: Dover der englische Seehafen, Dover die Pflicht.
Die arme Maid, nach welcher Alles schnappt,
Wünscht oft, ihr Vater hätt' 'nen Sohn gehabt.

                              34.
Die gibt sich schnell, die weist zurück in Masse;
Schön ist's zu sehn, wie sie durch Weigerung
Mit wild Entsetzen füllt die Muhmenrasse,
Die (Ihm befreundet) also braucht die Zung':
»Ich dachte nie, daß sie den Fredy hasse,
Sie las doch seine Briefe, und mit Schwung
Walzt' sie mit ihm, ja gestern Abend noch
Sprach: Ja! ihr Blick, und heut' sagt: Nein! sie doch!«

                              35.
»Warum? Warum? Fred war in sie geschossen;
Nicht in ihr Geld, er hat ja selbst genug.
Es kommt die Zeit, wo es sie sehr verdrossen,
Daß sie verpaßte diesen seinen Zug.
Doch die Markise hat gespielt den Possen,
Ich sage Aurea diesen schnöden Trug.
Vielleicht 's ist besser so, es ging doch schief –
Las't ihre Antwort Ihr auf seinen Brief.«

                              36.
Sie weiset Krönchen ab und Epauletten,
Bis endlich auch für sie der Morgen graut,
Nach viel Verlust an Zeit und Herz und Wetten,
Auf die Gewinnung dieser reichen Braut;
Und liegt das hübsche Ding nun in den Ketten
Von einem Herrn, der ficht und Pferde haut,
So tröstet sich der Abgefahrnen Schaar,
Daß sie so thöricht bei dem Wählen war.

                              37.
Denn manchmal nimmt sie einen alten Werber,
Durch sein Bemühen endlich mürb gemacht,
Manchmal fällt sie, und dieser Fall ist herber,
Gar Einem zu, der kaum an sie gedacht;
Ein Wittwer gar, ein vierzigjähr'ger SperberDiese Zeile wird den späteren Erklärern schwerer verständlich sein als der jetzigen Generation.
(Beispiele gibt es wahrlich, daß es kracht!),
Ist sicher fast, das große Loos zu ziehn,
Doch geht's hier wie bei allen Lotterie'n.

                              38.
Ich meines Theils (noch so ein Fall, ein neuer,
Wahr ist's, 's ist traurig, traurig, daß es wahr)
Ward ausgewählt aus einer Schaar Getreuer,
Wiewol ich eher jung als würdig war,
Doch ob ich gleich mich bessert' ungeheuer,
Noch eh' ich trat an Hymens Weihaltar,
Sag' ich nicht nein! wenn sich die Welt erzählt.
Das Dämchen habe schauderhaft gewählt.

                              39.
Verzeihet, daß ich abgeschweift indessen
Und lest es nur! 's hat immer ja bei mir
Ein sittlich Ziel, wie Beten vor dem Essen.
Wie eine Tante und ein Freund beim Bier,
Ein strenger Vormund und ein Mann der Messen,
Glaubt meine Muse immer, Mensch und Thier
Zu bessern durch ihr höchst moralisch Wort,
Drum geht mein Pegasus so langsam fort.

                              40.
Jetzt aber will ich unmoralisch werden
Und zeigen, wie die Dinge wirklich sind,
Nicht wie sie sollten; so ist's ja auf Erden,
Wenn wir für das, was wirklich, bleiben blind,
So hilft der Tugendpflug nicht auf die Fährten,
Der nur den Boden schürfet wie der Wind
Und keine Furche durch das Laster treibt,
Damit sein Korn beim alten Preise bleibt.

                              41.
Zuerst nun will ich Leila unterbringen,
Sie war wie Morgenthau so jung und rein,
Ich könnte auch vom frischen Schneee singen,
Doch möchte der etwas zu frostig sein.
Don Juan war nun bemüht vor allen Dingen
Für dieses Kind – das, wenn es blieb allein,
Nicht so gedeihen konnte wie es sollt',
– Ein Herz zu suchen, das ihm treu und hold.

                              42.
Er sah auch ein, er sei kein Mann zum Pflegen,
(Ich wollt', das sähen auch noch Andre ein)
Und blieb der Sache lieber fern deswegen,
Der Mündel Einfalt bringt dem Vormund Pein.
Drum als er sah das allgemeine Regen,
Um Pflegerin des wilden Kinds zu sein,
Bat er den »Lastertilgverein« um Rath
Und Lady Pinchbeck war das Resultat.

                              43.
Alt war sie wol, doch einst sehr jung gewesen,
Jetzt tugendhaft, und früher glaub' ich auch,
Obwol die Welt voll ist von Hypothesen;
Doch meinem keuschen Ohr ist Alles Rauch,
Was nicht ein jedes Kind darf ruhig lesen.
Es krümmt vor Zorn mich wahrlich oft im Bauch,
Vernehm' ich dies Geschwätz voll Infamie,
Das wiederkäuet dieses Menschenvieh.

                              44.
Auch fand ich stets – und hatte keine Nase,
Die gar zu scharf den Dingen nachgespürt,
Und nur ein Schaf merkt's nicht in gleichem Maße –
Daß Damen, die sich lustig aufgeführt
Als jung, weit besser kennen diese Straße,
Und von des Irrthums Folgen tief berührt,
Weit ernster warnen vor der Sünde Macht,
Als jene spröden, die nichts durchgemacht.

                              45.
Indeß die Spröde für die Tugendschmerzen
Sich rächt durch Schmähen auf die Leidenschaft,
Aus Aerger mehr als zu dem Heil der Herzen
Und um zu lähmen der Rivalin Kraft,
Bewirkt weit mehr mit mildem Wort und Scherzen
Die Kennerin, einst selbst in Amor's Haft.
Sie deutet bald euch Anfang, Mitte, End'
Des Liebesräthsels, das sie trefflich kennt.

                              46.
Deshalb vielleicht, und weil sie's auch verstehen,
Warum gefordert wird der strenge Ton,
Möcht ihr am Beispiel manches Hauses sehen,
Daß Töchter, deren Mütter lange schon
Mehr auf Erfahrung als Lectüre gehen,
Sich besser eignen für die Position
Auf einem Ehemarkt als Vesta's Kind,
Als die erzogen durch Dianen sind.

                              47.
Man sprach von Lady Pinchbeck, wie ich sagte,
Von wem auch nicht, ist man nur hübsch und jung?
Jetzt aber war sie nicht mehr die Benagte,
Nein! Liebenswürdig, witzig und voll Schwung;
Ihr feines Bonmot aller Welt behagte,
Auch fand im Wohlthun sie Befriedigung,
Und galt (zumal in ihrem letzten Jahr)
Für eine Frau, die exemplarisch war.

                              48.
Vornehm bei Hohen, lieb im eignen Kreise,
Wies sie die Jugend sanft und mild zurecht,
Wenn diese je (sprich: »täglich,« aber leise)
Sich hingeneigt zu einem Ding das schlecht.
Man weiß gar nicht, was sie, die gut und weise,
Des Guten that an Herren und an Knecht.
Jetzt int'ressirte dieses Waisenkind
Sie täglich mehr, weil es so fremd und lind.

                              49.
Auch Don Juan war ein Liebling dieser Alten,
Sie glaubte, daß sein Herz im Grunde gut,
Wenn auch verderbt in ein'gen seiner Falten,
Was doch kein Wunder, nahm man nur sein Blut,
Und wie ihn traf so seltnen Schicksals Walten,
Das Manchem brachte frechen Uebermuth
Und böse Lust. Ihn aber rührt' es kaum,
Zu viel der Wechsel sah sein Jugendtraum.

                              50.
Sie packen besser in der Jugend Tagen;
Denn treten sie in reifern Jahren ein,
Ist man geneigt, den Himmel anzuklagen:
Er hätte, heißt es, können weiser sein.
Der Weg zur Wahrheit ist mit Noth beschlagen;
Wer Krieg erfuhr und Sturm und Liebespein,
Ob er nun achtzehn oder achtzig zählt,
Hat die Erfahrung, die den Menschen stählt.

                              51.
Wie weit sie hilft, ist eine andre Frage;
Don Juan war froh, als er die kleine Last
Bei einer Dame sah, die ihrer Töchter Plage
Längst ledig war, und somit ihrem Gast
Sich widmen konnte ohne Neid und Klage
Und ihm vererben jede Tugend fast,
Die sich vererbt wie des Lord Mayors Kahn,
Wie Venus' Muschel, spricht das besser an.

                              52.
Ich möchte »Transmission« dies Erben heißen,
Weil so Vollkommenheit von Miß zu Miß
Sich weiter schlingt in holden Zauberkreisen,
Wenn Herz und Rücken ihr kein Hinderniß.
Die walzen, Jene zeichnen, Ein'ge reisen
In's metaphys'sche Land, die Andern bis
In's Innre der Musik. Die Kühlsten sind
Doch geistreich nur, hysterisch auch manch Kind.

                              53.
Doch ob nun Geist, ob Hysterie, Guitarren,
Ob Kunst, ob Weltweisheit, ob ein Corset
Die Herren oder Lorde hält zum Narren,
Die wirklich stammen von Plantagenet;
Im neuen Jahre gibt's die alten Sparren
Und neue Huldas fragen gleich kokett
Der Männer Auge, ob sie elegant –
Zwar ledig noch, doch lieber eingespannt.

                              54.
Jetzt will ich endlich mein Gedicht beginnen.
Es ist zwar seltsam aber nicht ganz neu,
Daß ich, was mir in Herzen steckt und Sinnen
Noch immer nicht begann in heil'ger Scheu;
Die ersten zwölf Gesänge, die verrinnen,
Sind Vorspiel mir, wobei ich das Gebäu,
Die Saiten meiner Leier prüfend rühr';
Wenn Alles stimmt, beginnt die Ouvertür'.

                              55.
Es scheert sich meine Muse keine Prise
Um den Erfolg, den Nichterfolg des Werks;
Tief unter ihr sind Quälerei'n wie diese,
Sie gibt nur einen hochmoral'schen Merks;
Erst glaubt' ich, wenn ich's bei zwei Dutzend ließe
Von jenen Früchten meines Dichterbergs,
Ich reichte; doch Apollo heischte mehr:
Jetzt müssen hundert Vollgesänge her.

                              56.
Den Mikrokosmus dürft' nun Don Juan sehen,
Den man die große Welt (die klein ist!) nennt;
Doch wie die Schwerter, daß sie besser gehen,
Wenn gegen Einen Einer damit rennt,
Mit Griffen für die Fäuste sind versehen,
So ist die kleine Welt, so weit man Schwerter kennt,
Der großen unterthan, die auch ihr Griff,
Ihr Mond und Sonn', ihr Gas und Docht, ihr Schliff.

                              57.
Er hatte viele Freunde, diese – Frauen,
Bei beiden war er immer wohl daran,
Er konnte ihre Freundschaft gut verdauen,
Nicht wohl, nicht wehe that sie seiner Bahn:
Sie drehte sich um Tanzen und um Kauen
In dem bekannten höhern Kanaan,
Und solch ein Leben übersättigt kaum
Mit seiner Lust, in ersten Winters Raum.

                              58.
Ein led'ger Mann mit Geld und gutem Namen
Spielt eine Rolle, die oft ungeschickt,
Denn die Gesellschaft spielt in engem Rahmen
Das Gänsespiel, wo Mancher wird gezwickt,
Wo Männer zielen oder holde Damen,
Wo Jeder seine Netze stellt und strickt,
Die Ledige wünscht bald zu Zwei zu sein,
Die Frau erspart ihr gerne Müh' und Pein.

                              59.
Ich meine das zwar nicht im Allgemeinen,
Doch einzeln mag sich's zeigen da und dort,
Wenn Manche gleich sehr steif und starr erscheinen,
Wie Pappeln wurzeln am erwählten Ort,
So locken Andre wie Sirenen Einen,
Und ziehen ihn mit sanften Tönen fort;
Sprichst sechs Mal du das gleiche Fräulein an,
So frage gleich nach ihres Brautkleids Plan.

                              60.
Vielleicht erhältst du dann ein Mutterschreiben,
Daß du der Tochter zartes Herz bestrickt,
Vielleicht ihr Bruder will dich einverleiben,
Indem er »forsch« dir in die Augen blickt
Und fragt: Wie weit du wollst die Sache treiben?
Kurzum es scheint, daß du die Ros' geknickt.
Aus Mitleid halb mit dir und halb mit ihr
Ergreifst du dann der Ehe zahm Panier.

                              61.
Ein Dutzend Ehen kenn' ich, die geschlossen
Auf diese Art, und zwar von hohem Klang;
Doch junge Herrn auch, die es sehr verdrossen,
Wenn man mit falschem Vorwurf in sie drang,
Um die umsonst die schönsten Thränen flossen
Und die kein Schnurbart eines Bruders zwang,
Die ledig sind, wie die, die sie gequält,
Und glücklicher, als wenn sie sich vermählt.

                              62.
Noch hat der Neuling Eines wohl zu achten,
Es ist nicht Liebe, Eh' und doch Gefahr,
Die Kenner diese Falle nicht verachten,
Sie trägt der Tugend Maske immerdar,
Ich tadle nicht dies Dichten und dies Trachten,
Ja ihrem Aeußern gibt es Anmuth gar:
Es ist die Weiberart, die Manchem droht,
Couleur de rose, was weder weiß noch roth.

                              63.
'S ist die Kokette, die nicht Nein! kann sagen
Und Ja nicht sagt, und euch gefesselt hält
Am offnen Strande, bis die Wogen schlagen
Und euer Herz am innern Hohn zerschellt,
Die immer zeugt erneutes Weh' und Klagen
Und neue Werther stürzt zur Unterwelt,
Und doch ist's nur unschuld'ge Tändelei,
Nicht Ehebruch, nur Herzenbrecherei.

                              64.
Ich werd' ein Schwätzer, Götter! – Laßt uns schwatzen!
Was uns am nächsten, ernstesten bedroht,
Ist, wenn verachtend Staats- und Kirchenfratzen,
Ein armes Weib in wahrer Liebe loht.
Im Ausland sengt man selten sich die Tatzen
(Das spürt, wer reist in Lebens Morgenroth),
Doch wenn in England eine Dame fiel,
Ist Eva's Fall dagegen Kinderspiel.

                              65.
Es ist ein Land der Blätter und Prozesse,
Wo sich kein junges Paar befreunden kann,
Daß nicht die Welt es nimmt in ihre Presse;
Bald naht die Wirkung solchen Fehltritts dann,
Ein Rechtsspruch – der entsetzlichste der Späße!
Beendet traurig, was so schön begann;
Dazu der Advocaten süß Geschmier
Und die Beweise, die man liest mit Gier!

                              66.
Doch nur Rekruten also kläglich fehlen.
Von Heuchelei ein leichter Ueberzug
Hat schon gedeckt den Ruf von tausend Seelen,
Die Lieblichsten, die ein Parket je trug,
Bei Bällen und Diners kann man sie zählen
Zur feinsten Klasse, zu dem höchsten Flug,
So reizend, lieb, so keusch und ach! so gut,
Blos weil sie ebenso viel Tact als Glut.

                              67.
Don Juan, der nicht mehr in der Neulingsklasse,
Besaß noch eine starke Schutzwehr mehr,
Denn er war krank, nicht in dem Sinn der Masse,
Doch wahre Liebe kannte er zu sehr,
Um zu erliegen jedem Herzensspaße.
Ich höhne hier die Küste nicht, auf Ehr',
Wo Fels und Nacken weiß, blau Aug' und Strumpf,
Wo Steuer, Zehnten, Flügelthüren Trumpf.

                              68.
Er kam aus der Romantik alten Landen,
Wo man um Liebe stirbt, nicht prozessirt
Und Liebe stets lag in der Tollheit Banden,
Nach einem Reich, wo sie als Mode ziert.
Das dünkt' ihm krämerhaft und abgestanden,
So sehr er sonst Alt-England venerirt,
Und überdies (welch ein Geschmack – o Graun!)
Erschienen anfangs ihm nicht hübsch die Frau'n.

                              69.
Ich sage: anfangs, denn er fand am Ende,
Daß sie weit schöner als die schönsten sei'n,
Die unter einem heißern Firmamente
Sich süßer Liebe holdem Werke weihn;
Beweis genug, daß erster Eindruck blende,
Denn sein Geschmack war doch gewißlich fein.
Die Wahrheit ist, das weiß ja alle Welt,
Daß Neues mehr verwundert als gefällt.

                              70.
Obschon gereist, war mir doch nie beschieden,
Den flücht'gen Negern, Niger oder Nil
Zu folgen bis Timbuctu's Nachtgebieten,
Die Karten bieten weder Griff noch Stil,
Um seine Touren daran festzuschmieden,
Wir kümmern uns um Afrika nicht viel.
Doch wenn ich jemals in Timbuctu war,
Wüßt' ich, daß schwarz sehr schön sei – das ist klar.

                              71.
So ist's! Daß schwarz sei weiß, will ich nicht schwören,
Daß weiß sei schwarz, das aber glaube ich,
Man läßt so leicht sich durch das Aug' bethören,
Ein Blinder urtheilt besser sicherlich.
Ihr wollt vielleicht von diesem Satz nichts hören,
Doch hab' ich Recht, und trotze Hieb und Stich.
Der Blinde hat nicht Morgen und nicht Nacht.
Doch was siehst du? Ein Licht von trüber Pracht.

                              72.
In Metaphysik bin ich da gesprungen,
Dies Labyrinth, deß Faden so berückt,
Wie eure Mittel gegen kranke Lungen,
Goldkäfer, die ein sterbend Licht beglückt,
So bin ich fort bis zur Physik gedrungen,
Zur Schönheit, die die fremden Frauen schmückt,
Verglichen unsern Perlen, rein und weiß,
August am Pol, ganz Sonn' und etwas Eis.

                              73.
Ihr mögt sie keusche Meerjungfrauen nennen,
Von schönem Antlitz, doch mit Fisches Schwanz,
Obwol auch Manche von Begierden brennen,
Und hin sich geben ihren Wünschen ganz.
Wie Russen, die vom Bad zum Schnee hin rennen,Es ist bekannt, daß die Russen von ihrem heißen Bade weg sich in die Newa stürzen, eine angenehme praktische Antithese, die ihnen, wie es scheint, nichts schadet.
Sind sie gar brav auch in des Lasters Glanz,
Sie wärmen sich im Sündenpfuhl, sodann
Geht's gleich in des Gewissens kalte Wann'.

                              74.
Doch dies thut nichts zu ihrer Außenseite.
Ich sagte, Don Juan hielt beim ersten Blick
Sie nicht für hübsch. Die Brittin birgt aus Neide,
Die Reize erst, auch wol aus Politik,
Damit sie ruhig in das Herz dir gleite,
Dann stürmt sie mächtig an der Glocke Strick;
Und einmal dort (probirt's, wenn ihr's nicht glaubt)
Hält sie auch fest, was sie euch still geraubt.

                              75.
Sie kann nicht gehn wie eine Beduine,
Wie aus der Messe eine Spanierin,
Ihr fehlt der Frankin anmuthsvolle Miene,
Der Feuerblick der stolzen Römerin.
Sie redet süß wie das Product der Biene,
Doch hat zum Trillern sie nicht Stimm' noch Sinn.
(Ich mag das nicht, obschon ich sieben Jahr
Im welschen Land und gut bei Ohren war.)

                              76.
Nicht diese braucht sie und nicht andre Dinge
In jener raschen, kurzen Sturmmanier,
Die uns so schnell bringt in des Teufels Schlinge,
Noch wirft ihr Lächeln euch zu Boden schier,
Noch spricht sie schon beim ersten Nahn vom Ringe
(Was Zeit und Mühe sparet ihr und dir),
Doch wenn der Boden Schweiß euch kosten mag,
So bringt er auch den doppelten Ertrag.

                              77.
Und sollte eine Leidenschaft sie fassen,
So wird das ein verteufelt ernstes Ding,
Neunmal ist's Mode, Grille und zum Spaßen,
Koketterie, ein Nichts, ein Pfifferling,
Des Kindes Stolz, ein Kleidchen sehn zu lassen,
Zu ärgern einen andern Schmetterling,
Das zehnte Mal ist's aber ein Orkan,
Man weiß dann nicht, was Alles sie fängt an.

                              78.
Der Grund ist klar: kommt ein éclat zum Platzen,
Ist ihr die Kaste wie in Indien hin;
Und füllen des Gesetzes zarte Tatzen
Noch mit Details das Blatt der Sünderin,
Dann bannt Gesellschaft sie mit Heuchlerfratzen,
Wie Marius aus ihrem Kreis und Sinn
Und läßt sie auf den Trümmern ihrer Schmach,
Sie weint vergebens ihrem Rufe nach.

                              79.
Vielleicht so soll es sein in diesem Leben
Und dies bestärkt den Spruch: »Wenn du hinfort
Nicht fehlst, sind deine Sünden dir vergeben.«
Doch mag der Heil'ge einstehn für sein Wort.
Im Ausland gehen Manche auch daneben,
Doch findet die Gefallne offen dort
Die Thüre stets zur Tugend-Wiederkehr;
Die gute Tugend freut sich um so mehr.

                              80.
Was mich betrifft, ich will nicht daran rühren.
Ich weiß ja, daß gezwungne Tugend nur
Darauf bedacht ist, klug es durchzuführen,
Damit nicht laut wird eines Fehlers Spur,
Auch bindet man die Keuschheit nie mit Schwüren,
Noch mit Gesetz und strengster Prozedur.
Man mehrt den Fehler nur, dem man nicht wehrt,
Treibt zur Verzweiflung, wo man sonst bekehrt.

                              81.
Doch Don Juan war kein Seelenhirt und hatte
Auch über die Moral nicht nachgedacht;
Von hundert Schönen, die man auf der Platte
Ihm bot, war keine, die ihm warm gemacht.
Auf seinem Herzen lag ein gut Stück Watte,
Das ihm sein bunter Lebensgang gebracht.
Er war nicht eitel durch sein früher Glück,
Doch in Empfänglichkeit kam er zurück. –

                              82.
Er hatte sich auch Bauten angesehen,
Das Parlament und was er sonst entdeckt,
Saß Abends dort, wo Reden viel geschehen,
Die donnerähnlich eine Welt geweckt,
(Nicht wecken mehr!) dem Nordlicht nachzuspähen,
Das bis zum Bisamthiere sich erstreckt.In Parry's Reise auf Entdeckung einer nordwestlichen Durchfahrt kommt eine Beschreibung und Abbildung dieses Bewohners der Polargegenden und Heimatlandes der Aurora Borealis vor.
Er stand auch hinterm Throne da und dort,
Doch Grey war noch nicht da und Chatham fort.

                              83.
Ihm ward sodann an jeder Sitzung Ende
Die hehre Schau: – wenn frei ist die Nation –
Der König an der Hand der Parlamente
Auf seinem stolzen, volkgewordnen Thron.
Erst wenn die Freiheit dringt durch alle Stände,
Verstehn Despoten diese Staatsaction.
Es ist der Glanz nicht, was so groß sie macht,
Des Volkes Glauben gibt ihr jene Pracht.

                              84.
Hier sah er auch (wie sehr dies Bild auch bleichte!)
Den ersten Prinzen damals – weit und breit,
Er blendete schon wie er sich verneigte,
War so versprechend wie die Frühlingszeit,
Und wenn die Stirne einen König zeigte,
So war der Gang den Grazien geweiht.
Nichts hatte er vom Gecken oder Tropf,
Ein Gentleman war er vom Fuß zum Kopf.

                              85.
Don Juan war, wie wir wissen, aufgenommen
Im besten Kreise jener feinen Welt,
Und dort geschah, was oft schon vorgekommen,
So sehr sie auch auf gute Sitten hält,
Die hohe Stufe, die er drin erklommen,
Sein Aeußeres, sein Geist, sein Ruf als Held,
Sie setzten oft ihn der Versuchung aus,
Obwol er scheute jed' bedenklich Haus.

                              86.
Doch darf ich hier nicht übereilt berichten
Das Was und Wo, mit Wem und Wann und Wie?
Und da ich mich der Sitte will verpflichten,
(Was man auch sagt) so frag' ich, fördr' ich sie,
Wenn alle Leser Thränen mir entrichten,
Wenn ich mißbrauche ihre Sympathie
Und stell' ein Schmerzensmonument hier hin,
Wie Philipp's Sohn mit Athos hatt' im Sinn?Ein Bildhauer machte den Vorschlag, den Berg Athos zu einer Bildsäule Alexanders auszuhauen, mit einer Stadt in der Hand und einem Fluß in der Tasche, nebst anderem ähnlichen Schmuck. Aber Alexander ist dahin und Athos wird, wie ich überzeugt bin, bald auf ein freies Volk hernieder schauen.

                              87.
Hier schließt der zwölfte der Präludgesänge,
Wenn jetzt das Buch in seinem Kern beginnt,
Da sollt ihr sehn, wie Unrecht hat die Menge,
Die längst schon drüber ihre Glossen spinnt.
Es reift der Plan, bald tönen weitre Klänge,
Ich zwinge Niemand, daß er folge blind.
Der ächte Geist hofirt um Beifall nicht,
Und trägt mit Kraft des Gegentheils Gewicht.

                              88.
Und wenn nicht immer meine Donner krachten,
So denke, Leser, dran: du hattest schon
Den schwersten Sturm, die schrecklichste der Schlachten,
Die je man schuf aus Wasser und Kanon',
Und manches Schöne, was nicht zu verachten,
Ein Wucherer trüg' ja nicht mehr davon.
Mein Hauptgesang doch (nach Astronomie)
Betrifft die Nationalökonomie.

                              89.
Dies ist der Text, um populär zu werden,
Und da des Staates Zaun fast ohne Pfahl,
Ist's patriotisch, zeigt man den Gefährten
Den besten Weg zu des Bankrottes Qual.
Mein Plan gefällt gewiß selbst den Gelehrten,
Doch halt' ich ihn zurück noch dieses Mal.
Inzwischen lest, wie man die Staatsschuld lenkt
Und sagt, was ihr von unsern Denkern denkt.

 


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