George Byron
Don Juan
George Byron

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Zehnter Gesang.

                               1.
Als Newton einst sah einen Apfel fallen,
Entnahm er aus der Störung, wie man sagt,
(Ich steh' nicht ein für jedes Weisen Lallen
Für Alles was er glaubt, berechnet, wagt)
Daß rund sich müsse unsre Erde ballen,
Denn aus der Schwerkraft hat dies ihm getagt.
Dies ist der Einz'ge, der, seit Adam glitt,
Mit einem Apfel oder Falle stritt.

                               2.
Wie Aepfel fällt der Mensch, doch wieder heben
Kann er sich auch, und die geniale Art,
Wie Newton es verstand emporzustreben,
Durch's Sternenmeer zu treiben seine Fahrt,
Mag uns Revanche für manchen Jammer geben;
Jetzt war Mechanik ja geoffenbart;
Und bald vielleicht entführt uns bis zum Mond
Die Dampfmaschine, die jetzt allwärts thront.

                               3.
Weshalb dies Vorspiel? Nun, als ich gerade
Dies schlechte Blatt Papier nahm in die Hand,
Empfand mein Herz ein Glühn in hohem Grade,
Mein Geist fuhr aufwärts an der steilen Wand;
Und schlag' ich neben Denen auch Chamade,
Die mittelst Fernrohr und des Dampfes Brand
Gestirne fanden und den Wind verlacht,
Möcht' ich doch nützen durch der Dichtkunst Macht.

                               4.
Dem Winde trieb und treibe ich entgegen,
Doch für die Sterne ist zu trüb mein Rohr,
Nie war mir am gemeinen Strand gelegen,
Ich ließ das Land im fernen Nebelflor
Und schweifte auf des ew'gen Meeres Wogen;
Der Brandung Heulen schreckte nie mein Ohr,
Mein Boot ist leicht, doch stark und schwimmt geschwind.
Wo große Schiffe oft gescheitert sind.

                               5.
Wir ließen unsern Helden in der Blüte
Der Günstlingschaft, die doch nicht schämig roth;
In meinen Musen lebt zu viel Gemüthe
– Denn mehr als eine steht mir zu Gebot –
Als daß sie folgten in das Reich der Mythe;
Genug das Glück fand, daß er Alles bot:
Kraft, Jugend, Schönheit und was ziert den Mann,
Das dem Genuß die Schwinge stutzen kann.

                               6.
Doch bald wächst neu sie und er flieht von hinnen!
»O hätt' ich Flügel,« jammert der Psalmist,
»Um fortzufliehn und Ruhe zu gewinnen!«
Wem aber Jugend, Lieb' vor Augen ist
Und sei er grau und außen welk und innen,
So daß sich nie mehr Phantasie vergißt,
Er seufzt und girrt doch lieber wie sein Sohn,
Als daß er hustet wie sein Ahne schon.

                               7.
Doch Seufzer sterben, und auch Wittwenthränen
Vertrocknen wie im Mai der Arno thut;
Das Winterufer schüttelt wild die Mähnen
Und wirft dagegen seine Ueberflut.
So wechselt Alles schnell, und die so wähnen,
Des Grames Feld hab' lang nicht ausgeruht,
Sie irren sich, es wechselt nur der Knecht,
Der neu es pflügt, daß neues Korn ihr brecht.

                               8.
Doch Husten kommt wenn Seufzen geht, bisweilen
Auch vorher schon. Eins oft das Andre bringt,
Eh' Runzeln in die glatte Stirn' sich keilen,
Und bis zu Zehn des Lebens Zeiger springt.
Wenn flücht'ge Röthen durch die Wangen eilen,
Ein Sommertag, der mit dem Abend ringt,
Zu klar die Haut wird, schon nach Erde roch,
Da leben, lieben, hoffen Tausend noch.

                               9.
Doch nicht so frühe sollte Don Juan sterben.
Wir ließen ihn in eines Ruhmes Glanz,
Wie Weibergunst uns einzig kann erwerben
Und der gar bald verschwunden wieder ganz.
Wer aber wünscht dem Junius Verderben,
Weil später kommt Dezembers rauher Tanz?
Weit eher sollt' man hätscheln seinen Strahl,
Um Glut zu sammeln für des Winters Qual.

                              10.
Auch hatte er noch einige Talente
Für ältre mehr als junge Frau'n gemacht,
Denn die verstehn's; doch so 'ne junge Ente
Nimmt von der Liebe wenig mehr in Acht,
Als was man liest in eines Dichters Spende
Und was man träumt in einer Sommernacht.
Der Frauen Alter zählt nach Sonnen man,
Nach Monden wäre weiser wol gethan.

                              11.
Weshalb? Weil keusch und wechselvoll sie beide,
Ich kenne wahrlich keinen andern Grund,
– Schiebt's mir auch zu der Argwohn mir zu Leide,
Was nicht sehr schön von jenem saubern Bund,
Den ich um »Geist und Herz« nicht sehr beneide,
So salbungsvoll es klingt in Jeffrey's Mund.
Doch ich verzeih' ihm und er wird auch sich
Gewiß verzeihn; wo nicht, so muß wol ich.

                              12.
Wenn alte Feinde Freunde uns geworden,
So sollten sie's auch bleiben, will die Ehr'.
Nichts kann die Rückkehr zu des Hasses Pforten
Entschuldigen. Ich floh den Haß so sehr,
Wie Knoblauch nur, streckt' er auch aller Orten
Mir tausend Arm' und Beine in die Quer.
Der größte Feind ist stets ein alter Schatz,
Bekehrter Feind sollt' sein der Gegensatz.

                              13.
Wär's anders, wär's gemein! Selbst Renegaten,
Selbst Southey, dieser dicke Lügenschwanz,
Würd' nie zu den Reformern mehr gerathen,Reformer oder besser Reformirte. Der Baron Bradwardine in Waverley ist der Urheber des Worts.
Die er verließ um seinen Lorbeerkranz;
Kein Biedermann von Island bis nach Aden
Würd' drehen sich in einem Wirbeltanz
Bei jedem Wind; noch Einem anthun Pein,
Grad wenn er aufhört in der Gunst zu sein.

                              14.
Der Advocat und Kritiker betrachten
Des Buchs und Lebens schlechte Seite nur.
Sie sehen Alles, wenn sie's auch nicht achten
Bei ihrem Gang durch diese Doppelflur,
Wenn andre Leute niemals daran dachten.
Der Advocat macht ganz die gleiche Kur
Als wie der Arzt, er schneidet innerlich,
Und damit oft des Lebens reichsten Strich.

                              15.
Ein Schornsteinfeger ist der Rechtsverdreher
Und deshalb auch von Schmutz so überschwemmt;
Der ew'ge Ruß bringt ihn der Schwärze näher,
Als er verwischet durch ein frisches Hemd;
Die schwarzen Flecken kleben an ihm zäher,
Von zwanzig Mal bleibt neunzehn er verschlämmt. –
DuJeffrey. bist nicht so, ich weiß, du trägst dein Kleid
Stolz wie ein Cäsar durch die Christenheit.

                              16.
Und unsre Fehde, wenigstens die meine,
Lieb Jeffrey, einst mein größter Widerpart,
Sofern Kritik und Dichtkunst im Vereine
Uns ganz vergällen unsre Gegenwart –
Ist nun vorbei. Ein Hoch dem Auld Lang Syne!
Ich kenn' dich nicht, und nie vielleicht, 's ist hart,
Soll ich dich schaun, doch hast im Ganzen du
Dich gut benommen, gern gesteh' ich's zu.

                              17.
Und wenn ich Auld Lang Syne hier wollt' erwähnen,
So meint' ich dich nicht, mich beklag' ich nur,
Denn lieber wollt' ich trinkend mit dir gähnen,
Als deiner Stadt entziehen eine Spur –
(Scott nahm' ich doch!) Drum nimm's als Knabenthränen,
Ich sterbe nicht nach Rang und Positur;
Halb von Geburt und durch Erziehung ganz
Ein Schotte selbst, geräth mein Blut im Tanz.

                              18.
Wenn Auld Lang Syne mir Schottland bringt zurücke,
Die Plaids und Bänder, Berge, Thal und See'n,
Den Dee, den Don mit der Balgounie-Brücke,Ich erinnere mich der Don-Brücke bei der alten Stadt Aberdeen mit ihrem einen Bogen und seinem schwarzen tiefen Salmwasser darunter, als ob es gestern wäre. Ich erinnere mich auch des schauerlichen Sprichworts, in Folge dessen ich sie zu überschreiten zögerte und mich mit einem kindischen Vergnügen darüber lehnte, da ich ein einziger Sohn war, wenigstens von mütterlicher Seite. So viel ich mich erinnere – ich habe es freilich seit meinem 9. Jahre nicht mehr gehört – hieß das Lied:

    Brücke von Balgounie, schwarz ist kein Wasser,
    Mit eines Weibes einz'gem Sohn und einer Mutter einzigem Kind,
    Wirst du zusammenstürzen.

Der Knabenträume selige Idee'n,
Wie Banco's Söhne blasse Geisterspüke.
Dann scheint sie mir von Neuem aufzugehn,
Die Kindheit selbst in diesen Kinderei'n –
Thut nichts! es ist ein Blick aus Auld Lang Syne!

                              19.
Und wenn ich einst in jugendlichen Sphären
In einem Anfall von Malice und Rum
Die Schotten höhnte, meinem Witz zu Ehren,
Der allerdings von bösem, derbem Schleim,
So war vergebens dieses Köcherleeren,
Es tilgte doch nicht jenen Blüten-Keim.
Ich »schottelt'« Schottland nur im Uebermuth
Und liebe doch des Landes Berg' und Flut.

                              20.
Don Juan, der Real' oder Ideale –
Denn Beides gleicht sich. Was man denkt besteht,
Und seichte Denker sind nicht so reale
Wie ihr Gedank'; wird auch der Geist geschmäht,
Er wirft den Körper dennoch hundert Male;
Und doch wenn er am Rande dessen steht,
Was Ewigkeit man heißt, ist er bestürzt
Und sieht sein Wissen plötzlich abgekürzt. –

                              21.
Don Juan ward bald ein ganz gewichster Russe.
Wie? bleibt verhüllt; warum? versteht sich ja.
Nur selten widersteht ein Jüngling dem Genusse,
Der ihm so höchst verführerisch tritt nah.
Bei ihm zumal kam's wie in mächt'gem Gusse
Und so bequem, wie's Kön'gen nur geschah:
Tanz, schöne Damen, Schmaus und baares Geld
Schuf Winternacht zu einer Feenwelt.

                              22.
Die Gunst der Zarin überstrahlt' das Ganze;
Und hielt ihn oft auch schwere Pflicht umstrickt,
So stand er doch in solchem Saft und Glanze,
Daß keine Probe seinen Stempel knickt'.
Er wuchs heran wie eine junge Pflanze,
Für Liebe, Krieg und Ehrgeiz gleich geschickt,
Die ihren Dienern würzen Tag und Nacht,
Bis uns das Alter Thaler lieber macht.

                              23.
Um diese Zeit, man konnte sich's wol denken,
Ward Don Juan auch durch Jugendmuth verführt
Und schlechtes Beispiel, zu der Wollust Tränken,
Ein schlimmes Ding, das uns die Seele schnürt,
Und weil verwebt mit manchen bösen Ränken
Und allen Schwächen, die die Menschheit spürt,
Zum Egoisten uns herunter bringt,
Mit Austernschalen unser Herz umringt.

                              24.
Wir übergehn's und wollen übergehen,
Wie die Intrigue schaffte offenbar
Zu trennen, was so ungleich anzusehen,
Wie dieser Lieutenant und die Zarin war,
Die zwar nicht alt, doch nimmer konnt' erstehen
Im Königsglanze ihrer siebzehn Jahr'.
Der König zwingt die Menschen, nicht die Gicht,
Und Runzeln, die Canaillen, schmeicheln nicht.

                              25.
Der Tod, der Fürst der Fürsten, und daneben
Der große Gracchus aller Sterblichkeit,Als Tiberius Gracchus Volkstribun war, verlangte er im Namen des Volks die Ausführung des Ackergesetzes, wonach alle Bürger, welche mehr als eine gewisse Anzahl Grundstücke besaßen, den Ueberschuß zu Gunsten der Armen abgeben mußten.
Deß' Ackerrecht macht Alles gleich und eben,
Der dessen Gut, der schmaust und trinkt und schreit,
Zum kleinen Hügel macht, wo Gräser schweben
Und erst aus Fäulniß eine Frucht gedeiht,
Wie bei dem Lumpen, dem nicht Handbreit Land, –
Der Tod ist als Reformer allbekannt.

                              26.
Er lebte – Don Juan, nicht der Tod – so weiter
In Hast, Verschwendung, Taumel, Glanz
Im lust'gen Klima schmutz'ger Lanzenreiter,
Wo mitten oft im schönsten Hexentanz
– Doch Schweigen wäre hier vielleicht gescheiter –
Durch Gold und Purpur schaut der Bärenschwanz,
Was freilich mehr zu Babels Dirne paßt,
Als zu der Zarin in dem Eispalast.

                              27.
Und diesen Zustand will ich nicht beschreiben,
Ich könnt's vom Hören, aus Erinnerung;
Doch bin ich nah' an Dante's finstern Eiben,Mi retrovai per una solva oscura – Inferno Canto I.
Dem Schreckenspunkt, wo alt sich trennt und jung
Der Haltstation, wo Manche sitzen bleiben,
Von wo der Pilger scheu und ohne Schwung
Des Lebens Rosse nach der Grenze lenkt,
Und seiner Jugend weinend nur gedenkt.

                              28.
Drum will ich nicht beschreiben – kann ich's lassen,
Und will nicht denken – wenn ich's meiden kann;
Doch mit Gedanken läßt sich nicht gut spaßen,
Sie hängen uns wie zähe Kletten an,
Wie Löwenjungen, die die Zitze fassen,
Wie wenn ein Mund den ersten Kuß gewann;
Doch wie gesagt, ich reflectire nicht,
Gelesen nur soll werden mein Gedicht.

                              29.
Don Juan poussirte nicht, er ward poussiret.
Ein seltner Fall! doch er verdankte viel
Der Jugend, die den Glücklichen noch zieret,
Der Tapferkeit, die Jedermann gefiel,
Dem edeln Blut, dem Anzug wohl studiret,
Der seine Schönheit hob in seinem Spiel,
Wie Purpurwollen in der Sonnenau –
Am meisten aber einer alten Frau!

                              30.
Er schrieb nach Spanien und die Anverwandten,,
Als sie ihn sahn so glück- und hoffnungsreich,
Im Stande schon, für Vettern und für Tanten
Etwas zu leisten, gaben Antwort gleich;
Ja Ein'ge wandten sich an den Gesandten,
Um auszuwandern in das Russenreich.
Sie meinten, zwischen Moskau und Madrid
Sei, mit 'nem Pelz, beinah' kein Unterschied.

                              31.
Als Donna Inez, seine Mutter, merkte,
Daß statt auf seinen Bankier oft zu ziehn,
Wo sich sein Kapital just nicht verstärkte,
Er festen Ankergrund zu haben schien,
Schrieb sie, wie sie mit Freuden längst bemerkte,
Daß Lebenslüste nicht mehr reizten ihn;
Denn nichts beweist ja mehr Solidität,
Als wenn ein Mann zu sparen gut versteht.

                              32.
Sie unterließ nicht, Gott ihn zu empfehlen
Und Gottes Mutter, Gottes heil'gem Sohn,
Sie warnte ihn vor griechischen Chorälen,
Dem Katholiken Ketzerei und Hohn;
Doch solle er nicht äußerlich drauf schmählen.
Sie meldete ihm einen Bruder schon
Aus zweiter Eh' – dies führt' sie hin
Zur mütterlichen Lieb' der Kaiserin.

                              33.
Sie konnte nicht genug die Fürstin preisen,
Die einem Jüngling schenkte ihre Gnad',
An der Verleumdung gar nichts fand zum Beißen,
Die sonst so gerne einem Throne naht.
Hier müßte sie der Vorsicht sich befleißen,
Doch wo auf zehn, auf fünf, ja keinen Grad
Der Thermometer sinkt, gewiß da thaut
Die Tugend erst, wenn man die Störche schaut.

                              34.
O hätt' ich, Heuchelei, dich lob zu singen
Nur vierzig Pfarrerskraft!Ein Gleichniß, das der 40 Pferdekraft einer Dampfmaschine entnommen ist. Der tolle Spaßvogel, der hochwürdige Sydney Smith, bemerkte, als er neben einem geistlichen Collegen bei Tische saß, nachher, sein langweiliger Nachbar habe eine Zwölfpfarrerskraft in der Unterhaltung. Wüßt' ich ein Lied,
Hehr wie die Tugend, die du läßt erklingen,
Die Tugend, die doch niemals dein Gebiet!
Wollt' mir ein Cherub die Posaune bringen!
Hätt' ich, was nie von meiner Tante schied,
Das Hörrohr, das sie einzig trösten konnt',
Als Frommes lesen ihr nicht mehr vergonnt.

                              35.
Sie war nicht Heuchlerin, die arme Muhme,
Und ging zum Himmel in so gradem Pfad,
Wie irgend eine auserwählte Blume
Aus jener List', nach der einst Gottesrath
Die Leh'n vertheilt in seinem Heiligthume;
Wie's Wilhelm der Eroberer einst that,
Als andrer Leute Güter er – entlehnt
Und sechzigtausend Ritter mit belehnt.

                              36.
Ich kann mich nicht beklagen: meinen Ahnen
Erneis und Radulphus ward als Lohn,
Weil sie gefolgt des großen Wilhelms Fahnen,
Von Gütern eine stattliche Portion.
Zwar war's nicht schön, den sächsischen Kumpanen
Das Fell – gegerbt erst – abzuziehn mit Hohn,
Doch da man Kirchen baut' aus dem Erlös,
So war die Kirche drob gewiß nicht bös.

                              37.
Der holde Don Juan blühte, doch bisweilen
Empfand er wie ein sensitives Kraut,
Das beim Berühren bebt, wie vor den Pfeilen
Des Reims ein Fürst – wenn ihn kein Southey braut;
Vielleicht er sehnt' sich über hundert Meilen
Nach jenem Land, wo's Eis viel früher thaut;
Vielleicht er seufzte, trotz der süßen Pflicht
Im Arm der Zarin, nach der Schönheit Licht.

                              38.
Vielleicht – doch ohne das, was braucht es Gründe,
Ob alt sie oder neu? – der Krebs zernagt
Die schönste Form, so frisch sie sich auch ründe,
Grad wie die welke, die ihm längst behagt.
Die Sorge bringt uns unsre Wochensünde,
Wie unser Wirth uns mit der Rechnung plagt:
Wir müssen zahlen, und wenn sechs Tag' gut,
Am sieb'ten kommt der Teufel oder Jud'.

                              39.
Ich weiß nicht wie's gekommen – er erkrankte.
Die Kaiserin erschrak. Ihr Doctor fand
– Derselbe dem sie Peter's Tod verdankte –
Es sei sein Puls in einem solchen Stand,
Als ob der Tod schon lähmend ihn umrankte,
So rasch und fieberhaft er auch empfand.
Der ganze Hof ward aufgeregt hiebei,
Die Zarin starr – verdoppelt die Arz'nei.

                              40.
Man flüsterte – Gerüchte ließen merken:
Potemkin habe Gift ihm beigebracht,
Man sprach auch viel, er suche zu verbergen
Geheime Schäden, die ihn hingemacht.
Die Säfte auch, die sonst den Blutlauf stärken,
Sie sei'n verdickt, weil er zu unbedacht;
Doch glaubt' man auch, das Alles seien nur
Vom Feldzug her Nachwehen der Natur.

                              41.
Hier ein Recept von vielen die ich kenne:
Sodae sulphat. ℨvj. ℨβ Mannae optim .
Aq. fervent. f. ℥iβ. ℨij. tinct. Sennae
Haustus
(Hier schröpft' der Arzt ihn mit dem Pfriem)
Pulv. Com. gr. iij. Ipecacuanhae
Und mehr noch, that nicht Don Juan Einhalt ihm.
Bolus potassae Sulphuret, sumendus
Et haustus ter in die capiendus.

                              42.
Dies ist der Weg zu wenden und – zu enden,
Secundum artem, doch wenn man gesund
Auch lacht, so greifen wir mit beiden Händen
Nach einem Arzt, sobald wir auf dem Hund.
Und wenn uns schon des Spatens Blitze blenden,
Der uns bereitet jenen schlimmsten Schlund,
So quälen wir, statt still den Lethefluß
Hinabzugleiten, noch den Medicus.

                              43.
Doch Don Juan säumte, dies Mal abzufahren,
So sehr der Tod ihn auch damit bedroht;
Der Jugend Kraft gelang's, ihn zu bewahren,
Die Aerzte kamen glücklich aus der Noth;
Doch barg sein Zustand immer noch Gefahren,
Die Wange zeigte kein gesundes Roth,
Und da die Facultät verlegen schien,
So sagte sie, er müsse weiter ziehn.

                              44.
In diesem Klima könne er nicht blühen,
Es sei für ihn, des Südens Sohn, zu kalt. –
Cath'rina wollte drob von Zorn erglühen
Und nimmer missen seine Huldgestalt;
Doch als sie nicht mehr sah sein Auge sprühen,
Ihn selber ohne Schwungkraft mehr und Halt,
Vertraute sie ihm eine Sendung an,
Die passend schien nach Endzweck und nach Plan.

                              45.
Es wurde damals mit dem Brittenlande
Gerade über eine Art Vertrag
Verhandelt und gesandelt durch Gesandte,
Nebst Ränkespiel nach gutem, altem Schlag,
Wie große Staaten immer knüpfen Bande.
Die Ostseeschifffahrt war die Tagesfrag',
Thran, Häute, Talg und auch das Fischerrecht;
Der Britte hält für englisch jeden Hecht.

                              46.
Cath'rina hatte Mittel stets und Wege,
Die Göttin ihrer Lieblinge zu sein;
Sie gab jetzt Don Juan dieses Amtes Pflege,
Es war sein Lohn für manche Lust und – Pein.
Ein Händekuß entließ ihn dem Gehäge,
Mit dem Gebot, zu spielen klug und fein.
Dann ward er noch mit Ehren überdeckt,
Von ihrem Geist und Herzen ausgeheckt.

                              47.
Noch fuhr sie stolz in ihres Glückes Wagen,
Denn Königinnen herrschen stets mit Glück.
Curios! Was will Fortuna damit sagen?
Genug! Sie ging im Alter jetzt zurück.
Das plagte sie, wie schlechte Zähne plagen;
Und litt die Würde auch kein Trauerstück,
So war sie doch betrübt um ihren Schatz,
Sie fand nicht gleich geeigneten Ersatz.

                              48.
Doch Zeit, die Trösterin wird nächstens kommen.
Nach vierundzwanzig Stunden war die Zahl
Der Candidaten schon so übernommen,
Daß Catharina rasch verschlief die Qual.
Zwar wollte ihr noch Keiner völlig frommen,
Die große Zahl erschwerte nicht die Wahl,
Doch war sie heikel, überlegt dabei
Und hielt die Stelle für den Eifer frei.

                              49.
Indeß noch frei der hohe Ehrenposten
Für einen, für zwei Tage, bitten wir,
Mit unsrem Helden das Gefährt zu kosten,
Das ihn geschleppt aus Petersburg's Revier;
Das beste war's, das einst zum fernen Osten
Entfaltete der Kaiserin Panier,
Als eine neue Iphigenie sieDie Kaiserin reiste in Begleitung des Kaisers Joseph nach der Krim. Das Jahr habe ich vergessen.
Nach Tauris ging, und das sie ihm jetzt lieh.

                              50.
Ein Dompfaff, Hermelin, ein Bullenbeißer,
Lieblinge Don Juan's, fuhren mit ihm aus.
Er war – erkläre es ein größrer Weiser –
Ein warmer Freund von Thieren für das Haus,
Die man sonst haßt als Schmutzer und Zerreißer;
Ihm waren Vögel, Katzen auch, ein Schmaus,
Wie einer Jungfer nur von sechzig Jahr,
Obschon er weder alt noch Mädchen war.

                              51.
Die Thiere hatten ihre eignen Ställe;
Besonders fuhren Diener, Secretär.
An seiner Seite saß im Zobelfelle
Die kleine Leila nur, die einstmals er
Im großen Kampf um jene Festungswälle
Beschirmt vor der Kosaken Mordgewehr.
Die Muse schweifte, doch vergaß sie nicht
Die reine Perle, dieses Lebenslicht.

                              52.
Die arme Kleine könnt' für lieblich gelten,
Gelehrig auch und von Charakter rein,
Wie's unter Lebenden erscheint so selten,
Als unter Mammuthvolk ein Mensch von Stein.
Was konnte ihre Einfalt gegen Welten,
Die übermächtig drangen auf sie ein?
Doch zählte sie erst zehen Jahr und war
Drum ruhig noch; warum? war ihr nicht klar.

                              53.
Sie liebte Don Juan und er liebt' sie wieder,
Doch nicht wie Bruder Schwester, Vater Kind.
Sie fühlten nicht, wie sonst Familienglieder;
Er war zu frisch und jugendlich gesinnt,
Um nur zu schaun als Vater zu ihr nieder,
Auch wußt' er nicht, was sich Geschwister sind.
Hätt' er geahnt, was eine Schwester ist,
Wie hätte er schon lange sie vermißt!

                              54.
Noch weniger war sinnlich seine Liebe.
Er war kein alter Wüstling, der versteckt
Unreife Früchte sucht, zu wecken seine Triebe,
Wie Säure ein latentes Kali weckt;
Obschon (damit die Welt nicht öde bliebe)
Auch er die Keuschheit wenig noch geschmeckt.
Es konnt' nur reinster Platonismus sein,
Was er gefühlt. Nur fiel es ihm nicht ein.

                              55.
Noch war Versuchung ferne ihm geblieben.
Er liebt' die Waise, die gerettet er,
Wie Patrioten manchmal Völker lieben.
Sie war, Dank ihm! jetzt keine Sklavin mehr
Und konnt' auch selig werden nach Belieben,
Die Kirche streckte ihr die Hände her.
Doch seltsam! unsre kleine Türkin war
Höchst abgeneigt dem Beichtstuhl und Altar.

                              56.
Trotz allem was mit ihr schon vorgegangen,
Hielt sie an ihrem Glauben fest und treu.
Was ihr von Sündenfall die Popen sangen,
Sie hatte vor der Taufe eine Scheu,
Auch nach der Beichte trug sie kein Verlangen,
Was wußte sie von Sünde und von Reu'?
Die Kirche kam nicht an; mit Pietät
Hielt sie dran fest, daß Mahomet Prophet.

                              57.
Der einz'ge Christ, den sie ertragen mochte,
War Don Juan noch, für den ihr Herz so warm,
Wie für die Heimat, für die Freunde pochte,
Er aber liebte, was beschützt sein Arm.
So war das Paar, das Gott zusammen jochte,
Zwar wol an äußerer Beziehung arm,
An Alter, Klima, Blut und Vaterland,
Doch um so fester hielt das innre Band.

                              58.
Durch Warschau reisten sie, das alte Polen,
Berühmt durch seine Salze und sein Erz,
Durch Curland, dessen Herzoge gestohlen
Den Namen Biron in bekanntem Scherz.In den Zeiten der Kaiserin Anna nahm ihr Günstling Biren den Namen und das Wappen der Birons von Frankreich an, deren Familie noch in dem englischen Geschlecht fortlebt. Es gibt noch Töchter von Curland dieses Namens. Ich erinnere mich, eine derselben in dem gesegneten Jahre der Verbündeten (1814) gesehen zu haben. Es war die Herzogin von S., welcher die englische Herzogin von Somerset mich als Namensvetter vorstellte.
Der Mitwelt Mars wollt' hier ein Weltreich holen,
Als Fama ihn verlockte Moskau-wärts
Und er durch eines Monats Eis verlor,
Den Preis der Siege und sein Gardecorps.

                              59.
Die Steig'rung ist mir Ernst. »O meine Garde!
Die alte Garde!« rief der Erdengott.
Der Donnerer fiel durch die feine Karte
Des Halsabschneiders Castlereagh – o Spott!
Ach daß ein solcher Heldenruhm erstarrte!
Wir aber machen uns jetzt wieder flott:
Kosciusko's Name schleudre seine Glut
Durch jenes Eis, wie Hecla's Flamme thut!

                              60.
Von Polen reisten sie durch Preußens Fichten
Nach Königsberg, der Universität,
Die im Geruch von Blei- und Kupferschichten
Und Kant, dem großen Philosophen, steht.
Don Juan, den Weltweisheit mit Nichten
Groß kümmerte, schoß fort wie ein Komet
Den Deutschen zu, dem langsamen Geschlecht,
Wo mehr der Fürst spornt als der Postenknecht.

                              61.
Dann durch Berlin und Dresden und dergleichen,
Erreichte er den burgumrankten Rhein.
Wie wißt ihr in das Herz uns doch zu schleichen,
Ihr gothischen Erinnerungen von Stein!
Ein altes Schloß, um das die Füchse streichen,
Wie führt es meine Seele schmeichelnd ein
In die vergangne Welt, daß neu belebt
Sie dort um ihre luft'gen Zinnen schwebt!

                              62.
Von Mannheim ließ er hin nach Bonn sich gleiten,
Wo Drachenfels als Geist herübergrollt
Aus jenen guten alten Ritterzeiten,
Die ich nicht schildern kann, wenn ich auch wollt'.
Dann ging's nach Cöln, wo's niemals zu vermeiden,
Daß man den Schädeln seine Ehrfurcht zollt,
Die von elftausend Jungfern hier noch stehn,Die h. Ursula und ihre 11,000 Jungfrauen waren noch im Jahre 1816 vorhanden und sind es wahrscheinlich noch jetzt ebenso gut.
Der größten Zahl, die je das Fleisch geschen.

                              63.
Von da zum Haag und immerfort gen Westen,
Der Niederländer theurem Wasserland,
Wo der Wachholder wird gemacht am besten,
Des armen Mannes Reichthum und Verstand.
Die Weisen thun, als müsse er verpesten;
Jedoch dem Volk entziehn den süßen Brand,
Der Kleidung ihm, und Brod und Holz erspart,
Das Einz'ge was der Staat ihm ließ, wär' hart;

                              64.
Hier schiffte er sich ein. Die Segel flogen
Und nach der Freiheit Insel ging's mit Macht.
Des Windes Ungeduld schlug hohe Wogen;
Sie spritzten Schaum, tief tauchte ein die Jacht,
Von Seekrankheit ward mancher Hals gebogen;
Doch Don Juan, der schon Andres mitgemacht,
Sah wie die Schiffe hüpften durch den Brand
Und spähte eifrig nach dem Klippenstrand.

                              65.
Jetzt taucht' er auf wie eine weiße Mauer
Am Saum des blauen Meers, und er empfand,
Wie mancher Fremdling einen leisen Schauer
Beim ersten Anblick von dem Kreideland.
Zu diesem Volk der Krämer und der Brauer
War er, er sagte sich's mit Stolz, gesandt,
Das seine Waaren schickt von Pol zu Pol
Und selbst das Meer verzollt als Monopol.

                              66.
Nicht Ursach' hab' ich, dieses Land zu lieben,
Dem eigentlich das größte Volk gebührt,
Doch ob ich gleich ihm schuldig nur geblieben,
Daß ich dort ward, fühl' ich mich doch gerührt
Von jenem Ruhm, der nun droht zu zerstieben.
Der Zorn ist hin, den früher ich verspürt,
In sieben Jahren da ich Fremdling war; –
Und nun die Heimat auf der Todtenbahr'!

                              67.
O könnte sie nur ganz von mir erfahren,
Wie jetzt ihr Name überall verfehmt,
Wie man sich sehnt, das Richtschwert zu gewahren,
Das sie durchbohrt und sie auf ewig lähmt,
Wie gegen sie sich alle Völker schaaren,
Als schlimmsten Feind, weil sie sich nicht geschämt,
Die Freiheit einst zu zeigen aller Welt,
Dann sie zu knechten für verächtlich Geld.

                              68.
Wie mag sie stolz auf ihre Freiheit pochen,
Da sie die erste doch von Sklaven nur!
Die Völker sind in's Kerkerloch gekrochen,
Doch sind die Schließer frei von der Tortur?
Ist's Freiheit denn, die Andern unterjochen,
Sie auszusperren von der Freiheit Flur?
Wer Ketten schließt, genießt so wenig Luft,
Wie wer sie trägt in feuchter Kerkergruft.

                              69.
Nun schmeckte Don Juan Englands erste Wonnen,
Des theuern Dover Felsen und Hôtel,
Die Mauth, der nie ein Sterblicher entronnen,
Die Kellner rasend bei dem Ruf der Schell',
Die Dampfer, wo man von Geschmeiß umsponnen,
Das abzieht jedem Reisenden das Fell,
Und endlich, doch für Fremde oben an:
Die Rechnungen so lang wie eine Bahn!

                              70.
Don Juan, der sorglos durch die Welt kutschirte,
An Geld und Diamanten nicht verkürzt,
Und seine Kost nicht wöchentlich fixirte,
Bezahlte zwar, doch war er ganz bestürzt.
(Sein Secretär, ein Grieche, den's genirte,
Las ihm die Liste, die so stark gewürzt)
Indeß die Luft, die oft das Licht entbehrt,
Ist frei daselbst und Athem Rubel werth.

                              71.
Auf nun! nach Canterbury! vor die Pferde!
Marsch über Kies und Koth und Stock und Stein!
Hurrah! wie fegt die lust'ge Post die Erde,
Nicht wie im lahmen Deutschland, wo mit Pein
Sie hin sich wälzen nach dem fernen Herde,
Als ging's zum Kirchhof mit der Bahr' hinein,
Und Schnaps zu saufen, machen Halt um Halt.
Ein »Hundsfott« selbst läßt diese Hunde kalt!

                              72.
Nichts kann den Geist des Menschen so erregen
Und würzt, wie Pfeffer ein Curry, sein Blut,
Als wenn die Räder pfeilschnell sich bewegen,
Gleichviel wohin, wenn es nur jagt und thut,
Und wenn kein Grund zu diesem tollen Fegen,
Je weniger begründet diese Wuth,
Um desto größer ist der Ankunft Lust
Am Ziel der Reise – das bewegt die Brust.

                              73.
Sie sahen Canterbury's Cathedrale,
Den Eduardshelm und Becket's blut'gen Stein,
Der Küster wies sie, wie so hundert Male,
Er wollte Kenner und Gelehrter sein.
Was ist doch Ruhm? ein nichtiges Geprahle!
Ein rost'ger Helm, ein Knochen schließt ihn ein,
Halb Soda schon und halb Magnesia,
Woraus der Mensch, der Bittertrank, wird ja!

                              74.
Auf Don Juan war die Wirkung nur erhaben,
Wol tausend Cressy's stiegen ihm empor
In jenem Helm, den keine Zeit begraben,
Auch Becket's Grab rief heil'ge Scheu hervor.
Der Kühne wollte über Kön'ge traben,
Die Recht doch heucheln müssen jetzt, bevor
Sie winken Mord. Die kleine Leila schaut'
Und fragte dann, wozu das Haus erbaut?

                              75.
Als man ihr sagte, das sei Gottes Stätte,
Da meinte sie, hier sei er gut logirt;
Warum er nur sich bei den Giaurn bette,
Die seine heil'gen Tempel ruinirt,
Die Gläubigen gemordet um die Wette? –
Sehr schmerzlich war sie dadurch afficirt,
Daß Mahomed solch Münster missen sollt',
Das hier als Perle vor die Schweine rollt'.

                              76.
Fort, fort durch Wiesen, die gleich einem Garten,
Für Hopfen und Salat ein Paradies!
Wenn ein Poet nach langen Pilgerfahrten
Durch heiße Länder, die der Regen ließ,
Ein Feld erblickt, so grün wie das – der Karten,
Vermißt er leicht, was er so hoch sonst pries,
Die Mischung von Oliven, Felsen, Wein,
Mit Gletschern und Orangen im Verein.

                              77.
Und wenn ich meines Bierkrugs erst gedenke
– Doch keine Thräne! – vorwärts, Postillon!
Und wie die Rosse streckten die Gelenke,
Bewundert Don Juan auch die Straße schon.
Ja dieses Land gibt theuerste Geschenke
Dem fremden Manne, wie dem eignen Sohn,
Und wer zu löcken nach dem Stachel wagt,
Fühlt bald den Stich, der wenig ihm behagt.

                              78.
Welch' herrlich Ding ist doch die hohe Straße!
So glatt, so eben, säuberlich rasirt!
Der Adler kaum, wenn er nach seiner Nase
Die Luft durchschießt, hätt' solche Bahn tracirt.
War sie bekannt vor Phaëton's Gerase,
Sein Vater hätte klug ihn instruirt,
Daß Yorker Post er doch benützen soll, –
Doch ach und weh! hier stoß' ich auf den Zoll.

                              79.
Wie widerwärtig ist doch alles Zahlen!
Nehmt Leben, Weib, nur laßt den Beutel mir,
Wie's Macchiavel bewies zu Dutzend Malen:
Zum Fluchen bringt es alle Menschen schier,
Den Mörder treffen nie des Hasses Strahlen
So heiß, wie den, der Geld verlangt von dir.
Tödt' Weib und Kind, verschmerzen wird's das Pack,
Doch laß die Hand von seinem Hosensack!

                              80.
So sprach der Florentiner. Souveraine!
Hört euern Meister! – Eben als der Tag
Zu schütteln anfing seine dunkle Mähne,
Die große Stadt zu Don Juan's Füßen lag.
Wer eine Spur vom Blute der Sirene
In seinen Adern jetzo fühlen mag,
Der juble laut, der weine selig still:
Ihr Britten, schaut! wir sind auf Shooters Hill.

                              81.
Die Sonne sank, der Rauch stieg in die Lüfte,
Wie über einem halb erloschenen Vulkan,
Wol sieht man diese Werkstatt übler Düfte
Mit Recht als den Salon des Teufels an;
Doch obschon hier nicht seiner Ahnen Grüfte,
Empfand Verehrung unser Don Juan
Vor einem Ort, der so viel Männer trug,
Die Welt halb todt schrie, halb zu Boden schlug.

                              82.
Ein großer Stoß von Backstein, Rauch und Schiffen,
In trübem Schmutz so weit das Auge geht,
Ein Segel da und dort im Gang begriffen,
Das bald im dunkeln Mastenwald verweht,
Ein Heer von Thürmen, das gleich Felsenriffen
Am Kohlenhimmel auf den Zehen steht
Und eine Kuppel, wie die Narrenkron'
Auf Narrenhaupt – da habt ihr London schon!

                              83.
Doch Don Juan sah das nicht. Des Rauches Schnecken
Erschienen ihm wie zauberischer Dunst
Aus einer Esse, wo in dunkeln Ecken
Der Reichthum gor (der der Besteuerungskunst!);
Die düstern Wolken, die das Ganze decken,
Wo Sonnenlicht nur ausnahmsweise Gunst,
Sie waren ihm hier eigentlich Natur
Und gute Luft, wenn klar auch selten nur.

                              84.
Er hielt. – Das will auch ich wie der Matrose,
Eh' er des Schiffes breite Seite gibt;
Da ich zu euch, ihr alten Freunde, stoße,
Will ich versuchen, ob ihr Wahrheit liebt.
Gewiß ist's euch nicht wohl in ihrem Schooße,
Doch wie Frau Fry in neurer Zeit beliebt,
Feg' ich mit weichem Besen euer Haus
Und kehre ein'ges Spinnenwerk hinaus.

                              85.
Ei, ei, Frau Fry, warum nach Newgate wallen
Und armen Schelmen predigen? Warum
Nach Carlton nicht und andern hohen Hallen?
Mit harten Sündern schlagt euch doch herum.
Das Volk verbessern, will mir nicht gefallen;
Geschwätz ist's nur, unpraktisch, hohl und dumm,
Gebt erst den hohen Schuften ihren Lohn,
Ich dachte mir, ihr hättet Religion?

                              86.
Belehrt sie, was sich schickt mit sechzig Jahren,
Heilt von Frisuren sie und Hochlandsputz,
Sagt ihnen, daß die Jugend abgefahren,
Daß Hurrah's, die man zahle, nie was nutz,
Daß Curtis zähle zu der Esel Schaaren,
Zu schal und dumm selbst für den dümmsten Schmutz,
Daß er ein Falstaff ohne Witz und Muth,
Ein alter Narr, deß Schelle nicht mehr thut.

                              87.
Sagt ihnen, ob's vielleicht auch jetzt zu späte,
Es sei nicht gut, am wüsten Lebens Schluß
Noch für den Ruhm anstimmen die Gebete,
Der solches Volk doch ewig fliehen muß;
Ein würd'ger Fürst stets eiteln Prunk verschmähte;
Sagt ihnen – nein! ihr bleibt doch weit vom Schuß.
Genug des Worts! Doch oft treibt mich's mit Macht,
Wie Rolands Horn in Roncesvalles Schlacht.

 


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