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1.
Als Berkeley sprach, daß keinen Stoff es gebe
Und es bewies, war stofflos sein Geschwätz.
Es heißt, daß man umsonst zu stürzen strebe
Sein überirdisch geistiges Gesetz,
Und doch wer glaubt's? Ich risse das Gewebe
Des Stoffes gern wie ein verhaßtes Netz,
Könnt' ich erreichen, daß die Welt ein Geist
Und daß mein Kopf nicht Kopf mehr ist und heißt.
2.
Wie war doch die Entdeckung hoch erhaben,
In aller Welt zu finden nur sein Ich,
Das All, ein Ideal, in uns zu haben!
Kein Schisma ist's, ich wage Welt und mich.
O Zweifel – wie dich nennen nur die Knaben
Und den ich selbst bezweifle – hüte dich,
Mir zu verderben meines Geistes Trank.
Schnaps ist der Himmel und macht Alle krank.
3.
Und Unverdaulichkeit erscheint zuweilen
(Auch nicht der feinste Ariel!) und hemmt
Des Menschen Himmelsflug mit ihren Pfeilen;
Und was nach Allem meinen Geist beklemmt,
Ist, daß wohin auch meine Blicke eilen,
Ein buntes Chaos sich entgegenstemmt,
Von Arten und Geschlechtern? Sternen, Sein –
Ein schöner Mißgriff scheint die Welt zu sein –
4.
Ob nun aus Zufall oder nach dem alten
Bestimmten Text. Wenn Letztres richtig ist,
So wollen wir uns der Kritik enthalten;
Als Zufall wär' es hart für Heid' und Christ,
Weil unsre Tage sich zu kurz gestalten
Für einen Streit, den Keiner doch ermißt,
Worin er aber einst wird sehen klar,
Liegt er nicht ewig stille in der Bahr'.
5.
Ich will es drum in Zukunft bleiben lassen,
Hier auch noch Metaphysik beizuziehn,
Und kann ich nur, daß ist was ist, erfassen,
So mein' ich, daß ich sattsam geistreich bin.
In letzter Zeit hab' ich verlernt zu spaßen,
Ich glaube fast, ich schwinde etwas hin.
Die Luft macht's wol und seit ich also leid',
Werd' mehr und mehr ich gläubig und gescheit.
6.
Der erste Anfall ließ an Gott mich glauben
(An ihm und Satan zweifelte ich nie),
Der zweite an die Jungfrau und die Tauben,
Der dritte an die Erbsündtheorie,
Der vierte stellte auf so feste Schrauben,
Dreieinigkeit und ihre Harmonie,
Daß fromm ich wünschte, drei wär' auch noch vier,
Damit noch mehr zu glauben bliebe mir.
7.
Genug! Wer auf Akropolis gestanden
Und niederschaute über Attika,
Wer in der Bai von Stambul durfte landen,
Wer die Oase von Timbuctu sah,
Wer Thee trank beim chinesischen Gesandten
Und Niniveh, der Ziegelstadt, kam nah',
Dem scheint wol London nicht so wunderbar,
Doch fragt ihn wieder nach dem ersten Jahr.
8.
Auf Shooters Hill war Don Juan ausgestiegen.
Die Sonne sank. Er stand an jenem Fleck,
Der über's Thal, wo London's Straßen liegen
Und Gut's und Böses gähren, schauet weg.
Still war es rings, und Erd' und Lüfte schwiegen,
Nur in der Ferne tönte Radgequäk
Und das Gesumm der ems'gen Bienenstadt,
Wie wenn von Dampf ein Kessel übersatt.
9.
Don Juan schritt in Betrachtungen versunken
Von jener Höhe hinterm Wagen drein,
Er war noch ganz von hohem Staunen trunken
Ob einem Volk, so mächtig und so rein.
Hier also, rief er, loht der Freiheit Funken,
Hier darf des Volkes Stimme etwas sein,
Nichts macht sie stumm, nicht Folter, Haft und Noth,
Bei jeder Wahl ersteht sie wie vom Tod.
10.
Hier ist das Weib noch keusch und rein das Leben,
Hier zahlt der Bürger nur was ihm gefällt,
Und ist es theuer, so geschieht es eben,
Weil er gern wegwirft überflüssig Geld.
Das Recht ist heilig, nie darf hier erbeben
Der Reisende, und sicher ist das Feld. –
Hier ward er aufgeschreckt durch ein Gewehr
Und das Geschrei: »'s Geld oder 's Leben her!«
11.
Der saubre Ruf kam her von vier Gesellen,
Die ihn belauert aus dem Hinterhalt,
Und als gewandt in solchen Bagatellen
Die schöne Stunde wählten zur Gewalt,
Wo wenn sich Wandrer auf der Straße stellen,
Die nicht im Raufen selbst geworden alt,
Sie immerdar in diesem reichen Land
Das Geld verlieren und auch das Gewand.
12.
Don Juan verstand – das God damn ausgenommen,
Den Talisman! – kein einzig englisch Wort,
Und hatt' auch das so selten erst vernommen,
Daß er vermeint, es sei ihr Glaubenshort,
Ihr »Gott mit dir!« »Salam« – man kann drauf kommen.
Ich selbst, der frühe schon von England fort,
Hab' niemals noch ein »Gott mit dir!« gewahrt,
Als ausgedrückt auf diese eigne Art.
13.
Doch schnell begriff nun Don Juan jene Gäste
Und da er etwas rasch und hitzig war,
Riß ein Pistol er sogleich aus der Weste
Und feuerte auf Einen von der Schaar,
Der niedersank gleich einem wilden Beeste.
Und in dem Koth sich wand, der ihn gebar,
Dann Denen zuschrie, die er mitgebracht:
»O Jack, der Welsche hat mich hingemacht!«
14.
Auf dieses hin lief Jack mit den Kam'raden
Und Don Juan's Leute, die schon weit voran,
Erschienen nun und staunten ob der Thaten
Und boten, spät zwar, ihre Hilfe an.
Als Don Juan sah, wie Jenes Lebensfaden
Zu reißen anfing auf dem blut'gen Plan,
Rief er nach Binden, nach Charpie und fand,
Daß allzu rasch gewesen seine Hand.
15.
Vielleicht, dacht' er, ist's Mode hier zu Lande,
Daß man die Fremden alle so begrüßt,
Ich kenne Räuber aus der Gastwirthbande,
Wobei den Raub ein Bückling nur versüßt,
Und man uns zwickt, wenn auch kein Hahn sich spannte.
Jedoch was thun? So sehr mich's auch verdrießt,
Ich kann nicht dulden, daß der Bursch hier stöhnt,
Hebt mir ihn auf, daß er sich Gott versöhnt.
16.
Doch eh' sie konnten diese Pflicht vollenden,
Rief Jener: »Halt! mit mir ist's doch vorbei!
O ein Glas Schnaps! Wir ziehn mit leeren Händen!
Fort! laßt mich sterben, wo es immer sei.« –
Und als des Lebens Stoff begann zu enden,
In schwarzem Blut sich rang die Seele frei,
Da nahm er von dem Hals ein Tuch und schrie:
»Gebt Sara das!« – und sank in Agonie.
17.
Das Halstuch mit den bösen blut'gen Flecken
War zu den Füßen Don Juan's hingerollt,
Der nicht begriff, was dieses sollt' bezwecken
Und was des Mannes letztes Wort gewollt.
Der arme Tom war einst der Heimat Schrecken,
Ein Sausewind und wahrer Trunkenbold,
Voll Witz und Unsinn, bis geleert und gar
Erst seine Tasche, dann sein Körper war.
18.
Als möglichst gut Don Juan verrichtet hatte,
Was hier der Fall verlangte und der Ort,
Und fand, daß es die Leichenschau gestatte,
Setzt' er die Reise nach der Hauptstadt fort.
Doch war es ihm, als ob's den Weg beschatte,
Daß er so schnell begangen einen Mord
Und in zwölf Stunden – zwar im Fall der Noth –
Ein freier Britte fand durch ihn den Tod.
19.
Er hatte einen Mann der Welt entrissen,
Der seiner Zeit viel Heldenlärm gemacht.
Wer hat wie Tom die Fenster eingeschmissen
Und in der Kneip' getobt, gebrüllt, gelacht?
Wer so wie er in Händel sich verbissen,
Bei einem Fressen so gefletscht, gekracht?
Wer war bei einem Tanz mit seinem Schatz
So forsch, so patzig auf dem ersten Platz?
20.
Doch Tom ist nicht mehr, Tom sei drum vergessen.
Auch Helden sterben und es währt nicht lang
Gottlob! bis sie die Erde ewig messen –
Heil Themse dir! Jetzt rollt den Strand entlang
Der Wagen zwischen Magazin und Essen.
Den Weg zu finden, ist ihm schon nicht bang:
Durch Kensington und andre »tons« geht's fort,
Ein Jeder wünscht, er wäre bald am Ort.
21.
Durch die »Allee,« die leider ohne Bäume –
Ein lucus ohne lux – – durch einen Plan
»Schönberg« genannt, der »schön« im Reich der Träume
Und auch kein »Berg,« mit Häuschen neben an
Von Backstein, der bestäubt die innern Räume;
Ein »Zu vermiethen« dran – o eitler Wahn!
Durch Gassen, gar genannt das Paradies,
Das Eva ohne großes Opfer ließ.
22.
Durch Kaufmanns-Fuhren und Carrossen-Lücken,
Den Räderstrudel und das Stimmenmeer,
An Kneipen, die mit »frischem Bier« berücken,
Und Posten, jagend wie das wilde Heer,
Schaufenstern der Friseure mit Perrücken,
An Lampenputzern, die, wo's Näpfchen leer,
Das Oel eingießen in das trübe Glas –
Denn damals hatten wir ja noch kein Gas –
23.
Durch Dies und Das und noch viel andre Dinge
Naht sich der Fremde unsrem Babylon;
Ob ihn ein Pferd, ob ihn ein Wagen bringe,
Die Aussicht ist die gleiche und der Ton.
Ich weiß noch mehr doch wenn ich weiter ginge,
Brächt' ich das Führerbuch um seinen Lohn.
Die Sonne sank, auf Zwielicht folgte Nacht,
Als Don Juan bis zur Brücke es gebracht.
24.
Er ist sehr schön, der Themse edler Namen,
Und schützt auch einen Augenblick den Strom,
Den kaum man hört vor Fluchen, vor infamen.
Hier ist mehr Helle am Westminsterdom,
Das Pflaster breit, hier wächst des Ruhmes Samen
So stolz, wie in St. Peter dort zu Rom.
Sein hehrer Strahl hüpft hier als Mondenschein,
Hier hebet sich Alt-Englands heil'ger Schrein.
25.
Dahin Gottlob! sind der Druiden Haine,
Stone Henge ist hin, doch was ist eigentlich?
Bedlam besteht und führt an straffer Leine
Den Narren noch, daß er nicht beißet dich.
Und manchem Schuldner stellt die Bench die Beine,
Auch Mansion House (ob's überlebt auch sich)
Erscheinet noch als große Schöpfung mir,
Doch die Abtei ist dieser Sammlung Zier.
26.
Bis Charing Croß die lange Lichterreihe,
Die durch die City glänzend sich setzt fort,
Sie blitzt wie Goldstaub im Vergleich mit Bleie,
Hält man dagegen einen Festlandsort,
Es sei denn, daß dort Mondschein grad gedeihe;
In Frankreich aber dient das Licht dem Mord:
Als sie Laternen endlich nahmen an,
Hing statt des Dochts bald ein Verräther dran.
27.
Erleuchten mag's die Menschheit, wenn die Gassen
Von aufgehenkten Edeln sind erhellt
Und Schlösser zur Belust'gung Feuer fassen,
Doch besser mir der alte Weg gefällt.
Die neue Art läßt gar nicht mit sich spaßen,
Sie ist ein Irrlicht, das ein Bein uns stellt,
Das uns verwirrt und ängstigt und macht toll;
Und sanft muß brennen, was erleuchten soll.
28.
Doch London ist so hell, daß, wenn auf's Neue
Nach einem Ehrenamt sucht' Diogen,
Und ihn nicht fände unter all der Spreue
Von Menschen dieses nebligen Athen,
Es nicht geschähe, weil ihm nicht mit Treue
Die Lampen hälfen nach dem Schatze sehn.
Ich selbst auch suchte auf der Lebensbahn
Und traf doch stets nur Advocaten an.
29.
Pall Mall hinauf und rasselnd durch die Schatten
Von Volk und Fuhrwerk, das jetzt dünner ward,
Weil grad' die Klopfer laut gesprochen hatten,
Die gegen Gläub'ger Schweigen sonst bewahrt.
– Jetzt luden sie die Hungrigen zu Platten –
Setzt' Don Juan fort die wundersame Fahrt,
Hôtels vorbei und an St. James Palast
Und St. James Höllen, die noch schöner fast.Spielhöllen. Wie groß ihre Zahl jetzt ist, weiß ich nicht. In meiner Jugend kannte ich sie ziemlich genau, sowol die Gold- als die Silberhöllen. Einer meiner Bekannten forderte mich einmal beinahe, weil ich ihm auf seine Frage, wo ich glaube, daß sich seine Seele einst befinden werde, zur Antwort gab: In der Silberhölle!
30.
Sie kamen an's Hôtel: dem Hauptportale
Entströmte eilig seiner Kellner Flut,
Herum stand Volk und in zerschliss'nem Shawle
Wie immer jene holde Venusbrut,
Die sich hier dränget im Laternenstrahle,
Bequem, doch schlecht, zu etwas aber gut:
Sie fördern Eh'n, wie Malthus einst gethan.
Doch aus der Chaise stieg jetzt Don Juan.
31.
Es war ein Gasthof von den angenehmen,
Die meist für Fremde, und für solche zwar,
Die irgend einer Hoheit Gunst sich schämen
Und denen nie zu hoch die Rechnung war.
Hier pflegten die Gesandten Platz zu nehmen
(Ein Höllenschlund, der manchen Streich gebar),
Bis sie ein Square in seine Arme nahm,
Ihr Namen über's Thor in Messing kam.
32.
Don Juan, der einen heikeln Auftrag hatte,
Wenn auch privat, von allgemeinem Werth,
Trug dennoch nichts auf seinem Titelblatte,
Woraus man schlösse, was er hier begehrt;
Man wußte nur, daß zu geheimer Tratte
Ein Gast von Rang das Brittenland beehrt,
Der jung und schön, und wie man flüstert', gar
Der Zarin neuste Affenliebe war.
33.
Auch war ihm ein Gerücht vorausgezogen
Von mancher That in Liebe und im Krieg;
Und da Romantik immer schön gelogen,
Und sich die Brittin gar zu gern verstieg,
Und wo sie trieb auf dieses Lebens Wogen,
Rasch über die Vernunft gewann den Sieg.
So war er bald in Mode fabelhaft,
Was unsrem Volke gilt für Leidenschaft.
34.
Ich sag' nicht, daß sie ohne Leidenschaften,
Nur ist allein der Kopf dabei im Spiel;,
Doch da die Folgen ganz so sicher haften,
Als wenn auf's Herz der holde Zauber fiel,
Was macht es dir, womit sie sich vergafften,
Wenn's dich nur sicher führet zu dem Ziel,
Das du im Sinne hast? Dann ist es gleich,
Geht's durch des Kopfes, durch des Herzens Reich.
35.
Bald legte Don Juan an dem rechten Orte
Den rechten Leuten seine Vollmacht vor
Und die Regenten dieser hohen Pforte
Empfingen ihn mit jeglichem Decor.
Als sie das Bürschchen sahn mit Schnur und Borte,
Da dachten sie (so macht es dieses Corps!)
Sie wollten ihn behandeln schon so leicht,
Als wie der Habicht, der nach Amseln streicht.
36.
Sie irrten sich, wie oftmals alte Leute.
Davon ein ander Mal – vielleicht auch nicht,
Zu tief veracht' ich diese glatte Meute
Mit ihrem diplomatischen Gesicht,
Die lebt vom Lug, doch kecken Lug stets scheute;
Am Weibe lieb' ich's, daß sie Lügen spricht,
Nicht anders kann; doch stets so schön verneint,
Daß Wahrheit selbst dagegen Falschheit scheint.
37.
Und ist denn Lüge ein so schlimmer Braten?
Es ist doch Wahrheit, in der Maske nur!
Fragt Priester, Helden, Schreiber, Advocaten,
Ob ihre Werke ohne Lügenspur;
Der Schatten schon der Wahrheit würde Thaten,
Geschichte, Dichtung, Predigt nach der Schnur
Vernichten müssen – würd' sie nicht datirt
Von einer Zeit, eh' diese noch passirt.
38.
Gepriesen sei der Lügner und die Lüge!
Wem bin ich noch ein mürrischer Poet?
Ich sing' das Welt-Te Deum zur Genüge,
Werd' schamroth selbst für den, der's nicht versteht;
Doch seufzen ist umsonst, drum glätte deine Züge,
Küss' Hand und Fuß und – mehr der Majestät,
Folg' Erin's Beispiel, wenn durch solche List
Sein Kleeblatt auch etwas beschädigt ist! –
39.
Don Juan ward vorgestellt, und seine Miene
Und Uniform erregte Sensation,
Man wußte nicht, was Staunen mehr verdiene:
Ein großer Diamant roch nach dem Thron.
Ihn hatte, wie man bald erfuhr, Cath'rine
In einer Stunde trunkenster Passion
(Von Liebe oder Schnaps berauscht), geschenkt.
Er war verdient, wie sich wol Jeder denkt!
40.
Nicht die Minister nur und ihre Bande,
Für welche Höflichkeit erscheint als Pflicht,
Auch gegen morscher Könige Gesandte,
Bis ihrer Würde schöner Nimbus bricht;
Die Schreiber selbst, der Schmutz in jedem Stande,
Aus dem Verkauf nur und Bestechung spricht,
Erwiesen sich – zwar grob, doch nicht so sehr,
Daß sie verdient ihr reichliches Salair.
41.
Wer zweifelt noch, daß angestellt sie seien
Um grob zu sein? Dies ist ihr täglich Amt
In jenen Kriegs- und Friedenskanzelleien.
Fragt eure Freunde, fragt sie insgesammt,
Die wegen Paß und andrer Sudeleien
An sie zu wenden sahen sich verdammt,
Ob diese steuerfresserische Brut
Nicht immer wie ein Schooßhund kläfft voll Wuth.
42.
Doch Don Juan ward mit Empressement empfangen;
Ich muß von unsern Nachbarn dieses Wort
Der Höflichkeit mir leihn, weil Freud' und Bangen
Durch Einen Laut bezeichnet werden dort,
In Schrift und Sprache, denn wir Inselrangen
Sind, wie es scheint, 'ne derbre, gradre Sort',
Als die des Festlands, wie wenn durch das Meer
(Sieh' Billingsgate!) die Zunge freier wär'.
43.
Doch läßt sich unser »Gott verdamm's!« ertragen,
Die Festlandsflüche aber sind 'ne Schand';
Kein nobler Mund kann diese Dinge sagen,
Drum brech' ich ab von diesem Gegenstand.
Es hieß in's Antlitz alle Bildung schlagen,
Würd' nur ein einz'ger solcher Fluch genannt.
Doch: »Gott verdamm's!« ist geistreich, nur zu kühn,
Platonisch Lästern, wildes Seelenglühn.
44.
Wollt' offne Grobheit ihr, so bleibt zu Hause;
Um wahre oder falsche Höflichkeit
Müßt ihr durchschneiden blauer See Gebrause,
(Und neuerdings da fehlt sie weit und breit.)
Die erste ist das Sinnbild eurer Klause,
Das leere Brausen – fremde Artigkeit.
Doch schwatzen nicht mehr Allgemeines wir,
Die Einheit ziemt der Dichtung, drum auch mir.
45.
Don Juan ward in der Welt – das will hier sagen
Im West- (nicht besten) Ende jener Stadt,
Wo ungefähr Viertausend sich vertragen,
Wovon nicht Jeder Witz und Weisheit hat,
Doch die, wenn andre Menschen schlafen, tagen,
Das Volk bedauern als Aristokrat –
In dieser Welt ward er als Mann von Stand
Gut recipirt, wie sich von selbst verstand.
46.
Er war noch ledig, was von höchstem Werthe
Für Jungfrau'n, ja für Frauen oft sogar,
Da es der Erstern Ehehoffnung nährte,
Und wenn die zweite nicht ganz eisern war,
(Aus Stolz und Liebe) oft auch sie bekehrte.
Die Frau genirt den Eh'mann immerdar,
Heischt Schonung und verdoppelt manches Mal
Die Sünde, und was schlimmer, den Skandal.
47.
Don Juan war Baccalaureus der Herzen,
Der Künste, der Talente, tanzte, sang
Und konnte traurig sein und wieder scherzen,
Trug auch im Auge solchen süßen Drang,
Wie Mozart's Lieder, ohne dunkle Schmerzen.
Und ob er gleich hier wallte noch nicht lang,
Hatt' er die Welt gesehn, die anders ist,
Als sie beschreibt ein armer Publicist.
48.
Die Mädchen wurden roth vor ihm, die Frauen
Verlegten sich auf ein solider Roth;
Man kann sie Beide an der Themse schauen
Die Farben und Gefärbten. So bedroht'
Die Jugend und das Bleiweiß ihn mit Grauen,
Sie brachten manchen Biedermann in Noth.
Der Maid gefiel sein Rock, die Mutter frug,
Ob Brüder da, und was sein Gut ertrug.
49.
Die Putzverkäufer, welche »Stoffkleid-Damen«Dieser Ausdruck ist wol jetzt kein Geheimniß mehr. Für mich war er es beinahe, als ich im Jahre 1811 zum ersten Mal vom Orient nach der Heimat zurückkehrte, bedeutet ein hübsches, hochgeborenes, modisches, junges Mädchen, das von ihren Freunden gut instruirt und von der Putzmacherin mit einer Garderobe auf Borg ausgerüstet ist, welche letztere, sobald sie heirathet, vom Gemahl zu bezahlen ist. Das Räthsel wurde mir zuerst durch eine junge hübsche Erbin gelöst, als ich die Drapirung ihrer damals unberührten und hübschen Jungfräulichkeiten (wie Frau Anna Page sagt) rühmte, was jetzt einige Jahre her ist. Sie versicherte mich, die Sache sei in London ganz allgemein, und da ihre eigenen Tausende, ihre blühende Farbe und reiche Einfachheit des Costüms keinen Verdacht zuließen, so gestehe ich, daß ich der Angabe Glauben schenkte. Im Nothfall könnte ich Autoritäten anführen. Ich würde dann die Stoffe und die Trägerinnen nennen. Hoffen wir, daß es nicht mehr nöthig ist.
Ausrüsten, auf die einz'ge Hoffnung hin,
Daß diese bald in Honigmonats Rahmen
Sie zahlen von dem Bräutigamsgewinn,
Gehörten wahrlich auch nicht zu den Lahmen,
Als sie gesehn den flotten Paladin.
Sie gaben reichlichen Credit, so daß
Manch' Künft'ger fluchte, doch bezahlt' den Spaß.
50.
Die Blaustrumpfbande, die ob Liedern stöhnte,
Und der der Review letzte Lieferung
Im Kopf und selbst in ihrer Haube dröhnte,
Sie rückte vor in ihrem schönsten Schwung.
So schlecht ihr Spanisch und Französisch tönte,
So baten sie doch um Erläuterung,
Ob schöner russisch oder spanisch sei,
Und ob er kam an Ilium vorbei.
51.
Don Juan, der in den literar'schen Dingen
Noch nie gewesen ein gewalt'ger Held,
Er wußte kaum, wie sich hindurch zu schlingen,
Als ihn die Damen so in Ernst gestellt.
Er mußt' bisher zu große Opfer bringen
Auf militär'schem und der Liebe Feld,
Um auch zu trinken an dem Dichterquell,
Den er nun blau fand und nicht eben hell.
52.
Doch seine Antwort floß mit Selbstvertrauen
Und in bescheidner ruh'ger Sicherheit.
Dies stimmte sie, auf seinen Geist zu bauen
Und hoch zu halten jeglichen Bescheid.
Und Araminta Smith – ich schreib's mit Grauen –
Die übersetzte schon im Flügelkleid
Den Hercules furens ganz furienhaft,
Notirte jedes Wort mit Leidenschaft.
53.
Don Juan verstand der Sprachen mehr als eine
Und brachte das geschickt auf das Tapet,
Um sich zu schmücken mit gelehrtem Scheine;
Nur ward bedauert, daß er kein Poet.
Dies einzig fehlte, um im Lorbeerhaine
Ihm einen Platz zu sichern als Planet.
Lady Fitz Frisky und Miß Mävia Mansh
Sie träumten vom Besungensein auf span'sch.
54.
Er machte recht verständig seine Sachen
Und wurde eingeführt als Volontair
In allen Kreisen, die in Dichtkunst machen.
Hier schaute, wie in Banco's Spiegel, er
Zehntausend – und lebend'ge! – Dichterdrachen
– Das ist die Durchschnittsnummer ungefähr –
Und auch die achtzig größten durft' er sehn,
Die ja in jedem Magazine stehn.
55.
Der größte Dichter wird nach zehen Jahren,
Den rohen Kämpfern in dem Faustkampf gleich,
Hervorgerufen, um sein Recht zu wahren,
Das doch nur lebt in einem Mythenreich.
Auch ich – obgleich ich nichts davon erfahren,
Noch Schwan sein wollt' in diesem Gänseteich,
Galt eine Zeit lang, als Napoleon
Im Reich des Rhythmus, Reims und der Diction.
56.
Doch Don Juan war mein Moskau, und Faliero
Mein Leipzig, Waterloo kam mit Caïn.
Die Belle alliance vom Gimpel bis zur Zéro
Mag triumphiren, seit der Löwe hin.
Doch fallen will auch ich wie jener Hero':
Gar nicht regieren, wenn nicht Herr ich bin,
Und dann nach einer Kerker-Insel gehn,
Wo Southey mag als Löwe Schildwach' stehn.
57.
Vor mir herrscht' Scott und Campbell, Moore vor Allen,
Jetzt sind die Musen ein so frommer Chor,
Daß sie nach Zions heil'gem Hügel wallen,
Mit Dichtern, die halb oder ganz Pastor,
Und Pegasus tanzt, wie von Paß befallen,
Wenn unterm würdgen Rowley Powley, vor.
Mit Stelzen ach! beschlug das edle Thier
Der neue – alte Pistol wahrlich hier!
58.
Dann haben wir noch Euphues, den feinen,
Der gerne ein moralischer Byron wär';
Er wird das, denk' ich, nicht so leicht vereinen,
Moral wird ihm, und Byron gleich sehr schwer.
Daß Coleridge herrsche, wollen Ein'ge meinen,
Auch Wordsworth bringt zwei ganze Jünger her.
Und Savage Landor, dieser dumme Jan,
Hielt Southey's Gänsrich gar für einen Schwan.
59.
John Keats, den Ein Artikel todt geschlagen,
Gerade als was Großes er versprach,
War schon so weit in seinem edeln Wagen
Und ahmte so die alten Götter nach,
Daß man sie selber hörte schrein und klagen.
Der arme Mensch! wie ihn das Schicksal brach!
Daß doch ein Geist, der wie ein Schwärmer schwirrt,Divinæ particulum auræ.
Durch Einen Aufsatz ausgeblasen wird!
60.
Groß ist die Liste unsrer Prätendenten
Auf jenes Ding, das Keiner doch gewinnt,
Und keiner hört, wem sie die Krone spenden;
Denn eh' die Zeit des Urtheils einst beginnt,
Wächst schon das Gras hoch über Hirn und Lenden.
Ich prophezei', daß Keiner Seide spinnt.
Zu viele sind's, wie jene dreißig Herrn,
Als schon gesunken Roma's großer Stern.
61.
Dies ist des literar'schen Reichs Verfallen,
Wo Prätorianer nehmen's Heft zur Hand;
Ein schrecklich Leben, Schuften zu gefallen,
Dem Volk noch schön thun, wenn man es erkannt,
Und schwer empfindet seine Vampyrkrallen!
O wär' ich dort und recht beim Spottverstand,
Ich griffe an die Janitscharenbrut,
Um ihr zu zeigen, wie ein Geistkampf thut.
62.
Ich hätte ihnen schon was vorgesungen;
Was sie genirt, doch 's ist die Müh' nicht werth,
Sich abzugeben mit so dummen Jungen;
Bin auch mit Galle nicht genug genährt
Und von Natur nicht so von Ernst durchdrungen;
Mein stärkster Zorn sich bald in Lächeln kehrt;
Und meine Muse knixt und gleitet weg,
Man weiß ja wol, sie läßt es nur beim Schreck.
63.
Mein Don Juan, der bei lebenden Poeten
Und blauen Strümpfen schwebte in Gefahr,
Grub möglichste lang in diesen magern Beeten.
Doch als er es wie Mancher müde war,
Entfloh' er, eh' sie ihm den Kopf verdrehten.
Und trat in eine lustigere Schaar
Von höhern Geistern, mehr nach seiner Wahl
Als Phöbus wahrer Sohn, kein Dunst, ein Strahl!
64.
Den Morgen bracht' er hin mit Staatsgeschäften,
Was in geschäft'gem Nichtsthun meist bestand,
Das gleichwol nagte an des Jünglings Säften,
Wie einst des Nessus giftiges Gewand.
Man liegt auf Sopha's mit geknickten Kräften
Und jammert laut, wie eklich jedes Band
Und jede Müh', die nicht dem Lande gilt,
(Dem's drum nicht besser wird von diesem Bild).
65.
Den Nachmittag schlug Frühstück und Flaniren,
Nebst Boxen und Besuchen todt; sodann
Ritt er in jenen öden Baumrevieren,
Die Parks man nennt, wo keine Biene kann
An einer Blume satt sich erlustiren,
Den einz'gen Gärten, sagt ein Biedermann,
Wo eine Dame voll von Modeduft
Bekanntschaft macht mit Gottes frischer Luft.
66.
Dann Toilette, Tafel – dann Erwachen
Der Welt, es strahlen Lampen, fliegt das Rad
Pfeilschneller Wagen durch die Stadt, sie krachen
Wie Meteore hin; wie doch den Pfad
Im Haus die falschen Fresken glänzend machen!
Jetzt endlich fährt die Thüre auf mit Staat,
Und zeigt dem Glückskind, dem Fortuna hold,
Ein Erdenparadies von Malergold.
67.
Da steht die Wirthin, ohne je zu wanken
Und wenn sie auch dreitausend Mal sich neigt;
Dort kommt der Tanz, der einzig macht Gedanken,
Der Walzer, der stets liebenswerth sich zeigt!
Um Saal und Halle sich die Gäste ranken;
Lang hält, wer spät kam, eh' er aufwärts steigt,
Er drückt manch Gräfchen und manch schönes Kind,
Bis von der Treppe er 'nen Zoll gewinnt.
68.
Drei Mal beglückt, wer nach dem Ueberschauen
Der feinen Welt sich eine Eck' erringt
An einer Thür', wo sich die Fluten stauen
Und wo sich einzuschachteln ihm gelingt!
Sie ziehn vorbei des Babels Herrn und Frauen,
Indeß er traurig ernst die Arme schlingt,
Oft auch sich amüsirt und zärtlich girrt
Und etwas gähnet, wenn es später wird.
69.
Doch Solches läßt sich nach und nach erst finden,
Und wer wie Don Juan thät'gen Antheil nimmt,
Muß achtsam sich durch diese Brandung winden,
Wo mancher Schmuck, wo Perl' und Seide schwimmt,
Womit er meint, er müsse sich verbinden,
Indem er einem Walzer sich bestimmt,
Vielleicht auch gar geschickt dorthin lavirt,
Wo sich die Tour der Wissenden rangirt.
70.
Doch wenn er nicht tanzt, aber Pläne heget
Auf eine Erbin oder Nachbarsbraut,
So hüt' er sich. daß, was ihn still beweget,
Nicht vor der Zeit wird allbekannt und laut;
Schon Manchen reute, daß er zu erreget,
Die Ungeduld ist ein fatales Kraut
Bei einem Volk, das Ueberlegung ziert,
Und das mit Umsicht – den Verstand verliert.
71.
Stellt, wenn ihr könnt, euch dem Büffet zur Seite,
Kam Einer vorher, stellt euch vis-à-vis.
O ihr Momente dort, ihr benedeite!
Es schwebt doch hoch in jeder Phantasie
Der Geist der Freuden, dem er einst sich weihte,
Wir denken ihrer voll Melancholie.
Ach wie viel Hoffen, wie viel Fürchten bringt
Ein einz'ger Ball, zu dem man sich oft zwingt.
72.
Doch diese Winke gelten nur der Menge,
Die jagen, sorgen und sich hüten muß,
Die ein Wort mehr und wen'ger in's Gedränge
Mit ihren Plänen bringt – dem Publicus!
Doch nicht dem Glückskind, dem Gesicht, Gepränge,
Zumal wenn er noch neu für den Genuß,
Ein Name oder Ruf für Geist, Bravour –
Zu thun gestatten, was es wünschte nur.
73.
Auch unser Held, den Jugend, Schönheit zierte,
Der edel, reich, berühmt und Fremdling war,
Ward, wie so viele Sklaven, der Barbierte,
Eh' er entrann der Masse von Gefahr,
Die jeder Mann von Stellung hier riskirte.
Man spricht von Dichterei, Verschwendung gar,
Von Krankheit, Häßlichkeit, als Kreuz und Noth,
Man wisse erst, was solchen »Löwen« droht!
74.
Sie haben Jugend, die vorausgenossen,
Schönheit die hin, und Reichthum ohne Geld,
Nach allen Seiten ist die Kraft zerflossen;
Geld kommt vom Juden, dem das Gut verfällt,
In beiden Häusern stimmen sie zum Possen
Mit Plebs und Herrschern, wie es eben fällt,
Und nach Diner und Wahl, Gebuhl' und Spiel
Kommt in der Gruft der edle Lord zum Ziel.
75.
Wo ist die Welt? ruft Young mit achtzig Jahren,
Die Welt, in der ich einst geboren bin?
Wo ist die Welt mit ihren heil'gen Laren?
Sie war doch da, jetzt ist sie aus dem Sinn,
Wie Glas ist sie zerschmettert und zerfahren,
Kaum daß man sieht, wo ihre Schatten hin,
Staatsmann und König, Redner, Lump und Lord
Und Stutzer. Alle nahm der Wind mit fort!
76.
Wo ist der große Kaiser? Gott mag's wissen!
Wo Castlereagh der Kleine? Satan weiß's!
Wo hat es Grattan, Curran hingerissen
Und alle die den Häusern machten heiß?
Wo fand die arme Königin ein Kissen?
Wo ihre Tochter, theuer jedem Kreis?
Und wo sind denn die heil'gen Fünfprocent?
Und wo zum Teufel ist nun gar die Rent' ?
77.
Und Brummel? Futsch! Und Wellesley? Ohne Waden!
Und Whitbread, Romilly und Georg Drei?
Und wo sein Testament? (Könnt' ich's errathen!)
Wo Hansdampf Vier, der königliche Weih'?
Nach Schottland fort, um in dem Klang zu baden
Von Sawney's Geig' und ihrer Schmeichelei.
Sing hin, sing her! Sechs Monat dauert's schon,
Daß König juckt, daß kratzt der Hundesohn!
78.
Wo ist Lord dieser? wo Mylady jene?
Wo all die werthen Fräuleins und die Frau'n?
Meist abgelegt wie ihre alten Zähne!
Vermählt, »entmählt« und neuvermählt – o Grau'n!
Das ist ja eine oft gespielte Scene!
Wo Dublin's Jubelruf, London's Miau'n?
Wo sind die Grenville's! Weg wie immerdar!
Und meine Whigs? Am alten Fleck – was klar!
79.
Wo sind die Ladies Franz und Caroline?
Geschieden oder sonst wie im Skandal.
Wo seid ihr Bälle, Feld der Paladine?
Du Morning Post, der Mode Ideal
Und Zufluchtsort für Muster und Stramine?
Was für ein Wasser führet dein Kanal?
Die todt, die fort, die schmachtet in Paris,
Weil ihr die Zeit kaum Einen Sklaven ließ!
80.
Und die, um die sich Fürsten einst gerissen,
Stieg nun zum jüngern Bruder längst herab,
Die Erbin hat beim Gauner angebissen,
Die wurde Frau, die – Mutter, wie sich's gab,
Die läßt den frischen Feenblick vermissen,
Kurz Aenderung vom Ballsaal bis zum Grab,
Nicht wunderbar, doch was mich Wunder nahm,
Ist, wie so schnell der große Wechsel kam.
81.
Sprecht mir als Zeitraum nicht von sieb'zig Jahren,
In sieben sah ich so viel Aenderung
Vom König nieder bis zum Janitscharen,
Daß es für ein Jahrhundert wär' genung;
Ich wußte, daß wir dauernd nichts bewahren,
Doch solch ein Umschwung ist zu starker Schwung;
Nichts bleibt hienieden stät und unbeirrt,
Als daß ein Whig niemals Minister wird.
82.
Ich sah Napoleon, der Zeus geschienen,
Einschrumpfen zum Saturn, und einen Duc
Von hölzernen und abgeschmackten Mienen,
Noch hölzerner in seiner Politik.
Doch es ist Zeit, zu heizen die Maschinen
Und fortzudampfen auf ein neu gut Glück.
Ich sah den König erst geschmäht, gekos't
Sodann, ich weiß nicht was mich mehr erbos't.
83.
Ich sah die Pächter ohne Heller alle,
Ich sah Johanna Southlote, sah entehrt
Das Unterhaus als eine Steuerfalle,
Sah was die arme Königin beschwert,
Wie ein Congreß ausströmte seine Galle,
Sah Kronen einer Narrenkappe werth,
Und Völker, die – wie Esel überpackt –
Die Last (die höhern Klassen) abgesackt.
84.
Sah kleine Dichter, große Prosaisten
Und Sprecher endlos, doch unsterblich nicht,
Die Fonds im Kampf mit Juden und mit Christen,
Landjunker schrein, als ob der Feind sie sticht,
Das Volk zertreten von den Cavall'risten
Wie Meeressand, und doch kein Strafgericht,
Sah wie John Bull Bier tauschte gegen Thee
Und über sich im Stillen seufzt': o weh'!
85.
Doch Carpe diem, Don Juan! carpe, carpe!Carpe diem, quam minimum credula postero. – Hor.
Der Morgen sieht ein neues Schandgeschlecht
Von gleicher Dauer und gleich lust'ger Farbe,
Das Leben ist ein Schauspiel! Spielt nur recht
Ihr Lumpenvolk, verberget jede Narbe;
Seid strenge nur in Allem was ihr sprecht!
Verstellt euch, hütet euch! Nicht was ihr scheint,
Seid vielmehr' immer, was man von euch meint.
86.
Wie aber soll ich weiter nun erzählen,
Was unsern Helden in dem Lande traf,
Das uns von guten und von bösen Seelen
Als voll Moral verkündet wird und brav?
Doch still! man soll mich drum nicht schmählen,
Auch kann mich ja verstehen ein jedes Schaf.
Moralisch seid ihr nicht, ihr wißt es ja,
Auch wenn es euch kein Dichter legte nah'.
87.
Was Don Juan sah und was ihm hier geschehen,
Wird nun das Thema meiner Dichtung sein,
Ich will dabei subtil zu Werke gehen,
Auch präge man, daß es Gedicht, sich ein;
Von meinem Leben soll man nichts erspähen,
Ein Autor steht zwar oft im falschen Schein,
Als ob auf dies und das er spiele an;
Ich thu' das nie, ich zeige meinen Zahn.
88.
Ob er die dritte aus der zarten Heerde
Von einer klugen Gräfinmutter nahm,
Ob eine Jungfrau von noch größerm Werthe
(Ich meine drunter einen goldnen Rahm),
Um damit zu bevölkern unsre Erde
In würd'gem legitimen Ehekram,
Ob man ihn wegen kleiner Unthat fing,
Wenn er zu weit in der Verehrung ging –
89.
Das ruht noch bei den ungeles'nen Dingen! –
So zieh' denn hin, mein Lied! ich schütze dich
Auch gegen Reime, die gleich zahlreich klingen,
Denn du warst Ziel von so viel Hieb und Stich,
Als jemals du vermocht zu Stand zu bringen,
Die sagen: Weiß sei pechschwarz eigentlich.
Nur um so besser! Steh' ich auch allein,
Ich tausch' die Freiheit nicht für Kronen ein!