Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Es war noch nicht dunkel, als Tarzan seinen Stamm erreichte, obschon er sich dabei aufgehalten hatte, die Überreste des wilden Ebers, die er am vorhergehenden Tage versteckt hatte, auszugraben und zu verzehren, und auch um Kulongas Bogen und Pfeile von dem Baumgipfel herunterzuholen.
Tarzan war also reich beladen, als er sich an den Ästen mitten in Kerschaks Stamm herunterließ.
Mit geschwellter Brust erzählte er seine heldenmütigen Abenteuer und breitete seine Siegesbeute aus.
Kerschak knurrte und ging davon, denn er war neidisch auf dieses seltsame Mitglied seiner Bande. In seinem bösen Hirn suchte er nach einem Vorwand, seinen Haß an Tarzan auszulassen.
Am andern Tage, früh im Morgengrauen, übte Tarzan sich schon mit seinem Bogen und seinen Pfeilen. Anfänglich verlor er fast jeden Pfeil, den er abschoß, aber schließlich lernte er es, die kleinen Schäfte einigermaßen genau zu leiten.
Ehe ein Monat verging, war er ein ziemlich guter Schütze, aber durch seine Übungen hatte er schon fast alle seine Pfeile verloren.
Der Stamm fand noch immer genügend Nahrung auf der Jagd in der Nähe des Strandes, und so konnte Tarzan zwischen seinen Schießversuchen mit dem Bogen noch weitere Untersuchungen in dem kleinen, aber auserlesenen Büchervorrat seines Vaters anstellen.
Dabei fand er hinten in einem der Schränke ein metallenes Kästchen versteckt. Der Schlüssel steckte im Schloß, und so brauchte der junge englische Lord nur einige Versuche zu machen, bis es ihm gelang, das Kästchen zu öffnen.
Er fand darin ein verblichenes Bild eines jungen bartlosen Mannes, ein goldenes mit Diamanten besetztes Medaillon, das an einer kleinen goldenen Kette hing, ein paar Briefe und ein kleines Buch.
Tarzan betrachtete jeden Gegenstand genau.
Das Bild gefiel ihm am besten, denn die Augen waren freundlich und das Gesicht war offen und frei. Es war sein Vater.
Auch das Medaillon beschäftigte seine Phantasie, und er hing sich die Kette um den Hals, ähnlich dem Zierat, den er bei den Schwarzen gesehen hatte. Die glänzenden Sterne glitzerten seltsam auf seiner glatten braunen Haut.
Die Briefe konnte er kaum entziffern, denn er hatte wenig oder gar nichts Geschriebenes gelernt, und deshalb legte er sie mit dem Bilde in das Kästchen zurück und beschäftigte sich nur mit dem Buche.
Dieses war fast ganz mit einer feinen Schrift angefüllt, aber während die einzelnen Zeichen ihm alle bekannt waren, war ihm die Anordnung und die Zusammensetzung, in der sie vorkamen, fremd und ganz unverständlich.
Tarzan hatte schon lange den Gebrauch des Wörterbuchs kennen gelernt, aber in diesem schwierigen Fall erwies es sich zu seinem Leidwesen als ganz zwecklos. Nicht ein Wort von all dem, was in dem Buche geschrieben stand, konnte er finden, und so legte er dieses in das Metallkästchen zurück, aber er war entschlossen, später doch einmal das Geheimnis zu ergründen.
Der arme einsame Affenmensch! Hätte er nur gewußt, daß dieses Buch das Geheimnis seiner Herkunft enthielt und ihn über die Rätsel seines seltsamen Lebens hätte aufklären können.
Dieses Buch war nämlich das Tagebuch John Claytons, aber Lord Greystoke hatte es seiner Gewohnheit gemäß in französischer Sprache geschrieben.
Tarzan stellte das Kästchen in den Schrank zurück, und seither trug er immer in seinem Herzen das Bild der kräftigen, freundlichen Gesichtszüge seines Vaters, und er war auch fest entschlossen, das Geheimnis der fremden Worte in dem kleinen schwarzen Buch zu lösen.
Einstweilen hatte er aber Wichtigeres zu tun, denn sein Vorrat an Pfeilen war erschöpft, und er mußte nach dem Dorfe der Schwarzen reisen, um ihn zu erneuern.
Am nächsten Morgen zog er in aller Frühe aus, und da er den Weg schnell zurücklegte, kam er vor Mittag zu der Lichtung. Er nahm wieder seine Stellung auf dem großen Baume ein, und wie früher sah er die Frauen auf den Feldern und in der Dorfstraße und den Kessel mit kochendem Gift unmittelbar unter seinem Sitz.
Vier Stunden lang wartete er auf eine Gelegenheit, um ungesehen hinunterzusteigen und die Pfeile zusammenzuraffen, aber es ereignete sich nichts, was die Dorfbewohner von ihrer Heimstätte hätte fortziehen können. Der Tag rückte vor, und Tarzan hockte noch immer über der nichtsahnenden Frau am Kessel.
Jetzt kamen die Arbeiterinnen vom Felde zurück. Aus dem Walde erschienen die von der Jagd heimkehrenden Krieger, und als sie innerhalb der Umzäunung waren, wurde das Tor verschlossen und verriegelt.
Nun kamen viele Kochtöpfe im Dorfe zum Vorschein. Vor jeder Hütte hatte eine Frau die Aufsicht über einen Kochtopf, während in jeder Hand kleine Kuchen von Bananenmehl und Kassawa-Puddings zu sehen waren.
Plötzlich ertönte Freudengeschrei aus der Ecke der Lichtung.
Tarzan sah auf.
Es waren Jäger, die vom Norden her kamen und sich verspätet hatten. Sie führten zwischen sich ein sich sträubendes Tier, das sie halb führten, halb trugen.
Als sie sich dem Dorfe näherten, wurde das Tor aufgerissen, und sobald das Volk die Jagdbeute erblickte, erhob sich ein wilder Schrei gegen den Himmel, denn die Beute war ein Mensch!
Als der Gefangene noch immer widerstrebend in die Dorfstraße gezerrt wurde, drangen die Frauen mit Stöcken und Steinen auf ihn ein, so daß Tarzan, das junge wilde Wesen aus der Dschungel, sich über die Grausamkeit seiner eigenen Rasse wunderte.
Vom ganzen Dschungelvolk war es nur Sheeta, der Leopard, der seine Beute quälte. Alle andern Tiere gewährten ihren Opfern einen raschen, barmherzigen Tod.
Tarzan hatte aus seinen Büchern nur Bruchstücke von den Gebräuchen der menschlichen Wesen kennen gelernt.
Als er Kulonga durch den Wald gefolgt war, hatte er erwartet, allerlei von den Dingen zu sehen, die in seinen Bilderbüchern abgebildet waren. So hatte er geglaubt, in eine Stadt zu kommen, in der fremdartige Häuser auf Rädern ständen, eines davon mit einem riesigen Baum auf dem Dach, der schwarze Rauchwolken hinauspuffte, oder zu einem See, der mit mächtigen schwimmenden Gebäuden bedeckt war, die, wie er gelesen hatte, Schiffe, Boote oder Dampfer genannt wurden.
Er war deshalb enttäuscht über das ärmliche kleine Dorf der Schwarzen, das in seiner eigenen Dschungel versteckt lag und in dem nicht ein einziges Haus so groß war, wie seine eigene Hütte am fernen Strande.
Nun sah er, daß diese Leute noch böser waren als seine eigenen Affen und so wild und grausam wie Sabor selbst. Tarzan fing an, seine eigene Rasse nur sehr gering zu achten.
Jetzt hatten die Wilden ihr armes Opfer zu einem großen Pfahl nach der Mitte des Dorfes geschleppt, direkt vor der Hütte Mbongas, und hier bildete sich ein Kreis von heulenden Kriegern, die mit gezückten Messern und drohenden Speeren herumtanzten.
In einem weiteren Kreise hockten die Frauen, kreischend auf ihre Trommeln schlagend. Es erinnerte Tarzan an die Dum-Dum-Feier, und so wußte er, was kommen würde. Er war neugierig, ob sie über ihren Raub herfallen würden, solange der Mensch noch am Leben war. Die Affen taten das nicht. Der Kreis der Krieger zog sich immer enger um den sich krümmenden Gefangenen. Sie tanzten in wilder Ungebundenheit zu dem tollen Trommellärm. Jetzt stieß einer mit dem Speer in das Opfer, und das war das Zeichen für fünfzig andere, dem Beispiel zu folgen.
Frauen und Kinder schrien vor Entzücken. Die Krieger überboten einander an Wildheit und Grausamkeit, mit der sie den noch immer nicht bewußtlosen Gefangenen marterten.
Jetzt bot sich Tarzan eine günstige Gelegenheit, denn aller Augen waren auf das Schauspiel am Marterpfahl gerichtet.
Der Tag war einer dunklen, mondlosen Nacht gewichen, und nur die Feuer in der unmittelbaren Nähe der Orgie warfen noch ein flackerndes Licht auf die bewegte Szene.
Sachte ließ sich der geschmeidige junge Mann auf die weiche Erde am Ende der Dorfstraße herunter. Schnell sammelte er die Pfeile, diesmal alle, denn er hatte ein langes Seil mitgebracht, um sie in ein Bündel zusammenzubinden.
In aller Ruhe wickelte er sie fest zusammen; bevor er abzog, kam der Übermutsteufel über ihn. Er schaute umher, ob er diesen absonderlichen Geschöpfen nicht irgend einen Possen spielen könnte, damit sie sähen, daß er noch unter ihnen war. Sein Bündel mit den Pfeilen legte er an den Fuß des Baumes nieder. Dann schlich er im Schatten an der Seite der Straße weiter, bis er zu der Hütte kam, der er das erstemal einen Besuch abgestattet hatte.
Drinnen war alles dunkel, aber seine tastenden Hände fanden den gesuchten Gegenstand, und ohne Verzug wollte er zur Türe zurückkehren.
Er hatte jedoch erst einen Schritt gemacht, als sein scharfes Ohr Schritte vernahm, die sich von außen näherten. Im nächsten Augenblick verdunkelte eine Frauengestalt den Eingang der Hütte.
Tarzan drückte sich still an die Wand, und seine Hand suchte das lange, scharfe Messer seines Vaters. Die Frau war schnell bis in die Mitte der Hütte gegangen. Dann stand sie einen Augenblick still und suchte tastend nach einem Gegenstand. Er war offenbar nicht mehr an seinem Platze, denn sie suchte immer näher an der Wand, an der Tarzan stand.
Sie war jetzt so nahe, daß der Affenmensch die tierische Wärme ihres nackten Körpers fühlte. Schon hob er das Messer empor, aber im selben Augenblick wandte sich die Frau ab, und aus ihrer Kehle kam ein Ton wie »Ah«, der bewies, daß sie das Gesuchte gefunden hatte.
Gleich darauf verließ sie die Hütte, und als sie in der Türe war, sah Tarzan, daß sie einen Kochtopf in der Hand trug.
Gleich darauf ging auch er hinaus. Von der Türe aus sah er, daß alle Frauen des Dorfes aus den verschiedenen Hütten mit Töpfen und Kesseln herbeieilten, sie mit Wasser füllten und sie über eine Anzahl Feuer stellten, die in der Nähe des Marterpfahles brannten, an dem das Opfer jetzt leblos hing.
In einem Augenblick, wo niemand in der Nähe zu sein schien, eilte Tarzan zu seinem Pfeilbündel unter dem großen Baum am Ende der Dorfstraße. Wie das erstemal stürzte er den Giftkessel um, bevor er sich mit katzenartiger Gewandtheit auf die unteren Äste des Baumes schwang.
Schweigend kletterte er dann so hoch hinauf, bis er einen Punkt fand, von wo er durch eine Öffnung des Laubwerks die Szene unter sich beobachten konnte.
Die Frauen waren jetzt beschäftigt, den Getöteten für ihre Kochtöpfe vorzubereiten, während die Männer abseits standen und sich von ihren Strapazen erholten. Im Dorfe war es jetzt ziemlich still.
Tarzan hob das Ding empor, das er aus der Hütte mitgenommen hatte, und mit der Sicherheit, die er sich beim Werfen von Kokosnüssen und anderen Früchten angeeignet hatte, schleuderte er es mitten in die Gruppe der Wilden.
Es traf gerade einen Krieger auf den Kopf, so daß er zu Boden stürzte. Dann rollte es zwischen die Frauen und blieb vor dem Opfer liegen, das sie für ihr Festmahl zubereiteten.
Alle schrien vor Entsetzen auf, und im Nu rannten alle nach ihren Hütten.
Es war ein grinsender Menschenschädel, der aus dem Himmel herabgefallen war. Das war ein Wunder, das wohl imstande war, ihre abergläubische Furcht zu erregen.
Tarzan hatte sie durch diese neue Kundgebung eines unsichtbaren und unhörbaren Teufels, der in dem Walde um ihr Dorf lauerte, mit Schrecken erfüllt.
Als die Wilden später den umgekehrten Kessel erblickten und bemerkten, daß ihre Pfeile wieder geraubt worden waren, kamen sie auf den Gedanken, daß sie irgend einen großen Geist, der diesen Teil der Dschungel beherrschte, beleidigt hatten, weil sie ihr Dorf ohne seine Einwilligung an dieser Stelle erbauten. Von da an brachten sie ihm täglich zur Versöhnung ein Speiseopfer an den großen Baum, wo die Pfeile verschwunden waren.
Die Furcht war aber tief in sie eingedrungen, und Tarzan hatte, ohne es zu wissen, dadurch den Grund zu manchem zukünftigen schwerem Unheil für sich und seinen Stamm gelegt.
Diese Nacht schlief er nicht weit von dem Dorfe im Walde, und am nächsten Morgen brach er leise auf, um sich heimwärts zu begeben.
Unterwegs suchte er nach Nahrung, aber er fand nur einige Beeren und Insektenlarven, und er war halb ausgehungert, als er von einem Stück Holz, unter dem er gesucht hatte, aufschauend, Sabor, die Löwin, erblickte. Sie stand noch nicht zwanzig Schritte von ihm im Pfade.
Die großen gelben Augen waren mit einem unheilvollen Blicke auf ihn gerichtet, und die rote Zunge leckte die lüsternen Lippen, als Sabor sich duckte und ihren Bauch auf die Erde schmiegte.
Tarzan versuchte nicht, zu entkommen. Ihm war die Gelegenheit willkommen, denn er hatte schon die letzten Tage darnach gesucht, und er war jetzt nicht nur mit einem Strick aus Gräsern bewaffnet.
Ruhig nahm er seinen Bogen und schoß einen wohlgezielten Pfeil ab. Als Sabor aufsprang, traf das Geschoß sie mitten in der Luft. Im selben Augenblick sprang Tarzan auf die Seite, und als die große Katze wieder auf dem Boden landete, traf ein anderer Pfeil sie in die Lende.
Mit einem mächtigen Schrei ging das Tier wieder zum Angriff vor, und gleich darauf traf ein dritter Pfeil es in eins der Augen. Aber diesmal war es Tarzan so nahe, daß er vor ihm nicht mehr auf die Seite springen konnte. So geriet er unter den schweren Körper seines Feindes, aber er stieß mit seinem blinkenden Messer auf ihn ein. In den wenigen Augenblicken des Ringens sorgte Tarzan dafür, daß Sabor keinem Menschen und keinem Affen mehr etwas zu leide tun konnte.
Mit Mühe wand er sich unter der schweren Last heraus, und als er aufrecht stand und auf seine Siegesbeute herabsah, erfüllte ihn ein gewaltiges Frohlocken.
Von Stolz geschwellt setzte er einen Fuß auf die Leiche seiner mächtigen Feindin, und indem er seinen feinen, jungen Kopf zurückwarf, stimmte er ein gewaltiges Siegesgeheul an.
Der Wald hallte wider von dem wilden Triumphgeschrei. Die Vögel verstummten und die größeren Raubtiere schlichen still davon, denn in der ganzen Dschungel waren nur wenige, die es auf einen Kampf mit einem großen Menschenaffen ankommen lassen mochten.
In London aber sprach ein anderer Lord Greystoke zu Menschen seiner Art, doch niemand zitterte beim Klange seiner sanften Stimme.
Sabor war selbst für Tarzan kein saftiges Essen, aber bei dem Hunger, den er hatte, schmeckte ihm das zähe Fleisch doch. Er zog das Fell ab, denn dieses hatte ihn ja hauptsächlich dazu veranlaßt, die Löwin zu erlegen.
Schnell hatte er den großen Pelz abgezogen, da er sich oft an kleineren Tieren darin geübt hatte. Als er seine Arbeit beendet hatte, trug er seine Trophäe auf einen hohen Baum, dort legte er sich mit wohlgefülltem Magen in eine Gabelung und fiel bald in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Infolge seiner Anstrengungen schlief Tarzan so fest, daß er erst am nächsten Mittag erwachte. Sofort begab er sich zu den Überresten Labors zurück, fand aber zu seinem Erstaunen nur mehr die Knochen übrig, denn andere Bewohner der Dschungel hatten bereits alles Fleisch abgenagt.
Ein halbe Stunde lang ging er gemütlich durch den Wald, als ihm ein junges Wild zu Gesicht kam. Noch ehe das Tier wußte, daß ein Feind in der Nähe sei, war es von einem kleinen Pfeil im Nacken getroffen.
Das Gift wirkte so schnell, daß das Tier, bevor es noch ein Dutzend Sprünge gemacht hatte, kopfüber tot ins Unterholz fiel. Tarzan ah nun noch einmal, aber diesmal legte er sich nicht wieder zum Schlafe nieder.
Er ging vielmehr sofort nach der Stelle, wo sich sein Stamm aufhielt, und dort breitete er das Fell Sabors, der Löwin, stolz vor seinen Genossen aus.
Seht! rief er ihnen zu, Affen Kerschaks, seht, was Tarzan, der mächtige Kämpfer getan hat! Wer von euch hat jemals einen von Numas Stamm erschlagen? Tarzan ist der mächtigste unter euch, denn Tarzan ist kein Affe. Tarzan ist – Doch hier stockte er, denn in der Sprache der Menschenaffen gibt es kein Wort für Mensch, und Tarzan konnte das Wort bloß auf englisch schreiben, aber er konnte es nicht aussprechen.
Der Stamm hatte sich um ihn versammelt, um den Beweis seiner wunderbaren Macht zu betrachten und seinen Worten zuzuhören.
Nur Kerschak hielt sich zurück, denn er war voll Haß und voll Wut.
Plötzlich aber schoß ein Gedanke durch das böse kleine Hirn des Menschenaffen. Mit einem fürchterlichen Gebrüll sprang er mitten unter die Versammlung.
Beißend und mit seinen riesigen Händen schlagend, tötete oder verstümmelte er ein Dutzend von ihnen, ehe sie noch, wie die übrigen, sich auf die Baumwipfel hatten flüchten können.
In seiner tollen Wut schäumend und schreiend, sah er sich nach dem um, den er am meisten haßte, als er ihn auf einem nahen Aste erblickte.
Komm herunter, Tarzan, großer Held, rief Kerschak ihm zu. Komm herunter, und du wirst die Fänge eines Größeren verspüren! Fliehen mächtige Kämpfer, wenn ihnen eine Gefahr naht? Und dann stimmte Kerschak sein herausforderndes Gebrüll an.
Ruhig ließ Tarzan sich herunter auf den Boden. Atemlos schaute der Stamm aus seiner luftigen Höhe hinunter, als Kerschak, noch immer brüllend, auf die verhältnismäßig schwache Gestalt zum Angriff schritt.
Kerschak war fast sieben Fuß hoch. Seine ungeheuren Schultern hatten riesige Muskeln. Sein kurzer Nacken war eine einzige Masse eiserner Sehnen, die unter seinem Schädel hervortrat, so daß sein Kopf wie ein kleiner Ball aussah, der aus einem hohen Fleischberg hervorragte.
Seine zurückgeworfenen mürrischen Lippen ließen seine großen Fangzähne sehen, und seine kleinen, blutrünstigen Augen glühten vor Wut.
Tarzan erwartete ihn. Er war selbst ein gewaltiges, muskulöses Tier, aber seine Höhe von sechs Fuß und seine starken Sehnen schienen doch einem Kampfe gegen einen so riesigen Affen nicht gewachsen zu sein.
Sein Bogen und seine Pfeile lagen in einiger Entfernung, wo er sie hingelegt hatte, während er seinen Kameraden Sabors Fell zeigte, so daß er Kerschak nur mit seinem Jagdmesser und seinem überlegenen Verstände gegenübertreten konnte.
Als sein Feind brüllend auf ihn zukam, zog Lord Greystoke sein langes Messer aus der Scheide, und mit demselben herausfordernden Brüllen wie der Affe es ausgestoßen hatte, stürzte er schnell vor, um dem Angriff zu begegnen. Er war zu klug, sich von den langen, haarigen Armen seines Feindes umfangen zu lassen, und gerade als ihre Körper beinahe zusammenstießen, erfaßte Tarzan eines der Handgelenke des Affen, und etwas auf die Seite springend, stieß er ihm sein Messer bis zum Heft ins Herz.
Ehe er aber die Klinge wieder herausziehen konnte, hatte der Affe durch eine plötzliche Bewegung ihm die Faust von der Waffe gerissen.
Kerschak richtete mit der flachen Hand gegen Tarzans Kopf einen so fürchterlichen Schlag, daß er ihn sicher zerschmettert hätte, wenn die Pranke ihr Ziel getroffen hätte.
Tarzan war jedoch zu flink, und indem er auswich, führte er mit der Faust einen mächtigen Schlag auf Kerschaks Magengrube.
Der Affe schwankte, und mit der tödlichen Wunde wäre er fast zusammengebrochen, als er mit einer gewaltigen Anstrengung seine Kräfte zusammennahm, seinen Arm von Tarzans Griff freimachte und seinen zähen Gegner packte.
Indem er ihn an sich heranzog, suchte er ihn in den Hals zu beißen, aber bevor seine grausamen Fänge in die glatte, braune Haut eindringen konnten, hatte der junge Lord mit seinen sehnigen Fingern ihn an der Gurgel gepackt.
So rangen sie mit einander, indem der Affe seinen Gegner mit seinen schrecklichen Zähnen vernichten wollte, während Tarzan dem Affen die Luftröhre zuzudrücken suchte.
Die größeren Kräfte des Affen erlangten allmählich die Oberhand, und die Zähne des wilden Tieres waren kaum noch einen Zoll von Tarzans Gurgel, als der schwere Körper zusammenzuckte und dann schlaff zu Boden fiel.
Kerschak war tot!
Tarzan zog das Messer heraus, mit dem er schon so oft einen mächtigen Feind überwunden hatte; dann setzte er den Fuß auf den Nacken seines besiegten Gegners, und wieder einmal erscholl der wilde Schrei des Siegers durch den Wald.
So wurde der junge Lord Greystoke der König der Affen.