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Unser Thema werden Staat, Religion und Kultur in ihrem gegenseitigen Verhältnisse sein. Hierbei sind wir uns der Willkür unserer Trennung in diese drei Potenzen wohl bewußt. Es ist, als nähme man aus einem Bilde eine Anzahl von Figuren heraus und ließe den Rest stehen. Auch soll die Trennung bloß dazu dienen, uns eine Anschauung zu ermöglichen, und ohnehin muß ja freilich jede fachweise trennende Geschichtsbetrachtung so verfahren (wobei die Fachforschung jedesmal ihr Fach für das wesentlichste hält).
Die drei Potenzen sind unter sich höchst heterogen und nicht koordinierbar, und ließe man auch die beiden stabilen: Staat und Religion, in einer Reihe gehen, so wäre doch die Kultur etwas wesentlich anderes.
Staat und Religion, die der Ausdruck des politischen und des metaphysischen Bedürfnisses sind, beanspruchen wenigstens für das betreffende Volk, ja für die Welt, die universale Geltung.
Die dem materiellen und dem geistigen Bedürfnis im engeren Sinn entsprechende Kultur aber ist für uns hier: der Inbegriff alles dessen, was zur Förderung des materiellen und als Ausdruck des geistig-sittlichen Lebens spontan zustande gekommen ist, alle Geselligkeit, alle Techniken, Künste, Dichtungen und Wissenschaften. Sie ist die Welt des Beweglichen, Freien, nicht notwendig Universalen, desjenigen, was keine Zwangsgeltung in Anspruch nimmt.
Eine unnütze Prioritätsfrage könnte zwischen den dreien aufgeworfen werden; wir sind hier davon wie von aller Spekulation über die Anfänge dispensiert.
Unser Hauptgegenstand wird zunächst ihre kurze Charakteristik und alsdann die Erörterung ihrer gegenseitigen Einwirkung aufeinander sein.
Bisweilen scheinen sie sogar in der Funktion abzuwechseln; es gibt vorzugsweise politische und vorzugsweise religiöse Zeiten oder wenigstens Momente und endlich Zeiten, die vorzugsweise den großen Kulturzwecken zu leben scheinen. Ferner wechselt ihr Bedingen und Bedingtsein oft in raschem Umschlag; oft täuscht sich der Blick noch lange darüber, welche die aktive und welche die passive ist.
Und jedenfalls existiert in Zeiten hoher Kultur immer alles auf allen Stufen des Bedingens und der Bedingtheit gleichzeitig, zumal wenn das Erbe vieler Epochen schichtweise übereinander liegt.