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2. Februar 1886.
Akademischer Vortrag, gehalten in der Aula des Museums. Manuskript, 17 Quartblätter, im Jac. Burckhardt-Archiv Nr. 171. S. 312 bis 319 haben teilweise starke stilistische Ergänzungen nötig gemacht.
Aufmerksam wird man heute auf das Format von Bildern und Kupferstichen beinahe nur, wenn es sich beim Schmuck einer Wand um Pendants handelt. Zu beiden Seiten einer Tür oder einer Uhr oder eines Spiegels oder eines größern Bildes und dergleichen wünscht man Bilder zu haben, welche vor allem in der Größe ungefähr gleich und im Format der Bildfläche einander wenigstens ähnlich seien; solche bringt man dann in identische Rahmen. Hochbild gesellt sich zu Hochbild, Breitbild zu Breitbild von möglichster Homogeneität. Kupferstecher und Verleger haben sich nicht selten auf diesen Wunsch eingerichtet und dabei den Originalen ungescheute Gewalt angetan.
Rafael Morghen gab zunächst dem Cenacolo einen beliebigen Gesamtumriß und stimmte hernach das Pendant dazu: Guidos Aurora, durch Zusatz von Wolken oben und unten. Und dies in einer faden Kunstzeit. Weitere Veränderungen werden sogar im Kontour der Bilder selbst vorgenommen – wo doch auch der Kontour heilig sein sollte –, ohne Zweifel, damit sie mit einem andern Stich Pendant machen: so gibt es eine Lithographie oder einen Stich des Sposalizio, welche das obere Halbrund durch einen geraden Abschluß ersetzen! Man kommt bei den berühmtesten Kupferstechern auf die größten Rücksichtslosigkeiten, ja auf eine wahre Gleichgültigkeit gegen Format und Gesamtumfang der Bilder. Besonders sind ihnen die ungewohnten Formate der Fresken verhaßt, und sie ziehen obere Bogenabschlüsse gern ins Viereck, auch bei Staffeleibildern.
Solchen Freiheiten wird hoffentlich die Verbreitung der Photographie ein ewiges Ende machen. Aber auch die gewöhnliche Photographie stiftet noch Unheil: Oft ist sie gegen die Ränder der Bilder hin nicht gut, etwa zu dunkel geraten, und man schneidet dies ab. Oft ist ihr eigener Rand verletzt, man schneidet ihn ab. Oft ist sie nach Stichen gemacht, deren Willkürlichkeiten sie ohne weiteres teilt. Sicher ist die Integrität des Bildes nur, wenn die Photographie den Ansatz des Rahmens, respektive der Einfassung mit enthält.
Wie groß ist die Formatfrage? Von wie hoch und weit kommt sie her?
Im großen, nämlich in der ganzen monumentalen Kunst, schreibt die Architektur sie vor durch die Wandflächen, Lunetten, Kuppeln, Gewölbe und Giebel. Eines der stärksten Gebote, das sie je gegen eine ihrer sogenannten Schwesterkünste hat ausgehen lassen, war, daß die Skulptur den griechischen Tempelgiebel mit Gruppen hat ausfüllen müssen, welche von sich aus nie auf dies Format geraten wäre. Dennoch aber hat sie darin das Herrlichste geleistet, was wir besitzen. Die Metopen des dorischen Frieses, annähernd das Quadrat, bildeten Format für Malerei, dann für darstellendes oder erzählendes Relief. Dann entwickelte der fortlaufende Fries, vielleicht einst mit beliebigen Erzählungen in Malerei oder Skulptur ausgefüllt, in der Folge die höchsten und bleibenden Idealgesetze des Reliefes vorwiegend in Kampfdarstellungen. Es würde später auch kein pergamenischer Altarfries entstanden sein, wenn nicht der Tempelfries zuvor die Gattung festgestellt hätte. Die große Nische des römischen Tempels ist zwar kein Format an sich, aber sie verlangt von dem Skulpturwerk, daß seine Dimension und Proportion mit ihr in Einklang stehe. Sie bildete mit demselben ohne Zweifel ein ideales Ganzes Randbemerkung: dazu die außerordentliche Freiheit der Formate an den Gewölben.. In ähnlicher Weise traten die Tabernakel oder Aediculae Bemerkung B.'s: schon die in der griechischen Kunst, s. die pergamenischen in Berlin. in bestimmte Beziehung zu den darin aufzustellenden Bildwerken Bemerkung B.'s: Wohl existierte daneben im Altertum eine reiche Skulptur für völlig isoliert aufgestellte einzelne Gestalten im Freien – und für Gruppen im Freien, auf gerade oder halbrund laufenden Postamenten – dergleichen in der neuern Welt nie wieder vorgekommen ist. – Die heutige freie Denkmalstatue wünscht womöglich doch einen symmetrischen, baulichen Hintergrund..
Die Herrschaft über die Formate in der altchristlichen, byzantinischen, romanischen Baukunst ist eine absolute, mit kaum bemerkbarer Rücksicht auf die besondern Wünschbarkeiten der Skulptur und Malerei, und nicht nur die Baukunst herrscht, sondern das Sachliche über das Formale, das Was über das Wie. Es genügt, hiefür die gewaltsam gestreckten Statuen in der Einwärtsschrägung der romanischen Portale namhaft zu machen. Ferner wurden die Felder jeder Art von Wölbungen der Malerei oft sehr rücksichtslos als Format auferlegt. Das einzig günstige und für die Kunst folgenreiche Format ist hier die Lunette, erst ein volles oder gedrücktes Halbrund, später der Spitzbogen. In der Gotik ist das Wichtigste der Tabernakel als Gehäuse einer Statue, ein starkes Hochformat, das eine starke Betonung alles Vertikalen nach sich zieht. Die Skulpturen in den Giebeln müssen sich nach deren Steilform richten, wie etwa die schöne Marienkrönung im Freiburger Portalgiebel. Die Portale erzwingen eine starke Sachknechtschaft in den historiierten und Weltgerichtslunetten und in den Figurinen und Gruppen der Hohlkehlen; es sei an die edle und einfache Lunette von Marburg erinnert, da vor Reben- und Rosenranken Maria und zwei kniende Engel sich befinden, ein Werk von einem nur mäßigen Meister, aber von großer Formatschönheit Randbemerkung: Straßburger Münster: Urteil Salomos, in vier Abteilungen, je eine Figur: Salomo, gute Mutter, Henker mit Kind, böse Mutter.. Hart war auch das Gebot für die gemalten Glasfenster des echten Stiles: das Stabwerk; hier konnte das Erzählende, weil es schon nicht fehlen durfte, in Medaillons gegeben werden; die künstlerisch berechtigte Aufgabe erlaubte aber nur Einzelfiguren unter Baldachinen.
Ganz anders die Renaissance! Sie ist, abgesehen von ihren Formen, die Architektur der Verhältnisse, der schön wirkenden Einteilung von kubischen Maßen und von Flächen jeder Art, und hier finden sich nun von selbst Formate, in welchen sich Skulptur und Malerei wohl fühlen, schon weil auch Rücksicht auf sie genommen wird. Sie bot vor allem Breitwände und Hochwände für Fresken, einen Bogenabschluß in allen gewölbten Räumen; indem der Maßstab der Gestalten wächst und die Komposition sich vereinfacht, erhält die Anordnung im Raum auch die höchste Wirksamkeit und Schönheit. Dazu kommt eine Gewölbe- und Kuppelmalerei, welche zuerst in strenger Einteilung, in Michelangelos Gewölbefresken der sixtinischen Kapelle, in Rafaels Sälen, dann endlich in einheitlichem idealem Empyreum, in Correggios Domkuppel zu Parma das Allerhöchste geleistet hat Bemerkung B.'s: Das Pendentif und seine Bedeutung..
Freilich tritt dann bald in der Gewölbemalerei Verwilderung ein, von Seite der Künstler durch rasches Extemporieren, von Seite der Besteller durch sachlich ungehörigen Inhalt; die Formate werden gebogen und gekrümmt; dann kommt die beliebige Verwendung der Cartouchen, welche, plastisch oder gemalt, eine Fülle besserer oder schlechterer Improvisationen enthalten. Vollends herrschen dann im Barockstil die völlige Willkür des Formates und die geschwungenen Ränder alles Einrahmenden vor.
Die neuere Kunst hat dann die Schönheit der strengern Einteilung und deren Stimmung zu einem weise abgestuften idealen Inhalt wieder gefunden; man denke an die Säle von Cornelius in der Glyptothek; dies günstige Urteil gilt von den Hauptbildern bis zu den Zwickelformaten.
Bis hieher sind nur die Baukunst und Skulptur in ihrem Wechselverhältnis behandelt worden, und schon dieses ist reichlich genügend, um zu beweisen, was die an einem Gebäude der Skulptur und Malerei gegebene Stelle und das untrennbar mitgegebene Format bedeuten kann. Die bildende Kunst aber hat offenbar Ursache, ein solches Gegebenes im ganzen dringend zu wünschen, sonst hätte sie sich gelegentlich nicht in ein so hartes Anerbieten, wie zum Beispiel das der griechischen Giebelgruppen, mit solcher Hingebung gefügt. Dies Gegebene ist vor allem eine Begrenzung, ein Abschluß; es sichert die Kunst vor dem Zerfließen ins Endlose. Das Format ist die Abgrenzung des Schönen gegen den ganzen übrigen Raum.
Das Format im allgemeinen aber kann sein: einmal ein durch die Architektur gegebenes, dann ein frei gewähltes, so bei den meisten transportabeln Gemälden; eine Mitte halten schließlich etwa manche Altargemälde, bei welchen etwa die Breite gegeben, die Höhenrichtung eher frei war.
Das Format ist nicht das Kunstwerk, aber eine Lebensbedingung desselben, viel mehr bedingend als der Maßstab, welcher zum Beispiel in der Abbildung sehr starke Reduktion zuläßt, wobei dennoch das Kunstwerk noch zu einem hohen Grade der Wirkung kommt. Völliger Ruchlosigkeit bedurfte es da, um Bilder zu beschneiden, damit sie in Galerien symmetrisch mit andern figurierten; man erinnere sich an die Missetaten der Wiener Stallburg
Bemerkung B.'s: Die Stallburg: Engerth, Gemälde etc. p. XLVII: Im Auftrag Carls VI. 1720-1728 durch Graf Althann und Inspektor Bertoli elf Zimmer resp. Säle, die Räume »gewölbt und klein«, der Stallburg zur kaiserlichen Galerie eingerichtet. Die Säle erhielten Holzgetäfel und Goldverzierungen, die Bilder gleiche, reich geschnitzte Rahmen, schwarz mit Gold. Die Bilder der Dekoration des Ganzen untergeordnet; über den Türen womöglich Ovale, und somit quadratische Porträts von Tizian, Van Dyck etc. zu Ovalen beschnitten. Dagegen schmal beschnitten, weil für schmale Pfeiler, wurden alle Porträts von Tintoretto. An den schmälsten Pfeilern Festons von lauter kleinen Porträts in ovalen Rahmen, daher »viereckige kleine Bilder zu Achtecken umgewandelt« (ob für diese ovale Rahmen?). – Bei der Uebertragung ins Belvedere ersetzte man an vielen Bildern das Abgeschnittene. »Glücklicher Weise« war in den meisten Fällen nur vom Hintergrund abgenommen worden.
(Ich fürchte, Engerth verschweigt die Hauptgreuel, nämlich die Verstümmelung großer Bilder zum Zweck der Symmetrie!) und an den großen vatikanischen Tizian!
Der Meister empfindet seine Malerei einheitlich mit ihrer Begrenzung und in strengstem Bezug zu derselben; er allein hat die Ränder anzugeben. Man soll daher auch dem Rahmenmacher nicht die mindeste Vollmacht lassen, über das Bild hinein zu greifen Bemerkung B.'s: Die sehr wichtige Rahmenfrage hier zu übergehen..
Vorerst sei die Rede vom Format beim Porträt. Als einzelne Teilfigur kommen in Betracht das Brustbild, die Halbfigur mit Händen und das stehende oder sitzende Kniestück. Nach dem Inhalt hat man zu unterscheiden das einfache Porträt, die Idealfigur, die Genrefigur, auch zahlreiche heilige Gestalten.
Diese Porträts und Figuren bringen eine verschiedenartige Umgebung mit sich: eine Landschaft, eine bauliche Ansicht, das Innere eines Zimmers oder sonstigen Raumes; vorherrschend aber ist ein neutraler Ton, der als Luft oder als Wand verstanden sein kann.
Von hoher Wichtigkeit erscheint das Verhältnis von Format und Umfang; die Wirkung des herrlichsten Kopfes kann verdorben werden, wenn von diesem scheinbar gleichgültigen Raum oben eine Handbreit abgeschnitten wird, und ebenso, wenn man beide Seiten oder gar nur eine davon beschneidet. Im Belvedere in Wien sind mehrere der herrlichen Venezianerinnen des Palma vecchio und Tizian damit stark beeinträchtigt worden, abgesehen von ihren Uebermalungen; sie sind jetzt doppelte Ruinen.
Gerade die einzelne Teilfigur ist für die Formatfrage besonders lehrreich. Bei der Wenigkeit der Formen und der Lichtakzente ist deren richtiges, vom Künstler bestimmtes Verhältnis zur Gesamtfläche um so wesentlicher. Selbst Maler, welche sonst es mit dem Format weniger genau nehmen, wie zum Beispiel Rembrandt, sind hier strenger; sein wunderbarstes Selbstporträt, das der National Galery, hat ein Verhältnis zum Umfang, welches wie auf der Goldwage abgewogen scheint.
Leider sind gerade Porträts nur zu oft oben, unten oder auch an den Seiten gekürzt worden, damit sie in einer Reihe mit andern Porträts symmetrisch seien, »hineinpassen«.
Italiener des XV., Deutsche des beginnenden XVI. Jahrhunderts begrenzten ihre Halbfiguren, sowohl Porträts als Madonnen und Heilige, gerne vorn durch eine Steinbank. Spätere Besitzer haben etwa ein Stück davon weggesägt, spätere Stecher Teile davon weggelassen. Und doch war dieser steinfarbene untere Rand nicht umsonst im Bilde und half dessen wesentliches Format bestimmen und wirkte auch in der Farbe als steinfarbene Fläche. Und der Maler hatte doch gewußt, was er tat.
Völlig klar wird dann das Verhältnis der einzelnen Teilfigur zu ihrem Format in denjenigen Madonnen Rafaels, welche Teilfiguren sind; das mäßige Oblongum-Hochformat bildet mit der Darstellung ein absolut-harmonisches Ganzes, und wo irgend dieser Wohllaut nicht völlig vorhanden wäre, dürfte man schließen, daß das Format durch nachherige Verstümmelung oder durch Uebergreifen des Rahmens oder durch Willkür des Stechers Nachteil gelitten habe Randbemerkung: Es ist kaum einem Stich zu trauen und einer Photographie nur dann, wenn sie den Rahmen noch mit enthält.. Als solche Teilfiguren sind zu nennen die Madonna di casa Tempi, die Madonna des Lord Cowper, die Vierge d'Orléans, die Madonna del Granduca, die Madonna di Casa Colonna Galerie-Zitat: Berlin., die Madonna del velo Galerie-Zitat: München Pinakothek und Galerie von Turin., und schließlich schon die eine der beiden frühern Berliner Madonnen.
Von Rafaels Porträts ist hier nebst dem der Johanna von Aragonien nur das Kniestück Julius II. zu erwähnen, das ewige Vorbild aller Kniestücke im Verhältnis zum Format Bemerkungen B.'s: Hat der Geigenspieler Sciarra seinen echten Umriß?.
Gehen wir zum Verhältnis von Format und erzählender Malerei über, so ist hier anscheinend ein verschiedenes Verhalten der mehr idealen, auf Komposition und Zeichnung beruhenden und der mehr realistischen und koloristischen Kunst festzustellen. Für erstere sind Rahmen und Format eine Begrenzung, welche mit den Linien der Komposition ein strenges, feierliches Ganzes bildet; für letztere ist der Rahmen gleichsam eine Oeffnung der Wand, durch welche man einen wirklichen, oft glühend beleuchteten und höchst momentanen Vorgang erblicken soll Randbemerkung: Z. B. Tizian, Bacchanal der National Gallery.. Hier hat das Format sich mehr nur im allgemeinen Durch ein eingefügtes Fragezeichen stellt B. die Allgemeingültigkeit seines Satzes in Frage und bemerkt am Rande: Auch Licht- und Farbenaccente verlangen doch sehr den Einklang mit Format und Raum. nach der Wünschbarkeit zu richten, welche der Vorgang mit sich bringt; es darf nicht widersinnig sein. Immerhin ist Rubens unter andern noch sehr empfindlich für das Format.
Oft ist jedoch eine vorgeschriebene Aufgabe in einen schweren Widerspruch getreten mit einem ebenfalls von außen vorgeschriebenen Format. Das sind vor allem Fälle, da die Besteller oder ein feststehender Usus die Schuld tragen. Zum Beispiel war eine Reihe von Ereignissen, welche zusammen einen Zyklus bilden und in einer Reihe von völlig gleichen Flächen, wie an den Wänden oder in den Lunetten eines Klosterkreuzganges, dargestellt werden mußten, nur höchst ungleich für das sich identisch wiederholende Format geeignet Randbemerkung: Hieher überhaupt die Gefahr des Cyclenmalens..
In Venedig, wo man das Fresko vermied, trat eine Breitbildmalerei auf Tuchflächen an dessen Stelle, welche über der geschnitzten Vertäfelung der Wände hinläuft. Sie ist dem Thema bisweilen höchst ungünstig oder nötigt dasselbe doch zu einer Anordnung, neben welcher sich eine größere, ergreifendere denken ließe. Lange, friesartige Historien passen ohnehin eher in einen idealen, als in einen realistischen Stil und in koloristische Voraussetzungen. So lassen die Andachtsbilder der Dogen im Palazzo ducale mehrfach himmlische Erscheinungen bis nahe an die Erde rücken.
In solchen Fällen der Disharmonie, an welchen ja der Künstler nicht schuld war, wird man oft noch genug zu bewundern finden, wenn der Meister ein großer Meister ist, sowohl im einzelnen, als auch in der Geschicklichkeit, womit er die Disharmonie weniger fühlbar macht und ein malerisches Ganzes schafft. Tizians Fides mit dem Dogen Grimani hat auch diese Schwierigkeit genial überwunden.
Die genannten Fälle sind solche, da wenigstens zur Entwicklung einer Historie noch immer Raum genug übrig zu bleiben pflegt nach der Breite hin. Tiefer zu beklagen ist die Einzwängung eines figurenreichen, oft sehr wichtigen Vorganges in ein schmales Hochformat, wie es der nordische Altar des XV. und beginnenden XVI. Jahrhunderts mit sich bringt; die Mitte des Altares nimmt vorherrschend ein Schrein mit geschnitzten Statuen oder Gruppen ein; er ist verschließbar mit Flügeln, welche innen und außen bemalt sind.
Gegeben war eigentlich für solche schmale Hochtafeln die Einzelgestalt oder etwa Gruppen von zwei Gestalten. Aber sehr häufig wurden heilige Ereignisse verlangt. War das Format noch irgend erträglich, so erreichte ein Hans Baldung in solchen Schmaltafeln noch immer Darstellungen, wie die Heimsuchung und die Flucht nach Aegypten des Freiburger Hochaltars, und Holbein Lösungen, wie die Geburt und die Anbetung der Könige in der Universitätskapelle daselbst.
Bei figurenreichen Darstellungen aber bot sich dann als nächste Auskunft die Zweiteilung der Tafel in ein oberes und ein unteres Ereignis, die einander in der malerischen Wirkung Eintrag tun.
Und nun hat es geschehen müssen, daß (für einen wahrscheinlichen Altar unserer Rathauskapelle) Holbein auf ganz besonders schmalen Tafeln acht Szenen der Passion, je zwei über einander, hat zu malen bekommen Bemerkung B.'s: Was wir jetzt vor uns haben, sind die Außenseiten von Flügeln eines Schreines, ohne Zweifel von Innenflügeln.. Neben allen hohen und einzigen Eigenschaften des Werkes wird man bewundern dürfen, wie er die Schwierigkeiten des Formates umgeht und dem Blick einen weitern Raum vorzaubert, als der vorhandene ist; allein man würde ihn doch lieber sich ergehen sehen in Kompositionen desselben Inhaltes in freigewähltem Raume. Die Tuschpassion, für Glasmalerei in günstigerm Format komponiert, läßt ahnen, was er geleistet haben würde.
Während die deutsche Kunst in ihrer Hochblüte noch einer ältern Altaranordnung folgt, hat die italienische Kunst schon im XV. Jahrhundert, zur Zeit der Frührenaissance, das mehrtaflige Altarwerk überwunden, und die Zeit der Hochblüte findet bereits das einheitliche Altarblatt vor, dessen Breite etwa bedingt wird durch die des betreffenden Altars, während die Höhe frei variiert und der obere Abschluß bald horizontal, bald rund ist. Die höchsten Meisterwerke der italienischen Kunst zeigen uns nun den vollen magischen Einklang von Inhalt und Format, mag es sich um symmetrische Gnadenbilder oder um bewegte Erzählung handeln, um eine Madonna di Foligno oder eine Transfiguration. Diese Werke halten die entscheidende Probe aus, daß sie beim geringsten Zusetzen oder Wegnehmen verlieren, daß man sich das Format nicht anders denken kann, als es ist.
Hierher gehört auch das streng oder annähernd gleichseitig quadratische Bild. Aus dem Altertum wären die Malereien, welche in die pompejanischen Wandflächen eingelassen sind, zu erwähnen; sie sind vielleicht ein Echo der griechischen Bildtafeln ( πιναχες), welche etwa ebenfalls vorherrschend quadratisch waren. In der Renaissance war das annähernde Quadrat eine Zeitlang in Florenz für Altarwerke beliebt; man denke an die Tafeln des Sandro Botticelli, an die Altäre in S. Spirito und andere. Dann zeigt sich Fra Bartolomeo auf der vollen Höhe der Kunst in der Madonna des Domes von Lucca und in den Bildern in Florenz, zum Beispiel im Altar Pitti; auch sind mehrere solcher Formate bei A. del Sarto zu treffen. Bei Rafael denke man an die Grablegung Borghese. Es sind gerade Bilder von höchstem Range. Die deutsche Kunst ist hier vertreten durch Dürers Allerheiligenbild Galerie«Zitat: Belvedere., und die profane Malerei verdankt im quadratischen Format Tizian mehrere mythologische Szenen, das eine Bacchanal von Madrid, das Bild der Fruchtbarkeit, Diana und Calisto, Diana und Actäon Galerie-Zitat: Bridgewater-Gallery..
Dann wird im XVII. Jahrhundert die Bedeutung des Quadrats groß und auffallend. In Italien wird es von den Bolognesen Bemerkung B.'s: Guido etc bis zu den Neapolitanern Randbemerkung: Guercino [aber auch Bolognese; gehört also zu Anmerkung 18. für heilige wie für profane Historienbilder und sogar für Landschaften verwendet; dann erscheint es bei Rubens Bemerkung B.'s: Raub der Leukippiden etc., in Berghems Schlachtbild in der Galerie von Haag und bei mehrern Spaniern Bemerkung B.'s: Herrera, Zurbaran.. Sobald eine heilige Darstellung keine Glorie enthält, meldet sich das Quadrat wie von selbst. Nur Landschaften, sagt man, dürfen nie Quadrate, sondern nur entweder Breitbilder oder Hochbilder sein. Aber die Italiener malten doch quadratische.
Sonst wurden im XVII. Jahrhundert Hochoval und Queroval beliebt, gegenwärtig als süßliche Formate wenig geachtet. Aber es gibt Madonnen in beiden Formaten von Guido Reni und Landschaften von Claude Lorrain; auch ist das Hochoval für Porträts beliebt gewesen, unter andern bei Rembrandt. Diese Meister fanden bisweilen und je nach Umständen einen Vorteil im Wegbleiben der leeren Ecken; das bedeutete eine weitere Konzentration der Mittel auf die Hauptsache.
In neuerer Zeit ist, abgesehen von der offiziellen und monumentalen Malerei, das Format völlig frei dem Gefühl des Künstlers überlassen. Er muß wissen, welche Begrenzung seinem jedesmaligen Gegenstande angemessen ist, welches die demselben natürliche Lebensausdehnung im Raum ist.
Die ganze Malerei aber wird Nutzen davon haben, wenn sie sich periodisch davon Rechenschaft gibt, wie Meister höchsten Ranges das Format behandelt haben und immer von neuem wird man sich wieder auf Rafael zurückgewiesen finden.
Er zeigt zunächst, wie sich die große ideale Anordnung in gegebenen keineswegs günstigen Formaten zu bewegen hat. Die Säle des Vatikans, welche er auszumalen hatte, waren, der Konstantinssaal ausgenommen, unbedeutende Räume mit nachlässigen Kreuzgewölben; die Wandflächen boten ihm ungenau gemessene Halbrunde dar, mit unterm rechtwinkligem Ausgang, überdies unten durch einschneidende Türen und Fenster unregelmäßig unterbrochen; seine Malereien aber würden als denkbar vollkommenste Kompositionen in solchem Raum schon die höchste Bewunderung erregen auch ohne jeden Blick auf das Einzelne, und aus jenen Unregelmäßigkeiten entwickelte er neue Elemente der Schönheit.
Das Format der Sibyllen an einer Oberwand von Santa Maria della pace ist ein längliches Viereck, in welches von unten ein Rund einschneidet. Mancher geschickte Maler würde in eine solche Fläche irgend etwas Annehmbares hineingemalt haben, aber nur Rafael bringt durch die reine Vollkommenheit seines Werkes den Eindruck hervor, als hätte er gerade dies desperate Format dringend verlangt und gar nicht anders haben wollen.
Für das gegebene Oblongum seiner Teppiche fand er wie von selbst den möglichst angemessenen Maßstab seiner Gestalten, den richtigen Augpunkt, und eine gleichmäßig durch alle hindurchgehende Erzählungsweise, sodaß der Inhalt – die Apostelgeschichte – sich in einem und demselben Wohllaut durch den ganzen Zyklus verbreitet.
Wie er aber in den Tafelbildern mit frei gewähltem Format vollkommen ist in Betreff der Raumausfüllung, wurde bereits bei Anlaß einiger Madonnen und Porträts angedeutet. Da wir nun hier nicht seine ganze Welt von Schöpfungen nach dieser Seite hin durchgehen können, so mag es genügen, auf seine Rundbilder hinzuweisen.
Das Rundformat hat seine eigene merkwürdige Geschichte innerhalb der Kunstgeschichte. Aus dem fernsten hellenischen Altertum schimmern uns die Schilde des Achill und des Herakles entgegen, wie Homer und Hesiod sie beschrieben haben, mit einer Welt von Bildwerken in konzentrischen Streifen. Dann lehren uns zuerst eine Anzahl vorzüglicher griechischer Stadtmünzen, wie ein Kopf, eine Gestalt, eine Szene des Mythus schön im Rund anzubringen sei, während die Gemme verschiedene, bisweilen ganz zufällige Formate zeigt, weil man die Fläche des kostbaren Steins auf das äußerste ausnützen wollte. Unter den gemalten griechischen Vasen Bemerkung B.'s: Hier die Drehscheibe als Mutter des Rundformats. sind hier die Flachschalen wichtig, weil ihr inneres Rundbild schon hie und da die möglichst schöne Anordnung von Gestalten und ganzen Szenen in dieser Einrahmung erreicht hat, und dasselbe gilt auch von den vorzüglichsten Spiegeln mit eingravierten Zeichnungen. In der römischen Kunst folgt das Scutum, das Rundrelief in Stein oder Metall, bis zu den Schalen des Silberschatzes von Hildesheim, auf deren mittlerem Rund in Hochrelief, ja fast in Freiskulptur, ganze Gestalten oder Brustbilder hervortreten; besonders dient bei den Römern das gemeißelte Rund für ein weit herausragendes Brustbild, ja für ein bloßes Haupt mit Halsansatz. Die römischen Münzen aber, auch die trefflichsten, stehen jenen griechischen nach, und wenn sich, was die Malerei betrifft, in Pompeji eine Reihe von wundervollen Rundbildchen gefunden hat, wie jene mutwilligen schwebenden Genien mit Attributen der Götter, so wagen wir diese, wie alles Beste von Pompeji, noch der spätgriechischen Kunst auf die Rechnung zu schreiben. Im Mittelalter herrscht, wie oben gesagt, das Sachliche lange Zeit über alle andern Rücksichten, also auch über diejenigen, welche die Komposition im Rund verlangen könnte, und in der gotischen Zeit hat man in die Rundeinteilungen des Maßwerks und in die Medaillons auf Teppichgrund, womit die großen ansteigenden Glasflächen so vieler Kirchenfenster angefüllt sind, oft den ungehörigsten erzählenden Inhalt verteilt. Und doch gibt es auch da manches, was innerhalb dieser Vorbedingungen vorzüglich heißen kann, und einzelnes in den Fenstern von Königsfelden gehört hieher.
Entscheidende Schritte tat erst wieder die Renaissance, zum Teil in Nachfolge des Altertums. Ihr verdankt man die große, meist in Erz gegossene Schaumünze, mit Köpfen in Profil oder Dreiviertelsansicht und trefflich ins Rund komponierten Reversen; sie hat auch in marmornem Rund das Brustbild wieder zu einem neuen Leben gerufen, bald in Profil, bald von vorn und dann als kräftige Freiskulptur aus einer Höhlung vortretend. Gleichzeitig aber erhob sich auch die Malerei, hauptsächlich die neugeborene florentinische des XV. Jahrhunderts. Nicht für Kirchenbilder, sondern für das Haus und für die Privatandacht entstanden Tondi, oft von bedeutender Größe, und mehrere der wichtigsten Kompositionen von Filippo Lippi, Sandro Botticelli, Domenico Ghirlandajo und Lorenzo di Credi sind Rundbilder. Nur allmählich entdeckte die Malerei die innern Gesetze dieser Gattung; sie stellte anfangs ihre Gestalten und Ereignisse mit demselben Realismus in Tracht und Zügen, in derselben wirklichkeitsgemäßen Räumlichkeit, sei es Gebäude oder Landschaft, dar, wie in Bildern anderer Formate. Erst gegen Ende des Jahrhunderts wurde ihr deutlich, daß das Rund ein wesentlich ideales Format ist, welches nur ruhige Gegenstände von idealer Schönheit erträgt und auf jeden genauem Hintergrund am besten verzichtet. Inzwischen wuchs Rafael empor, und so wie er in mehr als einer Beziehung die reinsten Resultate der florentinischen, nicht bloß der peruginischen Schule zog, so auch in der Behandlung des Tondo Bemerkung B.'s: Es hat Copisten und Stecher gegeben, welche seine Komposition ins Achteck und ins Oval zogen.. Von allen stehenden Halbfiguren im Rund ist die kleine Madonna Connestabile Galerie-Zitat: in Petersburg. das vollendetste Juwel; es ist jene Mutter, welcher das Kind im Gebetbuch blättern hilft, in der Ferne die sanfteste Frühlingslandschaft. In der Madonna Terranuova Galerie-Zitat: in Berlin. ist das Problem schon viel schwieriger gestellt: Die Jungfrau, fast bis zu den Füßen sichtbar, sitzt im Freien auf einer Steinbank mit dem Kinde; rechts und links lehnen die beiden Johannes als Kinder; die Anordnung ist ein noch nicht ganz gelungener Versuch; allein dies vergißt man über der hohen Schönheit des einzelnen Randbemerkung: Die Vierge au Palmier, Bridgewater Gallery als nicht rafaelisch auszuschließen.. In diese frühere Zeit fallen auch die drei kleinen einfarbigen Rundbildchen Glaube, Liebe, Hoffnung in der vatikanischen Galerie und diese sind so vollkommen schön im Raum, daß man nichts anders wünschen kann, als es ist. Großartig und aus der reifsten Zeit ist dann die Madonna di casa d'Alba in Petersburg, das einzige Tondo, wo Rafael es gewagt hat, die Mutter in ganzer Gestalt auf der Erde sitzend darzustellen.
Nun bleiben uns noch zwei Bilder übrig, in welchen Rafael den Rundraum fast völlig mit den Gestalten ausgefüllt und diese mit einer sonst unerhörten Lichtwirkung dem Beschauer so zu sagen ganz nahe gebracht hat: Die Vierge aux candélabres und die Madonna della sedia. Die erstere ist mir in dem bezaubernd schönen Exemplar Robinson bekannt, wobei ich unentschieden lassen muß, ob dieses oder das Exemplar des Lord Munro eigenhändig sei oder keines von beiden; die Erfindung Rafaels wird niemand leugnen. Neben der Halbfigur der Mutter mit dem prachtvoll entwickelten Kinde in hellem Tageslicht sieht man noch aus dem Halbdunkel hervortauchend zwei Engel mit brennenden Leuchtern, sodaß vom neutralen Grunde möglichst wenig übrig bleibt. Von der Madonna della sedia hier zu reden, ist vollends überflüssig; sie enthält sozusagen die ganze Philosophie des Rundbildes als solchen so deutlich in sich, daß jeder unbefangene Blick sich hier davon Rechenschaft geben kann, was das schwierigste und schönste aller Formate und was ein Format überhaupt für die Darstellung bedeutet. Von der Mitte, dem Ellbogen des Kindes aus, mag das Auge das Licht verfolgen, wie es durch das Bild wandelt, die holde Verteilung des Nackten zur Gewandung, der ungezwungene Fluß der Linien, die richtige Wirkung der einzigen Senkrechten, nämlich der geschnitzten Stuhllehne. Freilich wird die Hinweisung auf diese Dinge etwa lästig und pedantisch befunden werden neben der wunderbaren Seele des Bildes; allein diese Seele bildet mit jenen scheinbar nur äußerlichen Vorzügen ein untrennbares Ganzes.
Auch dem Rund in Fresko, welches an Gewölben und Kuppelzwickeln häufig angewandt wurde, hat Rafael einmal die allerhöchste Weihe abgewonnen: in der auf Wolken sitzenden Poesie mit den beiden Genien mit Schrifttafeln, am Gewölbe desjenigen Saales im Vatikan, an dessen Wänden Disputa del sagramento, Schule von Athen und Parnaß gemalt sind. Die Worte, welche auf den Schrifttafeln der Genien zu lesen sind und die Inspiration der Dichtung von oben andeuten: Numine afflatur – mögen hier für uns auch dem wunderbaren Maler gelten, welcher dieses Tondo zu schaffen im Stande war.