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Als Frau Kunigunde von Gailing ihre schwere Stunde immer näher rücken sah, wollte ihr das laute und lärmvolle Leben zu Drameysl gar nicht mehr gefallen und bat darum Eppele inständig, mit ihr nach dem stilleren und stattlicheren Schloß Illesheim zu verziehen. Eppele bedachte sich auch nicht lange, übergab Burg Drameysl bis zu seiner Wiederkehr dem getreuen Pankraz und schärfte ihm ein, keinerlei Fehde mit denen von Nürnberg betreiben, da er dem hohen Rat bald eine Bitte vorzutragen gedächte, Pankraz war ein wenig enttäuscht, denn er hatte sich den Schabernack munter ausgemalt, während Eppeles Abwesenheit selbst den Gailinger zu spielen, was bei der großen Ähnlichkeit in Gestalt und Gesicht leicht möglich war, wenn Pankraz auch noch eine Rüstung seines Herrn anzog. Doch kannte er den festen Willen Eppeles zu genau und wußte, daß gegen diesen ausgesprochenen Willen etwas zu tun sehr gefährlich werden konnte.
Wohlbehalten traf Frau Kunigunde in Illesheim ein, erlabte sich noch etliche Wochen an der friedsamen Gegend und genas genau neun Monate nach der Drameysler Hochzeit ihres ersten Kindes, das ein hübsches, kräftiges Maidlein war, eine rechte Augenweide für eine junge Mutter und auch ein Stolz des Vaters, dem wohl ein Sohn lieber gewesen wäre, der sich nun aber bei dem Maidlein beschied und auf einen Namen für das Kind sann. Eppele riet hin und her, wollte seiner Mutter zu Ehren das Kind erst Jutta taufen, entschied sich aber dann bei einem stillen Trunk in der Illesheimer Herrenstube für den Namen Agnes, eingedenk der schönen Agnes Tetzelin, deren Bild ihm gerade auf Illesheim, der Stätte seiner ersten Jugend, anmutig vorschwebte. Frau Kunigunde gab sich mit dieser Namenswahl einverstanden und saß, den Säugling an der Brust, bei Eppele, als dieser an den Rat zu Nürnberg einen höchst formvollen Brief entwarf, des Sinnes etwa: Nachdem der Himmel seine Ehe mit einer Tochter gesegnet hätte, wollte er dieses erste Kind auf den Namen der schönen Bürgerin Agnes Mendel, geborenen Tetzelin, taufen lassen, welche christliche Absicht der Rat zu Nürnberg sicher begrüßen und aus Kräften fördern würde. Der Ritter von Gailing bäte also die Herren des Rates zur Patenschaft bei seiner Tochter und wäre fest überzeugt, daß sie ihm diese Ehre und das herkömmliche Patengeschenk nicht weigern wollten, andernfalls er daraus ihren bösen Willen und eine verletzliche Mißachtung erkennen müßte, die wiederum zu dulden wie schon bei seinem Hochzeitsfeste der Ritter von Gailing nicht gesonnen fei.
Der Nürnberger Rat beschloß kurzweg, auf diesen Brief überhaupt keine Antwort zu erteilen entgegen dem heftig vorgetragenen und behaupteten Willen des Ratsherrn Jörg Tetzel, dem Gailinger zu erwidern, daß sein Verlangen eine freche Anmaßung und darüber hinaus auch beleidigend für eine Bürgerin von Nürnberg sei, die zu den vornehmsten ihres Standes zähle. Die Mehrheit des Rates wollte keinen Briefwechsel mit dem von Gailing mehr, weil dabei doch nur Ärger und vermehrter Spott herausspränge, so daß Herr Jörg Tetzel mit seiner Meinung nicht durchdringen konnte. Voll Zorn über diesen Mißerfolg eilte Herr Jörg Tetzel aus der Sitzung und schnurstracks in das Haus seines Eidams Ulrich Mendel, dem er die Forderung des Gailingers und ihre sonderbaren Gründe sowie auch die falsche Behandlung der Sache durch den Rat brühwarm vorstellte. Die Ehre der Häuser Mendel und Tetzel wäre durch dieses schamlose Verlangen des Strauchritters auf Drameysl berührt und heische eine Tat, womit er – Jörg Tetzel – aber nicht wieder einen reiterlichen Ausflug des Herrn Eidams angeregt haben möchte. Die 8000 Goldgulden von damals wären schon Ausgabe genug, welchen Stich Herr Ulrich Mendel mit schmerzhaftem Augenzwinkern, sonst aber ohne jede Gegenrede hinnahm.
Am Abend besprach Ulrich Mendel mit seiner Frau Agnes, geborener Tetzelin, den Fall und vernahm aus deren Mund, was er am wenigsten erwartet hätte. Frau Agnes gestand zunächst, daß es ihr durchaus keine Beleidigung dünke, wenn der Ritter von Gailing sein erstgeborenes Töchterlein ihr zu Ehren Agnes taufen wolle. Ihr schmeichelte dieser Einfall eher und da es doch ein durchaus ehrenhaftes, sogar gottgefälliges Begehren sei, bliebe ihr der Zorn des Herrn Vaters unverständlich wie auch die Handlung des Rates, dem hier doch wieder eine Gelegenheit geboten sei, der Stadt Nürnberg gefährlichsten Feind billig zu versöhnen. Herr Ulrich Mendel mußte dieser klugen Rede seiner Frau beipflichten, sträubte sich dann aber wieder bedenklich, dem Gedanken der Frau Agnes, ob es nicht die einfachste, für alle Teile trefflichste Lösung wäre, Herr Ulrich Mendel kaufte das Patengeschenk und ließ es namens des Nürnberger Rates an den Ritter von Gailing gehen. Drei Abendgespräche mußte Frau Agnes erst führen, dann hatte sie ihren Ehewirt für die Lösung gewonnen. Eppele sah den Nürnberger Stadtreisigen ungläubig an, der ihm einen sehr höflichen Brief des Rates aushändigte und dazu ein prächtig gearbeitetes Kästchen, worin auf himmelblauem Samt Kettlein, Ringe und Spangen von bestem Gold blitzten als Patengeschenk für des Gailingers erste Tochter. Dann bewirtete Eppele den angenehmen Boten aufs beste und gab ihm zum Abschied ein Dankschreiben an den Nürnberger Rat mit, welches enthielt, daß der Ritter von Gailing im Hinblick auf den bewiesenen guten Willen und auf das wirklich kostbare Patengeschenk die Kaufleute von Nürnberg fürs nächste ungeschützt ihre Straße ziehen lassen wolle. Welches Schreiben in der kommenden Sitzung des Nürnberger Rates allgemeine Verwunderung und ein endloses Kopfschütteln erzeugte und dem Ratsherrn Jörg Tetzel schließlich die Frage abdrang, ob einer von den ehrbaren und wohlweisen Herren das Rätsel zu erklären vermöchte.