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Im Wirthshause »Zum Hirschen« waren die herkömmlichen drei Samstagsschweine geschlachtet und ein Theil derselben von den mit ihrem Wochenlohne heimkehrenden »Fabrikern« alsbald verzehrt worden. Am folgenden Nachmittage wurden die Gelage fortgesetzt und erreichten des Abends ihren Höhepunkt. Um dürftig beleuchtete Tische des gedehnten Hofes saßen Männer und Weiber, Burschen und Mädchen und Kinder. Alles aß und trank, scherzte und lachte. Abgeschmackte Zoten wurden gerissen, durch schrilles Aufkreischen der Weiber und Mädchen begrüßt. Zuweilen fiel ein berauschter Junge vom Stuhl und wurde unter Lachen wieder aufgerichtet. Es war ein wüstes Treiben. Die Entartung der Alten und die Verwilderung der Jungen ging in nackter Gestalt, ohne Scham und Anstandsgefühl um. An manchen Tischen wurde politisirt und weidlich geschimpft über die Reichen. Die elende Lage des Volkes wurde dargestellt und schließlich bewiesen, daß es nicht mehr lange so fortgehen könne. Aufrührerische Lieder klangen hie und da in den allgemeinen Lärm, Revolution und Gütervertheilung wurden verherrlicht und mit Nachdruck die Worte gesungen:
»Und wer ist's, wer mäht die reife Saat?
Ein Jeder, der nichts zu verlieren hat.«
Wo Burschen und Mädchen beisammen saßen und sich unbeschreibliche Scenen der Sittenlosigkeit entwickelten, wurde die volksthümliche Auffassung der materialistischen Wissenschaft in den bekannten Worten gepriesen:
»Macht hier das Leben flott und schön,
Kein Jenseits giebt's, kein Wiederseh'n.«
Am Ehrentisch, unter einer Laube, saß Bürgermeister Gräulich, ein feister Mensch, mit schwarzem Vollbart und feuerrothem Gesicht. Er sprach wenig, trank viel und verbreitete aus seiner Tabakspfeife einen dicken Qualm. Neben ihm saß der Adjunkt Schlau, ein hagerer Mann, mit pfiffigem Gesicht und listigfunkelnden Augen, – der Hauptwortführer des Dorfes. Früher waren Beide wohlhabende Bauern, jetzt gehörte Gräulich einem getauften und Schlau einem ungetauften Juden. Beide vernachlässigten den Ackerbau und fröhnten der Genußsucht. Schlaus Söhne und Töchter arbeiteten in den Fabriken, und verzechten regelmäßig mit ihrem Vater den Wochenlohn im »Hirschen.« – Schlau zur Seite saß ein Fabrikarbeiter aus der Stadt, der Socialdemokrat Drescher, ein geriebener Wühler, der häufig nach Faulheim kam, den Samen des allgemeinen Umsturzes auszustreuen. Weiterhin reihten sich Gemeinderäthe und einige Weiber, mit kleinen Kindern auf dem Schoose, die frühzeitig an das Wirthshausleben gewöhnt wurden.
»Wo bleibt denn heut' unser lustiger Schulmeister Schofel?« rief Adjunkt Schlau. »Jedenfalls ist ihm was Außerordentliches passirt, sonst hätt' er die Extrawürst' und den guten Schoppen gewiß nicht versäumt.«
Der Bürgermeister lächelte.
»Weißt, Schlau, der Schulmeister hat noch Bauchgrimmen von den Leviten des Amtmanns,« sagte er. »Solche Brocken müssen verdaut werden.«
»Möcht' nur wissen, wer ihm die Suppe versalzen hat?« erwiederte Schlau. »Aus sich selber hat's der Amtmann gewiß nicht gethan; denn was liegt einem Juden an Heiligenbildern und an dem Christengott? Dahinter steckt was Besonderes.«
»Weiß nicht, – der Schulmeister wird's wohl wissen,« versetzte Gräulich. »Ah, – guck, da kommt er ja!«
Ein junger Mann, mit bleichem Gesichte, süßlichem Mienenspiel und falsch blickenden Augen, trat grüßend an den Ehrentisch.
»Gerad' hatten wir von Ihnen die Red', Herr Lehrer!« sagte Schlau. »Der Bürgermeister hat gemeint, Sie wären von etwas krank geworden, weil Sie so lang' ausbleiben.«
Schofel ließ sich zwischen den beiden Ortsvorständen nieder.
»Krank bin ich zwar nicht, meine Herren, wohl aber einigermaßen verstimmt über die schmerzende Behandlung eines Mannes, der es mit ächter Volksbildung redlich meint und mit dem Lichte der Wissenschaft die Finsterniß des Aberglaubens zu verscheuchen gedachte. Jetzt hängt der gekreuzigte Gott wieder in der Schule, und die Kinder mögen sich die jungen Köpfe über das Geheimniß zerbrechen, wie ein Gott sterben kann.«
»Pah, – Sie nehmen die Sach' viel zu ernst!« rief Schlau. »Die Kinder sehen das Kreuz, werden daran gewöhnt, und denken gar nichts dabei.«
»Sie täuschen sich, Herr Adjunkt!« sagte Drescher, der Socialdemokrat. »Beim Anschauen des Crucifixes denken die Kinder genau das, was von dem Gekreuzigten im Katechismus steht. Ohne das Crucifix würden sie nicht daran denken. Mithin sind Heiligenbilder und dergleichen Zeug absolut schädlich und kein geringes Mittel der Pfaffen, zur Verdummung des Volkes.«
»Genau meine Ansicht!« sagte Schofel beifallnickend.
»Hätte es bei der Verdummung sein Bewenden, man könnte sich trösten,« fuhr Drescher fort. »Allein der religiöse Aberglaube ist zugleich der allergrößte Feind wirklicher Volksfreiheit und die stärkste Stütze der Tyrannei. Das Fußgestell fürstlicher Despoten und Menschenschinder war immer der Altar, und ihre Verbündeten waren stets die Pfaffen. ›Die Obrigkeit ist von Gott, man muß ihr gehorchen, und wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widersetzt sich der Anordnung Gottes,‹ – so predigen die Pfaffen. Das arme, unterdrückte, geknechtete und ausgesaugte Volk locken sie mit der Verheißung auf den Himmel unter das Joch der Tyrannei, und den Ungehorsamen drohen sie mit der Hölle. So waren die Pfaffen die mächtigsten Stützen der Fürstentyrannei in der Vergangenheit, – in der Zukunft wird es wohl auch so sein, wenn nicht das geknechtete Volk sich erhebt, die Zwingburgen zerstört und seine Schinder todtschlägt.«
Die Faulheimer lauschten der fließenden Rede des Wühlers und nickten beifällig.
»Von allen Pfaffen sind aber die katholischen am gefährlichsten,« fuhr Drescher fort. »Oft hörte ich den großen Bebel versichern, die katholische Kirche sei die Todfeindin der Socialdemokratie. Wo die katholischen Pfaffen herrschen, könne die Socialdemokratie nicht aufkommen, weil das Volk in seiner abergläubischen Dummheit die Socialdemokraten für Sendlinge des Teufels halte und geduldig im Joche der Gewissenstyrannei verharre.«
»Im Allgemeinen gilt das nicht,« sagte Schlau. »Wir Faulheimer sind zwar katholisch, dennoch aber gute Socialdemokraten, die kaum erwarten können, bis es losgeht und die Theilung anhebt.«
»Die Faulheimer sind nur deßhalb gute Socialdemokraten, weil sie schlechte Katholiken sind,« erwiederte Drescher.
»Auch von den Pfaffen gilt Bebels Spruch im Allgemeinen nicht,« sagte Schlau. »Unser Pfarrer ist ein ganz fideler Mann, der gut Kegel schiebt, sich über manchen Hokuspokus lustig macht und den Dingen ihren Lauf läßt.«
»Allerdings giebt es eine Sorte unter den Pfaffen, die angeht und der Volksfreiheit keine Hindernisse in den Weg schiebt,« gestand Drescher. »Die Strenggläubigen nennen sie ›Staatspfarrer‹ – allein ihre Zahl ist vorläufig gering.«
»Mehrt sich aber täglich,« sagte Schofel. »Unsere Regierung ist liberal. Wer gute Stellen von ihr haben will, muß liberal sein. Das wissen die Pfarrer, und die Vernünftigen aus ihnen richten sich darnach. Da nun der Liberalismus der natürliche Vater der Socialdemokratie ist, so sorgt die Regierung mit Absicht für freisinnige Pfaffen und ohne Absicht für Schwarzröcke, welche den kommenden Volksstaat begünstigen.«
In einer Ecke des Hofes entstand Lärm und Tumult. Jungen waren in Streit gerathen. Es gab eine wilde Balgerei. Biergläser wurden geschwungen und Fäuste. Dann wälzte sich ein ringender Knäuel am Boden. Die Faulheimer betrachteten mit Genuß das Schauspiel, bis eine zeternde Stimme rief: – »Der Schwein hat's Messer gezogen, – er sticht! Haltet ihm den Arm!«
Jetzt befahl der Bürgermeister dem Polizeidiener: »Michel, treib' die Lausbuben auseinander!« – und zur Tischgesellschaft gewandt, fuhr er fort: »Es wird doch zu arg. Letzthin hat der Friedel sechs Jahr' Zuchthaus gefaßt, weil er seinen Kameraden im Streit' erstochen hat, – und sieben andere Buben von hier sitzen noch wegen Schlägerei. Die Buben müssen zwar balgen und toben, – was aber zu viel ist, das ist zu viel.«
Inzwischen hatten sich Polizeidiener und Wirth auf die Streitenden gestürzt und wuchtige Ohrfeigen ausgetheilt. Schließlich trieb Michel drei heulende Buben vor sich her aus dem Hofe.
Am Ehrentisch nahm die Unterhaltung ihren weiteren Verlauf.
»Die Armee der Schwarzen ist ebenso drückend für das Volk, wie die Armee der Bunten, nämlich der Beamten und Soldaten, deren Zahl so ungeheuer groß ist, daß sie dem steuerzahlenden Volk das Mark aus den Knochen saugen. Wozu noch Leute, die einen Gott predigen, der nicht ist? Das ist mittelalterliche Verdummung. Damals, im Mittelalter, als das Volk noch auf einer sehr niederen Bildungsstufe stand, galten die Märchen von Gott, Himmel und Hölle, – heute aber, im Lichte neudeutscher Aufklärung, sollte man jene Vogelscheuchen bei Seite lassen. Bebel hat gesagt: ›Wer Socialist sein will, der muß auch Atheist oder Gottesläugner sein und für die Ausbreitung des Atheismus wirken.‹ So lange der Gotteswahn besteht, giebt es kein Heil auf Erden, kein Glück und keine Gütergemeinschaft im freien Volksstaate.«
Die Gottesläugnung gefiel den Bauern nicht. Diese schauerliche Lehre widerstrebte sichtlich ihrem innersten Wesen, ihrem Fühlen und Denken. Sie blickten ernst vor sich hin und Manche schüttelten abwehrend den Kopf.
»Am Besten gefällt mir die Gütergemeinschaft,« unterbrach der Gemeinderath Lump das Schweigen. »Wenn ich's nur noch erleb', – wenn ich nur dabei bin, wenn's an's Theilen geht!«
»Und ich begreif' die hübsche Geschicht' mit dem Theilen gar nicht,« sagte Schlau. »Hab' schon oft darüber nachgedacht, – es will mir aber nicht einleuchten. Keiner soll mehr ein Eigenthum haben. Alles soll gemeinschaftlich sein und brüderlich getheilt werden. Wie ist das möglich? Ja, wenn alle Menschen gleich wären von Gesinnung und Art, dann ging's. Das ist aber nicht der Fall, – also geht's nicht.«
»Warum soll es nicht gehen? Dem gesetzlichen Volkswillen muß sich Jedermann unterwerfen,« erklärte Drescher.
»Das ist eine Redensart, die nichts bedeutet,« erwiederte Schlau. »Nehmen wir einmal einen bestimmten Fall. Da ist ein Dorf, – die Aecker, das Vieh und Alles wird getheilt. Der Eine kriegt so viel, wie der Andere, – gut! Jetzt kommt's aber! Der eine Theil Bauern ist fleißig, bestellt seine Aecker rührig und kann gemächlich leben. Der andere Theil aber ist faul, thut nichts, geht lieber ins Wirthshaus, als auf die Aecker und kommt zurück. Diese Rückgängigen müssen nun ihre Aecker verkaufen an die Fleißigen, wenn sie leben wollen. Dann haben wir die alt' Geschichte wieder, – Reiche und Arme. Und wie's im Bauernstand ist, so ist's in jedem Stand und Handwerk. Der Fleißige steigt auf, der Faule kommt zurück und verarmt.«
»Sie gehen von falschen Voraussetzungen aus, Herr Adjunkt,« erklärte Drescher. »Im freien Volksstaate können keine Aecker verkauft werden, weil es kein persönliches Eigenthum giebt.«
»Ja, – dann wird's aber noch schlimmer; denn es müssen die Fleißigen die Faulen ernähren, und am Ende wird Niemand mehr arbeiten wollen,« entgegnete Schlau.
»Nein, – abermals falsch!« versetzte Drescher. »Der freie Volksstaat ernährt nur Solche, die nicht arbeiten können. Wer hingegen arbeiten kann und nicht will, der muß einfach verhungern.«
Die Bauern machten lange Gesichter.
»Das ist doch ein sauerer Apfel!« meinte Lump.
»Jawohl, – der freie Volksstaat verhängt die Todesstrafe über alle Müßiggänger,« behauptete Drescher. »Arbeitsscheu und Trägheit sind im künftigen Volksstaat die größten Verbrechen, – sie werden am Schärfsten bestraft. Dann giebt es auch keine vornehmen Leute mehr, die nichts thun, als das ganze Jahr in den Bädern herum lungern und Reisen machen, und deren Vergnügen das steuerzahlende Volk aus seiner Tasche bezahlen muß.«
»Schon recht, – das läßt sich hören!« sagte Schlau. »Aber die Todesstrafe verhängen über alle, die nicht arbeiten wollen, das ist streng, – so etwas haben nicht einmal die Tyrannen gethan.«
»Dagegen hat der Apostel Paulus gesagt: ›Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen!‹« versetzte Schofel. »Folglich hat schon Paulus über die Müßiggänger die Todesstrafe ausgesprochen.«
»Das ist nichts, Herr Lehrer; denn Ihren Schluß hat Paulus nicht gemacht,« erwiederte Schlau. »Er hat auch nicht gesagt: wer nicht arbeitet, der darf nicht essen, – noch weniger hat er gesagt: wer nicht arbeitet, der muß verhungern, – wie's Gesetz im Volksstaat lautet. Paulus meint nur, wer nicht arbeite, der solle auch nicht essen, das heißt, er verdiene das Essen nicht. Und das ist doch ein himmelweiter Unterschied von dem Verhungernmüssen im freien Volksstaat.«
Die Bauern nickten beifällig.
»Eine andere Frag', Herr Lehrer!« fing Schlau wieder an. »Wer hat Sie denn eigentlich beim Amt' verklagt?«
»Ein sehr frommer Mann, – Stephan Ehrlich!« antwortete Schofel, einen auflodernden Katzenblick in den Augen.
»Was, – der Betbruder?« rief Lump.
»Dem Stephan gehört ein Orden!« versetzte lachend der Adjunkt.
»Warum ein Orden?« frug Gemeinderath Huhn.
»Weil er den alten Herrgott und die lieben Heiligen wieder in's Dorf zurückbringen will, unter deren Regiment Faulheim wohlhabend und glücklich war,« antwortete Schlau mit ernster Miene.
»Wenn er auch keinen Orden kriegt, dann soll er doch jedenfalls einen Denkzettel haben,« versicherte Lump.
Während die Zechgenossen den Gegenstand weiter besprachen, und die Meisten schadenfroh den Aerger Schofels bemerkten, trat Lump an einen Tisch und rief zwei Burschen bei Seite. Eine Weile verhandelte er mit ihnen. Dann leerten die Zwei ihre Gläser und verließen mit verhaltenem Lachen den Hof.
In den Mantel der Nacht gehüllt, ging Schofels Amtsgenosse, Lehrer Treu, nach der Wohnung Ehrlichs. Nicht am hellen Tage wagte er den Besuch, weil der ängstliche Mann fürchtete, zur geduldig ertragenen Mißachtung der Faulheimer auch noch deren Zorn zu verdienen, wenn er Stephan Ehrlich besuchte, den einzigen »Betbruder« des Dorfes. Treu gebührte der Ruhm eines guten Katholiken, der, im Gegensatze zu Schofel, in der Schule gewissenhaft seiner Pflicht nachkam. Weil er sich im Wirthshause nicht konnte blicken lassen, ohne Stichreden über seine Gläubigkeit hören zu müssen, darum ging er niemals aus. Treu lebte ausschließlich seinem Berufe und seiner Häuslichkeit. Der späte Besuch bildete etwas Ungewöhnliches, ja Außerordentliches im Stillleben des Mannes.
In der großen Wohnstube saß Stephan Ehrlich vor dem Tische, aus der Heiligenlegende vorlesend. Die Kinder waren bereits nach ihrer Kammer gegangen, hatten dort gemeinsam das Abendgebet verrichtet und lagen in den Armen des Schlafes. Aber der Großvater ruhte im Sorgensessel und hörte zu. Stephans Frau saß ihrem Manne gegenüber und ihre Blicke hingen an den Lippen des Vorlesenden. In solcher Weise wurden regelmäßig die Sonntagabende verbracht. Stephan saß niemals im Wirthshause, getreu der Mahnung seines verstorbenen Vaters, welcher zu sagen pflegte: »Heut' zu Tag' läuft Alles in die Wirthshäuser, man meint gerad', die Leut' wären dort daheim. Das kostet Geld, reizt zum Spielen, zur Trunksucht und zerstört das glückliche Familienleben.«
Als jetzt die Hausthüre geöffnet wurde, hielt der Vorlesende inne.
»Wer kommt da noch so spät?« sagte das Weib.
Und alle waren erstaunt über den Besuch des Eintretenden.
»Ei, Herr Lehrer, kommen Sie auch einmal zu uns? Das freut mich!« sagte Stephan, einen Stuhl für Treu rückend.
»Ganz im Geheimen komme ich, wegen einer Angelegenheit, die mich sehr interessirt,« entgegnete Treu. »Ich möchte Ihnen danken, Stephan, für den bewiesenen Muth, bei der Behörde gegen Schofels unchristliches Treiben Klage geführt zu haben.«
»Woher wissen Sie denn, daß ich der Kläger bin?«
»Schofels Frau sagte es heute meiner Frau, und jetzt wird es wohl im ganzen Dorfe bekannt sein. Dank und Anerkennung dürfen Sie freilich von den Faulheimern deßhalb nicht erwarten, – wohl aber das Gegentheil.«
»Daran liegt mir gar nichts. Meine Schuldigkeit hab' ich gethan und meine Kinder gegen die Religionsspöttereien Schofels zu schützen gesucht, – das kann mir kein rechtschaffener Mensch übel deuten.«
»Gewiß nicht! Sie haben sich vielmehr verdient gemacht um die ganze Schule. Die Spöttereien über alles Heilige haben schon aufgehört, und auch das gotteslästerliche Beten. Schofel verlangte von mir das Gebetsformular, welches ich den Kindern vorspreche, – gerne gab ich es ihm.«
»Hat er bei Ihnen geschimpft über mich?«
»Mit keiner Silbe. Aber den geheimen Zorn konnte man ihm aus dem Gesichte lesen. Ueberhaupt macht er den Eindruck eines ganz herabgekommenen Menschen. Seine Frau weinte bitterlich bei meiner Frau und klagte, ihr Mann gehe verbotene Wege, – sogar manche Schulkinder seien vor ihm nicht sicher. Ich fürchte, eines Tages werden abscheuliche Dinge zum Vorschein kommen.«
»Ei, – ei!« sagte der Großvater. »Da sieht man wieder, wie tief der Mensch sinkt, der keine Religion hat.«
»Was war das?« unterbrach Ehrlichs Frau den Großvater. »Ich mein', es ist Jemand im Hof'.«
»Der Wind wird's gewesen sein,« erwiederte Stephan. – – »Faulheim ist recht übel d'ran. Man meint g'rad', Alles hätt' sich verschworen, die Gemeind' von Grund aus zu verderben. Bürgermeister und Gemeinderäth sind alle zusammen liberal und leben wie die Heiden. Pfarrer Streber hat immer zu ihnen gehalten, – hockte bei ihnen im Hirsch und war den Liberalen ganz recht. Es ist doch ein sonderbarer Pfarrer, der mit den Wölfen heult, statt die Wölfe von den Schafen abzuwehren. Eine rechte Predigt hab' ich vom Pfarrer Streber niemals gehört. Er machte immer hübsche Worte, aus denen man nichts Gescheidtes nehmen konnte, und ließ alles gehen, wie's ging. – Wenn wir jetzt nur einen frommen Seelsorger kriegen, der seine Schuldigkeit thut und der Gottlosigkeit wehrt.«
Im Hofe lachte es. Dann rief eine höhnende Stimme: »Stephan, geh' wieder zum Amtmann, verklag' den Schofel und meld' Dich zum Pfarrer! Guck, so mußt predigen!«
Ein Stein fuhr durch das Fenster, dann ein zweiter. Das erschreckte Weib schrie laut auf. Treu flüchtete geschwind in eine Ecke. Stephan hingegen ergriff einen Stock und stürmte in den Hof, welchen die Missethäter eiligen Laufes verließen. Ehrlich folgte ihnen bis vor das Thor, wo in der Finsterniß Niemand zu sehen war. Dagegen vernahm er die schallenden Tritte davonlaufender Burschen und dann Hohngelächter in der Ferne.
»Stephan, komm' doch herein!« rief ihm sein Weib ängstlich zu.
Glühenden Angesichtes kehrte er zurück. Lehrer Treu wünschte gute Nacht und verschwand.
»Die das gethan haben, waren schofele Buben aus der Schule des Schofel!« rief Ehrlich. »Hätt' ich sie doch nur erwischt!«
»Aergere Dich nit, Stephan!« sagte der Großvater. »Nur zwei Scheiben sind zerbrochen, – der Schaden gering. Vor Gott aber ist nit gering, was Du für die gut' Sach' erduldest. Dort oben wird Alles getreulich aufgeschrieben, und dereinst kommt die Abrechnung. Darum ärgere Dich nit, Stephan!«
»Ihr habt recht, Großvater! Die Fensterläden schließen wir aber künftig am Abend.«