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Der Bock und die Ziege.

Keine Fabel.

Zu einem Bock, der, weil er schwarz von Haar,
Von langem Bart und finstr'er Stirne war,
Ganz einem hochgelehrten Meister
An Aussehn und an Mienen glich,
Und der durch jeden Kampf noch dreister,
In keinem Bocksgefechte wich,
Den die Natur statt dem Gehirne
Mit zween steinharten Knöpfen an der Stirne
Zum Kampf versah, der, wenn er stieß,
Sich und den Gegner stets in eine Lache schmiß,
Und, wenn die Scham den Gegenpart vertrieben,
Der Letzte auf dem Platz geblieben,
Der endlich, weil sein Herz so hart
Als seine Stirne schien – der Heerde Führer ward:
Zu diesem Bock kam eine durst'ge Ziege,
Und flehte, wie die Armuth flehen kann,
Ihn um ein Bischen Klee für ihre Jungen an.
»Meinst du, daß ich mein Futter gratis kriege?«
Erwiderte der Bock, der wie
Ein Wuchrer nur auf Pfänder lieh,
»Zu schenken hab' ich nichts; doch weil da steht geschrieben,
Man müsse seinen Nächsten lieben,
So will ich, wenn du zahlst, und Sicherheit
Mir schaffen kannst, auf eine kurze Zeit
Von meinem Futter dir, so viel du brauchest, leihen.«
»Ich würde nicht das Zahlen scheuen,
Wenn du mir borgtest,« sprach die Ziege; »aber wer
Verbürgt für Arme sich? und ach, ein Pfand, woher?«
»Du hast ja noch an deinem Leib, versetzte
Der zähe Filz, ein schönes Fell,« und schätzte
Mit einem Blick den Werth; »verpfände mir
Den Balg indeß, in warmen Sommertagen
Pflegt man ja keinen Pelz zu tragen:
Laß mir zur Sicherheit ihn hier,
Ich will ihn dir bewahren vor den Schaben,
Im Winter, wenn du zahlst, magst du ihn wieder haben.«
Was war zu thun? Die Ziege brauchte Klee.
Um sich aus ihrer Noth herauszuwinden,
Ließ sie geduldig sich von ihrem Wuchrer schinden,
Gab ihm den Balg und fütterte
Zu Haus die Jungen satt. Der Winter kam heran,
Und strenger Frost hielt sie zum Zahlen an.
Sie darbte kümmerlich vom Munde
Sich jeden Bissen ab, und lief zur Stunde
Zum Gläubiger, ihr Pfand zu lösen, hin.
Der Bock, mit Brillen auf der Nase,
Durchsah den Klee, ob sie mit Grase
Ihn nicht vermischt, verwahrte ihn.
Und gab ihr die nun halb zerfressenen Stücke
Von einem Balg, der ganz einst war, zurücke.
»Gott!« rief die Ziege mit bethräntem Blick,
»Ich hab' euch frisch mein Fell vom Leibe geben müssen,
Und ihr gebt mir es nun zerrissen,
Voll Löcher und ganz kahl zurück;
Seid nicht so hart mit einem armen Thiere:
Ihr gabt mir aus Erbarmen Klee,
Damit ich nicht verhungerte,
Gebt mir nun auch ein Fell, damit ich nicht erfriere!«
»Kauf dir beim Kürschner eins!« erwiderte
Der Bock voll Zorn, und stieß sie vor die Thüre.
Die Ziege ging mit tief gebeugtem Sinn
Und halb zerfressnem Balg zum Thron des Adlers hin,
Um ihm das schändliche Betragen
Des Bocks und ihre Noth zu klagen. –
Der weise Adler sprach: Der Bock ersetze dir
Dein Fell, und zahle, was du willst, dafür.
Allein dem Eigennutz, der stinkt, zur Strafe,
Soll immerhin zum Abscheu aller Schafe
Gestank sein Antheil sein! – Der Adler winkt,
Und sieh: der Bock ersetzt – und stinkt.

*


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