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Vorwort

Flor de Mayo und La Huerta gehören zu meinen ersten Romanen. Ich schrieb sie stückweise, als ich in Valencia die von mir gegründete Zeitung »El Pueblo« leitete.

Es war die am meisten chimärische, die uneigennützigste Epoche meines Lebens, auch die Epoche der grössten Entbehrungen. Ich hatte mich in die schwierige Aufgabe gestürzt, ein Kampforgan für die republikanischen Ideen herauszugeben, das – aus Mangel an Inseraten – mit keinen anderen Einnahmen zählte als den fünf Centimos seiner Leser. Da diese Eingänge die Unkosten nicht deckten, opferte ich, um die Zeitung zu halten, mein bescheidenes väterliches Erbe, mit dem Resultat, dass ich in eine Armut geriet, die beinahe schon Elend war. Wie oft gab ich die Mittel, die für den Unterhalt meiner Familie notwendig waren, für »El Pueblo« hin. Und dabei musste ich noch ein gedeihliches Vorwärtskommen heucheln, um niemand einen Einblick in die wahre Lage gewinnen zu lassen.

Aber nicht genug damit, mein romantischer und verwegener Republikanismus trug mir jeden Monat Prozesse und Verhaftungen ein. Sah ich mich wieder in Freiheit, so begann für mich und »El Pueblo« aufs neue der verzweifelte, schmerzhafte Kampf ums Dasein. Tatsächlich waren damals die Freiheitsstrafen, die ich im Gefängnis abbüsste, die einzigen Zeiten, die mir Frieden und Ruhe brachten.

Da ich meine redaktionellen Mitarbeiter – enthusiastische junge Leute, die schrieben, was sie wollten und wann sie wollten – nicht entschädigen konnte, enthielt ich mich, ihnen irgendeine Tätigkeit aufzubürden, so dass die pünktliche Verrichtung all der vielfachen Arbeiten, die die Zusammenstellung einer Tageszeitung erfordert, – von dem Leitartikel auf der ersten Seite, der den verfolgungssüchtigen Unmut der Behörden erregte, bis zu den unbedeutendsten Notizen – mir allein oblag.

Nacht für Nacht sass ich am Schreibtisch, die wenigen Telegramme aus Madrid und dem Ausland in übertriebener Weise aufbauschend, und erst wenn der grauende Tag die Fenster der Redaktion mehr und mehr bleichte, hörte meine triviale Arbeit auf – konnte ich endlich Schriftsteller sein.

So wurden Flor de Mayo, La Huerta und Entre Naranjos geschrieben: in dem armseligen Redaktionszimmer einer Zeitung von noch ungewissem Leben; der Autor eingewiegt von dem Dröhnen der Maschine im unteren Stockwerk, die die ersten Nummern von »El Pueblo« abzog – im Ohr die tausend Geräusche einer erwachenden Stadt.

Bis die physische Anstrengung, bis eine immer stärker werdende, missachtete Schläfrigkeit mich überwältigte, dauerte die Arbeit des Romanciers. Andere Male suchte ich noch, bevor ich mich niederlegte, die Huerta oder den Strand des Mittelmeers auf, um die Menschen und die Landschaften meiner Romane zu studieren.

Dieses nachtwandelnde Umherschweifen, das eine anormale Existenz bis in den strahlenden Morgen hinein verlängerte, war für mich die einzige Gelegenheit, wie andere Sterbliche die Sonne zu sehen. Gegen Mittag ging ich zur Ruhe, um in der Abenddämmerung aufzuwachen und bei Anbruch der Nacht mein ermüdendes Leben wieder zu beginnen.

Für nichts auf der Welt würde ich nochmals ein solches Dasein, voll von Opfern, voll von Elend und voll von beständigem Kampf für ein bis heute steriles Ideal auf mich nehmen. Aber ich erinnere mich an diesen bewegten Abschnitt meines Lebens mit Rührung – liebe meine ersten Romane, wie die Reichen eine Vorliebe für ihre in den Zeiten der Dürftigkeit geborenen Kinder haben.

Zuweilen denke ich zurück an die Abenteuer, in die mich der jugendliche Enthusiasmus des Romanciers getrieben hat, der alles, was er darzustellen strebte, mit eigenen Augen sehen wollte.

Die Leitung von »El Pueblo« vorübergehend meinen jungen Mitarbeitern überlassend, fuhr ich auf den Barken von Cabañal, teilte das rauhe Leben ihrer Besatzungen und ihre Strapazen beim Fischfang auf hoher See. Heute, da viele Jahre seitdem verflossen sind, darf ich es wohl auch sagen, dass ich auf einem Schmugglerkutter mitsegelte nach Afrika, um an der algerischen Küste zu »arbeiten«.

Noch eine liebe Erinnerung verbindet sich mit Flor de Mayo für mich:

Schweifte ich, meinen Roman im Sinn, am Strande umher, so traf ich häufig einen jungen Maler, – er war nur fünf Jahre älter als ich – der in der prallen Sonne arbeitete. Wie ein Magier gab er auf seiner Leinwand das goldene Licht wieder, die unsichtbare Färbung der Luft, das bebende Blau des Mittelmeeres, das transparente und gleichzeitig feste Weiss der Segel, die weiss-gelb gescheckte, fleischige Masse der mächtigen Ochsen, die majestätisch die Wogen teilten, um die Barken an Land zu ziehen.

Als Knaben hatten wir uns gekannt, dann aus den Augen verloren. Jetzt kam er von Italien und erlebte seine ersten Triumphe. Zum Realismus in der Kunst bekehrt, voller Geringschätzung für die in Schulen erlernte Malerei, war das Meer Valencias, dessen leuchtenden Schimmer er heiss bewunderte, sein einziger Meister.

Gemeinsam arbeiteten wir – er auf der Leinwand, ich an meinem Roman – vor Augen dasselbe Modell. So erneuerte sich unsere Freundschaft; wir wurden Brüder, bis uns vor kurzem der Tod trennte.

Es war Joaquín Sorolla.

Menton, Fontana Rosa
Vicente Blasco Ibañez


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