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Ein Krieg der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika mit Mexiko war unvermeidlich. Schon seit länger hatte die Regierung der Union nicht undeutlich ihr Gelüsten merken lassen, ihr Gebiet bis an das ferne Westgestade des stillen Ozeans auszudehnen und in dem hafenreichen Californien das Sternenbanner aufzupflanzen. Eine Flotte unter Befehl des Commodore Sloat und mehrere Abtheilungen Dragoner unter Anführung des Oberst Kearney und des Kapitäns Fremont waren nach dem Westen abgegangen, die Letzteren mit dem Auftrage, das noch so gut wie gar nicht kultivirte Oregongebiet und Ober-Californien näher zu untersuchen. Kapitän Fremont war am weitesten vorgedrungen, bis in die Nähe von Monterey am stillen Ozean, wo er, ohne auf Widerstand zu stoßen, mit seiner kleinen Reiterschaar und einigen verwegenen Hinterwäldlern, die aus Hang zu Abenteuern sich ihm angeschlossen hatten, wenige Meilen von der genannten Stadt ein verschanztes Lager aufschlug, von dessen Wällen die Flagge mit den goldenen Sternen im blauen Felde lustig flatterte. Ein Angriff, den General Castro auf die Schanzen machte, ward abgeschlagen, die Feinde liefen beim ersten Kanonenschuß in wilder Verwirrung davon.
Inzwischen hatte die Regierung der Vereinigten Staaten, ungeachtet des Protestes des mexikanischen Gesandten, erklärt, daß »Texas, welches mit amerikanischen Bürgern bevölkert sei, von Rechts wegen der Union gehöre«, und da bald darauf eine texanische Gesandtschaft um militärischen Schutz in Washington nachsuchte, den General Zacharias Taylor beordert, mit einem Beobachtungs-Corps von 2500 Mann an den Rio Grande zu marschiren, welcher, nach dem Urtheil der Unionsregierung, die westlichste Grenze von Texas bildete. Infolge dieses Befehls, Juni 1845, war General Taylor mit zwei Regimentern Infanterie und einigen Geschützen auf der St. Josephsinsel an der Mündung des Rio Nueces gelandet, von wo er, im Verein mit den Streitkräften des Oberst Twiggs, auf das zwischen dem Nuecesfluß und dem Rio Grande gelegene Gebiet marschirte, welches die Mexikaner noch als das ihrige betrachteten. Damit war der Anfang der Feindseligkeiten gemacht, wiewohl eine förmliche Kriegserklärung noch von keiner Seite her erlassen war; sie erfolgte erst am 16. Juni 1845 von der Republik Mexiko.
Die nordamerikanische Union hält keine stehenden Heere wie die Staaten in Europa, eine Militärpflicht in dem Sinne wie bei uns kennt der amerikanische Bürger nicht. Das gesammte stehende Heer der Union, die sogenannten Regulars, beträgt 11,000 Mann, eine Anzahl, die nicht einmal für einen Krieg mit den Indianern genügt. Außer diesen ist es das Volk selbst, welches bei ausbrechendem Kriege sich zu stellen verpflichtet ist, doch nur dann, wenn der Kongreß es zu den Waffen ruft. Dieser Aufruf geschieht entweder in Milizen oder in Freiwilligen. Nur im äußersten Nothfall werden die Milizen eingerufen, gewöhnlich genügt es, Freiwillige aufzubieten. Letzteres geschah auch jetzt, und es war mir nicht unwillkommen, daß sich mir Gelegenheit bot, das einförmige Farmerleben mit dem vielbewegten abenteuerlichen eines Soldaten im Felde zu vertauschen. Zudem wurden Denjenigen, die sich freiwillig stellten, ein Pferd sammt Reitzeug und Waffen geliefert und ihnen nach Beendigung des Krieges, dessen Ergebniß, wie man natürlich mit Bestimmtheit voraussetzte, der ungeschmälerte Besitz von Texas sein würde, mehrere Acres daselbst zum Eigenthum versprochen. Ueberdies finden sich in Nordamerika immer Leute genug, welche geneigt sind, eine wohlbestellte Farm auf mehrere Jahre in Pacht zu nehmen. Ich verpachtete die meinige und begab mich nach St. Louis, um in ein Corps von Freiwilligen einzutreten.
Nach wenigen Tagen schon war ich eingereiht und hatte mein Patent in der Tasche. Ein munteres Pferd war mir gestellt worden, als Waffen eine gute Büchse und ein mächtiger Reiterpallasch übergeben, Pistolen führte ich selbst in den Satteltaschen: so war ich für den Abmarsch gerüstet. Der Befehl dazu erfolgte bald. Reichlich hundert Reiter, gleich mir bewaffnet, zwei Feldgeschütze und einige fünfzig Mann Infanterie, außer dem erforderlichen Train, machten unser Corps aus, welches von einem selbstgewählten Offizier, einem Amerikaner von Geburt, dem Hauptmann Colton, kommandirt wurde.
Unser Marsch ging in südwestlicher Richtung durch die Prairien, jenen gras- und bächereichen, wellenförmigen Ebenen, die oft in unabsehbarer Ausdehnung sich über einen Flächenraum von vielen Quadratmeilen ausbreiten. Sie sind der Grasozean der neuen Welt. Wochenlang durchzogen wir diese ausgedehnten Grasebenen, und für einzelne, von unserer Karawane hier erlebten Ereignisse, wie mein Tagebuch und Gedächtniß sie aufbewahrt haben, möchte ich die Aufmerksamkeit meiner Leser in Anspruch nehmen.
Obgleich unter uns nicht gerade die strengste militärische Disciplin herrschte und es so ziemlich dem Einzelnen überlassen blieb, sich auf die ihm bequemste Weise, in Gesellschaft der Uebrigen, zu befördern, so machte doch unsere eigene Sicherheit eine gewisse Ordnung des Marsches am Tage und eine bestimmte Einrichtung unseres Lagers bei Nacht nothwendig, besonders, um auf einen etwaigen Ueberfall umherstreifender Indianerstämme gefaßt zu sein. Deshalb eröffnete unseren Zug eine Abtheilung von zwanzig Reitern, die etwa eine halbe englische Meile weit der Karawane vorausritten. Es wurden dazu die entschlossensten Männer und mehrere der Gegend nicht unkundige Indianer gewählt, deren Aufgabe es war, das Gebiet vor uns, das wir durchziehen mußten, zu recognosciren. Dies Fähnlein, auf den besten, gewandtesten Pferden, über die wir zu verfügen hatten, bewies sich bei mehreren Gelegenheiten von größtem Nutzen.
Ihnen folgten drei Reitertrupps von je fünfzehn Mann, welche in ziemlich weiten Zwischenräumen neben einander ritten. An diese schloß sich als das eigentliche Centrum unseres Zuges die sämmtliche Bagage, ein buntes Chaos von mehr als sechzig Wagen in jeglicher Gestalt und Größe, die mit Ochsen oder Maulthieren bespannt waren. Die Einen trugen unsere Zeltleinwand nebst allem übrigen Zubehör, mit Hilfe dessen wir uns allabendlich ein mäßig wohnliches Obdach herstellen konnten. Andere führten den Proviant, der aus getrocknetem Rindfleisch, Maisbrod, Kaffee, Rum, Zucker etc. bestand, den unentbehrlichsten Lebensmitteln auf einem Zuge durch die Prairie. Mehrere leichte Gefährte trugen die wenigen Habseligkeiten der einzelnen Soldaten und dienten zur Aufnahme und zum Transport der Kranken. Zu beiden Seiten der Wagen, denen das etwa vierzig Mann starke Detachement Infanterie folgte, welches sich uns angeschlossen hatte – meistens hockten die Infanteristen auf den Bagagewagen auf – flankirten zwei Reiterhaufen von je fünfzehn Mann, in Gliedern von zwei Mann reitend, die Karawane. Dann folgte die Artillerie, bestehend aus zwei leichten Feldgeschützen nebst Pulverkarren, sammt einigen Munitionswagen. Den Beschluß machte die übrige Reiterei als schützende Nachhut.
Von dieser Ordnung unseres Zuges ward unter keiner Bedingung abgewichen, wenn freilich auch oft die einzelnen Trupps, vornämlich bei regnerischem Wetter, sich genöthigt sahen, auf den schlüpfrigen Wegen sich weiter auseinander zu halten, als sie es sonst zu thun pflegten. Ein Hornsignal gab jedes Mal das Zeichen zum Aufbruch wie zum Anhalten. Je zehn und zehn Mann waren Zeltkameraden und hatten ihren gemeinschaftlichen Kochkessel, und während, wenn wir rasteten, die Cavalleristen ihre Pferde besorgten, übernahm es die Infanterie, für die gesammte Marschkolonne abzukochen. Morgens sechs Uhr ward aufgebrochen, dann fünf Stunden, ohne inne zu halten, marschirt, darauf, wurde drei Stunden lang gerastet und Abends vier Uhr, mitunter schon früher das Lager für die Nacht aufgeschlagen. Jeder vierte Tag war ein Rasttag, wo die Offiziere nachsahen, ob Alles in gehöriger Ordnung und Marschbereitschaft sich befinde, unerläßliche Reparaturen, Exerzitien und Feldmanöver vorgenommen wurden.
Am Abend, wenn wir auf einem für die Nacht geeigneten Platze angekommen waren, fuhren sämmtliche Wagen sogleich im Kreise auf, innerhalb welchem die Zelte aufgeschlagen wurden. Die zwei Geschütze wurden neben dem Kreise aufgestellt, die Munitionswagen in einiger Entfernung hinter den Kanonen. Man sattelte die Pferde ab und ließ sie grasen, nur ein Picket von dreißig Reitern, welche sich in sechs Patrouillen von je fünf Mann theilten, bezog die Vorposten, die ringsumher nach allen Weltgegenden hin etwa hundert Schritt von der Wagenburg entfernt aufgestellt wurden.
Sobald die Zeltpflöcke eingeschlagen, die Leinwand ausgespannt und die Stricke befestigt waren, begann im Lager ein munteres, geschäftiges Leben. Hellauf loderten die Bivouacfeuer, an denen Kleider getrocknet, gekocht, gebraten und geschmort wurde. Man aß, trank, tanzte und sang oder spielte Würfel. Sobald aber um sieben Uhr Abends der Zapfenstreich geschlagen wurde, hörte der Lärm auf und Alles, mit Ausnahme der Posten, begab sich zur Ruhe.
Zwei Stunden nach Mitternacht rief der Wirbel der Trommeln schon alle Schläfer wieder wach, denn vier Stunden waren durchaus erforderlich, um aufzupacken und zu frühstücken. War dies geschehen, so setzte sich der Zug wieder in Bewegung.
Ein Rasttag war allemal ein Tag der Freude und Erholung, und mitunter wurden auch wohl nach besonders beschwerlichen Marschtagen zwei solcher Rasttage nacheinander verstattet. Ueberhaupt war die Behandlung milde und freundlich, welche wir von unseren Vorgesetzten erfuhren, unsere Verpflegung gut und reichlich, und die wenigen Stunden, die wir an jedem Rasttage exerziren mußten, um nicht ganz aus der Uebung zu kommen, oder vielmehr, was wenigstens von den meisten galt, überhaupt erst in Uebung zu kommen, die nöthigen Handgriffe, Schwenkungen und Evolutionen zu lernen und zu behalten, waren uns niemals zu anstrengend, gewährten vielmehr eine angenehme Abwechslung und hielten in uns Allen das Bewußtsein des eigentlichen Zweckes unseres Marsches durch die Prairie lebendig. Waren diese Exerzitien, die in den Morgenstunden abgemacht wurden, beendigt, dann konnte Jeder sich die Zeit vertreiben, wie er wollte, mit Ausnahme Derer, welche die Posten zu beziehen hatten, was natürlich unter Allen regelmäßig abwechselte.
Häufig erhielten wir Besuch von herumstreifenden Indianern, die meistens in friedlicher Absicht kamen, oder doch sich nicht beikommen ließen, unseren Frieden zu stören. Nur mußten wir vor ihren langen Fingern auf der Hut sein, und doch gelang es niemals, alles Eigenthum ihren diebischen Gelüsten zu entziehen. Gewöhnlich waren es jedoch nur Kleinigkeiten, welche sie, wie wir erst nach ihrer Entfernung zu bemerken pflegten, unbefugter Weise hatten mitgehen heißen. Dagegen gewährte uns der Verkehr mit ihnen manche Vortheile. Wir erhandelten namentlich von ihnen Pferde und frisches Büffelfleisch, welches letztere statt des getrockneten, das wir mit uns führten, trefflich schmeckte. Und die Pferde, die sie wild eingefangen hatten, waren von der besten Art, gewandt und ausdauernd; die Indianer schlugen sie stets für einen geringen Preis los. Eine alte Pistole oder etwas dem Aehnliches schien ihnen oft völlig genügend, ein solches Thier an uns auszutauschen. Man wird begreifen, wie wir kein Bedenken trugen, solch wohlfeilen Tausch einzugehen, zumal uns die Unterhaltung der Pferde, welche hinreichend Weide in der Prairie fanden, nichts kostete, und wir gern einige Thiere in Reserve hatten. Manches Joch Ochsen, welche uns einen erwünschten Braten abgaben, wurde durch ein Gespann Pferde ersetzt, die auf so bequeme Weise unser Eigenthum wurden.
Zu unsern beliebtesten Unterhaltungen an den Rasttagen gehörte die Jagd. Selbst für den, der sonst kein leidenschaftlicher Liebhaber des Waidwerks ist, ist doch die Prairie mit ihrem Reichthum an jagdbaren Thieren zu verlockend, um nicht auch einmal es zu versuchen, einen eßbaren Vogel oder ein vierfüßiges Thier mit der Flinte für den Bratspieß herbeizuschaffen. Gar zu willkommen ist dem, der Tag aus Tag ein sich mit gepökeltem Fleische begnügen muß, der Genuß von frischem. Dazu kommt, daß man nirgends sich freier und unabhängiger fühlt, als wenn man auf flinkem Roß über die weite Grasebene hintrabt, ohne andern Zweck, als den, irgend ein Abenteuer zu erleben und mit dem Bewußtsein, sich nicht verirren zu können, sondern wenn die Lust befriedigt ist, die Gefährten wiederzufinden.
Im Geleit mehrerer Kameraden, die sämmtlich beritten waren, und geführt von einem Indianer, deren mehrere uns seit unserm Abmarsch von St. Louis als Führer dienten, machte ich an einem solchen Rasttage einen Jagdausflug in die Prairie. Unsere Mustangs waren treffliche Thiere, leichtfüßig wie Gazellen, dabei von kräftigem Körperbau. Dem frischen Morgenwinde, der das langhalmige Gras, welches mit Blumen aller Größen und Farben durchwebt war, streckten sie die weitgeöffneten Nüstern entgegen und beim leisesten Laut, den ein aufgescheuchter Vogel oder nur ein summender Käfer verursachte, erhuben sie aufhorchend die Ohren. In der besten Laune von der Welt wiegten wir uns im Sattel und ließen den munteren Thieren den Zügel, die uns in sanftem Galopp über die Ebene forttrugen. Hier war es eine Schaar von Prairiehühnern, die, durch unsere Nähe aufgeschreckt, mit lautem Geräusche aufflog, um sich bald wieder niederzulassen, dort ein Schwarm wilder Tauben, der über unsere Häupter hinstrich. Hoch in den Lüften wiegte sich der Geier, mit scharfem Auge nach dem Leichnam eines gefallenen Thieres umherspähend; am Saum der Hölzung, welche auf einer kurzen Strecke das ewige Einerlei der Grasflur unterbrach, hatte eine Anzahl Truthühner in den Zweigen Platz genommen, deren Gefieder prächtig in den Strahlen der Morgensonne glänzte. Die Luft war balsamisch gewürzt vom Duft der tausend Blüthen, die ihre Kelche dem Licht und der Wärme, geöffnet hatten, und die in üppiger Fülle neben einander stehenden Grashalme wogten, vom Winde bewegt, gleich den grünen Meereswellen. Leichte durchsichtige Wolken, von den glänzenden Sonnenstrahlen vergoldet, schifften langsam unter dem blauen Himmelsgewölbe dahin. Bald war der dichtbewachsene Boden eine ununterbrochene Fläche, bald stieg er sanft zu einer Anhöhe an. Auf einzelnen Strecken lag der Felsgrund, über welchen die fette Humusdecke sich ausbreitet, frei zu Tage und der Huf unserer Pferde schlug tönend das graue, an der Oberfläche verwitterte Gestein. Hier öffnete sich eine weite Spalte, die umritten werden mußte, dort ragte ein schroffer Felsblock thurmartig empor. Mitunter bedeckte feinkörniges Kiesgeröll den Boden, und in den Thalsenkungen rauschte murmelnd ein Bach. An anderen Stellen war der Grund sumpfig, unsere Pferde versanken fast bis an's Knie und hatten Mühe, die Füße aus dem morastigen Erdreich wieder herauszuziehen.
Nachdem unsere Mustangs das erste Aufwallen ihrer Rennlust befriedigt hatten, bewegten sie sich in gemessenen Schritten vorwärts. Vor uns dehnte sich unabsehbar, wie die See, das wogende Grasmeer der Prairie, rechts trat eine Waldung von Lebenseichen mit scharfem Vorsprung in die Ebene. Als wir um diese Waldecke herumgeritten waren, erblickten wir am äußersten Saume des Gesichtkreises schwarze Punkte, die sich in größeren und kleineren Gruppen von einer Stelle zur andern bewegten. Unser Indianer erkannte sie für eine Büffelheerde, welche dort weide, und es kam uns sein Vorschlag nicht ungelegen, sogleich eine Jagd auf diese Thiere zu versuchen. Zu dem Ende theilten wir uns in drei Haufen, um nicht zu früh die Aufmerksamkeit der Heerde auf uns zu lenken. Zwei Haufen ritten rechts und links am Rande der Grasebene dem Weideplätze zu, der dritte hielt die Mitte der Prairie. Der Wind wehte uns entgegen und war uns dadurch günstig. Wir luden unsere Büchsen mit Kugeln, prüften unsere Waidmesser und sprengten nun, so schnell die Pferde laufen konnten, den Büffeln entgegen. Diese schienen unsere Annäherung nicht zu bemerken, denn als wir ihnen auf etwa tausend Ellen nahe waren und schon deutlich die einzelnen Gestalten unterscheiden konnten, die zottige, langherabhängende Halsmähne und das mächtige Gehörn der Stiere, weideten sie noch ungestört fort. Nun hielten wir einen Augenblick unsere Pferde an, den beiden Trupps zur Rechten und Linken ward ein Zeichen gegeben, die Heerde wo möglich zu umreiten. Ich befand mich im mittleren Zuge, und während jene nun im sausenden Galopp vorwärts sprengten, ritten wir einzeln, je drei bis vier Pferdelängen von einander entfernt, in kurzem Trabe weiter.
Es währte nicht lange, so witterte uns die Heerde. Einige Stiere, die uns zunächst grasten, hoben den Kopf empor, zeigten uns die breite Stirn, schnoben grimmig aus den Nüstern und stießen ein weithin schallendes Gebrüll aus. Unterdessen war es den beiden Häuflein gelungen, die Heerde zu flankiren, und als sich diese nun in Bewegung setzte, um durch die Flucht sich unsern Nachstellungen zu entziehen, sprengten die Reiter von beiden Seiten auf sie heran. Die Mehrzahl der Büffel, deren wohl einige hundert beisammen sein mochten, ließ sich dadurch freilich nicht irre machen, sondern rannte hastig in der einmal eingeschlagenen Richtung vorwärts, der Erdboden zitterte unter den dumpfen, schweren Tritten ihrer Hufe. Mehrere Stiere aber und Büffelkühe, zu deren Seiten sich einige Kälber befanden, wurden von den übrigen abgeschnitten. Als sie sahen, daß sie die Fliehenden nicht mehr erreichen konnten, hielten sie in ihrem Lauf inne und wendeten sich um. Wüthend rollten sie die Augen, stampften und scharrten wild mit den Füßen und peitschten mit dem Schweife die Weichen. Dann stürzten sie sich uns gerade entgegen.
Der Pfeil unseres Indianers, dem wir den ersten Schuß überlassen hatten, weil wir wußten, daß er seines Zieles nicht verfehlen würde, schwirrte von der Bogensehne und traf einen gewaltigen Stier dicht hinter dem rechten Schulterblatt. Das Thier machte noch einige mächtige Sätze, dann stürzte es zu Boden. Nun donnerten auch unsere Büchsen und als der Wind den Pulverdampf verweht hatte, sahen wir auch drei Kühe verwundet, die sich noch eine Zeitlang mühsam fortschleppten, dann aber niedersanken. Die übrigen Büffel durchbrachen unsere Reihe und stoben eilenden Laufes von dannen.
Damit aber war die Jagd noch nicht zu Ende, denn nach kurzem Verschnaufen erhob sich der angeschossene Stier noch einmal wieder. Unsere Pferde, welche sich nun in so unmittelbarer Nähe der furchtbaren, durch ihre Verwundungen auf's Höchste gereizten Thiere befanden, zitterten am ganzen Leibe und fingen an, sich zu bäumen und widerspenstig in den Zügel zu beißen, als wir sie vorwärts trieben. Wir mußten auf dem Flecke bleiben, wo wir waren. Nur der Indianer, der uns Allen um fünfzig Schritte voraus war, verstand es, seinen Mustang zu regieren. Er nahm den Kampf mit dem offenbar noch nicht tödtlich verwundeten Stier wieder auf. Geradenwegs sprengte er ihm entgegen und mit gesenktem Haupte und weit nach hinten ausgestrecktem Schweif rannte der Stier auf seinen Verfolger zu. Als er demselben auf wenige Schritte nahe gekommen war, wandte dieser plötzlich sein Pferd zur Seite, das wüthende Thier stürzte an ihm vorüber, empfing aber im Vorübersprengen einen Lanzenwurf von dem Indianer. Tief drang die scharfe Eisenspitze in die Weichen und der Schaft zitterte, als der Stier noch eine Zeitlang forteilte. Dann sank er zum zweiten Male nieder, um sich nicht wieder zu erheben. Die Hörner wühlten tief in den Boden, ganze Ballen Gras schleuderten sie in die Höhe, der Schweif sauste wirbelnd durch die Luft, die Hufen des seitwärts niedergestürzten Stiers zerrissen das Erdreich. Es waren seine letzten Zuckungen, nach wenigen Minuten war er verendet.
Die Kühe waren glücklicher getroffen, die eine war auf der Stelle todt; die Kugel war ihr in die Schläfe gedrungen. Die zweite lebte zwar noch, doch hatte sie, wie sich später auswies, zwei Schüsse zwischen den Rippen erhalten, deren Wunden sie doch verhinderten, sich wieder aufzurichten. Unser Indianer tödtete sie mit dem Fangmesser. Dagegen mußte die dritte nur leicht verwundet sein. Denn sie erhob sich bald wieder, und im Geleit von zwei Kälbern suchte sie zu entrinnen. Es gelang ihr aber nicht. Denn wir hatten unterdessen wieder unsere Büchsen geladen, und mehrere wohlgezielte Kugeln streckten auch sie jetzt todt zu Boden. Mit leichter Mühe fingen wir noch zwei Büffelkälber, welche nicht geneigt zu sein schienen, die Leichname ihrer erlegten Mütter zu verlassen, lebendig; ein drittes sprang behende in der Richtung davon, wohin die Mehrzahl der Heerde geflohen war, und wir konnten es nicht über uns gewinnen, ihm eine Kugel nachzusenden. Völlig mit unserer Beute zufrieden, machten wir uns jetzt daran, die Felle unseres Wildes und so viel von dem Fleische, als wir zu transportiren im Stande waren, in Sicherheit zu bringen.
Hiebei mußten wir vor allem die Gewandtheit des Indianers bewundern. Mit raschen sicheren Schnitten streifte er den Büffeln das Fell ab, dann schnitt er die besten Brust- und Schenkelstücke heraus, löste die Hörner, und das Alles in so unglaublich kurzer Zeit, daß er bereits zwei der Thiere völlig abgestreift und bis auf das Knochengerüst abgeschält hatte, während mehrere von uns noch mit einer ähnlichen Bereitung der beiden anderen vollauf beschäftigt waren. Dann verfertigte er mit nicht geringerer Geschicklichkeit einige Schleifen, auf die er die brauchbaren Reste unserer Beute packte, um so diese mit Hilfe der Pferde in's Lager zu führen. Den Beschluß seiner Thätigkeit machte die Zubereitung eines trefflichen Bratens. Als die Mittagshitze die Arbeiten einzustellen nöthigte, bewirthete er uns mit dem trefflichsten Roastbeef, was wir je gekostet hatten, und ich glaube wirklich nicht, daß allein die Folge unserer Bewegung und Anstrengung die Ursache war, weßhalb uns der Braten so köstlich mundete, sondern daß vielmehr der Hauptgrund davon in der Schmackhaftigkeit lag, mit welcher das Fleisch von unserer Rothhaut gebraten worden. Es hatte freilich nur neben dem lodernden Feuer auf einem hölzernen Spieße geschmort, aber es war durchaus nicht von dem Rauche des Holzstoßes angegriffen, da dieser so angelegt ward, daß der Wind den Rauch von dem Fleisch fortwehte, und die Fettbündel, mit denen das Fleischstück umwunden worden, hatten allen Saft in demselben zurückgehalten, was nicht wenig zu dem Wohlgeschmack beitrug.
Unserer Mahlzeit folgte eine Siesta im Schatten der Eichenwaldung. Dann traten wir unsern Rückweg an. Und man wird sich die Freude im Lager denken können, als wir, mit unserer Beute beladen, dort ankamen und nun Jeder für diesen Abend wenigstens ein Stück saftigen Büffelbratens verzehren konnte. Man unterließ nicht, wiederholt der Jagdgesellschaft ein donnerndes Hoch auszubringen. –
Ein anderes Mal ward uns, in Veranlassung des Geburtstages unseres Kapitäns, ein außerordentlicher Rasttag gewährt, der den Umständen nach zu allerlei Festlichkeiten verwendet wurde. Diese erreichten ihren Höhepunkt am Abend gleich nach Sonnenuntergang mit dem Abbrennen eines Feuerwerkes, welches unsere geschickten Artilleristen verfertigt hatten und das wenige hundert Schritte vom Lager entfernt ausgeführt wurde. Eine Menge von Raketen und Leuchtkugeln stiegen am heiteren Nachthimmel empor und beleuchteten magisch die Prairie ringsum. Die Durchsichtigkeit der Luft verlieh den buntfarbigen Sternen und Kugeln, die sich mit lautem Knallen ankündigten, einen größeren Glanz, als dies bei bedecktem Himmel der Fall gewesen sein würde. Jedes Aufsteigen einer Rakete, die Entzündung eines prasselnden Feuerrades, der dumpfe Knall einer Leuchtkugel ward mit lautem Jubelgeschrei begrüßt, und als nun gar am Schlusse der Namenszug unseres braven Commandeurs im Brillantfeuer erglänzte, da wollte der Jubel kein Ende nehmen und verstummte erst, nachdem die Kunde eintraf, daß nun das Abendessen bereit sei, dem der Commandeur aus eignen Mitteln noch das beliebte Getränk, Rum mit Wasser und Zucker vermischt, zugesellt hatte.
Der erste Theil der Nacht ward mit fröhlichem Zechen und Schmausen, mit Singen von Liedern und Unterhaltungen ähnlicher Art hingebracht, kein Mißton störte die allgemeine Freude. Aber wer beschreibt unsern Schrecken am andern Morgen, als die Trommel wie gewöhnlich uns weckte und mehr als die Hälfte unserer Pferde nicht zu finden war. Anfangs glaubten wir, sie seien uns geraubt worden, die Posten hätten vielleicht nicht die nöthige Wachsamkeit gehalten und beutesüchtigen Indianern sei unbemerkt ein Ueberfall gelungen, bei dem sie sich mit dem Raube der Pferde begnügt hätten. Aber so verhielt sich die Sache nicht. Die mitternächtliche Runde hatte, wie sie rapportirte, alle Posten wach und munter gefunden und bei der Reveille waren sie es ebenfalls. Es zeigte sich auch bald, daß die Pferde nicht gewaltsam entführt worden seien, denn die, welche mit doppelten Stricken an fest in die Erde geschlagenen Pflöcken befestigt waren, fanden sich alle zur Stelle, nur die weniger sorgsam getüdderten, und diejenigen, welche man hatte frei umherlaufen lassen, weil sie bereits so weit gezähmt waren, daß man nicht besorgt zu sein brauchte, sie würden sich freiwillig entfernen, waren verschwunden. Nichts anderes konnte die Ursache sein, als der Lärm, der Abends vorher im Lager herrschte, besonders das Knallen und Knattern des Feuerwerkes, wodurch die Thiere erschreckt wurden und das Weite suchten.
Sobald dem Commandeur die Meldung gemacht war, ließ er mehrere Trupps aufsitzen und nach allen Seiten hin recognosciren, die verlaufenen Thiere wiederzusuchen. Es glückte dies auch vollkommen, denn bereits vor Mittag war schon die größte Mehrzahl wieder eingefangen. Man hatte sie haufenweise in größerer und geringerer Entfernung vom Lager friedlich weidend angetroffen. Nur wenige fehlten, auf deren Habhaftwerdung wir freilich, wenn auch ungern, verzichten mußten. –
Die Marschroute, welche wir verfolgten, war keine vielbesuchte Karawanenstraße, auf der man zwar nicht immer Reisegefährten, aber doch die Spuren Solcher antrifft, die schon vorher desselben Weges gezogen sind. Durch die Prairie führt kein größerer gebahnter Weg, höchstens der sogenannte Indianerpfad, ein schmaler Fuß- oder Reitsteig, der von einem der zeitweiligen Lagerplätze der Rothhäute zum andern reicht. Doch ist dieser Pfad schon darum nicht immer zuverlässig, weil diese Lagerplätze keineswegs feste Niederlassungen sind; sondern wenn eine solche Stätte den Indianern nicht mehr gefällt oder wenn sie in ihrer Umgebung ihnen nicht mehr das nöthige Weideland und eine ergiebige Jagd bietet, so brechen sie ihre Zelte ab, verlassen sie und suchen eine andere, die ihren Wünschen entspricht. Oft leitet daher der Indianerpfad nur nach einem verlassenen Lagerplatze. In keinem Fall aber kann er von einem zahlreicheren Reisezuge passirt werden; denn da er nur für Fußgänger, höchstens auch für einen einzelnen Reiter angelegt ist, so führt er oft über so steile, fast unwegsame Anhöhen, die selbst das gewandteste Pferd oder Maulthier nur mühsam zu erklimmen und herabzusteigen vermag. Eine nur einigermaßen größere Carawane, zumal eine so große, wie die unsrige, welche einige sechzig Fuhrwerke der verschiedensten Art mit sich führte, muß sich selbst einen Weg durch die weite Grasebene bahnen. Ohne Führer ist es nicht möglich, sich in der Prairie zurecht zu finden. Wir hatten deren, wie schon oben erwähnt, mehrere, welche für Lohn in St. Louis gedungen waren, und sich des Weges hinreichend kundig bewiesen, die uns aber auch noch in mancher andern Hinsicht von großem Nutzen waren.
Es kann nicht fehlen, daß man mitunter in den Thälern Bächen und Flüssen begegnet, welche, je nachdem die Jahreszeit ist und die Witterung in den nächstvorhergehenden Tagen gewesen, von größerer oder geringerer Breite und Tiefe sind, daher bald weniger bald mehr Schwierigkeiten beim Ueberschreiten verursachen. Mit den Pferden kann die Reiterei jedesmal leicht hinüber, selbst wenn die Thiere genöthigt waren, eine kurze Strecke zu schwimmen. Die Reiter nahmen überdies noch jeder einen Infanteristen mit hinüber, der sich auf die Croupe des Pferdes setzte. Mehr Schwierigkeit machte schon die Ueberführung der Ochsen und Maulthiere, und die Wagen und Geschütze erforderten jedesmal, wenn die Furt nicht sehr seicht war, die Bereithaltung einer Fähre. Wir führten nun freilich eine Art Brückentrain mit uns, der aus mehreren Pontons bestand, mit deren Hilfe nötigenfalls eine Schiffbrücke geschlagen werden konnte. Aber theils besaßen wir nur eine geringe Anzahl von Pontons und hatten Mangel an den nöthigen Brettern zu ihrer Ueberdeckung, theils war das Ab- und Ausladen derselben so umständlich und zeitraubend, auch die Fahrzeuge dabei so sehr der Gefahr, beschädigt zu werden, ausgesetzt, wodurch wir sie dann vielleicht im Fall der Noth gar nicht hätten brauchen können, daß wir jedes andere Mittel, die Ueberfahrt zu beschaffen, sehr willkommen hießen. Hier halfen uns nun die Indianer, ächte Natursöhne, groß geworden im Urwald und auf der Prairie, mit ihrem praktischen Verstande, womit sie immer auf kürzestem Wege und mit der leichtesten Mühe ein bequemes Transportmittel herzustellen wußten.
Ein Floß zu zimmern, welches groß genug war, um wenigstens zugleich unsere beiden Geschütze sammt Munitionskarren zu tragen und eben so viele unserer Bagage- und Proviantwagen, war für sie eine Kleinigkeit. Selten brauchten sie dazu mehr als einen halben Tag, höchstens einen ganzen, wobei wir ihnen natürlich zur Hand gingen. Aber sie waren es doch, die alles anordneten und die meiste Handarbeit fast allein thaten. Sie suchten die Bäume aus, die gefällt wurden, sie leiteten den Transport derselben von der Waldung bis an das Ufer des Flusses, den wir passiren sollten, sie suchten die zur Ueberfahrt geeignetste Stelle aus, und wenn die nöthige Anzahl Bäume auf dem Wasser schwamm, wo einige eingerammte Pfähle sie hielten, damit die Strömung sie nicht forttrieb, so flochten sie aus den Ranken von Schlinggewächsen und aus biegsamen Zweigen Stricke, mit denen sie die einzelnen Bäume fest aneinander ketteten. Dann war das Floß fertig und die Leitung übernahmen gleichfalls die Indianer, sei es, daß sie es mit Stricken von einem Ufer zum andern zogen, wenn der Fluß nicht breit war, oder daß sie mit langen Stangen es fortschoben, indem sie selbst sich darauf stellten.
Ebenso geschickt und mit einem verhältnißmäßig geringen Aufwande von Zeit und Kräften verstanden sie es, an passenden Stellen und über nicht allzubreite Flüsse Brücken zu bauen. Dafür suchten sie vorzugsweise einen in der Nähe der Quelle des Flusses gelegenen Ort aus, wo dieser, wie dies häufig der Fall ist, über große Felssteine, die aus dem Wasser hervorragen, in schäumenden Katarakten hinbraust. Hier wurden gefällte Baumstämme von Stein zu Stein gelegt, Pfähle in den Kiesboden des Strombettes eingeschlagen und so eine Brücke gebaut, die sich stets als hinlänglich fest bewies, um ohne Gefahr von uns überschritten zu werden, wiewohl donnernd und brausend der Bergstrom unter ihr fortschoß. Wir waren bei allen diesen Bauten nichts mehr als Handlanger und betrugen uns als solche oft noch ungeschickt genug. Die außerordentliche Erfindungsgabe der Indianer und ihre Geschicklichkeit, mit der sie das Material, was die Natur in nur rohen Formen bietet, zu bearbeiten und zu verwenden wußten, um ihren Zweck zu erreichen, war in der That bewundernswürdig. Axt und Messer waren ihre einzigen Werkzeuge, erstere wußten sie auch überall da zu gebrauchen, wo sich der Europäer nicht ohne Säge würde behelfen können, und das Messer vertrat bei ihnen die Stelle des Meißels, des Hobels und jedes anderen Schneideinstrumentes kleinerer Art. Ueberdies war, was sie bauten, nicht blos fest und sicher, sondern es war auch zugleich von wohlgefälligen Formen, niemals plump und unbeholfen, und wenn man erwägt, wie viel Zeit ein Bau zu gleichem Zwecke erfordert, den ein europäischer Handwerker ausführt, so war die Zeit, welche diese Indianer darauf verwendeten, in Wahrheit fabelhaft kurz. Wäre es nicht alles unter unseren Augen vorgegangen, man hätte die Berichte darüber für Märchen oder doch wenigstens Uebertreibungen halten können. So aber kann ich es nur bestätigen, daß ein solches Indianerfloß an Wohlgestalt und Zweckmäßigkeit, an Dauerhaftigkeit und Zuverlässigkeit unseren Rhein- und Donauflößen vollständig gleichkommt, sie oft aber an Leichtigkeit bei der Handhabung übertrifft, und daß es europäischen Pontonieren, bei aller Achtung vor ihrem Kunstgeschick, sehr wohl thun würde, wenn sie bei solchen Indianern eine Zeit lang in die Lehre gingen. Diejenigen wenigstens, die unseren Zug begleiteten, und es waren nicht die schlechtesten, räumten ein, daß die Indianer ihre Lehrmeister wären.
Eines Tages waren wir an dem Ufer eines ziemlich breiten Stromes, dessen Bett in der Mitte ungewöhnlich tief war, mit der Anfertigung eines Floßes beschäftigt. Wir hatten in der verflossenen Nacht unser Lager reichlich vierhundert Schritte vom Ufer entfernt auf der Prairie in gewohnter Weise aufgeschlagen. Dort stand es auch noch jetzt, nur daß, weil das Floß bald vollendet war, alle Wagen schon angespannt zur Abfahrt bereit hielten. Die Reiterei war bereits aufgesessen und vertrieb sich die Zeit noch mit einigen Manövern auf der Ebene.
Da zeigten sich plötzlich jenseits des Flusses, den wir überschreiten wollten, vereinzelte Reiter, welche von unsern Indianern sogleich für Comanches erkannt wurden, ein eingeborner Stamm, der als Reiter- und Jägervolk ein nomadisirendes Leben in den Ebenen der südwestlichen Vereinsgebiete, namentlich in den Niederungen im Quellgebiete und Mittellaufe des Brazos und Colorado in Texas führt. Die Reiter, die am jenseitigen bewaldeten Ufer aus dem Dickicht plötzlich hervortraten, schienen anfangs nur neugierig unseren Arbeiten zusehen zu wollen, so daß wir uns durch ihre Gegenwart nicht stören ließen. Als sie aber durch die diesseits des Flusses, wo wir arbeiteten, vereinzelt stehenden Baumgruppen hindurch in der Ferne unseres Lagers ansichtig wurden und das Manövriren unserer Cavallerie bemerkten, nahmen sie eine drohende Miene an, stießen ein wildes Geschrei aus, schwangen ihre langen Speere und verschwanden darauf wieder im Dickicht. Wir glaubten, sie hätten sich zurückgezogen, ohne uns weiter belästigen zu wollen, daher wir es nicht für nöthig hielten, sogleich unserem Comandeur Meldung von dem, was wir gesehen hatten, zu machen.
Es währte aber nicht lange, so sprengte ein größerer Trupp als vorhin aus dem Walde an's Ufer, in ihrer Mitte der Häuptling der Schaar, der auf seinem Haupte einen reichen Federschmuck trug und in der Rechten einen mächtigen Tomahawk, wie ihn seine Begleiter am Sattelknopfe hängen hatten. Sie tummelten abwechselnd ihre gewandten Mustangs längs dem Flußufer, bald hielten sie dieselben an, uns sorgfältiger zu beobachten. Darauf ward ihr Benehmen herausfordernd, ja mehr als dieses. Sie begnügten sich nicht damit, uns mit wilden Geberden und Lanzenschwenkungen zu bedrohen, sondern der Häuptling ließ sich sogar herbei, Einem seiner Leute eine Lanze abzunehmen, und nachdem er sie in der Hand gewiegt, wie um ihre Schwere und Flugkraft zu erproben, schleuderte er sie mit kräftigem Wurfe zu uns herüber, doch so, daß sie über unsere Köpfe hinsauste und in den Stamm einer Eiche drang, die hinter uns stand. Er wollte uns wahrscheinlich zeigen, wie gut er sein Ziel zu treffen verstehe.
Ohne Verzug ließen wir jetzt unsere Arbeit liegen und stellten uns hinter den Baumgruppen auf, indem wir zugleich unserm Commandeur durch einen Boten das Geschehene meldeten. Kaum hatte der Hauptmann den Vorgang erfahren, als er selbst, begleitet von einer ansehnlichen Reiterschaar, heransprengte. Zwischen den Bäumen hielt er sein Pferd an und blickte hinüber. Ihm folgten unsere beiden Geschütze, die er unter dem dichten Laubdach der Eichen auffahren und Angesichts der Comanches drüben, das eine mit einer Kugel, das andere mit Kartätschen laden ließ. Neben jede Kanone trat ein Artillerist mit brennender Lunte.
Unserm wackeren Commandeur war es nicht darum zu thun, unnöthigerweise Blut zu vergießen, wiewohl er keineswegs vor einem Kampfe, wenn er nicht zu vermeiden sein würde, zurückschreckte. Daher befahl er einem unserer Indianer, welcher sich mit den Comanches, die selbst mitunter etwas spanisch zu sprechen vermögen, verständigen konnte, mit einer an einer Lanzenspitze befestigten weißen Fahne durch den Fluß zu reiten und ihnen unser Vorhaben, über den Fluß zu setzen, mitzutheilen, zugleich sie zu ersuchen, uns kein Hinderniß in den Weg zu legen, widrigenfalls wir genöthigt sein würden, Gewalt zu brauchen.
Der Indianer brachte sogleich den Befehl zur Ausführung, er ritt in den Fluß hinein, durchschwamm an der tiefen Stelle mit seinem Pferde die Fluth und trat dann an das jenseitige Ufer. Hier schwenkte er seine weiße Fahne, der Häuptling winkte ihm, herbeizukommen, ließ seine Begleiter einige Schritte rückwärts sich aufstellen und nahm die Meldung des Indianers ruhig entgegen. Nachdem dieser ausgeredet hatte, wandte der Häuptling sein Pferd und ritt zu den Seinigen zurück. Diese schlossen einen Kreis um ihn und man sah, daß sie einen Kriegsrath hielten. Nach Verlauf einiger Minuten sprengte Einer der Reiter an unseren hart am Ufer des Flusses wartenden Indianer heran, und wir glaubten an seinen grimmigen Geberden, mit denen er die Antwort an unseren Abgesandten begleitete, wahrzunehmen, daß diese nicht, wie wir wünschten und hofften, friedlicher Art war.
Wir hatten uns darin nicht getäuscht, denn kaum hatte unser Parlamentär seinen Rückweg durch das Wasser angetreten und war gerade an der tiefen Stelle des Flusses angekommen, wo er vom Pferde stieg und neben demselben herschwamm, als Einer der Comanches ihm seinen Speer nachschleuderte, dem aber der Indianer, der fortwährend rückwärts blickte, durch Untertauchen auswich. Prasselnd fuhr die Lanze in's Wasser, das schäumend und zischend umherspritzte, so daß das Pferd des Indianers zur Seite scheute.
Wir hatten dies Alles mit der gespanntesten Aufmerksamkeit beobachtet und in demselben Moment, wo die ihres Ziels verfehlende Lanze ins Wasser versank, donnerte auf Befehl des Hauptmanns das eine unserer Geschütze, die Kugel schlug mitten unter den Reitertrupp, wühlte den schlammigen Boden tief auf und traf im Aufspringen die Brust eines der Pferde, das lautstöhnend mit seinem Reiter zusammenstürzte. Der dadurch verursachte Schrecken der Comanches war so groß, daß sie augenblicklich ihre Mustangs umwendeten und im Dickicht verschwanden, indem sie den gestürzten Kameraden mit sich nahmen, das Pferd, welches aber nicht getödtet war, liegen ließen. Dieses erhob sich jedoch bald wieder und schritt langsam und keuchend in die Waldung.
Unser Commandeur befahl uns jetzt, die Arbeit am Floß zu vollenden, und ließ dann neben den beiden Geschützen die Infanterie mit geladenen Flinten aufmarschiren und in doppelten Gliedern sich aufstellen. Er war fest entschlossen, noch heute, sobald das Floß fertig sein würde, unseren gesammten Zug überzusetzen und jenseits ein Nachtlager zu beziehen.
Nach Verlauf einer Stunde war das Floß zur Ueberfahrt fertig. Zuerst ward ein Geschütz und eine Abtheilung Infanterie übergesetzt, dann wieder eine Kanone mit einer gleichen Bedeckung Fußsoldaten. Darauf folgte die Hälfte der Reiterei, während die andere Hälfte zur Bedeckung der Munitions-, Proviant- und Bagagewagen zurückgeblieben, und erst, nachdem diese sämmtlich hinübergeschafft waren, theils den Fluß durchschwimmend, theils auf dem Floße übersetzte. Am jenseitigen Ufer wurden die Reiter in Haufen von je zehn Mann getheilt, hinter ihnen die Artillerie und die Fußsoldaten aufgestellt, letztere auf dem rechten und linken Flügel, erstere im Centrum. So rückte der Zug in das Dickicht. Dieses erwies sich nur als ein etwa zwei- bis dreihundert Schritte breiter Waldstreifen, vor dem sich eine unabsehbare Prairie ausdehnte.
Kaum traten die Soldaten aus dem Schatten der Bäume ins Freie, so gewahrten sie vor sich in der Ferne das Lager der Comanches. Es bestand aus einer Gruppe von unregelmäßig neben einander aufgeschlagenen Zelten, unter denen sich eins durch seinen Umfang und seine Höhe vor den übrigen auszeichnete. Wahrscheinlich war dieses das Zelt des Häuptlings. Vor jedem Zelt war auf einer Stange, wie es schien, auf einer langen Lanze, ein Schild und die Kopfhaut eines Büffels, an welcher das Gehörn emporragte, aufgestellt. Im Lager herrschte große Unruhe. Eine Menge Hunde bellten und kläfften, man sah Weiber und Kinder hastig hin- und herrennen, während die Männer auf ihren überaus flinken Pferden zwischen den Zelten umhersprengten.
Unsere Cavallerie ritt eine Strecke in die Ebene vor, dann machte sie Halt. Die Geschütze und die Infanterie stellten sich hart am Saume der Waldung auf, so daß diese ihren Rücken deckte, und durch den Wald hindurch ward eine Tirailleurkette bis an das Flußufer gebildet, welche die Verbindung mit unserer, im Uebersetzen begriffenen Bagage und deren Bedeckung herstellen sollte. Sobald ein Theil der Wagen glücklich übergeführt war, zogen sie einer hinter dem anderen her, auf einem ziemlich gebahnten Pfade durch den Wald nach der Prairie. Als sie diese erreicht hatten, erhielten die dort aufgestellten Truppen Befehl zum Vorrücken, welches in der angegebenen Ordnung geschah, und zwar so weit, daß hinter ihnen Raum genug blieb, um unser Nachtlager wie gewöhnlich, frei nach allen Seiten hin, aufzuschlagen.
Die Ueberfahrt unseres ganzen Corps dauerte, wiewohl dieselbe schon vor Mittag ihren Anfang genommen hatte, bis nach Untergang der Sonne. Sie ging aber ohne Störung und Unfall vor sich, und als die letzten Wagen und Truppen auf der Grasebene ankamen, loderten bereits die Wach- und Kochfeuer hell durch die Sommernacht, und die zum Theil sehr ermüdete Mannschaft fand ihre Abendmahlzeit bereitet.
Im Lager der Comanches blieb dagegen alles dunkel. Nach der Unruhe zu urtheilen, die wir bei ihnen wahrgenommen hatten, glaubten wir, sie seien aufgebrochen und weiter gezogen. Da indeß die Dunkelheit verhinderte, uns aus der Ferne davon zu überzeugen, so wurden zwei Reiterfähnlein zum Recognosciren vorgeschickt. Unser Commandeur selbst schloß sich ihnen an, und nach Verlauf von reichlich einer Stunde kehrten sie mit der Nachricht wieder, daß die Zelte der Feinde zwar nicht abgebrochen seien, aber doch von ihren Bewohnern geräumt zu sein schienen.
Unsere Posten wurden nun für diese Nacht verdoppelt, und in größerer Entfernung, als sonst zu geschehen pflegte, um unser Lager aufgestellt. Rings um dasselbe wurden Feuer angezündet und Befehl gegeben, diese die ganze Nacht hindurch lodernd zu erhalten. Das Floß, auf dem wir über den Fluß gesetzt hatten, war von unsern Indianern zerstört worden, die Bäume trieben die Fluthen hinunter, vom Strome fortgerissen.
So waren alle Vorkehrungen getroffen, einem Ueberfall, wenn er etwa erfolgen sollte, zu begegnen, zumal auch unsere Artillerie Befehl erhielt, nicht auszuspannen, ebenso wie sämmtliche Reiterei ihre Pferde gesattelt anbinden mußte, ihnen Futter abschneiden und vorwerfen. Eine Stunde später als sonst wirbelte der Zapfenstreich durch's Lager, und Jedermann, die Posten ausgenommen, begab sich zur Ruhe.
Unsere Befürchtungen gingen jedoch glücklicherweise nicht in Erfüllung, denn unsere Nachtruhe ward durch nichts, als durch das ferne, widerliche Geheul der Schakale unterbrochen, woran wir aber schon so sehr gewöhnt waren, daß uns dies nicht im mindesten störte. Kurz vor Tagesanbruch waren wir bereits Alle wieder auf den Beinen, und während wir unsere Frühkost besorgten, recognoscirten unsere Reiter das feindliche Lager. Sie fanden dasselbe nun völlig abgebrochen, so daß kein Zweifel übrig blieb, daß die Feinde weiter gezogen waren – doch wer konnte wissen, in welcher Richtung.
Auch unser Zug setzte sich in gewohnter Ordnung wieder in Bewegung. Der Marsch ging nicht gerade aus, sondern gegen Südwesten, wohin sich die Prairie mehr und mehr erweiterte und nur selten mit einzelnen Baumgruppen besetzt war, die, Oasen gleich, zerstreut im Grasozean dastanden.
Als es Abend wurde, befanden wir uns noch mitten auf der unabsehbaren Grasflur, auf der wir uns wieder wie gewöhnlich einrichteten. Nur blieben auch diese Nacht die Posten verdoppelt und die Wachtfeuer unterhalten, weitere Vorsichtsmaßregeln wurden aber nicht angeordnet. Denn da wir den ganzen Tag hindurch, obwohl wir nach allen Seiten hin Aussicht gehabt und scharf umhergespäht hatten, nirgends eine Spur von den Comanches wahrgenommen, so brauchten wir auch nicht wegen eines Ueberfalles durch die gesammte Streitmacht der Feinde besorgt zu sein, die jedenfalls in meilenweiter Entfernung sich niedergelassen haben mußte. Höchstens konnten einige Streifcolonnen uns beunruhigen, die dann leicht zurückzuwerfen sein würden.
Dieses traf auch ein, allein anders und ernsthafter, als wir erwartet hatten. Um Mitternacht vernahmen zwei unserer wachsamen Vorposten ein dumpfes Geräusch, ähnlich dem Pferdegetrappel, und da der Mond im letzten Viertel mit mattem Scheine die Prairie etwas erhellte, so war es ihnen möglich, sich zu überzeugen, daß sie sich nicht getäuscht hatten. Zwei Reitertrupps schlichen vorsichtig heran. Sie schienen es aber nicht auf einen Angriff abgesehen zu haben, denn als sie sich unseren Posten auf Lanzenwurfweite genähert hatten und diese sie mit lautem Rufe anriefen, wandten sie sich rasch um und sprengten mit verhängtem Zügel davon.
Die Wachen meinten nun, die ungebetenen Gäste, die sie nicht einmal genau hatten erkennen können, ob es Comanches oder andere Indianer gewesen, würden, weil sie unsere Posten alert gefunden, nicht wiederkehren. Sie unterließen es daher, Allarm zu machen und wollten die Meldung des an sich unbedeutenden Vorfalls bis auf Morgen versparen. Leider aber gereichte diese Schonung unserer Nachtruhe uns zum Nachtheil, so daß wir es nachher schmerzlich bedauern mußten, nicht sogleich allarmirt worden zu sein. Denn kaum war nach der erzählten Annäherung der beiden feindlichen Reitertrupps eine Stunde verstrichen – der Mond war inzwischen untergegangen, und da der Himmel bewölkt war, die Prairie völlig finster geworden, – als sich das kurz vorher von unseren Wachen vernommene Geräusch noch stärker als zuvor wiederholte. Unsere wackeren Reiter horchten, es näherte sich ihnen etwas; am dumpfen Ton des Hufschlags der Pferde merkten sie, daß es eine nicht ganz unbedeutende Abtheilung Reiter sein müsse. Sie riefen die Herankommenden an, und da sie nicht augenblicklich Antwort erhielten, sandten sie einen Trompeter ins Lager, der sofort Allarm blies. Rasch war alle Mannschaft unter den Waffen, die Mehrzahl unserer Reiter zu Pferde, die Artillerie bei den Geschützen versammelt, die Infanterie unter Gewehr. Aber inzwischen hatten die Comanches schon einen Angriff gemacht. Sie hatten sich in weit ausgedehnter Linie auf die Posten gestürzt, und als diese nach schwacher Gegenwehr zurückwichen, waren sie ihnen gefolgt. Unfehlbar würden sie nun über uns alle hergefallen sein, und hätten in dem beschränkten Raum des Lagerplatzes, der die zu unserer Vertheidigung nothwendige Entfaltung unserer Streitkräfte hinderte, leichte Arbeit gehabt, wenn nicht die Wagen gewesen wären. Ihre Aufstellung aber bewies sich als vollkommen geeignet, einen ersten feindlichen Anlauf abzuhalten. Sie standen so dicht neben einander, daß die Deichsel des einen zur Hälfte zwischen die Hinterräder und unter den Wagenkasten des andern hindurchgeschoben war, und bildeten so eine improvisirte Mauer, welche ein Reitertrupp, zumal wenn er unvorbereitet darauf stieß, nicht so leicht durchbrechen oder übersteigen konnte. Die Pferde der Comanches prallten vor der Wagenburg zurück, und da nun unsere angegriffenen Posten sich auf die Artillerie zurückgezogen hatten, wo sie den Commandeur trafen, dem sie kurz Bericht erstatteten, so war diese zuerst im Stande, für die Vertheidigung wirksam aufzutreten. Sie fuhr in der rechten Flanke des Feindes auf. Einige wohlgezielte Schüsse brachten ihn in Verwirrung. Beim Schein von Leuchtraketen, welche die Artilleristen sogleich steigen ließen, übersah der Commandeur den Schauplatz, er ertheilte seine Befehle. Die Kartätschen schmetterten ihre tödtlichen Kugeln unter die indianischen Reiter, hinter den Wagen heraus entluden die Infanteristen ihre Büchsen auf sie. Das Krachen der Kanonen, von denen jede drei Schüsse in der Minute that, das Knattern des Gewehrfeuers, das Aufsteigen der Raketen brachte einen solchen panischen Schrecken über die Comanches, daß sie eilends die Flucht ergriffen. In einer halben Stunde war alles vorüber.
Leider hatten wir den Verlust von zwei Mann zu beklagen, auch waren mehrere Pferde getödtet. Es schien, als wenn die Feinde hauptsächlich auf die Thiere ihre Lanzenwürfe und Pfeilschüsse gerichtet hätten, weil sie dann glauben mochten, leichter mit den Männern fertig werden zu können. Aber auch die Comanches waren nicht ohne Einbuße davongekommen. Wir fanden bei Anbruch des Tages auf dem Schauplatz des Angriffes mehrere getödtete Pferde, die noch vollständig aufgezäumt waren. Ob deren Reiter auch gefallen oder nur verwundet oder gar nicht getroffen wurden, ließ sich nicht ermitteln, da es Sitte dieser Rothhäute ist, nicht bloß die Verwundeten, sondern auch jeden gefallenen Kameraden, selbst mit Gefahr des eigenen Lebens, mitzunehmen und keinen Leichnam der Ihrigen auf dem Schlachtfelde liegen zu lassen.
Der Tag nach diesem Ueberfall ward uns als außerordentlicher Rasttag gewährt. Wir bestatteten unsere Todten mit militärischen Ehren. Unsere Indianer mußten ein Kreuz aus Holz anfertigen, was wir auf dem Grabhügel aufrichteten. Mögen Stürme, Fluthen, Prairiebrand und alle übrigen verheerungssüchtigen Ereignisse der Grasflur das Zeichen der Erinnerung an die in ehrlichem Kampf gefallenen Kameraden schonen! –
Wir waren jetzt schon beinahe drei volle Wochen auf dem Marsche, den wir nicht sehr beeilt hatten, und näherten uns mit jedem Tage den Niederungen des Rio Grande, wo wir das Lager der Hauptarmee vermutheten. Am folgenden Mittag, wo wir eben unsere bescheidene Mahlzeit hielten, traf eine kleine Abtheilung nordamerikanischer Dragoner, welche zwei Bagagewagen mit sich führten, bei uns ein. Sie überbrachten unserem Commandeur Colton den Befehl des Generals Taylor aus dessen Hauptquartier, im Fort Croß am Rio Grande, unseren Marsch möglichst zu beschleunigen, um so bald als möglich zur Hauptarmee zu stoßen, da man wahrscheinlich in Kurzem einem ernstlichen Kampfe mit den Mexikanern entgegensetze. Dieser Befehl erging an die Führer aller Corps von Freiwilligen, welche sich auf dem Marsch durch die Prairie befanden, daher die Dragoner, nachdem sie sich ihres Auftrags bei unserem Hauptmann entledigt, und während wir ihnen unsere Abenteuer, insbesondere unser Zusammentreffen mit den Comanches erzählten, ausgeruht und ihren Pferden die nöthige Ruhe gegönnt hatten, sich wieder aufmachten und den Weg zogen, den wir gekommen waren, um noch anderen Corps zu begegnen und ihnen dieselbe Ordre wie uns mitzutheilen.
In Folge dieser Ordre gehörten die letzten Tage unserer Wanderung durch die Prairie keineswegs zu den angenehmsten. Die Zeit unserer Märsche ward verlängert, dafür die Zeit der Nachtruhe verkürzt, und um uns die allerdings zeitraubende, aber dennoch willkommene Arbeit, für jede Nacht unsere Zelte aufzuschlagen, zu ersparen, schliefen wir abwechselnd zwei Nächte unter freiem Himmel, und nur die dritte ward uns verstattet, die Zelte aufzurichten. Auch ward uns jetzt erst der fünfte Tag zum Rasttag vergönnt.
Durch diese Abänderung unserer Marschordnung gewannen wir freilich drei Tage, obwohl auch manche unserer Kameraden den vermehrten Strapatzen erlagen. Statt nach zwölf Tagen, stießen wir jetzt schon nach neun zur Hauptarmee, von der wir jubelnd empfangen wurden.
Das Heer des Generals Taylor, mit dem er, wie oben erwähnt wurde, zuerst auf der St. Josephs-Insel gelandet war, setzte am 18. August 1845 über die Corpus Christi-Bai, und betrat am rechten Ufer der Mündung des Nueces wieder das Festland. Es war hier, östlich vom Rio Grande, ein streitiges Gebiet, von dem die Mexikaner behaupteten, es gehöre ihnen, während Texas und Nordamerika es als einen Theil des erstgenannten ansahen. Der General ließ bei dem Orte Corpus Christi ein befestigtes Lager aufführen, von dessen Wällen das Sternenbanner der Union wehte, und ward darin nicht von den ihm am jenseitigen Gestade des Rio Grande gegenüber liegenden mexikanischen Truppen gestört. Im Herbste erhielt sein Corps mehrfache Verstärkungen, so daß es Anfang März 1846 ungefähr auf die angeordnete Stärke von 2500 Mann gebracht worden war.
Um nicht länger müßig zu bleiben, wiewohl er es mit einem weit zahlreicheren Gegner zu thun hatte, der aber bis jetzt ihn noch nicht beunruhigt, geschweige denn förmlich angegriffen hatte, suchte General Taylor einen Zusammenstoß mit dem Feinde herbeizuführen. Er verließ sein Lager mit drei Brigaden und wendete sich südwärts gegen Punto Isabel und Matamoras, wohin eine ziemlich wegsame Straße durch einen sonst öden, namentlich an Wasser armen Landstrich führt. Nach anstrengenden Märschen, die durch das nothwendige Mitschleppen großer Proviantvorräthe bedeutend erschwert wurden, traf die Avantgarde am 28. März Matamoras gegenüber ein, welches der mexikanische General Mejia mit etwa 3000 Mann besetzt hielt. Taylor selbst war seinem Heere bis Punto Isabel vorausgeeilt, wo er im Geleit einiger Dragoner am 24. März einzog, um die Depots zu besichtigen und Anordnungen zu treffen, das Lager mit frischem Proviant zu versorgen. Schon nach zwei Tagen sandte er 40 Wagen mit Lebensmitteln ab, und nachdem er hierauf selbst wieder zu seiner Armee zurückgekehrt war, ließ er Matamoras gegenüber Verschanzungen aufwerfen. Gegen Ende April waren diese Werke vollendet und mit 25 Kanonen schweren Kalibers besetzt. Man nannte dies befestigte Lager Fort Croß.
Unterdessen wurden Verhandlungen mit dem mexikanischen General gepflogen, die aber zu keinem Resultate führten. Man bedrohte sich gegenseitig, ohne die Drohung zur Ausführung zu bringen, daher auch keiner auf die Forderung des andern einging. Auch die Mexikaner arbeiteten an Schanzen, und feindliche Rancheros machten von Zeit zu Zeit Streifzüge in die Nähe des Fort Croß, hoben auch einige amerikanische Patrouillen, die zum Recognosciren ausgesandt waren, theilweise auf, ein Angriff aber erfolgte von keiner Seite.
Inzwischen begannen aufs Neue im Lager die Vorräthe sich ihrem Ende zu nähern, und der General sah sich genöthigt, auf die Herbeischaffung anderer Bedacht zu nehmen. Der Transport von Punto Isabel bis zum Fort Croß war sehr gefährlich, weil überall die Wagen überfallen und weggenommen werden konnten. Von dem rechtzeitigen Eintreffen der Zufuhr hing aber die fernere Existenz des gesammten Heeres ab. Deßhalb begab sich Taylor mit dem größten Theil der Besatzung des Fort Croß, also fast mit seiner ganzen Armee, auf den Marsch nach Süden, und ließ nur soviele Soldaten im Fort zurück, als zur Bedienung der Geschütze und zum Beziehen der Posten durchaus nothwendig waren. Ein Infanterieregiment und zwei Compagnien Artillerie unter dem Commando des Majors Brown erhielten Befehl, das Fort unter allen Umständen zu vertheidigen und zu halten. Die Braven thaten ihre Schuldigkeit, denn als General Taylor zurückkam, hatte die kleine Besatzung eine Beschießung, welche mit mehreren Unterbrechungen im Ganzen 160 Stunden währte, muthig ausgehalten, wobei leider der wackere Major Brown, außer zwei untergeordneten Offizieren, getödtet wurde. Die Zahl der Verwundeten belief sich auf zehn Mann.
Die Armee, welche sich nach Punto Isabel begeben hatte, war aber nicht geringeren Bedrängnissen ausgesetzt, die sie gleichfalls muthig überwand. Am 5. Mai, wo die Mexikaner den Angriff auf Fort Croß eröffneten, war man in Punto Isabel, wohin man, ohne vom Feinde beunruhigt zu werden, gelangte, eifrig damit beschäftigt, Proviantwagen zu beladen. Der Wind führte den Kanonendonner vom Fort herüber, und am folgenden Tage traf eine Depesche ein, welche die Beschießung meldete. General Taylor beschleunigte nun das Ausladen der Lebensmittel, so sehr er konnte, gab Befehl, die begonnenen Befestigungsarbeiten des kleinen Seehafens rasch zu vollenden, und indem er mehrere Abtheilungen neu angekommener Rekruten als Besatzung daselbst zurückließ, trat er am 7. Mai mit einem Train von 300 Wagen seinen Rückmarsch an. An der sicheren Führung dieser zum Theil mit Munition, vornehmlich aber mit Proviant beladenen Wagen lag ihm alles, weßhalb er entschlossen war, sie bis zum letzten Blutstropfen zu vertheidigen. Er war dazu nach wenigen Tagen schon gezwungen, und führte seinen Vorsatz mit ebensoviel Entschlossenheit als Umsicht aus, wie wir im weiteren Verlauf unserer Erzählung sehen werden. –
Unser Corps von Freiwilligen, dessen fernere Schicksale ich nach dieser kurzen, in den Zusammenhang eingreifenden Mittheilung nun weiter berichte, bis zu dem Augenblick, wo ich die Fahne verließ, um auf meine Farm zurückzukehren, war Ende April in Fort Croß angelangt. Unsere Reiter waren den vier Compagnien Dragoner beigeordnet, welche damals noch dort lagen, unsere Infanteristen und Artilleristen den gleichnamigen Waffengefährten, die dort cantonnirten. So wurden wir freilich von einander getrennt, trafen indeß wieder näher zusammen, da wir den beschriebenen Zug nach Punto Isabel und dessen Rückkehr nach Fort Croß mitmachten.
Unsere noch etwa achtzig Mann starke Reiterei, deren Pferde denen der Dragoner an Gewandtheit und Leichtigkeit überlegen waren, bildete auf diesem Zuge nach Punto Isabel und von dort zurück die Avantgarde. Wir ritten der übrigen Cavallerie, welche in geschlossenen Gliedern folgte, mehrere hundert Schritte weit voran, in kleine Haufen vertheilt, mit dem Auftrage, das Terrain vor uns in der Breite einer englischen Meile sorgfältig zu recognosciren und auf der Stelle, sobald wir etwas vom Feinde bemerkten, dem General, der neben den Dragonern ritt, davon Meldung zu machen.
Früh Morgens am 8. Mai stießen wir auf den Feind, der sich in einer für ihn günstigen Stellung hinter einer trockenen Sandebene aufgestellt hatte, die wir zu passiren beabsichtigten. Die Gegend war eine völlig ebene Fläche, auf welcher einzelne größere und kleinere Gehölze zerstreut lagen. Man nannte sie Palo alto.
Sobald General Taylor von uns davon benachrichtigt wurde, sprengte er selbst dem Zuge voran und überzeugte sich mit Hilfe seines Fernrohrs von der kampfbereiten Aufstellung des mexikanischen Heeres. Er ließ darauf unsere gesammte Armee hinter einer jener Hölzungen halten, sandte Tirailleurketten zur Deckung in die Ebene vor und ertheilte Befehl zum Abkochen. Gegen zwei Uhr Nachmittags war die Bagage und der übrige Train aufgefahren, die Pferde rückwärts gewendet, um im Falle einer Niederlage nicht erst genöthigt zu sein, umzuwenden. Dies war der werthvollste Theil unseres Zuges, daher der General denselben mit aller Vorsicht zu decken bemüht war. Zwei Compagnien Dragoner, zusammen reichlich 100 Mann, und zwei Infanterieregimenter umstellten die Wagen. Die Cavallerie nahm in der Front Position, die Infanterie hielt die Flanken besetzt. Dann ertönte das Signal zum Aufmarsch in Colonnen, voran die Geschütze. Reichlich tausend Schritte vor dem Feinde ward Halt gemacht: aber die Amerikaner griffen nicht an. Im Centrum der Schlachtordnung hielt der General mit seinem Stabe, die berittenen Freiwilligen wurden hinter der Front vom linken bis zum rechten Flügel vereinzelt aufgestellt, um die Befehle des Generals den einzelnen Truppenabtheilungen während des Gefechtes zu überbringen. Ich kam dadurch in unmittelbare Nähe des Stabes, und ward so Zeuge des Kampfes von einem Standpunkt aus, wo man diesen am besten übersehen konnte.
Eine Viertelstunde nach unserem Aufmarsch begannen die mexikanischen Geschütze uns den Schlachtgruß entgegenzudonnern, und es entspann sich nun, da auch unsere Artillerie vorging und den Gruß erwiderte, ein Geschützkampf, dem die Infanterie müßig zusah. Nach Verlauf von fast zwei Stunden traten die Mexikaner aus ihrer gedeckten Stellung hervor und machten gleichzeitig auf unsere beiden Flügel einen Angriff, wozu sie um so mehr ermuthigt werden mußten, als ihre Truppen noch einmal so stark an Zahl waren, als die unsrigen. Gleichzeitig chockirte ihre Reiterei gegen unser Centrum, ward aber durch den Kartätschenhagel, den unsere braven Kanoniere ihnen entgegensandten, so nachdrücklich abgewiesen, daß sie, mit Zurücklassung vieler Todten und Verwundeten, in Unordnung wieder umwendeten und das Weite suchten. Hinter der Front ihrer Infanterie, über deren Köpfe hin die auf einem Hügel aufgefahrene Artillerie lebhaft zu feuern fortfuhr, sammelten sich die Reiter wieder, umritten nach kurzem Ausruhen ihren linken Flügel und versuchten, eins der bei dem Park aufgestellten Infanterieregimenter zu werfen. Dieses aber ließ, ohne einen Schuß zu thun, die Reiter so nahe herankommen, bis jeder Soldat Mann und Roß aufs Korn nehmen konnte; dann erfolgte eine Salve nach der andern, und die mexikanischen Reiter wurden auch hier genöthigt, sich mit starkem Verluste zurückzuziehen.
Unterdessen wurde unser linker Flügel von der feindlichen Infanterie hart bedrängt, daher General Taylor, weil jetzt kein erneuter Angriff auf unsere Bagage bevorstand, die vor derselben haltende Cavallerie zur Hilfe herbeizog. In enggeschlossenen Gliedern warfen sich die Dragoner in vollem Galopp der fort und fort nachdrängenden feindlichen Infanterie entgegen, sprengten deren Kette und zwangen sie zum Rückzuge. Unser rechter Flügel hatte ohne weitere Unterstützung den matten Angriff des linken Flügels der Feinde zurückgewiesen, so daß nun die gesammte Schlachtlinie der Mexikaner hinter ihrer anfänglichen Stellung sich wieder festzusetzen suchte, während die unsrige, die um keinen Schritt breit zurückgedrängt war, stehen blieb, wo sie von Anfang an aufmarschirt war.
Das Gefecht kam jetzt zum Stehen. Die Artillerie feuerte noch eine Zeit lang auf beiden Seiten, dann aber schwieg der Donner der Geschütze, und auf den noch eben wilden Tumult der in großer Erbitterung mit einander kämpfenden Truppen folgte eine unheimliche Stille. Das Gras der Prairie brannte lichterloh zwischen beiden Schlachtlinien. Man war genöthigt, einen breiten Streifen auszureißen, um dem ferneren Umsichgreifen des Brandes Einhalt zu thun. Dieser Akt der Selbsterhaltung beschäftigte fast eine Stunde lang beide Heere, die noch vor Kurzem alles angewandt hatten, sich gegenseitig zu vernichten.
Der Kampf hatte drei Stunden gedauert. Die Sonne stand ihrem Untergange nahe. Da ließ General Taylor, der bisher nur die Defensive gehalten hatte, zum Angriff blasen. Unser rechter Flügel, welcher am wenigsten gelitten hatte, ging im Sturmschritt vor, flankirt von Tiralleuren. In demselben Augenblicke schwenkte die Hälfte unserer Artillerie und fuhr gegen den rechten Flügel des mexikanischen Heeres auf. Ihre wohlgezielten Schüsse demontirten mehrere feindliche Geschütze, deren Zahl ohnehin geringer war, als die unsrige. Ein Choc mexikanischer Reiter auf unsere Batterien ward abgeschlagen. Die Infanterie brachte durch ihren unerschrockenen Angriff einige Verwirrung in das feindliche Centrum, und da nun auch die Flügel nicht mehr recht Stand halten wollten, sondern sich aufzulösen begannen, konnte General Taylor mit Recht das Gefecht als beendet und den Sieg von seinen braven Truppen errungen ansehen. Er ließ daher den Kampf abbrechen, um nicht die Kräfte seiner Truppen unnöthigerweise zu ermüden. Es war das erste ernstliche Zusammentreffen mit dem Feinde gewesen, und dieses hatte demselben gezeigt, wie wir ihm, wenn auch nicht an Zahl, so doch an Muth, Ausdauer und geschickter Führung nicht nur gewachsen, sondern überlegen waren. Wir bivouakirten während der Nacht auf dem Schlachtfelde, auf dem wir unsere ersten Lorbeeren gewonnen hatten. Unser Verlust betrug einige vierzig Mann an Todten und Verwundeten.
Die Prairie gewährte während der ersten Stunden der Nacht einen imposanten Anblick. Ueber die weite Ebene wölbte sich der dunkle, zum Theil mit Wolken bedeckte Nachthimmel. In den Zwischenräumen zwischen den grauen, vom Winde gejagten Wolken funkelten auf tiefblauem Hintergrunde die zahllosen Sterne. Die hellsten unter ihnen schienen ein so starkes Licht auszustrahlen, daß man versucht sein konnte, bei seinem Glanze wirklich einzelne Gegenstände unterscheiden zu wollen. Hell loderten die Bivouacfeuer und warfen zitternde Streiflichter auf die von Pulverdampf geschwärzten Männer, welche im Kreise um sie umherlagerten, um nach der heißen Arbeit des Tages erquickender Ruhe zu genießen. Neben ihnen glänzten die in Pyramiden aufgestellten Gewehre, welche von den Feuern bestrahlt wurden. Lustige Lieder erklangen aus kräftigen Männerkehlen, die Kochkessel brodelten, und geschäftig liefen die Marketender hin und her, um die Soldaten zu bedienen. Am fernen Horizont flammten die Wachtfeuer der Mexikaner, und da der Wind von ihnen her zu uns herüberwehte, so vernahmen wir von dort den Ruf der Patrouillen und das Lärmen der nach dem Kampfe dem Genuß sich hingebenden Truppen. Die Ebene zwischen ihnen und uns war theilweise noch von einem glühenden Schein geröthet, es war der letzte Rest des durch das Geschützfeuer entzündeten Prairiebrandes, der nun allmählich sich gänzlichem Erlöschen näherte. Von dem Schlachtfelde selbst, auf dem die noch unbestatteten Leichname der Gefallenen lagen, tönte das widerliche Gekrächze der Aasgeier, deren Schwärme sich auf den Leichnamen niedergelassen hatten, um ihren Hunger an dem eklen Fraße zu stillen. Es war ein grauenhafter Gedanke zu wissen, daß sie nicht bloß die Cadaver der Pferde zerfleischten, sondern auch an den menschlichen Leichnamen die Schärfe ihrer Schnäbel und die Kraft ihrer Krallen erprobten. Der Schakal leistete ihnen Gesellschaft, denn auch sein Geheul drang bis zu unseren Ohren. Auf derselben Stätte, wo am Tage die Menschen in Haß und Erbitterung Tod und Verderben wider einander geschleudert hatten, hielten jetzt beutesüchtige Raubthiere eine schonungslose Nachlese unter denen, die unschuldige Opfer des grausamen Vernichtungskampfes geworden waren.
In der Frühe des folgenden Tages, am 9. Mai, bestatteten wir 400 gefallene Mexikaner, deren Waffen unsere einzigen Siegestrophäen ausmachten. Gefangene zu machen war eigens untersagt worden, da es uns an Mannschaft fehlte, für deren Bedeckung zu sorgen. Einige Ueberläufer hatten sich während der Nacht bei uns eingefunden, und aus ihrem Munde erfuhren wir, daß die feindliche Armee 5000 Mann stark gewesen, und daß es verlautet habe, man wolle noch in der Nacht Verstärkungen herbeiziehen und am folgenden Tage den Angriff erneuern.
Diese Aussage ging in Erfüllung. Den amerikanischen Truppen ward der Vormittag des 9. Mai noch zum Rasten gegönnt. Erst um zwei Uhr Nachmittags brach die gesammte Heeresmasse auf in derselben Ordnung, wie sie gestern auf dem Schauplatze des Zusammenstoßes mit den Mexikanern angelangt war. Je weiter man vorrückte, um so eher glaubte man auf das feindliche Heer zu treffen, es war aber verschwunden. Noch vor Tagesanbruch, oder doch bald nachher, mußte es seine Stellung verlassen haben. Erst nach einstündigem Marsche brachten die vorausgesandten Reiter die Meldung, daß in geraumer Entfernung die Ebene sich zu einer ziemlich jäh abfallenden Thalschlucht vertiefe, wahrscheinlich einem trocken gelegten Flußbette, an dessen jenseitigem Gestade, unter dem Schutz einer Waldung, der Feind eine starke Position genommen habe. Mitten durch das Thal laufe eine Verschanzung, hinter welcher mehrere Kanonen aufgefahren seien. Nachdem General Taylor sich von der Richtigkeit dieser Angaben durch den Augenschein überzeugt hatte, gab er der ihm unterdeß nachgerückten Marschkolonne Befehl zum Angreifen. Der linke und der rechte Flügel mußten eine Schwenkung seitwärts machen, um auf bequemerem Pfade, als geradeaus möglich war, in die Thalschlucht hinabzusteigen. Dem Wagenzuge ward befohlen, langsam dem rechten Flügel nachzurücken, und wenn er den Boden des Thals erreicht habe, wieder anzuhalten, bis neue Ordre zum Weitermarsch eintreffen würde.
Unser linker Flügel gerieth zuerst in's Gefecht. Die Infanterie bildete hier die Avantgarde, die Dragoner folgten, indem sie den schweren Geschützen, welche den Fußsoldaten Unterstützung gewähren sollten, zur Deckung dienten. Der General befand sich selbst auf diesem Flügel, da er von diesem die Entscheidung des Kampfes erwartete. Die mexikanische Infanterie, welche den Angriff annahm, sah sich bald durch ein wirksames Pelotonfeuer außer Fassung gebracht, und retirirte nach dem Walde, wo sie von der Reserve aufgenommen wurde. Als die schweren Geschütze aus weiter Ferne ihr Feuer auf die Verschanzung eröffneten, schwiegen nach einzelnen Schüssen die mexikanischen Kanonen, da sie einsehen mochten, daß ihre Kugeln unsere Artillerie nicht erreichen konnten. Dennoch gelang es nicht, die Batterie aus den Schanzen herauszutreiben oder ihre Geschütze zu demontiren. Es wurde nicht einmal wesentlich Schaden zugefügt, da unsere Zwölf- und Achtzehnpfünderkugeln nur in den Erdwall einschlugen. Dieses unnütze Schießen mißfiel dem General. Er ritt an den Hauptmann, der die Dragoner befehligte, heran, und mit dem Säbel nach den Schanzen zeigend, sagte er zu ihm: »Dort steht die feindliche Batterie, Sir, reitet einmal hinüber und nehmt sie!« Flugs trabten die Dragoner vorwärts. Als sie an der letzten Biegung des Weges angekommen waren, wo eine bis dahin noch unthätig gebliebene amerikanische Batterie in verdeckter Stellung stand, rief der Major, der sie commandirte, dem Hauptmann, als er eben zur Attaque blasen lassen wollte, zu: »Wartet ein wenig, Sir, laßt mich ihr Feuer erst herauslocken!« Die Geschütze donnerten, und sogleich antworteten die mexikanischen Kanonen. Mitten durch den Pulverdampf sprengten die Dragoner fort, und ehe noch die mexikanischen Artilleristen Zeit zum Laden gewinnen konnten, hieben sie schon auf sie ein. Es entstand ein Kampf Mann gegen Mann, die Batterie ward genommen, und ihr Commandeur fiel sammt den Geschützen den Siegern in die Hände.
Während dieß auf unserm Flügel vorging, womit hier der Kampf entschieden war, trieb der rechte Flügel die ihm entgegengesandte Reiterei durch ein wohlunterhaltenes Gewehrfeuer aus einander. Sie stob in wilder Flucht von dannen. Darauf griffen die Soldaten eine Batterie, welche sie mit ihren Kartätschen belästigte, so stürmisch mit dem Bajonnet an, daß sie in wenigen Minuten sie erobert hatten.
Nach so schweren Verlusten hielt der feindliche General es für gerathen, sein Centrum, welches am Saum der Waldung hinter den verlornen Schanzen aufgestellt war, schleunigst in's Dickicht zurückzuziehen, um die Flüchtigen und Versprengten aufnehmen und seinen Rückzug decken zu können. Diesen trat er dann mit einer solchen Hast an, daß nur noch wenige Schüsse gewechselt werden konnten. Er wendete sich südlich gegen Matamoras und führte den Rest seiner Truppen auf Flößen und fliegenden Fähren über den Rio Grande. General Taylor sandte ihm eine Abtheilung Dragoner, eine Batterie leichter Geschütze und ein Infanterieregiment zur Verfolgung nach, welche aber bei einbrechender Dunkelheit der waldreichen Gegend wegen, die namentlich die Pferde am Fortkommen hinderte, bald wieder umzukehren genöthigt waren.
Dieser vollständige Sieg – denn ein solcher war es, der heute bei Reseca de la Palma erfochten wurde – kostete uns 3 todte und 12 verwundete Offiziere, 36 todte und 91 verwundete Mannschaften. Des Feindes Verlust war natürlich weit beträchtlicher, seine Truppen völlig entmuthigt, und schon acht Tage später, am 18. Mai, marschirte General Taylor, ohne Schwertstreich, in Matamoras ein, welches die Mexikaner am Morgen desselben Tages geräumt hatten.
Am folgenden Tage, den 19 Mai, traf unser Heer in Fort Croß ein, wo es jubelnd empfangen wurde. Die tapfere Besatzung, welche sich so wacker gewehrt hatte, konnte sich nun von ihren Strapatzen erholen. Zum Andenken an ihren gefallenen Commandeur ward das Fort für die Zukunft »Fort Brown« genannt, wie ein Tagesbefehl des Generals, worin er die Besatzung für ihre bewiesene Ausdauer belobte, es vorschrieb.
Ich war in dem Gefechte vom 9. verwundet worden. Eine Musketenkugel hatte mir die Schläfe gestreift, und einen Theil meines linken Ohrs mit weggenommen. Obwohl die Wunde äußerlich unbedeutend erschien, so nöthigte mich doch die durch den Streifschuß verursachte Erschütterung meines Kopfes, für eine Zeitlang den Dienst zu verlassen. Während ich nun nur aus der Ferne den Waffenübungen meiner Kameraden zusah, und das Leben, in welches ich in den letzten Wochen mich selbst bewegt hatte, jetzt, nun es an mir vorüberwogte, ohne mich selbst in seine Strömungen mit hineinzuziehen, vorurtheilsfreier betrachten konnte, ward ich von einem so großen Widerwillen gegen dasselbe erfüllt, daß ich bei meinem Vorgesetzten um meine Entlassung einkam. Meine Lust nach Abenteuern war befriedigt, die Gräuel des Schlachtfeldes, deren Zeuge ich gewesen, hatten mir den Soldatenstand für immer verleidet. Gern opferte ich allen Anspruch auf das, was mir in meinem Patent versprochen worden und war froh, als ich endlich, nach wiederholter Verzögerung meines nachgesuchten Abschiedes, denselben erhielt. Ich begab mich auf der nun sicheren Straße, im Geleit eines kleinen Trupps, der mehrere Kranke escortirte, nach Punto Isabel, wo ich mich auf einem nach Neu-Orleans zurückkehrenden Transportfahrzeuge einschiffte.
Unser Marsch durch die Prairie, der das einzige, aber nicht durch unsere Schuld herbeigeführte Zusammentreffen mit den Comanches ausgenommen, harmloser Art war, bleibt eine der angenehmsten Erinnerungen meines Lebens. Die Gefechte, welche ich mitmachte, bilden den tragischen Schluß einer an sich munteren Begebenheit: ein Bild des menschlichen Lebens überhaupt, in welchem der Lust das Leid nachgehinkt kommt.