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Ich war so traurig, daß ich meine Finger In Erde grub, und war so traurig, daß ich Des Himmels Fröhlichkeit nicht mehr erkannte; Mein Wille schlief – Genoßne Freuden maß ich Mit einem Maß, dem Qual die Zahlen nannte, Es dünkte mich mein Leib ein niedrer Zwinger, Darein man mich gleich einem Raubtier bannte, Und Durst schlug mich, zu enden meine Leiden, Mich meines Menschtums lässig zu entkleiden. 52 |
Als die Fackeln an des Tages Küste Überwuchert wurden von den Schatten, Die wie eines Traums geheime Lüste Wuchsen in ein ungeheures Leben, Kor ich einen Felsen mir zum Gatten – Und ich neigte meine Frauenbrüste Auf des Steines kühlentsproßne Moose, Wildem Todesschauer hingegeben: »Nehmt mich hin, ihr eisesgrauen Quadern, Und befreit mich von dem Menschenlose, Und befreit mich von den roten Adern, Die dem Geist nicht mehr gehorchen wollen!« »Komm,« so klang der Fels im Donnerrollen, »Gib dich mir, denn was da Fleisch und beinern, Ich umfang' es, um es zu versteinern!« 53 |
Doch als im Kreis der Falke strich, Da ward ich müd des nächtigen Frostes, Und köstlich überkam es mich Wie Schaum und Kraft des jungen Mostes; Des Vogels Schwinge stand im Blau Wie ein verwunschnes Riff im Meere, Mein Leib am Stein hing fahl und grau Und schämte sich der Erdenschwere. 54 |
Zum Falken sprach ich: Meine Seele bettet In dich sich und das Wunder deiner Schwingen; Nicht mehr nur Wollen, sondern im Vollbringen Zerreißt sie kühn die Fessel, die sie kettet. Enthülle mir die Fülle deiner Reize, Du Zierlichkeit, du schimmerndes Gefieder! Tiefdurstig stürze ich in dir mich nieder, Ein schneller Sieger bei der Reiherbeize! 55 |
War es nun Traum? Und war es nicht vielmehr Ein Morgenfest, ein Tanz voll hoher Feier? Mein Fittich schwoll so warm und lebensschwer, Und unter mir entflammten Wald und Weiher! Das Licht entquoll der weißen Bergeswand Und stand, ein Gott, auf aller Welten Schwelle; Mir eignete ein Auge voller Brand, Hinlodernd über Fels und Moor und Welle. Das Opfer sah ich, das am Wiesenrand Für meine Göttlichkeit bereitet war Und stürzte nieder auf den Schilfaltar; Allein im Sturz traf meuchlerischen Mutes Mich eines Menschen Kugel in die Kehle, Und ganz im Schmucke königlichen Blutes Vertaumelte ich meine Vogelseele. 56 |
Welle bin ich geworden, Ströme dunklen Gesang, Töne an steinernen Borden, Blut der Erde, entlang. Töne, verströme und sinke, |
Nun will ich blühen – sang ich – auf der Wiese, Die bunt sich bauscht an steinigen Uferbänken, Steht eine Genziane, und in diese Will ich die Stachel meiner Seele senken; Ich will mich tief in ihren Kelch verwühlen Und ihren Wurzeln meine Säfte schenken . . . Denn wissen muß ich, wie es ist, zu fühlen, Wenn Erde speist und Tau und Regen tränken! 58 |
Der Blüte Rausch ist schmal wie eine Spalte Erlechzten Lichtes zwischen Kerkermauern – Ihr Tag ist es nicht wert, daß man ihn halte, Noch tiefer laßt mich in das Dunkel schauern! 59 |
Beibt denn im Wurm, der Staub und Erde frißt, Bleibt denn im weißen Kleid der Totenmade Nicht doch die Seele ewig, wie sie ist, Stets durstig nach der lauteren Sonnengnade? In blinder Sehnsucht nach dem großen Licht Dem Dunkel sich in neuer Form entraffend Und, ständig kreisend in des Daseins Pflicht, Der Gottheit neue Ewigkeiten schaffend? – 60 |
Sprich, meine Seele, ist es nun genug? Und willst du nun ein lichter Bronnen sein? Sieh, dieser Menschenleib ist wieder dein, Und dein ist der Gedanken Wanderflug! Dein ist die Welt! – In deinen Spiegel falle |