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»Marquise, Ihr habt recht: Ich bin nicht schön, So Ihr die warmbelebte Bronzeschönheit Der feinen Knaben Donatellos meint; Nach diesem häßlichen, verkrümmten Rücken Wölbt sich in Sehnsucht keine schmale weiße Verheißende und kundige Frauenhand – Und darum – sagt Ihr – kann kein Band sich schlingen Von Euch zu mir. Denn jene einzige Brücke Von Mensch zu Mensch, auf der Ihr wandeln lerntet Wie auf dem grünen Sammet Eures Parkes, Auf der Ihr kühl und sicher wandeln lerntet, Besteht aus Fleisch, aus jungem straffem Fleisch! Sie baut sich auf in reifen Mondesnächten, Wenn Licht und Fülle sich den Lüsten paart, Und baut sich auf in schwülen Mittagsstunden, Wenn Eure Taxusbüsche Duft und Würze Durch alle Adern Eures Parkes hauchen . . . – Marquise, Ihr spracht wahr: ich bin nicht schön Und habe drum das holde Recht verwirkt, Mit Euch auf Eurem Brückenpfad zu wandeln. Allein, es dünkt mich, meine schöne Dame, Es sei nicht allzuschwer, ihn zu beschreiten! Denn sehet nur, auf eben jener Brücke Tanzt Eure Zofe auch – und selbst das kleine Verträumte Mädchen, das Ihr nie beachtet, Wenn es am Flusse Euer Linnen schweift, Und dem Ihr hoch und stolz vorüberrauscht, Vermag mit seinen groben braunen Händen Sie aufzubau'n und wieder einzustürzen. – 20 – Ich aber, den Ihr krumm und häßlich scheltet, Auf dieser meiner Brücke sollt Ihr schreiten! |
Und vor mir lag ein Meer von edlen Steinen! Es war der Kunst des Juweliers gelungen, In seltnem Farbenspiele sie zu einen. Sein Fenster strahlte in die Dämmerungen Und wie euch Männer wohl der Stolz verläßt, So tauchte meine Seele in die Welt Doch wie die Augen, in die Glut gebannt, Sie stürzte sich in all die Lichtgedanken, Wie Stachel wuchs fuchsrotes Haar auf ihr, Ein Drache war sie in dem Kreis des Schönen, Noch immer faßt' ich die Erscheinung kaum, Doch wo in mattem Thränenglanz sich runden Und atemlos hör' ich mit einem Male, »– Ich frage dich, ob du gesehen hast, Ob du gesehn hast, wie den Brudersteinen Du sahst es, und du duldetest es doch? Du weißt mich in Gewalt des rohen Bösen, – Ich starrte in sein helles grünes Licht Ich könnte ihn auf meinem Herzen tragen Allein bin ich denn eine von den Frauen, O nein! Ich kann nur blaue Blümchen pflanzen Nichts bringt es ein, den Pegasus zu reiten, Oh, eine Flasche Sekt genügt da schon, »Drum, herrlicher Smaragd, ich muß es leiden, Ihr klaren Steine, wenn ich doch nur wüßt', Wohl kauft sich jegliche Erkenntnis teuer, Ich leuchte auch und frage nicht für wen.« |
Der Gott der warmen Herzen trug sie fort Ins Paradies, jenseits von Ort und Zeit, Und als er sie verließ, sprach er dies Wort: »Hier seid ihr gegen jeden Sturm gefeit! Ich bin nicht wie der neidige Gott der Sage, Bei mir hier ist euch nichts verboten – seht Den Lebensbaum, von dem euch ohne Plage, So viel ihr wollt, stets zur Verfügung steht; Und vom Erkenntnisbaum nicht erst zu reden! Das wahre Paradies fängt doch erst an, Wo auch Erkenntnis nicht entgöttern kann! Probt Baum an Baum; ich gönn' euch einen jeden. Genießt bewußt! Sperrt eure Lust nicht ein, So wird euch alles hier zu Willen sein! –« – Und damit schied er. Kaum war er gegangen, So sahen sie von güldnen Früchten sich Lockend umtanzt und schelmisch überhangen; Wohin sie griffen, keine Frucht entwich, Und alle waren voll und schwer zu fassen. Da schwelgten sie, gleich übermütigen Kindern, Gleich Schmetterlingen, die im Taumel eins Und wußten sich vor Fülle nicht zu lassen – Allein mit einmal, mitten in dem Plündern, Schaut eines seltsam fremd dem andern nach: Bist du mein Traumbild, oder bin ich deins? Wer ist es, der das Schöpferwort hier sprach, Und wer ist hier als Schöpfung anzusehen? Denn eine Einheit sind nur diese zwei; 26 Geschöpf und Schöpfer leben wohl gemeinsam, Allein der Schöpfer selbst ist immer einsam. – Und an dem breiten Lebensbaum vorbei, An all den Lüsten, die in Reife stehen, Vorüber schweift der Blick erwartungsvoll Nach etwas, das sich offenbaren soll Und schwebt im Raum, unstet und wandelbar . . . Und in dem Garten der Behaglichkeiten Beginnt unhörbar schon das Geierpaar Der Sehnsucht seine Schwingen zu entbreiten. 27 |
Die Brücke wölbte sich in breiter Pracht, Und unter ihren weiten Bogen rannen Die nimmermüden Wasser in die Nacht, Entlang dem Wall der starren Ufertannen. Am letzten Brückenpfeiler, hoch und weiß, Die Eine sprach: »Als du mich hieltest, hing Es hatte mich ein Mann so schmerzlich lieb, Sieh diesen Schoß! Ich hab' ihn oft verflucht, Umsonst – mich schien der Sonne Strahl zu fliehn, – Die Andre sprach: »Als ich dich rettend hielt, Du jammerst, daß dein Loos so bitter war? Nie durfte er des eignen Seins sich freu'n, Doch als ich heute ihn im Spiegel sah, Da grauste mir! Mein Blut empörte sich, Und meiner Kinder hab' ich nicht gedacht, – – – – – – – – – – – – – – – 29 Ein Morgenstreif! – Betrogen waren zwei Nun wird er kommen als der Sensenmann, Die Brücke stand im letzten Mondlicht stumm, |
Es sprach das Tuch, und seine Blumen brannten In buntem Flor: »Das war ein Tag, wo wir uns noch nicht kannten; Die Orgel rauschte, und der Jungfrau'n Chor Schwoll froh und jubelnd zum Altar empor. Denn Ostern war es – Frühling ohnegleichen! Am Kirchentor die knospenhelle Linde Doch plötzlich schrie die alte Kirchenpforte, ›Was hältst du, Pfaffe ohne Sünd und Fehle, Was zwingst du sie in kaltem Heiligtume Ein Schrei erstarb auf rotem Mädchenmunde, Es reckten Fäuste sich, und Stimmen grollten: Der greise Priester aber, schlicht erhaben, Pocht hart der Sturm an eure niedern Hütten, Und weiter sprach der Greis, vom Geist getrieben, Tritt näher, Sohn! Gott gibt durch seinen alten Tritt näher, Mägdelein! In starken Flammen Und atemlos verharrte rings die Menge . . . So sprach das Tuch, das ich vor langen Jahren |
(Aus der Sammlung Erotische Epigramme von Clément Marot)
Ich bin nicht mehr, der ich gewesen Und werd' es nimmer wieder sein; Mein Sommer ohne Federlesen Sprang meinem Frühling hinterdrein. Eins aber weiß ich: Du allein, O Liebe, hast mir Glück gegeben! Und lebt' ich noch einmal dies Leben, Es wär' noch schrankenloser Dein! 34 |
(aus Molière: Misanthrope)
Und gäb' mir der König Paris, Paris, seine goldene Stadt, Und wollt', daß ich jene verstieß', Die mein Herz in den Händen hat; Ich spräch: »König Heinrich, nimm hin, Nimm hin deine goldene Stadt, Weil ich selig bei der lieber bin, Die mein Herz in den Händen hat!« O du Liebe, du Meine du! 35 |
(nach einem alten Volksliede)
Lüttj Ding will heiraten, Hat niemand, der ihr kann beiraten, Hat niemand, der ihr kann abraten, Lüttj Ding will nicht mehr zuwarten. Lüttj Ding sagt: Hohe Zeit, Hohe Zeit, hohe Zeit, Lüttj Ding muß heiraten! Lüttj Ding will ein Kind kriegen, Lüttj Ding will sich tothärmen, Lüttj Ding will wegsterben, |
Eine Welle beichtet dem grauen Strand: »Heut hab' ich ein Kind überrannt! Sorglos schlief es auf schimmerndem Stein, Und der verwitterte Strand, der lacht: Da raschelt ein Boot: »Daß ich's nur berichte, Ich hab' sie nur immer für mich behalten, Ein junges Paar hab' ich neulich getragen, Grad, als sie sich küßten, das könnt ihr euch denken, Der Strand brummt: »Es waren zwei schöne Leute, |
Und schleicht in das Dörfchen die Nacht sich hinein, Dann werden die Hütten so runzlich und klein, Dann spricht alles Blut vom Tage sich los Und sinkt dem Schlaf in den bleiernen Schoß, Dem Schlaf in den bleiernen Schoß. Nur draußen, im letzten steinernen Haus, Und siehe, dann regt es sich weit und breit Und die winzigen Flammen geben nicht Ruh', Wie blutige Tropfen sind sie zu schau'n, Dann starrt ein verwitterter Kopf in die Nacht, Und alle die Flämmchen sind jählings gebannt, Und eine dunklere sagt: »Ei was, |
Liebe Puppe, Wohlfrisierte kleine Puppe, Wie hast du es leicht! Du wendest das Köpfchen Nach rechts und nach links, Du lächelst, du schmollst, Du weinst, du lächelst, Und wenn man dich aufzieht Am Knopf des Gefühlchens, Des einzigen kleinen Dir eignen Gefühlchens: Der Liebe zu dir, Zu dir, kleine Puppe, So tänzelst du zierlich Und neigst dich dankend Dem Schwarm deiner Freunde, Und äugst unter seidnen Gebogenen Wimpern, Ob du ihn nicht siehst, Den schmerzlich ersehnten, Ergebenen Diener, Der an dem Knöpfchen Des einen Gefühlchens Dich liebevoll aufzieht Bis an dein Ende, Dein Puppenende . . . . 41 Wir aber, entartet Und vielfach geschmäht, Wir andern, wir Ernsten, Wir Dunklen, wir Schweren, Wir Trägerinnen Geheimen Wissen Wir Deuterinnen Uralter Runen, Wir keuchen und brechen Fast unter der Last Des gnädigen Schicksals, Das sie uns gab, Unsre sehende Seele, Von der du nichts weißt. – O liebe Puppe, Wohlfrisierte kleine Puppe, Wie hast du es leicht! 42 |
Der Samowar summt in der kleinen Stube, Und Frauenwort schwingt sanft durch schlichten Raum: »Ach du – ich glaube doch, es wird ein Bube!« – – Und aus dem Worte blüht ein Zukunftstraum. Und sieh! Mit leisem, fröhlichem Gelächter |
Wenn um dich her die fahle Gasse schweigt, Der Tag vor dir sein Haupt zur Erde neigt Und die Gedanken schlummern mit der Lust, Dann kommt im Grau, dir selber unbewußt, Der Augenblick, wo alles bildhaft wird, Wo du im Garten deines Selbst verirrt Und von dir selber los und unbeschützt Wie aus dem Rahmen einer Leinwand trittst. Du gehst, und eine andre Zeit ist da, |
(Parmenides)
Wie die wilden Rosse jagen, Meiner Pulse wilde Rosse, Die die dunklen Wünsche tragen! Und die dunklen Reiter fragen: Wo bleibt unsrer Lust Genosse? Aber aus vergilbten Blättern Staunend sehen meine Reiter Endlich klärt sich das Gewühle: |
Hüte dich, wider den Tag Die suchende Seele zu kehren, Weil es geschehen mag, Daß sich die Schatten empören. All dein Dunkles gewinnt Deine Geheimnisse steh'n |
Nacht und Schweigen! Töchter der unbekannten Gleichen Mutter! Ewig verknüpft, doch seltsam Fremd der Menschheit bleibt das Geheimnis eures Wesens und Ursprungs. Doch wir fühlen, schauernd den Dunkelheiten Wenn ich wandle, unter mir stille Gründe, Kranken Seelen, die da verschmachten, aber |
Zwischen lauter bunten Dingen, Trödlerkram und Putz und Tand, Tempelleuchtern, Ketten, Ringen, Humpen und Toleder Klingen Träumt ein grauer Bücherstand. Nun, er ist nicht überlaufen! Doch sieh da! Wieviel Kollegen – Dein gedenk' ich, Wilhelm Raabe! |
An mein Fenster pocht es sacht, Pocht und schlägt mit dunklen Flügeln; Veilchenfarben fließt die Nacht Von den herben Heidehügeln. »Wer ist's,« frag' ich wartestill, »Tue auf, ich bin die Zeit, Tue auf und sieh mich an! Ob auch du dich fest verschanzt – Draußen überschwemmt die Nacht |