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Elftes Kapitel

Johnsson als Postillon d'amour – Frau Enbergs Sorgen.

Johnsson wanderte gemächlich zwischen Stall und Scheune hin und her. Niels war in die Stadt gefahren. Lars harkte den Sand und gab während dieser Arbeit kein Wort von sich. Es war ganz unmöglich, ein kleines Plauderstündchen zu halten.

In Ermangelung von etwas Besserem sprach nun Johnsson zu sich selbst. Er hatte schon beträchtlich viel Porter getrunken und war infolgedessen in mitteilsamer, phantasievoller Stimmung. Aber zugleich war er recht ärgerlich, weil niemand seiner Weisheit lauschen wollte. Nicht einmal ein dreckiger Knecht oder eine schlampige Stallmagd war zu sehen, die er hätte anschreien können. Sonntag, Gott bewahre – da müssen sie in den Wäldern und Feldern herumstrolchen und sich abschmatzen. Sssackerlot! Sollte man sie nicht in die Kirche treiben wie die Herde in den Pferch! Dann gäbe es weniger ledige Kinder, und im Himmel würden mehr Ehen geschlossen –

Sieh da! Kam da nicht ein Kerl mitten durch die Mistlache gestampft? Kam geradeswegs aus dem Walde, und das Mädel hatte sich wohl irgendwo in die Büsche geschlagen. Denn so dumm konnte der doch nicht sein, daß er allein auf die Weide ging.

Johnsson lehnte sich breitbeinig an die Stalltür, den Wacholderstock stieß er in den Boden.

»Wer bist du, du Dummkopf?«

»Ich bin Axel,« sagte der Junge.

»Axel. Ich kenne fünfhundert Schafsköpfe dieses Namens. Welcher davon bist du?«

»Ich bin Axel aus dem Fischerdorf,« sagte der Junge.

»Wer in drei Teufels Namen hat den Björkenäsern das Recht gegeben, ohne hohe obrigkeitliche Erlaubnis den Boden von Rogershof zu betreten?«

»Das wird doch nicht verboten sein,« sagte der Junge und versuchte an dem Alten vorbeizukommen, der mit dem Stock durch die Luft fuchtelte. »Seien Sie doch nicht so, Herr Johnsson.«

»Ja, ich bin Herr Johnsson,« sagte der Alte mit einer gewissen Hoheit. »Titulartafeldecker, ganz wie Se. Gnaden Titularkammerherr ist. Besteht ein Unterschied, so ist es wohl der, daß ich Lohn bekomme und Se. Gnaden nicht, verstehst du, du Lümmel? Übrigens bin ich derjenige, der mit der hohen Ermächtigung des gnädigen Barons und Kammerherrn die Aufsicht über die Weibspersonen des Hofes führt. Wenn du also in derartiger Absicht kommst, du Lümmel – dann hast du dich an die richtige Adresse gewendet.

Was ist also dein Anliegen, Jüngling?«

»Ich habe einen Brief an die – an die Blenda. Vielleicht könnte Herr Johnsson einem behilflich sein –«

»Verfluchter Tölpel, die? Die! Sprichst du von einem liederlichen Frauenzimmer? Oder sprichst du von Sr. Gnaden erst kürzlich anerkanntem Fleisch und Blut, gewissermaßen sozusagen einem adeligen Fräulein –?«

Axel aus dem Fischerdorf schien in den Standesunterschieden offenbar nicht genau orientiert. Aber einen Brief an Blenda von Jakob hatte er, und nach vielen Wenn und Aber wurde vereinbart, daß Johnsson ihn übernehmen und der Junge im Stall auf die Antwort warten sollte. Denn Antwort mußte er haben, hatte Jakob gesagt.

Johnsson, urplötzlich in einen postillon d'amour verwandelt, stolzierte jetzt mit großer Würde am Stall vorbei, hinauf durch die Allee in den Hof. Hie und da ließ er ein heiseres: »Fräulein Blenda!« hören und winkte eifrig mit dem Brief. Aber auf dem Hof war keine Blenda zu sehen, und Johnsson, der erkannte, daß eine Suche im ganzen Gut und den umliegenden Gegenden sich überaus zeitraubend gestalten würde, hielt sich klüglich an das Zentrum und umkreiste langsam die Kastanie, indem er in regelmäßigen Zwischenräumen die Frage ausstieß:

»Ist Fräulein Blenda da?«

»Was willst du von Blenda?«

Johnsson machte Halt, stieß den Stock in den Boden und glotzte zur Fassade des Hauptgebäudes hinauf. Ei, ei, stand da nicht der Wüterich, Herr Per, am Fenster?

Johnsson verbeugte sich fast ironisch tief und sagte:

»Ich habe in aller Ergebenheit die Ehre, Fräulein Blenda einen Brief von Herrn Jakob überreichen zu wollen.«

»Warte, ich nehme ihn,« sagte Per und verschwand vom Fenster.

Aber so dumm war Johnsson nicht.

»Warte, sagt die Kuh – dann kriegst du neue Schuh –« murmelte er ein etwas obskures Zitat. Und ehe Per noch die Treppe herabgekommen war, war der Alte schon im Inspektorflügel verschwunden.

»Johnsson? Wo bist du hingekommen?«

Der Alte kicherte vergnügt, ihm war der vortreffliche Gedanke gekommen, den Vogel in seinem Nest zu suchen.

Er tappte durch den halb dunklen Flur, kratzte an den Türen, brummte und fluchte über die geizige Enberg, die in ihrem dunklen Loch nicht einmal Licht brannte. Eine Tür auf! Ja – jetzt hatte er wirklich Dusel gehabt – da saß Blenda.

Sie saß vor ihrem kleinen Spiegel und frisierte sich.

»Was in drei Teufels – steht das kleine Fräulein jetzt erst auf?« rief er in aufrichtiger Verwunderung.

Blenda war sehr verlegen.

»Was haben Sie da zu tun, Johnsson? Sind Sie schon wieder betrunken?«

»O nein, Fräulein Blendachen, wenigstens nicht der Rede wert. – Ja ja, da sieht man, daß man ein Fräulein geworden ist. Frisiert sich am helllichten Tage!«

»Hören Sie mal, Johnsson, wenn Sie jetzt nicht aufhören, dann gehen Sie lieber.«

»Ausgeschlossen, ausgeschlossen, daß der alte Johnsson es am Respekt fehlen läßt! Hier hat die kleine Gnädige einen Brief von Jakob – Sssackerlot – von Herrn Jakob muß ich wohl jetzt sagen!«

»Er braucht sich gar nicht mit Herr und Fräulein zu bemühen – wo hat Er den Brief her?«

Johnsson berichtete ausführlich und mit vielen Ausschmückungen, wie er ihm zu Händen gekommen war. Er berichtete auch, und zwar mit großer Genugtuung, von Herrn Pers mißlungenem Wegschnappungsversuch und schloß:

»– Aber meine Gans stiehlt der Fuchs nicht! Das merkt man schon, daß der ein Auge auf das kleine Fräulein geworfen hat.«

Blenda lachte, – lachte so herzlich sie konnte. Im tiefsten Herzen war sie sehr ärgerlich.

»Meint er mit der Gans mich, Johnsson?«

»Ach woher denn! Aber wäre ich an Jakobs Stelle, ich würde, mit Respekt zu sagen, des Nachbars Schwein seinen Rüssel nicht in meinen Trog stecken lassen. Aber natürlich, dieser verrückte Siedel zieht mit ihm herum und knallt nach Enten.«

»Ja, gehen Sie nur, Johnsson! Ich werde Axel schon selbst die Antwort bringen.«

»Wie das gnädige Fräulein befiehlt! Gehorsamster Diener.«

Johnsson zog sich zurück, stolz, überaus zufrieden mit sich selbst. Er hätte wirklich gern gewußt, ob noch jemand hier im Haus solche Verbeugungen machen konnte wie der alte Johnsson. Höflich, so daß sie förmlich trieften, aber dennoch vernichtend. Ja geradezu vernichtend! Hol mich der Henker – Sssackerlot – Vickberg vielleicht? Der magere Zahnstocher! Nein, nein, vom alten Johnsson konnte mancher noch so manches lernen!

Hochaufgerichtet, von diesem angenehmen Bewußtsein geschwellt, wanderte er majestätisch durch den Hof, trat in den Dienerschaftsflügel und riß die Tür zum großen Saal auf.

»Guten Tag, guten Tag, ihr guten Leute!« begrüßte er Frau Enberg, Toni und Vickberg herablassend.

»Welche Versammlung in Gottes Haus! Ein Spielchen gefällig?«

»Geh Er in sein Zimmer, Johnsson. Er sollte sich schämen, am Sabbat des Herrn wie so'n Gespenst herumzugeistern –«

»Gespenst, kleine Frau? Hören Sie mal, mischen Sie sich nicht in die Angelegenheiten eines Junggesellen –«

»Ja, eigentlich müßte man auf Johnsson aufpassen wie auf ein kleines Kind.«

»Aufpassen, kleine Frau? Passe Sie lieber auf Ihre Mädels auf, das rate ich Ihr. Öffnet man die erste beste Jungfernkammer, so findet man das Mädel vor dem Spiegel mit dem Kamm im Haar. Sich um vier Uhr nachmittag kämmen – ist das Schick und Brauch? Sssackerlot! Das will ich nur sagen: wer sich um vier Uhr kämmt, der geht noch vor dem Abend aufs Eis tanzen. Jetzt weiß es die kleine Frau –«

»Hat Er schon wieder mit den Mägden scharmuziert?«

»Mägde? Ja schließlich ist ein jedes Mädchen eine Magd. Im übrigen hatte man die Ehre, einem frischgebackenen Fräulein namens Blenda seine Aufwartung zu machen. Und dann ist da noch ein gewisser Herr Per. Aber welcher Zusammenhang zwischen Fräulein Blenda und dem Kamm und Herrn Per besteht, das soll die kleine Frau nur selbst herausbringen. Der alte Johnsson ist viel zu schangtil, um das zu verraten –«

Vermutlich hätte der alte Johnsson dies und noch viel mehr verraten, wenn Toni nicht plötzlich aufgesprungen wäre, den geschwätzigen Alten beim Kragen genommen und ihn vor die Türe befördert hätte, die er krachend zuschlug. Johnsson fluchte und polterte mit dem Stock, aber die Gewaltmaßregel hatte offenbar einen abschreckenden Eindruck auf ihn gemacht, denn so allmählich tappte er die Treppe zu seiner Kammer hinauf. –

»Vielen Dank, Herr Toni. Es ist zu greulich, ihn in diesem Zustand zu sehen.«

»Er ist sehr unverschämt, wenn er betrunken ist,« sagte Toni.

Vickberg seufzte.

»Johnsson war immer ein Tölpel.«

»Aber um auf unser Gespräch zurückzukommen, muß ich wirklich bedauern, daß Jakob es für gut befunden hat, gerade heute Rogershof zu verlassen. Die Enten in Tanninge werden ihm wohl nicht davonfliegen. Und es wäre meiner Ansicht nach Jakobs unabweisliche Pflicht, wenigstens ein paar Wochen in Rogershof zu bleiben, um seinem Wohltäter die Dankbarkeit zu zeigen, die er ihm in so hohem Grade schuldet.«

»Ja, Herrgott ja, –« seufzte Frau Enberg, »was wird Se. Gnaden sich denken?«

»Als ich Jakobs Botschaft überbrachte, merkte ich allerdings kein Zeichen des Unmuts. Aber ich habe doch meine Gründe zu glauben, daß Se. Gnaden von Jakobs Vorgehen überrascht und peinlich berührt war. Und ich verstehe auch wirklich nicht, wie man so taktlos sein kann.«

»Ja, aber, Herrgott, er meint es ja nicht so schlimm!« suchte Frau Enberg ihren Sohn zu verteidigen.

Vickberg zuckte die Achseln. Toni sagte:

»Ich glaube, Jakob will nicht hier sein, solange die Dompropstin und Herr Hyltenius da sind.«

Frau Enberg schlug die Augen nieder.

»Warum glauben Sie das?«

»Ich weiß nicht, ich glaube es.«

Vickberg sagte langsam:

»Ja – ich glaube zu verstehen – worauf Toni anspielt. Aber wenn wir auch einige Symptome einer – hm – einer Neigung gemerkt haben sollten, und wenn auch das – das junge Mädchen – was mir noch unwahrscheinlicher vorkommt, diese Neigung erwidern sollte, so bin ich gleichwohl überzeugt, daß Herr Per ein allzu rechtdenkender, loyaler Charakter ist um – ja, es ist ja vielleicht taktlos, wenn ich mich so äußere. Aber ich glaube, wir denken alle drei dasselbe?«

»Ja, weiß Gott! Und eines ist sicher: Blenda ist eine ganz andere geworden, seitdem Herr Per in Rogershof ist. Ja, woran es nun eigentlich liegt, das kann ich nicht sagen. Aber sie ist nicht mehr dieselbe. Sie ist gar kein Kind mehr. Und heute ist sie wie ausgewechselt. Es kann ja vielleicht diese Geschichte von gestern abend sein – die diese beiden Windhunde angestellt haben –«

»Kann schon sein,« sagte Vickberg. »Es war wirklich ein überaus peinlicher Vorfall.«

»Gewiß. Aber ich verstehe nicht, warum das ihre Gefühle für Jakob ändern soll. Wie heute morgen zum Beispiel, als ich sie fragte, ob sie sich nicht darüber freute – über das Testament, wissen Sie, was sie antwortete? ›Jakob soll sich freuen, nicht ich.‹«

»Das hat sie gesagt?« fragte Toni.

»Ja, das hat sie gesagt. Nun, aber dann hat sie es wohl bereut. Ein bißchen später kam sie zu mir herein und sagte: ›Du kannst dir doch denken, Tante, daß ich mich riesig freue, daß Jakob es so gut haben soll!‹ Da sage ich: ›Aber du weißt doch, Blenda, es ist eine Bedingung an das Testament geknüpft?‹ Da wirft sie den Kopf so zurück und sagt: ›Ach Gott, das wird wieder eine von Onkels dummen Flausen sein!‹ Ja, denkt euch nur, so sagte sie!«

Vickberg strich sich über das glattrasierte Kinn und lächelte:

»Nun, nun, mein lieber Toni, sehen Sie nicht so bekümmert drein! Daß junge Mädchen ihre Launen haben, das wissen wir alle. Und wir wissen auch, daß man diesen Launen kein übertriebenes Gewicht beizulegen braucht. Aber was hingegen feststeht, woran man sich wirklich halten kann, das ist Sr. Gnaden in gesetzlicher Form niedergeschriebener und mit seiner Namensunterschrift und Siegel bekräftigter Wille. Dagegen bedeuten Mädchengrillen nicht viel, und danach haben wir uns zu richten –«

»In Ewigkeit amen,« sagte Fran Enberg. »Aber es ist noch nicht aller Tage Abend – jedenfalls finde ich, daß Sie noch nicht im Herbst fahren sollten, Herr Toni. Sie müssen doch erst bleiben und abwarten, wie alles kommt.«

Toni schüttelte den Kopf, aber ehe er noch antworten konnte, öffnete sich die Türe, und Blenda kam herein.

»Ach – könnte ich nicht mit dir sprechen, Tante – mit dir allein?«

Vickberg und Toni erhoben sich hastig und verließen das Zimmer. Blenda erschrak.

»Sind – sind sie böse? Sie sind so rasch fort –«

»Du hast sie doch gebeten zu gehen –«

»Ja – ich muß mit dir sprechen, Tante. Ich habe einen Brief von Jakob.«

»Einen Brief?« schrie Frau Enberg. Eine dunkle furchtbare Ahnung, daß Jakob durchgegangen sein könnte, vielleicht nach Amerika –

»Axel aus dem Fischerdorf hat ihn gebracht. Und er wartet auf Antwort. Aber ich weiß nicht, was ich antworten soll.«

Soso, dachte Luise, das weißt du nicht? Ja, von mir wirst du nicht klüger gehen, als du gekommen bist.

Sie konnte nichts dafür, das Mädchen flößte ihr einen förmlichen Abscheu ein. Sich zuerst an den Jungen zu hängen, gerade genau solange sie es nicht durfte. Und nun, wo der Baron in seiner Gnade sie so gut wie miteinander verlobt hatte, nun –

»Bist du mir böse, Tante?«

»Nein, Blendachen, warum sollte ich dir böse sein? Aber wenn Jakob dir schreibt und dir eine Frage stellt, so sollst doch du antworten und nicht ich. Bisher war es dir nicht so sehr darum zu tun, daß ich mich in eure Angelegenheiten mische.«

»Aber Tantchen – du kannst doch wenigstens den Brief lesen?«

Ja natürlich, das konnte sie. Und sie las:

 

Blendali, bist Du mir heute noch immer böse? Bist Du nicht böse, so komm heute abend in die Hütte! Ich erwarte Dich in der Lichtung, aber ich werde Dich nicht erschrecken, das verspreche ich Dir. Kommst Du also? Kannst Du heute abend durchaus nicht kommen, so komm morgen früh, sobald Du kannst. Und dann bleiben wir dort, bis all die Menschen fortgefahren sind. Komm, Blendali! Und verzeih, verzeih, verzeih – wenn Du das haben willst. – Schick die Antwort mit Axel. Er hat fünfzig Öre bekommen, damit er so rasch läuft, als er kann.

Jakob.«

 

Luise gab den Brief zurück; sie legte die Brille ab und trocknete sich die Augen.

»Was hast du, Tante? Bist du traurig?«

»Nein, nichts.«

Nach einer Weile sagte Blenda:

»Ich weiß nämlich wirklich nicht, was ich antworten soll. Er wird böse auf mich sein.«

»Macht dir das etwas?«

»Gewiß macht es mir etwas! Wie kannst du nur so fragen, Tante? – Aber du hast doch selbst gesagt, daß wir nicht in dieser Hütte wohnen dürfen. Die Leute könnten schlecht darüber sprechen.«

»Es ist das erstemal, daß ich merke, daß du darnach fragst, was die Leute sagen.«

Blenda flammte auf:

»Wenn man gehört hat, was ich hören mußte!

Übrigens hast du es mir doch gesagt. Hast du deine Ansicht geändert, Tante, dann –«

»Nein, das nicht,« antwortete Frau Enberg. Und traurig und müde fügte sie hinzu: »Ich verstehe nicht, warum Jakob solche Ideen haben muß.«

»Nein, das verstehe ich auch nicht. – Also was glaubst du, Tante, soll ich antworten?«

»Du mußt wohl antworten, daß das nicht angeht – am allerwenigsten jetzt, wo Gäste im Hause sind.«

»Ja, aber er wird so böse werden! – Wäre es nicht besser, wenn du selbst schreiben würdest, Tante, und es ihm sagen? Denn dann würde er ja einsehen –«

»– daß Mutter sich wieder hineingemischt und ihm den Spaß verdorben hat.«

»Ach, er weiß doch, wie gut du es meinst. Auf dich wird er nicht böse. Sag – könntest du nicht schreiben?«

»Ja ja – ich könnte schon –«

»Danke, liebe gute süße Tante! Wenn du wüßtest, was für ein Stein mir vom Herzen fällt. Ich kenne nichts Ärgeres, als wenn Jakob so böse auf mich wird –«

»Wirklich?«

»Jetzt laufe ich gleich in den Stall und schicke dir Axel herauf –«

»Ja – so bald braucht er nicht zu kommen. Ich muß doch Zeit zum Nachdenken haben.« –

Toni stand hinter seiner Tür und hörte Blenda gehen. Auf den Zehen schlich er sich über den Flur in den Saal.

»Nun?«

»Ach Herrgott, wie du mich erschreckt hast! Warum schleichen Sie denn so auf den Zehen?«

»Ich wollte nur wissen, was sie gesagt hat. Etwas über Jakob? – Warum weinen Sie, Luise?«

»Nein, es sind nur die Augen – sobald ich nur diese abscheuliche Brille nehme, tränen sie.«

»Was hat sie also gesagt? Etwas über Jakob?«

»Ach ja. Sie hat einen Brief von Jakob. Und ich soll darauf antworten. – Sie können ihn selbst lesen, Toni.«

»Sie sollen darauf antworten, Luise?«

Er nahm das Zettelchen. Mit blinzelnden Augen folgte er den Zeilen, langsam von Wort zu Wort gehend.

»Es ist schwer zu lesen,« sagte er. »Er will, daß sie zu ihm kommen soll?

Und darauf sollen Sie antworten, Luise?«

»Ja, ich soll ihm sagen, daß das nicht geht.«

»So-o.«

»Es ist ja meine Pflicht und Schuldigkeit.«

Toni legte das Papier in dieselben Falten, glättete es zwischen den Händen und überreichte es ihr.

»Ja. – Aber wenn es dem Jungen hier schlecht geht – wissen Sie, Luise, was ich dann tue? Dann nehme ich ihn mit. Dann nehme ich ihn Ihnen, Luise.«

»Ihn mir nehmen,« wiederholte sie. »Sie, Toni? Ja, wenn das nicht schon geschehen wäre –«


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