Alice Berend
Frau Hempels Tochter
Alice Berend

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In der Bombachschen Wohnung, wo jetzt für ein Kinderbett Raum geschaffen werden sollte, hatte jedes Stück seinen bestimmten Platz, unverrückbar und genau wie die Dinge der Weltordnung.

Eine feierliche Stille herrschte in ihnen zu allen Stunden. Die Klingeln waren durch Flanellbinden gedämpft, kein Fernsprecher bellte von der Wand. Herr und Frau Bombach liebten nicht zu schwatzen, und keinesfalls mit Leuten, die sie nicht vor Augen hatten.

Als Frau Hempel jetzt klingelte, um mit ihren 18 kräftigen Armen in die feste Ordnung der Wohnung zu greifen, rüstete sich Herr Bombach eilig zum Gehen. Ihn graute vor Gerumpel und Gepolter, diesen fürchterlichen Geräuschen des Unfriedens und Unglücks. Er schärfte dem Dienstmädchen und Frau Hempel ein, daß sie jede halbe Stunde nachfragen sollten, ob die gnädige Frau etwas wünsche, dann eilte er hinaus.

Als die erste halbe Stunde vorüber war, trabte Frau Hempel den Korridor entlang, klopfte an die Wohnzimmertür und trat auf Zehenspitzen ein.

Die gnädige Frau lag auf dem Sofa und sagte, daß sie nichts wünsche und wohl bald überhaupt nichts mehr brauchen werde auf dieser Erde.

Frau Hempel betrachtete das neue Silbertablett, auf dem eine Tasse Bouillon stand und dachte: so sollte es Laura einmal haben. Dann sagte sie: »Immer mutig, gnädige Frau,« und ging wieder hinaus.

Als Herrn Bombachs Bett in der Schrankstube stand und die weiße Wiege das Schlafzimmer noch freundlicher machte, kam Herr Bombach zurück und starrte mit entsetzten Augen auf diese rücksichtslose Umwälzung in Räumen, die zwanzig Jahre lang ihre Ordnung bewahrt hatten.

Frau Hempel meinte, daß sich Herr Bombach noch über manches wundern werde; und als der Hausherr auf ihre Frage, ob sie noch mehr umzuräumen habe, nur stumm und entsetzt abwinkte, beeilte sie sich davonzukommen.

19 Wer unter Menschen geht, erfährt etwas. –

Während Frau Hempels kräftige Hände in den roten Beeren wühlten, erzählte ihr die Köchin, die eine Gans rupfte, von einer Wahrsagerin, die ihr für fünf Mark ein langes Leben mit einer Menge Glück und Segen prophezeit hatte.

Frau Hempel hätte gern noch mehr davon gehört, aber man klopfte an die Küchentür und rief nach der Portierfrau.

Es war Graf von Prillberg aus dem Gartenhaus.

»Kommen Sie rasch, Frau Hempel, es tropft bei uns,« schrie er und rannte auf seinen grünen Filzschuhen voran.

Frau Hempel folgte ihm langsam.

Die Decke des gräflichen Wohnzimmers war feucht, und dann und wann löste sich ein Tropfen davon.

Frau Hempel zog ihren Kehlbraten so weit in die Höhe, als es ging, und sagte dann ruhig:

»Das muß Wasser sein.«

»Das muß nicht Wasser sein, aber das ist es leider,« schrie der Graf. »Ich zahle doch nicht meine teure Miete, um wie ein Frosch unter Wasser zu sitzen.«

»Teilen Sie das Herrn Bombach mit,« sagte Frau Hempel und ging.

Sie war ärgerlich. Nun mußte sie bis zur Straßenecke laufen und in der Speisewirtschaft an den Klempner telephonieren. Eine Mühe, ohne besonderen Lohn.

Als sie an ihrer Wohnung vorbeikam, steckte sie den 20 Kopf zum Fenster hinein und rief, daß beim Grafen ein Rohr geplatzt sei und sie den Klempner bestellen gehe.

Hempel erwiderte, daß alles einmal platzen müsse, und klopfte weiter.

Frau Hempel seufzte hörbar, schlug das Fenster zu und verließ das Haus. –

Die kleine Speisewirtschaft an der Straßenecke gehörte Kempkes, die seit sechzehn Jahren treue Nachbarschaft mit Hempels hielten. Aber seit einiger Zeit zog sich Frau Hempel von diesem Verkehr zurück. Kempkes Ältester hatte schon zweimal für Laura eine Flasche Himbeersaft gebracht, an die eine Rose gebunden war. Der Saft war gut und brauchbar gewesen, aber Fritz Kempke war kein Verehrer für Laura. Alles, was mit Alkohol zu tun hatte, war von Übel.

Als Frau Hempel den Schenkladen betrat, war zu ihrem Ärger nur dieser junge Mann anwesend, der sie sofort begrüßte und ihr den Weg zum Fernsprecher bahnte, wobei er sich nach Laura erkundigte und Grüße für sie auftrug.

»Ich spreche für Bombachs und nicht für uns,« sagte Frau Hempel ablehnend und ärgerte sich über eine große Krawatte aus roter Seide, die sicherlich Lauras Bewunderung erwecken sollte.

Als Frau Hempel wieder nach Hause kam, war auch Laura zurückgekehrt. Sie hatte schon den Tisch gedeckt, 21 des Vaters Werkstatt ausgefegt und siebte nun die Suppe durch.

Frau Hempel rührte noch eine kräftige Senfsauce an, und bald saßen sie um den Tisch. Die Gabeln und Messer klapperten, und die Backen kauten. Essen war eine Beschäftigung, bei der man nicht sprach.

Nur Laura sagte, wobei sie den Kopf zur Seite neigte:

»Wenn ich Luftschifferin werden könnte. Da fliegt man über die ganze Welt und kann die vornehmsten Bekanntschaften machen.«

»Das ist mir zu hoch,« antwortete Frau Hempel kurz und bündig.

Hier wurde das Mittagsmahl unterbrochen. Die Klempner waren gekommen und wollten wissen, wo sie arbeiten sollten.

Diese Störung kam Frau Hempel nicht ungelegen. Sie wünschte heute nicht mehr von Lauras Zukunft zu sprechen. Als sie die Senfsauce rührte, war ihr ein Gedanke gekommen. Sie wollte ebenfalls die Wahrsagerin aufsuchen.

Der eine hat das gelernt, der andere jenes. Vielleicht wußte eine solche Frau wirklich ein wenig früher als die andern, was geschehen würde. Wenn man das heraus hätte, müßte es leicht sein, das Rechte zu finden. Jedenfalls konnte man es versuchen. 22


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